Titel:
Durch die behauptete Verletzung privatrechtlicher Rechtspositionen ergibt sich keine Verletzung des baurechtlichen Rücksichtnahmegebots
Normenkette:
BauNVO § 15 Abs. 1 S. 2
Leitsatz:
Wird die behauptete unzumutbare Beeinträchtigung durch ein Bauvorhaben im jeweiligen Kontext lediglich auf die Verletzung von privatrechtlichen Rechtspositionen gestützt, kann daraus keine Verletzung des Rücksichtnahmegebots hergeleitet werden. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Baugenehmigung, Bebauungsplan, Festsetzungen, Vorhaben, Festsetzungen des Bebauungsplans, baulichen Nutzung, Befreiung, Verletzung, Bauvorhaben, Nachbarschutz, Bebauung, Nachbar, Rücksichtnahmegebot, privatrechtliche Rechtsposition
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 11.02.2022 – 15 ZB 22.251
Fundstelle:
BeckRS 2021, 47167
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Klägerin wendet sich gegen eine der Beigeladenen vom Landratsamt P. (LRA) erteilte Baugenehmigung für die Errichtung eines Neubaus von zwei Mehrfamilienhäusern auf den Grundstücken FlNr. 1.. und 1../2 der Gemarkung …, …, B. … Die Klägerin ist Eigentümerin des östlich an die Baugrundstücke angrenzenden Grundstücks FlNr. 1.. der Gemarkung …, …, B. …und betreibt auf diesem das Hotel „A. …“ sowie die Gaststätte „W. …“. Im hinteren, südlichen Bereich des Grundstückes FlNr. 1.. befindet sich ein zur Gaststätte gehöriger Biergarten. Die Grundstücke liegen allesamt im Innenstadtgebiet der Stadt B. …, östlich des Stadtplatzes. Sie befinden sich im Geltungsbereiches des Bebauungsplanes „H. …“. Unter anderem unterhalb der Baugrundstücke befindet sich eine Tiefgarage, das Altstadtparkhaus.
2
Mit am 20. April 2020 bei der Stadt B. … eingegangenem Bauantrag beantragte die Beigeladene die Erteilung einer Baugenehmigung für den Neubau von zwei Mehrfamilienhäusern auf den Baugrundstücken. Nach der zugehörigen Eingabeplanung soll ein Gebäude im nördlichen Teil mit Anschluss der Nordfassade an die S. … straße errichtet werden, das andere im hinteren Bereich, etwas in südöstliche Richtung vom vorderen Gebäude versetzt. Zudem stellte die Beigeladene Anträge auf Erteilung von Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplanes (§ 31 Abs. 2 BauGB) im Hinblick auf eine Überschreitung der Baulinien an der Ostseite um 1,27 m sowie einen Ausbau des Dachgeschosses des hinteren Gebäudes.
3
Mit Beschluss vom 22. April 2020 erteilte die Stadt B. … ihr Einvernehmen zu dem Bauvorhaben.
4
Am 26. Mai 2020 reichte das Ingenieursbüro K. … Ingenieure beim LRA ein Brandschutzkonzept gem. § 11 BauVorlV für die brandschutztechnische Bewertung des bestehenden und genehmigten Altstadtparkhauses wegen der geplanten Teilveräußerung der Anlage und des in diesem Zusammenhang angestrebten Bauvorhabens ein.
5
Am 27. Juli 2020 stellte die Beigeladene weitere Anträge auf Befreiung von Festsetzungen des Bebauungsplanes, unter anderem hinsichtlich einer asymmetrischen Ausführung des Satteldaches am vorderen Gebäude und der Überdachung des Laubenganges als Flachdach.
6
Mit Schreiben vom 6. August 2020 erklärte das LRA gegenüber der Beigeladenen, dass sich aus den Unterlagen zum Bauantrag nicht erkennen lasse, ob die gemäß der Garagen- und Stellplatzsatzung der Stadt B. … erforderlichen Stellplätze in ausreichender Zahl vorhanden sind. Mit Schreiben vom 10. August 2020 erklärte die Stadt B. … gegenüber dem LRA, dass die benötigten 20 Stellplätze in der Tiefgarage des Altstadtparkhauses vorhanden seien und an die Beigeladene im Rahmen der Veräußerung der Baugrundstücke mitveräußert werden sollen.
7
Mit E-Mail vom 26. August 2020 wandte sich die Stadt B. … an die Beigeladene und erklärte, dass bei der abschließenden Planprüfung aufgefallen sei, dass aufgrund der Errichtung des Laubenganges bis an die Grundstücksgrenze die Baugrenze überschritten sei. Es seien nachbarschützende Belange berührt, da der Bebauungsplan nicht exakt eingehalten werde, weil Abstandsflächen von 7,04 m entstünden, welche auf dem Nachbargrundstück zu liegen kämen. Die Baulinienüberschreitung im Bereich der S. … straße sei unproblematisch, da die Abstandsflächen hier auf einer öffentlich gewidmeten Flurnummer bis zur Straßenmitte zu liegen kämen. Im weiteren Verlauf wurde eine - insbesondere hinsichtlich der Positionierung des Laubenganges - geänderte Eingabeplanung eingereicht.
8
Mit Bescheid vom 1. September 2020 erteilte das LRA die Baugenehmigung für das Bauvorhaben. Es wurden zudem Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Überschreitung der Baugrenzen, der Traufhöhe sowie hinsichtlich der Dachform des Laubenganges erteilt.
