Titel:
Kürzung der Dienstbezüge wegen Pflichtenverstößen im Kontext mit reichbürgerbezogenen Handlungen
Normenketten:
BayDG Art. 9, Art. 14 Abs. 1 S. 2, Art. 25 Abs. 2, Art. 55, Art. 63 Abs. 1 S. 1
BeamtStG § 33 Abs. 1 S. 3, § 34 Abs. 1 S. 3, § 47 Abs. 1
StGB § 22, § 23, § 240 Abs. 1
VwGO § 130 b S. 1
Leitsätze:
1. Ein Verstoß gegen die politische Treuepflicht, die als beamtenrechtliche Kernpflicht schon wegen ihrer Unteilbarkeit nicht auf den dienstlichen Raum be-schränkt ist, sondern auch das außerdienstliche Verhalten des Beamten betrifft, ist also wegen ihrer Dienstbezogenheit stets als Vergehen innerhalb des Dienstes zu werten. Demnach spielt keine Rolle, ob die pflichtwidrige Handlung am Dienstort und während der Dienstzeit oder außerhalb geschehen ist. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Begeht eine Lehrkraft, deren Aufgabe die Verwirklichung des in der Verfassung verankerten Bildungs- und Erziehungsauftrags und die glaubhafte Vermittlung der verfassungsrechtlichen Grundwerte ist, selbst Straftaten, die erkennen lassen, dass die freiheitlich demokratische Grundordnung nicht respektiert wird, wird damit nicht nur die persönliche Autorität der Lehrkraft beeinträchtigt, sondern es besteht darüber hinaus die Gefahr, dass Schulen in Bezug auf ihren Bildungs- und Erziehungsauftrag ihre Glaubwürdigkeit einbüßen. (Rn. 23 – 24) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Verletzung der beamtenrechtlichen Grundpflicht im Kontext damit, sich durch das gesamte Verhalten zur freiheitlich demokratischen Grundordnung zu bekennen und für ihre Erhaltung einzutreten, ist regelmäßig geeignet, eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu tragen. Distanziert sich eine Beamtin später aber hinreichend von reichsbürgertypischen Ansichten, kann die Disziplinarmaßnahme der Gehaltskürzung angemessen sein. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Lehrerin, Vertreten reichsbürgertypischer Ansichten, Versuchte Nötigung gegenüber Obergerichtsvollzieherin, Distanzierung, Reichsbürger, Versuchte Nötigung, Gerichtsvollzieher, Disziplinarmaßnahme, Kürzung, Dienstbezüge, Entfernung, Dienst, politische Treuepflicht, Pflicht zum gesetzesmäßigen Verhalten, Pflicht zum vertrauenswürdigen Verhalten, Beamtenverhältnis, Dauer, Strafbefehl, Beamter
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 15.04.2019 – M 19L DK 18.4273
Fundstelle:
BeckRS 2021, 47171
Tenor
I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Tatbestand
1
Auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung wird Bezug genommen, weil sich der Senat die Feststellungen des Verwaltungsgerichts in vollem Umfang zu eigen macht (§ 130b Satz 1 VwGO).
2
1. Auf die am 28. August 2018 erhobene, auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis gerichtete Disziplinarklage der Landesanwaltschaft Bayern hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 15. April 2019 gegen die Beklagte auf die Disziplinarmaßnahme der Kürzung der Dienstbezüge in Höhe von 1/10 für die Dauer von fünf Jahren erkannt. Das Disziplinarverfahren weise in formeller Hinsicht keine wesentlichen Mängel auf. Das Verwaltungsgericht legte der Beklagten die in seinem Tatbestand unter 2. dargestellten Schreiben zur Last, die auf Seite 8 bis 60 der Disziplinarklage eingescannt wiedergegeben sind. Die Beklagte habe das Schreiben vom 2. August 2015 und den „Vertrag über Schadensersatz und AGB (Allgemeine Geschäftsbedingungen)“ vom selben Tag selbst unterzeichnet. Sie habe daneben - jedenfalls überschlägig - Kenntnis auch vom Inhalt der weiteren Schreiben vom 15. Dezember 2014, 20.Januar 2015 und 31. Mai 2016, die lediglich ihre eingescannte Unterschrift trügen. Sie habe weiter die Umschläge beschriftet, mit denen die Schreiben vom 2. August 2015 und 31. Mai 2016 versandt worden seien. Dies habe sie in der Anhörung bei der Landesanwaltschaft Bayern und auch in der mündlichen Verhandlung angegeben. Damit habe sie sich der versuchten Nötigung in zwei Fällen strafbar gemacht. Das Gericht gehe - anders als die Landesanwaltschaft Bayern - davon aus, dass alle Schreiben tatsächlich von ihrem Ehemann erstellt worden seien. Die Beklagte gebe insoweit an, dass ihr Ehemann sich generell um finanzielle Dinge kümmere und ihr die Angelegenheit lästig gewesen sei. Er sei sehr dominant und sie habe sich um des Familienfriedens willen gebeugt. Dies entspreche ihrem Naturell; sie wolle es allen recht machen und könne nicht nein sagen. Das Gericht halte diesen Vortrag für glaubhaft. Die Beklagte habe ihre Angaben aus der Anhörung bei der Landesanwaltschaft Bayern in der mündlichen Verhandlung wiederholt und die familiäre Situation ansatzweise geschildert. Dabei seien sowohl die schwierige eheliche Beziehungskonstellation als auch ihr Schwanken zwischen Resignation und Hoffnung angeklungen. Bei dieser Ausgangslage erscheine es nachvollziehbar, dass sie ihr vorgelegte Schreiben nach nur grober Durchsicht und ohne größere Diskussion unterschrieben und verschickt habe, um eine weitere Auseinandersetzung oder eine Verschlechterung des ehelichen Verhältnisses zu vermeiden. Diese Aufgabenverteilung entlaste die Beklagte jedoch nicht wesentlich. Mit ihrer eigenhändigen Unterschrift unter das Schreiben vom 2. August 2015 und den „Vertrag über Schadensersatz und AGB (Allgemeine Geschäftsbedingungen)“ vom selben Tag habe sie sich deren Inhalt zu eigen gemacht. Gleiches gelte im Hinblick auf die anderen Schreiben, von deren Inhalt sie zumindest kursorisch Kenntnis genommen habe und die mit ihrem Dazutun versandt worden seien. Da ihr nach ihren Aussagen manche Äußerungen seltsam vorgekommen seien, ihr einige Begriffe nichts sagten und sie die hohen Schadensersatzforderungen in den AGB und in der Rechnung vom 31. Mai 2016 „absurd“ gefunden habe, hätte dringender Anlass bestanden, die an eine offizielle Stelle gerichteten Schreiben eingehend zu lesen und inhaltlich zu prüfen. Da sie dies unterlassen und die Versendung der in ihrem Namen gefertigten Schreiben nicht unterbunden habe, habe sie die darin enthaltenen Äußerungen jedenfalls unter billigender Inkaufnahme verlautbart. Die Indizwirkung des Strafbefehls vom 18. November 2016 sei damit im Hinblick auf den subjektiven Tatbestand nicht entkräftet.