9
Mit am 1. Oktober 2020 sowie am 30. September 2021 beim Verwaltungsgericht Regensburg eingegangenen Schriftsätzen ihrer Bevollmächtigten hat die Klägerin Klage gegen den Bescheid vom 1. September 2020 erheben und um einstweiligen Rechtsschutz nachsuchen lassen. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass der vordere Gebäudeteil in östlicher Richtung die Baulinie bzw. Baugrenze um 1,27 m überschreite. Der hintere Gebäudeteil halte sich bezüglich des Dachgeschossausbaus nicht an die Festsetzungen des Bebauungsplans. Es werde zudem das Gebot der Rücksichtnahme verletzt. Im Bebauungsplan seien die First- und Traufhöhe als maximale Höhe festgesetzt worden. Ziel sei es, dass die dahinterliegenden Grün- und Freiflächen als Ausgleichsfläche für die sehr dichte Bebauung dienten und damit das Wohnumfeld entscheidend verbesserten. Durch die Überschreitung der Traufhöhe werde den Grün- und Freiflächen massiv die Sonne und damit auch die Belichtung entzogen. Da die Klägerin hier auch einen Biergarten habe, stelle dies eine massive Beeinträchtigung dar. Die Traufhöhe sei definitiv zum Schutz der Grün- und Freiflächen gedacht und damit zur Erholung. Durch eine Verschattung der entsprechenden Flächen in diesem Ausmaß werde der Erholungszweck konterkariert. Die Klägerin gehöre zum Personenkreis der Betroffenen, auf die Rücksicht zu nehmen sei. Die Befreiung von der Traufhöhe stelle einen massiven Eingriff in ihre Rechte dar. Durch die in der Tiefgarage neu errichteten Betonpfeiler seien vier im Eigentum der Klägerin stehende Tiefgaragenstellplätze nicht mehr nutzbar. Dies stelle eine nicht hinnehmbare Eigentumsverletzung und eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots dar. Die Klägerin benötige diese Stellplätze dringend für ihre Gäste. Die vier Stellplätze an der Oberfläche, die östlich an das Bauvorhaben angrenzten, seien so angeordnet, dass eine Benutzung von zumindest drei Stellplätzen nur möglich sei, wenn die Autos über das Grundstück der Klägerin fuhren. Diese Seite des Grundstückes stelle jedoch auch den Weg von der Tiefgarage zum Hotel dar. Es komme somit zu einem Interessenskonflikt zwischen Autofahrern und Fußgängern. Auch dadurch werde das Gebot der Rücksichtnahme verletzt. Auch sei problematisch, dass die Klägerin bislang den zur Tiefgarage gehörenden Aufzug, der sich in der Nähe ihres Hotels befinde, als Zugang zu den Stellplätzen für die Gäste nutze. Ein weiterer Aufzug sei sowohl von den Tiefgaragenplätzen als auch vom Hotel weit entfernt und könne nur über eine Rampe erreicht werden. Die Nutzung des anderen Aufzuges stelle damit einen doppelten Umweg dar und sei für die Gäste, welche oftmals eingeschränkt seien, nicht zumutbar und zudem gefährlich. Das Mehrfamilienhaus solle nunmehr um den alten Aufzug herum errichtet werden. Dieser Aufzug solle einen Zugang von der Tiefgarage zu den Wohnungen bieten. Anscheinend sei der Aufzug bereits durch die Gemeinde an den Bauherrn verkauft. Ein entsprechendes Klageverfahren gegen den Verkauf sei in Bearbeitung. Der Bauherr habe der Klägerin bereits mitgeteilt, dass sie den Aufzug nicht mehr kostenfrei nutzen dürfe. Gegen ein entsprechendes Entgelt sei er jedoch bereit, ihr den Schlüssel zur Verfügung zu stellen. Durch das Bauvorhaben sei damit der Klägerin auch der Zugang zum Aufzug verwehrt.
10
Die Klägerin beantragt,
die Baugenehmigung des LRA P. vom 1. September 2020 aufzuheben.