3
Durch ihr Verhalten habe die Beklagte ein Dienstvergehen begangen. Sie habe gegen ihre politische Treuepflicht und gegen ihre Pflicht zu gesetzmäßigem sowie zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten verstoßen. Die Äußerungen der Beklagten in den genannten Schreiben begründeten einen Verstoß gegen die politische Treuepflicht aus § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG. Die vom Bundesverfassungsgericht insoweit aufgestellten Anforderungen seien nicht gewährleistet, wenn ein Beamter als Anhänger der „Reichsbürgerbewegung“ die Geltung des Grundgesetzes und die verfassungsmäßige Struktur der Bundesrepublik Deutschland in Frage stelle oder wenn er Äußerungen in diesem Sinne tätige, ohne Anhänger dieser Bewegung zu sein, oder wenn er - wie hier - Äußerungen eines anderen für sich annehme, ohne kritisch dagegen anzugehen. Das Bundesverfassungsgericht sehe es als „unverzichtbar“ für die politische Treuepflicht an, dass der Beamte „aktiv“ für den Staat und die geltende verfassungsrechtliche Ordnung „eintrete“. Dies sei nicht der Fall, wenn er - wie hier - staatsfeindliche Äußerungen jedenfalls überschlägig zur Kenntnis nehme und den anderen - aus welchen Gründen auch immer - gewähren lasse.
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Das Gericht verkenne dabei nicht, dass es sich bei der sog. „Reichsbürgerbewegung“ um keine homogene, streng zusammengehörige oder klar abgrenzbare Gruppe handele. Vielmehr umfasse die Bewegung mehrere, oft untereinander konkurrierende Gruppierungen in Deutschland, so dass nicht von einer geschlossenen „Reichsbürgerldeologie“ oder von einer spezifischen Weltanschauung gesprochen werden könne. Allerdings sei allen Anhängern gemein, dass sie die Existenz der Bundesrepublik Deutschland als legitimer und souveräner Staat bestritten. Sie behaupteten, dass das Deutsche Reich fortbestehe. Die Bundesrepublik sei nicht mit dem Deutschen Reich identisch, sondern völker- und verfassungsrechtlich illegal und de jure nicht existent. Sie sei kein Staat, sondern eine privatrechtliche Organisation, die keine hoheitlichen Befugnisse habe. Die Leugnung der Existenz der Bundesrepublik Deutschland bedinge, dass die „Reichsbürgerldeologie“ konsequent das Grundgesetz, die Gesetze und die Legitimität staatlicher Institutionen sowie ihrer Repräsentanten negiere. Sie zweifele die Rechtsgültigkeit von Verwaltungshandeln an oder ignoriere sie gänzlich, beispielsweise mit der Weigerung, Bußgeldzahlungen oder Rundfunkbeiträge zu leisten. Die Beklagte habe in ihren Schreiben, besonders in denen vom 2. August 2015 und 31. Mai 2016, mehrfach und durchgängig in unmissverständlicher Weise insbesondere zum Ausdruck gebracht, dass sie den Beitragsservice als Firma ansehe und diesem nicht beigetreten sei, die Legitimation der Obergerichtsvollzieherin und ihr hoheitliches Handeln nicht anerkenne, diese vielmehr als private Unternehmerin tätig werde, das Amtsgericht Nördlingen als Firma und dessen Direktor als „Hauptverantwortlichen“ ansehe und die Existenz der Bundesrepublik nicht anerkenne, indem sie von „sog. „BRD“ und ihren Bediensteten spreche. Hinsichtlich der Einzelheiten werde auf die detaillierte Darstellung in der Disziplinarklage verwiesen. Durch die Inhalte der Schreiben und die verwendeten reichsbürgertypischen Formulierungen habe die Beklagte ihre mit der freiheitlichen demokratischen Staatsordnung nicht im Einklang stehenden Staatsideen nachdrücklich zum Ausdruck gebracht.
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Für die Verletzung der politischen Treuepflicht komme es nicht darauf an, dass die in den vorgeworfenen Schreiben bekundete politische Überzeugung der Beklagten keinen Einfluss auf die Art der Erfüllung ihrer Dienstpflichten im Übrigen gehabt habe und es nicht zu konkreten Beanstandungen ihrer Dienstausübung gekommen sei. Neben dem Verstoß gegen die politische Treuepflicht begründe das Verhalten der Beklagten gegenüber der Obergerichtsvollzieherin weiter einen Verstoß gegen ihre Pflicht zu gesetzmäßigem (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG i.V.m. §§ 240 Abs. 1 bis 3, 22, 23, 25 Abs. 2 StGB) und zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 34 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG). Mit ihren Schreiben habe sie ihre mit der freiheitlichen demokratischen Rechtsordnung nicht vereinbare Gesinnung kundgetan und die Obergerichtsvollzieherin unter Hinweis auf ihre - so nicht bestehende - persönliche Haftung und Strafbarkeit unter Druck gesetzt.
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Das Fehlverhalten der Beklagten stelle sich dabei sowohl als inner- als auch als außerdienstliches dar. Der Verstoß gegen die Pflicht zur Verfassungstreue nach § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG begründe ein einheitliches innerdienstliches Dienstvergehen im Sinn von § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG. Die Pflicht zum Eintreten für die freiheitliche demokratische Grundordnung sei unteilbar und nicht auf den dienstlichen Raum beschränkt. Ein Verstoß gegen die politische Treuepflicht als verfassungsrechtlich verankerte Kernpflicht sei deshalb stets als Dienstvergehen innerhalb des Dienstes zu werten, selbst wenn die pflichtwidrigen Handlungen außerhalb des Dienstortes und der Dienstzeit verübt worden seien.
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Den Verstoß gegen die Pflicht zu gesetzmäßigem (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG) und zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 34 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG) sehe das Gericht als außerdienstlichen an. Der Schriftverkehr der Beklagten mit der Obergerichtsvollzieherin sei weder formell in ihr Amt noch materiell in die damit verbundene dienstliche Tätigkeit eingebunden gewesen. Als Dienstvergehen sei außerdienstliches Fehlverhalten von Beamten nach § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG dabei nur zu qualifizieren, wenn es nach den besonderen Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet sei, das Vertrauen der Bürger in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift seien hier erfüllt. Selbst bei der hier vorliegenden nur versuchten Nötigung liege der Strafrahmen bei einer Freiheitsstrafe von bis zu 27 Monaten (vgl. §§ 240 Abs. 1, 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 Nr. 2 StGB) und damit über einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren, die die Rechtsprechung als maßgeblich ansehe, damit ein außerdienstliches Fehlverhalten ein Mindestmaß an Relevanz überschreite und disziplinarrechtliche Bedeutung erlange.
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Die Beklagte habe die ihr obliegenden Pflichten dabei schuldhaft verletzt. Ihr sei vorsätzliches Handeln zur Last zu legen, weil sie die Verlautbarung der ihr vorgeworfenen Schreiben jedenfalls billigend in Kauf genommen und deshalb mit bedingtem Vorsatz gehandelt habe.
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Das festgestellte Dienstvergehen wiege schwer. Das Gericht komme dennoch zu dem Ergebnis, dass die Beklagte das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit nicht vollständig verloren habe und die Kürzung der Dienstbezüge im gesetzlich möglichen Umfang die angemessene Disziplinarmaßnahme darstelle. Da sich die Bemessung der Disziplinarmaßnahme vorrangig nach der schwersten Verfehlung richte, komme dem Gewicht des Verstoßes gegen die Pflicht zur Verfassungstreue hier richtungsweisende Bedeutung zu. Da die Variationsbreite der Verfassungstreuepflichtverletzungen zu groß sei, als dass sie einheitlichen Regeln unterlägen, gebe es zwar keine disziplinare Regelrechtsprechung. Dennoch erscheine bei der Verletzung der politischen Treuepflicht in der besonders schweren Form verfassungsfeindlicher Aktivitäten grundsätzlich eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis geboten. Die schuldhafte Missachtung der politischen Treuepflicht sei disziplinarrechtlich von erheblicher Bedeutung, weil die Einhaltung dieser Pflicht unverzichtbare beamtenrechtliche Kernpflicht sei. Von dem Grundsatz der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis weiche das Gericht hier jedoch deshalb ab, weil es infolge der Distanzierung der Beklagten mit den Grundlagen des Beamtenverhältnisses angezeigt erscheine, sie weiterhin mit der Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt zu betrauen. Aufgrund ihres Verhaltens und ihrer Äußerungen im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren und im Disziplinarverfahren schließe die verfassungsrechtliche Konstituierung einer wehrhaften Demokratie es nicht aus, sie im Dienst zu belassen, weil sie die freiheitliche demokratische Grundordnung nicht in grundsätzlicher Weise ablehne. Eine Zurückstufung der Beklagten komme hier nicht in Frage, weil sie sich noch im Eingangsamt befinde. Deshalb erscheine die Bezügekürzung im gesetzlich möglichen Umfang zur Pflichtenmahnung erforderlich, aber auch ausreichend.
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Die Beklagte habe sich im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren und im Disziplinarverfahren glaubhaft und nachhaltig von der in den genannten Schreiben zum Ausdruck kommenden staats- und verfassungsfeindlichen Haltung distanziert. Da sie diese Schreiben nach ihren glaubhaften Erklärungen im Verfahren nicht selbst konzipiert, sich den dort geäußerten Ideen und Gedanken nicht inhaltlich zugewendet und diese nicht für sich angenommen und bejaht habe, lasse es das Gericht für eine Distanzierung ausreichen, dass sie sich von den Schreiben als solchen abgewendet und klar zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekannt habe. Dies habe sie seit Eröffnung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens durch eine Vielzahl von Bekundungen getan. Sie habe einen Bevollmächtigten eingeschaltet, nach dessen Empfehlung den Strafbefehl des Amtsgerichts Nördlingen vom 18. November 2016 akzeptiert und die darin verhängte Geldbuße in Höhe von insgesamt 3.600 Euro bezahlt. Sie habe auch im Disziplinarverfahren einen Bevollmächtigten beauftragt und über diesen auf dem Dienstweg die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen sich selbst beantragen lassen. In dessen Rahmen habe sie um die Möglichkeit zur persönlichen Äußerung bei der Landesanwaltschaft Bayern gebeten. Bei dieser und auch in der mündlichen Verhandlung sei sie geständig, einsichtig und reuig gewesen. Sie habe weiter glaubhaft versichert, dass sie einen Staatsangehörigkeitsausweis nicht kenne und die Bundesrepublik der Staat sei, in dem sie lebe, nicht aber eine Firma oder GmbH. Außerdem habe sie die offenen Rundfunkbeiträge inzwischen entrichtet. Sie habe zudem erklärt, dass sie nach diesen Verfahren ihre Gutgläubigkeit verloren habe und bei einem nächsten Mal prüfen oder prüfen lassen würde, ob sie ein Schreiben versenden könne oder nicht.