11
Der Beklagte beantragt,
12
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass das Bauvorhaben keine nachbarschützende Rechte verletze. Eine Verletzung des drittschützenden Abstandsflächenrechts sei nicht explizit geltend gemacht. Der Bebauungsplan regele in Ziffer 1.3.1 die im Geltungsbereich maßgeblichen Abstandsflächen. Die sich hieraus ergebenden Abstandsflächen halte die vorliegende Planung ein. Das Vorbringen der Bevollmächtigten zu behaupteten Verstößen sei sehr ungenau, weswegen unklar sei, durch welche Traufhöhenüberschreitungen sich die Klägerin in ihren Rechten verletzt sehe. Im Übrigen seien Festsetzungen über die Gebäudehöhe und die Zahl der Vollgeschosse nach der Rechtsprechung in der Regel nicht drittschützend. Aus der Begründung des Bebauungsplanes sei nicht erkennbar, dass die Festsetzung bezüglich des Maßes der baulichen Nutzung gerade dem Schutz der Nachbarn dienen solle. Vielmehr werde begründet, weshalb die Werte der Grundflächenzahl gerade so hoch seien. Die vorgesehenen öffentlichen Grün- und Freiflächen sollten zwar als Ausgleich für die dichte Bebauung dienen und das Wohnumfeld verbessern. Ein expliziter Wille, den Nachbarn hier eigene Rechte zu gewähren, könne dieser Begründung jedoch nicht entnommen werden. Es liege aber auch kein Verstoß gegen die Festsetzungen des Bebauungsplans vor. Beim Dachgeschoss im südlichen Baukörper handele es sich nicht um ein Vollgeschoss. Ein solches würde gemäß Art. 83 Abs. 6 BayBO n.F. in Verbindung mit Art. 2 Abs. 5 BayBO in der Fassung von 1998 vorliegen, wenn es über mindestens 2/3 seiner Grundfläche eine Höhe von mindestens 2,30 m aufweise. Im vorliegenden Fall sei planerisch dargestellt, dass es sich bei dem Dachgeschoss um kein Vollgeschoss handele. Die Berechnung des zuständigen Kreisbaumeisters komme zu dem Ergebnis, dass die Höhe von mindestens 2,30 m sich lediglich auf 2/3 der Dachgeschossfläche beziehe. Auch soweit die Klägerin die Überschreitung der Baulinien bzw. Baugrenzen durch den nördlichen Baukörper rüge, werde sie mit diesem Vorbringen keinen Erfolg haben. Im Osten des nördlichen Baukörpers befinde sich ein sogenannter Laubengang, der der Erschließung des Gebäudes von außen diene. Dieser stelle einen untergeordneten Baukörper dar. Der Laubengang überschreite die Baugrenze in nördlicher Richtung um 3 m, in östlicher Richtung zur Klägerin hin sei die Baugrenze eingehalten. Nach Ziffer 1.3.2.3 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans könnten innerhalb der gekennzeichneten Bereiche Baulinien durch Laubengänge bis zu einer Tiefe von 2 m überschritten werden. Im Plan sei im Grundriss des ersten Stockes erkennbar bzw. auslesbar, dass die Tiefe des Laubenganges ca. 1,50 m betrage. Ziffer 1.3.2.1 lege fest, dass Baulinien und Baugrenzen von untergeordneten Bauteilen überschritten werden könnten, sofern diese gemäß Art. 6 Abs. 3 BayBO innerhalb der Abstandsflächen zulässig seien und nicht die nachfolgenden Festsetzungen entgegenstünden. Beim Zugang zu den Wohnungen handele es sich um einen untergeordneten Bauteil. Dieser Zugang sei bewusst so gestaltet, dass die Wirkungen so gering wie möglich gehalten würden. So sei auf den genehmigten Plänen erkennbar, dass die ursprünglich geplante Überdachung des Laubenganges für den ersten Stock durch Grüneintragung gestrichen wurde. Außerdem sei mit der Baugenehmigung unter Ziffer 2 eine Befreiung von der Einhaltung der Baugrenzen erteilt worden, auch wenn dies nach dem Bebauungsplan eigentlich nicht notwendig sei. Auch sei kein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot gegeben. Der Bebauungsplan sehe eine eher dichte Bebauung vor. Zur Verwirklichung dieses Ziels lasse er zahlreiche Abweichungen von den nach der BayBO geforderten Abstandsflächen zu. Diesen Vorgaben entspreche das genehmigte Bauvorhaben fast vollständig. Befreiungen seien nur dort und in dem Umfang erteilt, wo dies städtebaulich und auch mit Blick auf die Nachbarn vertretbar gewesen sei. Es sei mit der Genehmigung sichergestellt, dass dort, wo Befreiungen erteilt worden seien, die Abstandsflächen auf dem eigenen Grundstück bzw. bis zur Mitte der öffentlich zu widmenden Verkehrsfläche zu liegen kämen. Es sei nicht erkennbar, dass die Klägerin durch das streitgegenständliche Vorhaben hinsichtlich der Belüftung oder der Belichtung ihres eigenen Grundstücks stärker beeinträchtigt sei, als dies auf der Grundlage des Bebauungsplans zulässig sei. Wenn die Klägervertreterin auf Seite 6 der Klagebegründung vorbringe, die Überschreitung der Traufhöhe führe zu einer Verschattung des Außenbereichs der Klägerin, welcher unter anderem als Terrasse diene, sei dies nicht nachvollziehbar. Auf den Luftbildern und dem genehmigen Grundriss sei gut erkennbar, dass sich die Terrasse der Klägerin gegenüber dem südlichen Teil des streitgegenständlichen Bauvorhabens befinde. Die zulässige Traufhöhe betrage für dieses Gebäude 458,5 m üNN. Bei dem geplanten Vorhaben liege die Traufhöhe an dieser Stelle bei 458,44 m üNN. Eine Überschreitung sei somit nicht erkennbar. Bei der Frage, ob die Klägerin durch die Ausnutzung der durch den Bebauungsplan gewährten Spielräume in ihren Rechten verletzt sei, könne auch auf das seit 1. Februar 2021 geltende Abstandsflächenrecht zurückgegriffen werden. Im Plan sei dies zur Veranschaulichung dargestellt. Blaue Flächen stellten die nach der aktuellen Fassung der BayBO geltenden Abstandsflächen dar, wenn kein Bebauungsplan vorhanden sei. Auch danach sei das Vorhaben jedoch zulässig. Hinsichtlich der Tiefgaragenstellplätze werde zunächst bestritten, dass die zu setzenden Betonpfeiler die Nutzbarkeit der Tiefgaragenstellplätze der Klägerin überhaupt nennenswert beeinträchtigten. Nach den eingereichten Plänen dürften die Betonsäulen einen Durchmesser von ca. 40 cm haben. Eine erschwerte Zufahrt zu den Parkplätzen könne nicht ausgeschlossen werden, allerdings behaupte die Klägerin selbst nicht, dass eine Nutzung überhaupt nicht mehr möglich sei. Darüber hinaus seien diese Fragen privatrechtlicher Natur und würden nicht am Prüfumfang der Baugenehmigung teilnehmen. Die außerhalb liegenden Stellplätze befänden sich auf öffentlich gewidmeten, privaten Flächen. Diese Widmung sei durch die Stadt B. … bestätigt. Die Stellplätze seien mithin nicht Gegenstand der Genehmigung. Auch hinsichtlich des Aufzugs sei die Klägerin auf den Privatrechtsweg zu verweisen.