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Eine weitere Milderung der gegen die Beklagte auszusprechenden Disziplinarmaßnähme erscheine - auch im Hinblick auf die zu ihren Gunsten sprechenden Milderungsgründe - nicht angezeigt. Zu ihren Gunsten spreche, dass sie bislang straf- und disziplinarrechtlich nicht vorbelastet sei, seit längerem gute bis sehr gute dienstliche Leistungen erbringe, was sich aus den Beurteilungen und den Persönlichkeitsbildern vom 24. Juli 2018 ergebe, und sich geständig und reuig gezeigt habe. In Anbetracht der Schwere des disziplinarrechtlichen Verstoßes und der Bedeutung der Pflicht zur Verfassungstreue als beamtenrechtliche Kernpflicht komme eine Abschwächung der Disziplinarmaßnahme, etwa durch Reduzierung des Kürzungszeitraums, jedoch nicht in Betracht.
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2. Der Kläger hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt und verfolgt sein Rechtsschutzziel, die Entfernung der Beklagten aus dem Beamtenverhältnis, weiter. Auch die Disziplinarbehörde schätze den Sachverhalt so ein, dass die der Beklagten vorgeworfenen Schreiben von ihrem Ehemann unterschriftsreif vorbereitet worden seien. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei indes davon auszugehen, dass die Beklagte das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit vollständig verloren habe. Der Feststellung des Verwaltungsgerichts, sie habe sich im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren glaubhaft und nachhaltig von der zum Ausdruck gebrachten staats- und verfassungsfeindlichen Haltung distanziert, insbesondere dadurch, dass sie im Strafverfahren einen Bevollmächtigten eingeschaltet und nach dessen Empfehlung den Strafbefehl akzeptiert und die darin verhängte Geldbuße bezahlt habe, sei folgendes entgegenzuhalten: Bei ihrer polizeilichen Vorladung am 6. Oktober 2016 habe die Beklagte von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht und ihre Unterschrift auf dem ausgedruckten Protokoll verweigert. In einer telefonischen Beschuldigtenvernehmung am 17. Oktober 2016 habe sie erneut von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Dies könne ihr nicht angelastet werden, könne aber auch nicht als Tatsache zu ihren Gunsten im Sinne einer glaubhaften Distanzierung gewertet werden. Die Unterschriftsverweigerung entspreche einer in „Reichsbürgerkreisen“ typischen Handlungsweise. Auch die Rücknahme des Einspruchs gegen den Strafbefehl aufgrund richterlichen Hinweises, dass mit einer deutlich über 90 Tagessätzen liegenden Gesamtgeldstrafe zu rechnen sei, könne nicht als Distanzierungshandlung mildernd berücksichtigt werden, da die Motivation darin gelegen habe, eine höhere Geldstrafe zu vermeiden. Auch die Einschaltung eines Strafverteidigers könne nicht mildernd als Distanzierung berücksichtigt werden. Gleiches gelte für die Beauftragung eines Bevollmächtigten im Disziplinarverfahren. Wenn die Beklagte durch ihren Bevollmächtigten mit Schreiben vom 11. Mai 2017 die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen sich selbst beantragt habe, habe sie keineswegs zeitnah auf die gegen sie im Strafverfahren erhobenen Vorwürfe reagiert, die zu diesem Zeitpunkt schon sieben Monate existiert hätten. Die Beklagte versuche ihren Tatbeitrag in wenig glaubhafter Weise soweit wie möglich klein zu reden. Aus dem Umstand, dass sie die verwendeten Briefumschläge handschriftlich adressiert und persönlich „zugestellt“ habe, ergebe sich, dass sie sich nicht nur auf ihren dominanten Ehemann verlassen habe. Die Behauptung, dieser habe die in „Reichsbürgerkreisen“ typischerweise verwendeten Aufkleber ausgefüllt und auf die ungeöffneten Briefe geklebt, bleibe eine unbewiesene Schutzbehauptung. Dass sie mit ihrem Ehemann darüber fast nicht gesprochen haben wolle, sei lebensfremd, zumal sie in der persönlichen Anhörung der Disziplinarbehörde am 16. November 2017 angegeben habe, sie habe dabei durchaus ein schlechtes Gefühl gehabt und 2016 gedacht, „jetzt geht´s schon wieder los“. Dass sie die von ihr unterzeichneten Schriftstücke nach ihren Angaben bis dato nicht vollständig gelesen habe und nichts damit zu tun haben wolle, erscheine wenig glaubhaft, zeige aber gerade, dass sie keine ausreichende Bereitschaft an den Tag lege, sich mit der in ihren Schreiben zum Ausdruck gebrachten verfassungsfeindlichen Haltung auseinanderzusetzen und sich gegebenenfalls glaubhaft davon zu distanzieren. Es wirke sich auch nicht durchgreifend zu Gunsten der Beklagten aus, dass diese in der Vergangenheit keine weiteren, in „Reichsbürgerkreisen“ typischen Verhaltensweisen gezeigt bzw. Äußerungen getätigt habe. Der Verzicht auf verfassungsfeindliche Handlungen und Äußerungen werde von einem Beamten als Kernpflicht erwartet und stelle keine Distanzierung von bereits getätigten bzw. gezeigten Verhaltensweisen dar. Wenn die Beklagte sich im Zusammenhang mit der von ihr an die Obergerichtsvollzieherin S. gerichteten Rechnung über 125.000 Euro und den von ihr dieser zugrunde gelegten „Allgemeinen Geschäftsbedingungen“ dahingehend eingelassen habe, diese seien ihr absurd erschienen, sie habe diese nicht ernst genommen und sei lediglich davon ausgegangen, dass man das so mache, widerlege sie eindrucksvoll, dass sie den Inhalt ihrer Schreiben so gut wie nicht zur Kenntnis genommen habe, und bringe auch ihr Unverständnis darüber zum Ausdruck, wie man ihre Schreiben so ernst nehmen könne. Die darin zum Ausdruck kommende Bagatellisierung könne keinesfalls als Distanzierung von ihrer verfassungsfeindlichen Haltung verstanden werden und sich auch nicht zu ihren Gunsten auswirken, sondern sei vielmehr erschwerend zu berücksichtigen. Die Beklagte habe sich untragbar gemacht. Hierbei sei auch zu berücksichtigen, dass insoweit besondere Anforderungen an eine Lehrkraft zu stellen seien, zu deren Aufgaben es insbesondere zähle, die ihr anvertrauten Schüler und Schülerinnen auf dem Boden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu erziehen und zu bilden. Eine glaubhafte Distanzierung, die das Verwaltungsgericht der Beklagten zugutehalte, setze voraus, dass neben der Einsicht in das Unrecht der Tat eine geistig/inhaltliche Auseinandersetzung mit den eigenen verfassungsfeindlichen Äußerungen und Aktivitäten stattfinde, die letztlich auch zur Umkehr bzw. Abkehr und nötigen Schlussfolgerungen führe. Eine entsprechend selbstkritische Auseinandersetzung mit den von ihr verlautbarten verfassungsfeindlichen Ansichten sei bei der Beklagten nicht festzustellen. Soweit sie angebe, sie habe Schlussfolgerungen gezogen und werde in Zukunft kritischer und nicht mehr so leichtgläubig mit den Erwartungen ihres Ehemanns umgehen, habe nur festgestellt werden können, dass sie mittlerweile eine E-Mail-Adresse verwende, zu der ihr Ehemann ihren Angaben zufolge keinen Zugang mehr habe. Ansonsten ließen ihre Angaben, denen zufolge sie so erzogen worden sei, dass sie das, was man von ihr verlange, auch tue und sie deshalb dem Begehren ihres Ehemanns wegen der Aufrechterhaltung des „Familienfriedens“ entsprochen habe, eine erhebliche Wiederholungsgefahr erkennen. Die Beklagte habe in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht das dominante Verhalten des Ehemanns erneut unterstrichen und beispielhaft dadurch belegt, dass man zum Verhandlungstermin seinem Wunsch entsprechend mit dem Auto gefahren sei, und nicht mit dem Zug, wie es ihr Wunsch gewesen sei. Es blieben somit erhebliche Zweifel daran bestehen, dass die Beklagte künftigen Erwartungen ihres Ehemanns mit dem von ihr erwarteten und gebotenen Eintreten für die freiheitlich demokratische Grundordnung begegnen werde.
14
unter Abänderung von Ziffer I. des Urteils des Verwaltungsgerichts München gegen die Beklagte auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu erkennen.
15
Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
17
Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Die von der Beklagten teils eigenhändig, teils aber auch mit digitaler Faksimile-Unterschrift versehenen Schreiben seien letztlich kein Ausdruck einer staats- und verfassungsfeindlichen Grundhaltung, sondern entsprängen den vom Verwaltungsgericht im Rahmen der Maßnahmenzumessung berücksichtigten Lebensumständen im Zeitraum der vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen. Es sei zu bestreiten, dass das Verweigern der Unterschrift auf dem Protokoll der Beschuldigtenvernehmung einer in „Reichsbürgerkreisen“ typischen Handlungsweise entspreche; die Beklagte sei damals schlicht vollkommen verunsichert gewesen, zuvor niemals strafrechtlich in Erscheinung getreten und dementsprechend unerfahren gewesen. Seitens der polizeilichen Sachbearbeiter sei der Beklagten erinnerungsgemäß auf ihre unsichere Nachfrage hin freigestellt worden, ob sie den Bogen zu ihrer Beschuldigtenvernehmung unterschreiben wolle oder nicht. Der Strafverteidiger sei erst nach Erlass des Strafbefehls beauftragt worden. Für die Rücknahme des Einspruchs sei nicht die Gefahr einer höheren Geldstrafe, sondern die in Aussicht gestellten erhöhten Sicherheitsvorkehrungen bei Verfahren, bei denen eine Beteiligung von Mitgliedern der sogenannten „Reichsbürgerbewegung“ vermutet werde, ausschlaggebend gewesen. Eine Berichterstattung in der örtlichen Presse über die Verhandlung habe die Beklagte in jedem Fall vermeiden wollen. Dies entspreche gerade nicht den in „Reichsbürgerkreisen“ typischen Handlungsweisen. Denn diese suchten geradezu die öffentliche Aufmerksamkeit einer mündlichen Strafverhandlung, um dort ihre Haltung zur Schau stellen zu können. Im Disziplinarverfahren sei es bereits eine Woche nach Mandatserteilung zur Einleitung des Verfahrens gemäß Art. 20 Abs. 1 BayDG gekommen. Soweit die Klägerin unterstelle, die Beklagte habe mit Ausnahme der E-Mail-Adresse keine weiteren Schlussfolgerungen für sich aus den Vorgängen gezogen, sei dies nicht geeignet, die Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts in Frage zu stellen, die auf der eingehenden Befragung der Beklagten und dem hieraus gewonnenen positiven Eindruck beruhe. Die von der Landesanwaltschaft geschilderten Eindrücke aus der mündlichen Verhandlung seien unzutreffend bzw. würden nur insoweit wiedergegeben als sie deren Auffassung stützen sollen. Die Beklagte habe eine Vielzahl von Veränderungen in ihrem Privatleben vorgenommen. Sie habe schmerzlich erfahren müssen, dass sie ihre ihrem Umfeld stets unterordnende Haltung in erhebliche Schwierigkeiten gebracht habe und ihre berufliche Existenz in Frage stelle. Sie agiere nunmehr eigenständiger und behaupte sich, insbesondere gegenüber ihrem Ehemann stärker. Als Beispiele wurden angeführt: Eigenständige Wahl des Anwalts im Disziplinarverfahren und Wahrnehmung von Besprechungsterminen in der Kanzlei, Beginn einer psychotherapeutischen Behandlung, um dort ihre Verhaltensweisen zu erkennen und alternative Strategien etwa für den Umgang mit Konfliktsituationen zu erlernen, engerer Kontakt zu ihrer Familie, der durch federführend durch den Ehemann betriebenen Erbschaftstreit erheblich belastet gewesen sei, intensivere Kontaktpflege mit Bekannten und Freundinnen einschließlich mehrtägige Ausflüge, mehr Sport, Anschaffung einer Katze entgegen den Vorstellungen des Mannes. Damit werde die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass noch ausreichend Vertrauen in die zukünftig beanstandungsfreie Erfüllung der Dienstpflichten bestehe, bestätigt. Die verhängte Disziplinarmaßnahme erweise sich daher als angemessen und erforderlich, gleichzeitig aber auch bei weitem ausreichend.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen. Dem Senat haben die Strafakten sowie die Disziplinar- und Personalakten vorgelegen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Senat teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass sich die Beklagte von der staats- und verfassungsfeindlichen Haltung, die in ihren disziplinarklagegegenständlichen Schreiben zum Ausdruck gekommen ist, glaubhaft und nachhaltig distanziert hat, so dass trotz der begangenen beamtenrechtlichen Pflichtenverstöße nicht auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu erkennen war. Im Hinblick darauf, dass sich die Beklagte weiterhin im Eingangsamt ihrer Laufbahn befindet, war die Kürzung der Dienstbezüge für die gesetzlich höchstmögliche Dauer zur Pflichtenmahnung erforderlich (Art. 9 BayDG).