13
Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 15. Oktober 2021 erklärte die Klägerin, dass sich durch die Betonsäulen die Tiefgaragenplätze der Klägerin auf 2,25 m verengten. Gemäß § 4 Abs. 1 Nummer 1 der Verordnung über den Bau und Betrieb von Garagen sowie über die Zahl der notwendigen Stellplätze vom 30. November 1993 (Garagen- und Stellplatzverordnung - GaStellV) müsse ein Parkplatz mindestens 2,30 m aufweisen, wenn keine Längsseite vorhanden sei. Gemäß Nummer 2 müsse er sogar 2,40 m aufweisen, wenn er eine Längsseite habe. Die 4 streitigen Stellplätze der Klägerin wiesen auf einer Längsseite eine Begrenzung auf. Daher müssten die Stellplätze laut der Verordnung 2,40 m aufweisen. Durch die Stahlbetonsäulen reduzierten sie sich jedoch auf 2,25 m und erfüllten damit nicht einmal mehr die Mindestvoraussetzungen von 2,30 m. Damit seien die Parkplätze nicht mehr nutzbar. Die Klägerin erfülle dadurch auch nicht mehr die Vorgaben der Stellplatzsatzung der Stadt … Für weitere Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die beigezogenen Behördenakten sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 26. Oktober 2021 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
14
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des LRA Pa. vom 1. September 2020 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
15
Nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 59 f. Bayerische Bauordnung (BayBO) ist eine Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind.
16
Einem Nachbarn des Bauherrn steht ein Anspruch auf Versagung der Baugenehmigung grundsätzlich nicht zu. Er kann eine Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg anfechten, wenn Vorschriften verletzt sind, die auch seinem Schutz dienen, oder wenn das Vorhaben es an der gebotenen Rücksichtnahme auf das Grundstück des Nachbarn fehlen lässt und dieses Gebot im Einzelfall Nachbarschutz vermittelt. Nur daraufhin ist das genehmigte Vorhaben in einem nachbarrechtlichen Anfechtungsprozess zu prüfen (vgl. BVerwG, B.v. 28.7.1994 - 4 B 94/94 - juris; BVerwG, U.v. 19.9.1986 - 4 C 8.84 - juris; BVerwG, U.v. 13.6.1980 - IV C 31.77 - juris). Es ist daher unerheblich, ob die Baugenehmigung einer vollständigen Rechtmäßigkeitsprüfung standhält.
17
Die streitgegenständliche Baugenehmigung vom 1. September 2020 wurde - zu Recht - im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO erteilt, da der Baugenehmigung kein Sonderbau i.S.v. Art. 2 Abs. 4 BayBO zu Grunde liegt.
18
Eine im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren erteilte Baugenehmigung kann ein Nachbar nur insoweit angreifen, wie die als verletzt gerügte Norm zum Prüfprogramm des Art. 59 Satz 1 BayBO zählt und daher von der Feststellungswirkung der Baugenehmigung umfasst wird (BeckOK Bayern/Robl, BayBO, Stand: 1.6.2019, Art. 59, Rn. 12 - beck-online).
19
Im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren prüft die Bauaufsichtsbehörde nach Art. 59 Satz 1 BayBO die Übereinstimmung mit den Vorschriften über die Zulässigkeit der baulichen Anlagen nach den §§ 29 bis 38 BauGB (Nr. 1 a), mit den Vorschriften über Abstandsflächen nach Art. 6 BayBO (Nr. 1 b) und mit den Regelungen örtlicher Bauvorschriften im Sinn des Art. 81 Abs. 1 BayBO (Nr. 1 c), beantragte Abweichungen im Sinn des Art. 63 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 BayBO (Nr. 2) sowie andere öffentlich-rechtliche Anforderungen, soweit wegen der Baugenehmigung eine Entscheidung nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entfällt, ersetzt oder eingeschlossen wird (Nr. 3). Ein Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften des im Baugenehmigungsverfahren zu prüfenden Bauplanungs- und Bauordnungsrechts ist nicht gegeben.
20
1. Zunächst kann die Klägerin keinen Verstoß gegen die im Bebauungsplan „H. …“ enthaltenen Festsetzungen über die Maße der zulässigen Traufhöhen geltend machen. Dabei kann dahinstehen, ob die genehmigten Baukörper diese tatsächlich einhalten, da die Regelungen schon keine drittschützende Wirkung entfalten.
21
a) Bei den Festsetzungen zur Traufhöhe handelt es sich um solche Festsetzungen, die das Maß der baulichen Nutzung betreffen. Regelungen über diese, über die Bauweise und die Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, sind nach ganz herrschender Meinung nicht nachbarschützend (vgl. VG München U.v. 29.2.2016 - M 8 K 14.3232, BeckRS 2016, 50220, beck-online unter Hinweis auf BVerwG, B.v. 11.3.1994 - 4 B 53/94, UPR 1994, 267 - juris Rn. 4; B.v. 19.10.1995 - 4 B 215/95, NVwZ 1996, 888 - juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 29.9.2008 - 1 CS 08.2201 - juris RdNr. 1; B.v. 6.11.2008 - 14 ZB 08.2327 - juris Rn. 9; B.v. 5.12.2012 - 2 CS 12.2290 - juris Rn. 3; B.v. 30.9.2014 - 2 ZB 13.2276 - juris Rn. 4; VG München, B.v. 12.7.2010 - M 8 SN 10.2346 - juris Rn. 53). Anders als bei Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung, die schon kraft Bundesrechts als generell drittschützend anzusehen sind, folgt bei den Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung (§ 16 ff. BauNVO) aus Art. 14 Abs. GG kein Gebot, diese drittschutzfreundlich auszulegen. Allerdings bleibt es in diesem Zusammenhang dem jeweiligen Plangeber überlassen, ob er bestimmten Maßfestsetzungen über ihren objektiv-rechtlichen Gehalt hinaus auch eine Wirkung zum Schutze von Nachbarn zumessen will. Insofern ist entscheidend, ob die Festsetzung nach dem Willen des Plangebers ausschließlich aus städtebaulichen Gründen getroffen wurde oder (zumindest auch) einem nachbarlichen Interessenausgleich im Sinne eines Austauschverhältnisses dienen soll. Ob dies der Fall ist, ist durch Auslegung des Schutzzwecks der jeweiligen Festsetzung im konkreten Einzelfall zu ermitteln, wobei sich ein entsprechender Wille unmittelbar aus dem Bebauungsplan selbst (etwa kraft ausdrücklicher Regelung von Drittschutz), aus seiner Begründung, aus sonstigen Vorgängen im Zusammenhang mit der Planaufstellung oder aus einer wertenden Beurteilung des Festsetzungszusammenhangs ergeben kann (vgl. BayVGH, B.v. 24.7.2020 - 15 CS 20.1332 - juris Rn.).
22
b) Im Fall der Maßfestsetzungen aus dem Bebauungsplan „H. …“, insbesondere derjenigen zur Traufhöhe, ist nach der Auffassung des Gerichts nicht ersichtlich, dass die plangebende Stadt B. … den Regelungen drittschützenden Charakter beimessen hat wollen. Ein solcher Wille ergibt sich weder aus dem Bebauungsplan selbst noch aus dessen Begründung.
23
Der Bebauungsplan enthält in seinen Festsetzungen keine ausdrückliche Aussage, wonach die Festsetzungen zur Traufhöhe auch zum Schutze der Nachbarn erlassen sein sollen.
24
In der Begründung des Bebauungsplans ist erläutert, dass Ziel der Planung unter anderem eine Wiederbelebung der Altstadt durch quartierweise vollzogene Erneuerung und Umstrukturierung im Bereich des öffentlichen Straßenraums sowie der privaten Baustruktur gewesen ist. Es sollten dabei auch in Ergänzung zu den innerstädtischen Straßen- und Platzräumen Grünbereiche geschaffen und durch die zu vollziehenden Umgestaltungen Verbesserungen der Aufenthaltsqualität erreicht werden. Zum Maß der baulichen Nutzung wird in der Planbegründung unter anderem ausgeführt, dass es für die Erhaltung der typischen Altbaustruktur notwendig sei, das vorhandene Maß der baulichen Nutzung auch weiterhin zu ermöglichen, wobei einzelne kleine Grundstücke, z.B. entlang der H. … straße, nur bei kompletter Überbauung sinnvoll nutzbar seien. In diesem Zusammenhang wird auch erklärt, dass die durch den Plan im Innenbereich des Quartiers festgesetzten öffentlichen Grün- und Freiflächen in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang mit der privaten Baustruktur stünden und deshalb als Ausgleichsfläche für die stellenweise sehr dichte Bebauung zu sehen seien und eine entscheidende Verbesserung des Wohnumfeldes hervorriefen. Ferner wird schließlich ausgeführt, dass die Schaffung von öffentlichen und halböffentlichen Freiräumen zu den Zielen der Altstadtsanierung gehöre und diese in Ergänzung zu den Straßenräumen wesentlich für die Steigerung der Aufenthaltsqualität der Altstadt seien. Im Hinblick auf die Planbegründung ist festzuhalten, dass die Erläuterungen zwar durchaus deutlich machen, dass die Schaffung und Erhaltung von Grün- und Freiflächen bzw. allgemein Freiräumen ein bei der Planung mit Priorität verfolgtes Ziel war, welches nach den Ausführungen in der Begründung auch durchaus in Zusammenhang mit den Regelungen zum Maß der baulichen Nutzung bzw. allgemein zur Ausnutzung der Bauflächen gestellt wird. Jedoch ist für das Gericht nicht ersichtlich, dass aus den dargestellten Erläuterungen hervorgeht, dass die Regelungen zum Maß der baulichen Nutzung auch Nachbarn subjektiv Schutz gewähren sollen. Vielmehr ist anzunehmen, dass die entsprechenden Festsetzungen - auch mit Blick auf angestrebte Auswirkungen wie eine Verbesserung des Wohnumfeldes oder eine Steigerung der Aufenthaltsqualität in den jeweiligen Quartieren - objektiv-städtebaulichen Zielen (vgl. bspw. § 1 Abs. 6 Nrn. 1, 2 und 14 BauGB) dienen sollen, ohne speziellen Personengruppen subjektive Abwehrrechte vermitteln zu wollen. Drittschutz ist aus den Festsetzungen zur Traufhöhe hier folglich nicht herzuleiten.