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1. Der vom Verwaltungsgericht festgestellte Sachverhalt steht zur Überzeugung des Senats fest. Die in der Disziplinarklage auf Seite 8 bis 60 wiedergegebenen Schreiben der Beklagten an die Obergerichtsvollzieherin (vom 15.12.2014, vom 20.1.2015, vom 2.8.2015 mit „Vertrag über Schadensersatz“ und AGB <eigenhändig unterschrieben>, und vom 31.5.2016 nebst „Rechnung“ vom gleichen Tag) rühren - wie diese eingeräumt hat - von der Beklagten her und sind ihr zuzurechnen, auch wenn die Schreiben von ihrem Ehemann unterschriftsreif vorbereitet worden sind. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht auch festgestellt, dass die Indizwirkung des Strafbefehls vom 18. November 2016, mit dem die Beklagte wegen versuchter Nötigung in zwei Fällen zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt worden ist, auch im Hinblick auf den subjektiven Tatbestand nicht entkräftet worden ist (Art. 63 Abs. 1 Satz 1, Art. 55, Art. 25 Abs. 2 BayDG).
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2. Die Beklagte hat durch das festgestellte Fehlverhalten gegen ihre Grundpflicht verstoßen, sich durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinn des Grundgesetzes zu bekennen und für ihre Erhaltung einzutreten (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG). Weiter hat sie durch die Verwirklichung des der strafrechtlichen Verurteilung zugrundeliegenden Sachverhalts dem Gebot der Achtung der Gesetze zuwidergehandelt und gegen die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 34 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG) verstoßen.
22
Erstgenannter Pflichtenverstoß ist innerdienstlicher Art. Ein Verstoß gegen die poli-tische Treuepflicht, die als beamtenrechtliche Kernpflicht (etwa BVerwG, U.v. 12.3.1986 - 1 D 103.84 - juris Rn. 32; BayVGH, U.v. 16.1.2019 - 16a D 15.2672 - juris Rn. 27) schon wegen ihrer Unteilbarkeit nicht auf den dienstlichen Raum be-schränkt ist, sondern auch das außerdienstliche Verhalten des Beamten betrifft, ist also wegen ihrer Dienstbezogenheit stets als Vergehen innerhalb des Dienstes zu werten. Demnach spielt keine Rolle, ob die pflichtwidrige Handlung am Dienstort und während der Dienstzeit oder - wie im vorliegenden Fall - außerhalb geschehen ist; die besonderen Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG für die Qualifizierung eines außerhalb des Dienstes gezeigten Verhaltens als Dienstvergehen müssen nicht vorliegen (etwa BVerwG, U.v. 29.10.1981 - 1 D 50.80 - juris Rn. 56).
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Hinzu kommt als (außerdienstliche) Pflichtverletzung die strafrechtliche Verurteilung wegen versuchter Nötigung, durch die die Beklagte sowohl gegen die ihr nach § 34 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG obliegende Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten als auch das Gebot der Achtung der Gesetze verstoßen hat. Das der strafrechtlichen Verurteilung zugrundeliegende Verhalten der Beklagten außerhalb ihres Dienstes erfüllt die qualifizierenden Merkmale des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG. Nach dieser Vorschrift ist das strafrechtlich geahndete, außerdienstliche Verhalten der Beklagten (hier: versuchte Nötigung) nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maß geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen (vgl. Zängl in Weiss/Niedermaier/Summer/ Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: Juni 2021, Bd. 2, § 47 BeamtStG Rn. 66 bis 74).
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Die dargestellten Kriterien erfüllt die strafrechtlich geahndete versuchte Nötigung in zwei Fällen. Dieses außerdienstliche Verhalten ist geeignet, sich unmittelbar und in erheblicher Weise auf das Vertrauen des Dienstherrn sowie der Öffentlichkeit in die Dienstausübung der Beklagten als Lehrerin auszuwirken. Begeht eine Lehrkraft, deren Aufgabe die Verwirklichung des in der Verfassung verankerten Bildungs- und Erziehungsauftrags und die glaubhafte Vermittlung der verfassungsrechtlichen Grundwerte ist (Art. 59 Abs. 2 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 BayEUG), selbst Straftaten, die erkennen lassen, dass die freiheitlich demokratische Grundordnung nicht respektiert wird, wird damit nicht nur die persönliche Autorität der Lehrkraft beeinträchtigt, sondern es besteht darüber hinaus die Gefahr, dass Schulen in Bezug auf ihren Bildungs- und Erziehungsauftrag ihre Glaubwürdigkeit einbüßen. Denn mit der Erziehung im Geiste der Demokratie (Art. 131 Abs. 3 BV) sind nicht allein im engeren Sinn demokratische, sondern auch rechtsstaatliche Grundgehalte und andere Grundwerte der Bayerischen Verfassung erfasst. Die gemeinten wesentlichen Merkmale freiheitlicher, rechtsstaatlicher Demokratie werden in gleicher Weise mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes bezeichnet (Möstl in Lindner/Möstl/Wolf, Verfassung des Freistaates Bayern, 2. Aufl. 2017, Art. 131 Rn. 16). Dass der Strafrahmen der (versuchten) Nötigung ein disziplinarisches Sanktionsbedürfnis auslöst, hat bereits das Verwaltungsgericht (UA Rn. 60) dargelegt.