25
2. Zudem ist kein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot festzustellen, welches sich im vorliegenden Fall aus § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO ergibt, da sowohl das Grundstück der Beigeladenen als auch dasjenige der Klägerin sich im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes (Bebauungsplan „H. …“) befinden.
26
§ 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO als einfach-gesetzliche Ausprägung des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots bestimmt, dass bauliche und sonstige Anlagen im Einzelfall unzulässig sind, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.
27
Dem bauplanungsrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme kommt drittschützende Wirkung zu, soweit in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist (BVerwG, U.v. 5.12.2013 - 4 C 5.12 - juris). Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, ist abhängig von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugutekommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, welcher das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen (vgl. BVerwG, U.v. 28.10.1993 - 4 C 5/93 - juris; BVerwG, U.v. 13.3.1981 - 4 C 1/78 - juris). Bei diesem Ansatz kommt es für die sachgerechte Beurteilung des Einzelfalls wesentlich auf die Abwägung zwischen dem an, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. BayVGH, B.v. 25.10.2010 - 2 CS 10.2137 - juris). Das Gebot der Rücksichtnahme ist demnach nur dann verletzt, wenn die dem Kläger aus der Verwirklichung des geplanten Vorhabens resultierenden Nachteile das Maß dessen übersteigen, was ihm als Nachbar billigerweise noch zumutbar ist. Dafür ist vorliegend nichts ersichtlich.
28
a) Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass das Vorhaben auf das Grundstück der Klägerin eine erdrückende Wirkung ausüben könnte (BVerwG, U.v. 13.3.1981 - 4 C 1/78 - juris; BVerwG, U.v. 23.5.1986 - 4 C 34/85 - juris). Eine solche Wirkung kommt ungeachtet des grundsätzlich fehlenden Nachbarschutzes bezüglich des Maßes der baulichen Nutzung nur bei nach Höhe und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht (BayVGH, B.v. 6.4.2018 - 15 ZB 17.36 - juris; BayVGH, B.v. 23.4.2014 - 9 CS 14.222 - juris; BayVGH, B.v. 19.3.2015 - 9 CS 14.2441 - juris). Hauptkriterien bei der Beurteilung einer abriegelnden bzw. erdrückenden Wirkung sind unter anderem die Höhe des Bauvorhabens und seine Länge sowie die Distanz der baulichen Anlage in Relation zur Nachbarbebauung (BayVGH, B.v. 5.12.2012 - 2 CS 12.2290 - juris; vgl. z.B. BVerwG, U.v. 13.3.1981 - 4 C 1/78 - juris: elf- bzw. zwölfgeschossiges Gebäude in naher Entfernung zu zweieinhalbgeschossigem Wohnhaus; BVerwG, U.v. 23.5.1986 - 4 C 34.85 - juris: grenznahe 11,5 m hohe und 13,31 m lange Siloanlage bei einem 7 m breitem Nachbargrundstück). Bei Berücksichtigung dieser Grundsätze ist nicht ersichtlich, dass eine erdrückende Wirkung auf das klägerische Grundstück zu befürchten sein könnte. Zwar wird das Bauvorhaben in Teilen - insbesondere der hintere, südlich gelegene Baukörper - an der Grundstücksgrenze zum Grundstück der Klägerin errichtet. Jedoch ist bei der in den Eingabeplänen vorgesehenen Höhe nicht davon auszugehen, dass das Bauvorhaben in Relation zum Grundstück der Klägerin „übergroß“ wirken könnte. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass im gesamten Quartier entlang der S. … straße eine relativ dichte Bebauung mit in der Regel 2-geschossigen Gebäuden vorliegt. Mit einer Traufhöhe von 458,92 m. ü. NN am nördlich gelegenen Baukörper sowie 462,50 m. ü. NN am südlich gelegenen Baukörper reiht sich das Bauvorhaben der Beigeladenen in diese vorhandene Bebauung ein und füllt die östlich des Grundstücks der Klägerin vorhandene Baulücke ohne dabei übermäßig massiv und abriegelnd zu wirken. Gerade in Anbetracht der Tatsache, dass das Bauvorhaben in seinen Maßen nicht merklich von der schon vorhandenen Bebauung im Baugebiet abweicht, kann nicht davon gesprochen werden, dass die Klägerin durch das Vorhaben unzumutbar beeinträchtigt wird. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass sich die Räumlichkeiten der Klägerin, zumindest im Bereich des grenzständig zu errichtenden, südlichen Baukörpers nicht in unmittelbarer Nähe zu dessen geplantem Standort, sondern etwas weiter nach Osten versetzt befinden. Dazwischen befindet sich der zur von der Klägerin betriebenen Wirtschaft gehörige Biergarten. Durch diesen vorhandenen Zwischenraum wird die Wirkung des Bauvorhabens auf das Grundstück der Klägerin und die dort vorhandene Bebauung nochmals reduziert. Schließlich ist weiter zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber im Zusammenhang mit der Novellierung der Abstandsflächenvorschriften grundsätzlich eine weitere Verdichtung im Vergleich zu den vormals geltenden Regelungen bewusst hingenommen hat. Nach alledem kann nicht angenommen werden, dass eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots wegen erdrückender Wirkung des Bauvorhabens vorliegt.