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Mit ihrem Verhalten hat die Beklagte ein schweres Dienstvergehen im Sinn von § 47 Abs. 1 Satz 1 und 2 BeamtStG verwirklicht. Der inner- und der außerdienstliche Pflichtenverstoß sind nach dem Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens gleichzeitig verfolgt worden und führen zu einer Ahndung durch eine einheitliche Disziplinarmaßnahme (BVerwG, B.v. 6.6.2013 - 2 B 50.12 - juris Rn. 14). Die Verletzung der politischen Treuepflicht als Kernpflicht trifft mit den strafrechtlich geahndeten versuchten Nötigungen als außerdienstliche Verfehlungen zusammen, mit denen sie das hier zur disziplinarrechtlichen Beurteilung anstehende Dienstvergehen bildet. Beide Verfehlungen stehen in einem „inneren Zusammenhang“ (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 8.9.2004 - 1 D 18.03 - juris Rn. 42 - 44; U.v. 25.08.2009 - 1 D 1.08 - juris Rn. 61).
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3. Der Senat folgt hinsichtlich der Zumessungskriterien des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 13 BDG (U.v. 29.5.2008 - 2 C 59.07 - juris; U.v. 11.5.2016 - 16a D 13.1540, Rn. 61; U.v. 18.1.2017 - 16a D 14.1992 - jeweils in juris). Das maßgebliche Kriterium dafür, welche Disziplinarmaßnahme in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens zu verhängen ist, bildet die Schwere des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten und des Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung (Art. 14 Abs. 1 Satz 1, 2 BayDG). Beamte, die durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren haben, sind regelmäßig aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen (Art. 14 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 11 BayDG). Ein endgültiger Vertrauensverlust ist eingetreten, wenn aufgrund der Gesamtwürdigung der bedeutsamen Umstände der Schluss gezogen werden muss, der Beamte werde auch künftig seinen Dienstpflichten nicht ordnungsgemäß nachkommen oder aufgrund seines Fehlverhaltens sei eine erhebliche, nicht wieder gut zu machende Ansehensbeeinträchtigung eingetreten (BVerwG, U.v. 20.10.2005 - 2 C 12.04; U.v. 24.5.2007 - 2 C 28.06 - jew. juris). Im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung haben die Gerichte zunächst im Einzelfall bemessungsrelevante Tatsachen zu ermitteln und sie mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Bewertung einzubeziehen. Dieses Erfordernis beruht letztlich auf dem im Disziplinarverfahren geltenden Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot). Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller belastender und entlastender Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zu seinem Verschulden stehen (vgl. BVerwG, B.v. 11.2.2014 - 2 B 37.12 - juris Rn. 18).
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Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich dabei zum einen nach Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale), zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte (BVerwG, B.v. 10.12.2015 - 2 C 6.14 - juris Rn. 16; B.v. 25.5.2012 - 2 B 133.11 - juris Rn. 9 m.w.N.). Das Bemessungskriterium „Persönlichkeitsbild des Beamten“ erfasst dessen persönliche Verhältnisse und sein sonstiges Verhalten vor, bei und nach der „Tatbegehung“. Dies erfordert eine Prüfung, ob das festgestellte Dienstvergehen mit dem bisher gezeigten Persönlichkeitsbild des Beamten übereinstimmt oder es - etwa als persönlichkeitsfremdes Verhalten in einer Notlage oder gar einer psychischen Ausnahmesituation - davon abweicht (BVerwG, U.v. 29.5.2008 a.a.O. Rn. 14). Der Gesichtspunkt „Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit“ verlangt eine Würdigung des Fehlverhaltens des Beamten im Hinblick auf seinen allgemeinen Status, den Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung und die konkret ausgeübte Funktion (BVerwG, U.v. 29.5.2008, a.a.O. Rn. 15). Schwerwiegende Vorsatzstraftaten bewirken generell einen Vertrauensverlust, der unabhängig vom jeweiligen Amt zu einer Untragbarkeit der Weiterverwendung als Beamter führt (BayVGH, U.v. 28.9.2016 - 16a D 14.991 - juris Rn. 53).
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4. Vor diesem rechtlichen Hintergrund ergibt sich im vorliegenden Fall, dass das Fehlverhalten der Beklagten schwer wiegt i.S.v. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG. Die strafrechtlichen Konsequenzen der Verfehlung der Beklagten würden zwar für sich allein nicht zu einer Entfernung aus dem Dienst führen, weil zwar der Strafrahmen der versuchten Nötigung (§ 240 Abs. 1, § 22, § 23 StGB) einen entsprechenden Orientierungsrahmen eröffnet, die disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme jedoch im Hinblick auf das ausgeurteilte Strafmaß nur bei dem Hinzutreten besonderer Tatumstände gerechtfertigt sein kann. Solche Tatumstände liegen hier im Ausgangspunkt zwar darin, dass in der strafrechtlich geahndeten Tat eine Verletzung der Verfassungstreuepflicht (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG) zum Ausdruck kommt. Eine solche Verletzung der beamtenrechtlichen Grundpflicht, sich durch das gesamte Verhalten zur freiheitlich demokratischen Grundordnung zu bekennen und für ihre Erhaltung einzutreten, ist regelmäßig geeignet, eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu tragen. Die Beklagte hat sich aber von reichsbürgertypischen Ansichten hinreichend distanziert, so dass das Verwaltungsgericht zutreffend die Disziplinarmaßnahme der Gehaltskürzung ausgesprochen hat.
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Der Beklagten war über die gesamte Dauer des Disziplinarverfahrens nicht zu widerlegen, dass sie die von ihr versandten Schreiben nicht aus eigener Überzeugung, sondern auf Wunsch und Verlangen ihres Ehemanns in den Verkehr gebracht hat. Neben den Schreiben, die den Gegenstand der Disziplinarklage bilden, gibt es keine Aussagen in der Vernehmung vor der Disziplinarbehörde, in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht und vor dem Senat, die darauf hindeuten, dass sie aus eigenem Antrieb und aus eigener Überzeugung gehandelt hat und die in den Schreiben zum Ausdruck gekommenen reichsbürgertypischen Ansichten gutheißt. Schon in der Vernehmung vor der Disziplinarbehörde hat sie unmissverständlich angegeben, „die Bundesrepublik Deutschland ist für mich der Staat in dem ich lebe. Das Grundgesetz gilt.“ Die Einstellung der Reichsbürgerbewegung könne sie nicht nachvollziehen, sie halte sie für kindisch. „Nachdem diese den Staat ablehnen, würde das in meinem Fall bedeuten, dass ich mich selbst ablehnen müsste.“ Dass sich die Beklagte in steuer- und rundfunkbeitragsrechtlicher Hinsicht auf eine Art „Ehegattenprivileg“ beruft, ist auch vor dem Hintergrund der jeweils erreichten Berufsabschlüsse der Ehegatten (Lehrerin - Maurermeister) nicht erkennbar realitätsfern. Wenn der Kläger weiter hervorhebt, dass die Beklagte über die einmalige eigenhändige Unterschrift und die Duldung des Verwendens ihrer Faksimile-Unterschrift hinausgehend, zur eigenhändigen Zustellung von Schreiben an die Obergerichtsvollzieherin geschritten ist, widerlegt dies nicht das vorherrschende Motiv der Beklagten, sich mit ihrem Ehemann nicht über dessen verfehlte Ansichten in rechtlichen Fragen im Allgemeinen und die Frage der Rundfunkgebührenpflicht im Besonderen auseinandersetzen zu müssen. Dieses vermag auch zu erklären, warum die Beklagte das Protokoll ihrer polizeilichen Vernehmung nicht unterschrieben hat. Dabei folgt der Senat im Übrigen nicht den Ausführungen ihres Bevollmächtigten, was die Rücknahme des Einspruchs gegen den Strafbefehl anbelangt. Für dessen Behauptung, dafür sei nicht die Gefahr einer höheren Geldstrafe, sondern die in Aussicht gestellten erhöhten Sicherheitsvorkehrungen bei Verfahren, bei denen eine Beteiligung von Mitgliedern der sogenannten „Reichsbürgerbewegung“ vermutet werde, ausschlaggebend gewesen, insoweit habe die Beklagte eine Berichterstattung in der örtlichen Presse über die Verhandlung vermeiden wollen, was gerade nicht den in „Reichsbürgerkreisen“ typischen Handlungsweisen entspreche, findet sich in den Strafakten kein Anhalt. Vielmehr trifft die Aussage der Beklagten vor der Disziplinarbehörde zu, sie habe auf Anraten ihres Strafverteidigers wegen der Möglichkeit, dass die Strafe auch höher ausfallen könne, den Einspruch zurückgenommen. Das Amtsgericht Nördlingen hatte mit der Terminsbestimmung zur Hauptverhandlung einen solchen Hinweis ausdrücklich erteilt (Bl. 109 f.); ein Entwurf einer sitzungspolizeilichen Verfügung findet sich hingegen in den Strafakten nicht.
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Der Senat teilt zwar den Ausgangspunkt des Vertreters des Klägers, Voraussetzung für eine Distanzierung sei das Einräumen der Tat und die Auseinandersetzung mit der zum Ausdruck gebrachten verfassungsfeindlichen Haltung. Insoweit dürfen indes die Anforderungen nicht überspannt werden. Die Beklagte hat die gegenüber der Obergerichtsvollzieherin erhobenen Forderungen stets als absurd bezeichnet. Wenn dies der Kläger allein als Ausdruck der Bagatellisierung des Fehlverhaltens sieht und eine ins Einzelne gehende Auseinandersetzung mit den abgesandten Schreiben erwartet, verlangt er ein über den Umstand, dass die Straftat und Pflichtverletzung aufrichtig bereut wird, hinausgehendes Verhalten des Schuldbekenntnisses und Abschwörens, das nach den Umständen des Einzelfalls hier nicht erwartet werden kann. Die Beklagte hat sich in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht durch prozesstaktisches Verhalten hervorgetan, sondern sich eher unbedarft gezeigt. Eine Vergewisserung über die Inhalte der freiheitlich demokratischen Grundordnung (vgl. § 4 BVerfSchG), die zur Vorbereitung auf die Sitzung nahegelegen hätte, hat die Beklagte offenkundig unterlassen. Ihre zögerliche und unzureichende Antwort auf diesbezügliche Fragen des Senats war erkennbar fehlerbehaftet (BGB als anderen Bundesgesetzen vorgehendes Recht) und für eine Grundschullehrkraft auch für die im Lehramt sachkundigen ehrenamtlichen Richterinnen bemerkenswert kenntnisarm. Dem Senat verbleiben gleichwohl keine Zweifel, dass sich die Beklagte von den Inhalten der disziplinarklagegegenständlichen Schreiben glaubhaft distanziert. Die erheblichen Zweifel, ob sie sich künftig gegenüber dem Ehemann behaupten wird, sind nicht entscheidungserheblich. Dessen verfehlte Sicht auf das Recht wurde von der Beklagten noch nicht in jeder Hinsicht reflektiert (neben oben genanntem Fehler, der auch im Schreiben vom 2. August 2015 vorkommt <Seite 18 der Disziplinarklage> vgl. auch Bl. 147 Disziplinarakte, wonach die Beklagte davon ausging, dass eine „Legitimation“ der Obergerichtsvollzieherin verlangt werden durfte); zudem hat sie sich selbst in Bezug auf Zahlungen an den Beitragsservice der Rundfunkanstalten noch nachlässig gezeigt (vgl. Protokoll S. 3). Die vom Kläger in der Berufungsbegründung angeführte „Wiederholungsgefahr“ (a.a.O. S. 7) steht indes der Distanzierung nicht entgegen. Unter Berücksichtigung der in ordentlichen Beurteilungen zum Ausdruck gekommenen Leistungsbereitschaft der Beklagten, die durch die Persönlichkeitsbilder des Schulamtsdirektors und des Rektors (Bl. 249 f. DA) bestätigt wird, ist die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Disziplinarmaßnahme angemessen und zutreffend.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 4 Satz 1 BayDG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.
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Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig geworden (Art. 64 Abs. 2 BayDG).