29
b) Auch ist keine Verletzung des Rücksichtnahmegebots im Hinblick auf die Parkplatzsituation sowohl in der Tiefgarage als auch an der Erdoberfläche im nördlichen Bereich des Baugrundstücks anzunehmen.
30
aa) Die Rüge der Klägerin, die Stahlbetonsäulen, die aus Statikgründen an vier der von ihr genutzten Tiefgaragenstellplätze in der Altstadtgarage anlässlich des Bauvorhabens zur Einfügung vorgesehenen sind, würden sie durch Verletzung ihres Eigentumsrechts unzumutbar beeinträchtigen, kann der Klage nicht zum Erfolg verhelfen. Die Klägerin bringt hierbei vor, dass durch die Errichtung der Säulen die genannten Parkplätze von ihren Gästen nicht mehr bzw. allenfalls nur noch schwer nutzbar seien und beruft sich insoweit auf das Rücksichtnahmegebot. Eine Verletzung desselben kann in diesem Zusammenhang aber unabhängig davon, wie die auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung diskutierte Frage, ob der Klägerin an den angesprochenen Parkplätzen in der Tiefgarage tatsächlich - wie von ihr vorgetragen - (Teil) Eigentum zusteht oder sie lediglich ein Nutzungsrecht an den Parkplätzen in Form einer Grunddienstbarkeit innehat, zu beantworten ist, nicht angenommen werden. Von einer genaueren Auseinandersetzung mit der Frage nach den konkreten Rechtsverhältnissen an den genannten Parkplätzen kann demnach vorliegend mangels Entscheidungserheblichkeit abgesehen werden. Unterbleiben kann schließlich auch eine abschließende Bewertung dahingehend, ob die Stahlbetonsäulen überhaupt Teil der Baugenehmigung waren oder - wie die Beklagtenseite im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat - Teil eines anderen, eigenständigen Genehmigungsverfahrens. Auch im Falle der Annahme, dass die Baugenehmigung die Errichtung der Säulen mit in ihren Regelungsgehalt aufgenommen hat, ist letztlich zu berücksichtigen, dass es sich beim Vorbringen der Klägerin, dass die Säulen die Nutzbarkeit der Parkplätze, an denen ihr nach ihren Angaben jedenfalls ein Nutzungsrecht zustehe, letztlich um einen dem Privatrecht zuzuordnenden Streitpunkt handelt. Im Zusammenhang mit privaten Rechtspositionen ist im baurechtlichen Kontext stets Art. 68 Abs. 5 BayBO zu beachten, der bestimmt, dass die Baugenehmigung unbeschadet der privaten Rechte Dritter ergeht. Aus dieser Vorschrift folgt, dass die Baugenehmigung in ihrem Regelungsgehalt zu Fragen ihrer Vereinbarkeit mit privatrechtlichen Rechtspositionen nicht Stellung nimmt. Sie sagt über solche Rechte nichts aus und stellt daher auch kein verbindliches Urteil bezüglich der Zulässigkeit des Vorhabens in privatrechtlicher Hinsicht auf. Die Baugenehmigung hat keine privatrechtsgestaltende Wirkung. Ein privates Recht kann daher auch keine Abwehrposition gegen die Genehmigung begründen, sondern muss vor den ordentlichen Gerichten geltend gemacht werden (Busse/Kraus/Decker, 143. EL Juli 2021, BayBO Art. 68 Rn. 436). Wird vom Betroffenen die behauptete unzumutbare Beeinträchtigung durch das Bauvorhaben im jeweiligen Kontext lediglich auf die Verletzung von privatrechtlichen Rechtspositionen gestützt, kann daraus auch keine Verletzung des Rücksichtnahmegebots hergeleitet werden. Auch die von der Klägerin geltend gemachte Verletzung der Vorschriften der Garagen- und Stellplatzverordnung (GaStellV) fügt sich letztlich in diesen - vor der ordentlichen Gerichtsbarkeit zu thematisierenden - Kontext ein und muss daher an dieser Stelle nicht weiter erörtert werden.
31
bb) Auch im Hinblick auf die vier an der Erdoberfläche liegenden Parkplätze im nördlichen Bereich des Baugrundstücks kann keine Verletzung des Rücksichtnahmegebots angenommen werden. In diesem Zusammenhang macht die Klägerin geltend, dass die Parkplätze nur genutzt werden können, wenn man - um sie zu befahren und zu parken - über das in ihrem Eigentum stehende Grundstück fahre und sie daher wiederum unzumutbar beeinträchtigt sei. Ungeachtet der Tatsache, dass auch in diesem Zusammenhang die oben dargelegten Grundsätze zur Frage des Verhältnisses der Baugenehmigung zu privatrechtlichen Rechtspositionen zum Tragen kommen und eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots schon aus diesem Grund ausscheiden muss, ist hier darüber hinaus zu sagen, dass die Baugenehmigung zu diesen vier Parkplätzen nach der Auffassung des Gerichts letztlich keine neue, eigenständige Regelung trifft. Der Eingabeplanung lässt sich nicht entnehmen, dass hinsichtlich der Parkplätze irgendwie geartete bauliche Maßnahmen durchgeführt werden sollen. Zudem hat die Beklagtenseite in der mündlichen Verhandlung diesbezüglich dargelegt, dass die Parkplätze auch nicht in die Stellplatzberechnung miteinbezogen worden sind, sondern die für das Bauvorhaben erforderlichen Stellplätze sich in der Tiefgarage befinden. Es handelt sich bei den vier Stellplätzen vielmehr um eine öffentlich gewidmete Fläche, die ganz allgemein von Kunden umliegender Geschäfte genutzt werden kann. Die Annahme einer Verletzung des Rücksichtnahmegebots scheidet also auch in dieser Hinsicht aus.
32
3. Auch liegt keine Verletzung des Abstandsflächenrechts des Art. 6 BayBO vor.
33
Sowohl der südliche als auch der nördliche Baukörper halten die - hier durch den Bebauungsplan „H. …“ weitestgehend eigenständig geregelten - zulässigen Abstandsflächen zum klägerischen Grundstück hin ein.
34
a) Im Rahmen der Bauleitplanung können Gemeinden in unterschiedlicher Weise die durch Art. 6 BayBO vorgesehenen, zulässigen Maße der Abstandsflächen abweichend von den gesetzlichen Vorschriften festsetzen. So besagt Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO, dass Abstandsflächen nicht erforderlich sind vor Außenwänden, die an Grundstücksgrenzen errichtet werden, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden muss oder gebaut werden darf. Gem. Art. 6 Abs. 5 Satz 2 BayBO kann durch städtebauliche Satzung oder eine Satzung nach Art. 81 BayBO ein abweichendes Maß der Tiefe der Abstandsflächen im Sinne des Art. 6 BayBO zugelassen oder vorgeschrieben werden. Auf diese Weise wird die planerische Gestaltungsfreiheit der jeweiligen Gemeinde gewahrt, die in diesem Zusammenhang besonderen örtlichen Gegebenheiten und städtebaulich außergewöhnlichen Situationen Rechnung tragen kann (vgl. Busse/Kraus/Hahn BayBO Art. 6 Rn. 276). Festsetzungen in städtebaulichen Satzungen, insbes. in Bebauungsplänen (§ 10 Abs. 1 BauGB) oder örtlichen Bauvorschriften (Art. 81 BayBO), die Abstandsflächen größerer oder geringerer Tiefe als nach Satz 1 vorschreiben, können insbesondere solche über die überbaubaren Grundstücksflächen (Baulinien, Baugrenzen, Bebauungstiefen, s. § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 23 BauNVO), über vom Bauordnungsrecht abweichende Maße der Tiefe der Abstandsflächen gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2a BauGB, ferner über die Zahl der Vollgeschosse (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB, § 16 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO), die Höhe der baulichen Anlagen (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB, § 16 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO) und die Stellung der baulichen Anlagen (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 BauGB) sein (vgl. Busse/Kraus/Hahn BayBO Art. 6 Rn. 306).
35
b) Der vorliegend einschlägige Bebauungsplan „H. …“ stellt solche - die zulässigen Abstandsflächen im oben genannten Sinne umgestaltende - Regelungen auf. Insbesondere entlang der östlichen, dem Grundstück der Klägerseite zugewandten Seite sieht der Plan Baulinien (§ 23 Abs. 2 BauNVO) und Baugrenzen (§ 23 Abs. 3 BauNVO) vor, durch die die überbaubaren Grundstücksflächen im Sinne von § 23 Abs. 1 Satz 1 BauNVO geregelt werden. Anknüpfend daran sind in den textlichen Festsetzungen des Plans in Ziffer 1.3, welche eingehendere Vorgaben zu den überbaubaren Grundstücksflächen enthält, verschiedene Regelungen zum abweichend von Art. 6 BayBO gestalteten Abstandsflächenrecht aufgenommen (Ziffer 1.3.1). Hierbei wird unter anderem festgesetzt, dass, sofern bei Ausnutzung der im Bebauungsplan festgesetzten, überbaubaren Grundstücksbereiche die Abstandsflächen nicht auf dem Baugrundstück zum Erliegen kommen, diese bis zur Grundstücksgrenze verkürzt werden (Ziffer 1.3.1.2) bzw. allgemein die Abstandsflächentiefe sich in diesem Fall auf das nach dem Plan zulässige Maß verringert (Ziffer 1.3.1.3). Ferner ist geregelt, dass, sofern Baulinien oder Baugrenzen von Bauteilen, die nicht mehr als untergeordnete Baukörper gelten und innerhalb von Abstandsflächen nicht zulässig sind, nicht ausgenutzt, sondern überschritten werden, die nachzuweisende Abstandsfläche 0,5 H beträgt (Ziffer 1.3.1.4). Von untergeordneten Bauteilen wiederum, die innerhalb von Abstandsflächen zulässig sind, können nach Ziffer 1.3.2.1 der textlichen Festsetzungen des Plans Baulinien und Baugrenzen überschritten werden, sofern nicht anderweitige Festsetzungen entgegenstehen. Schließlich können nach Ziffer 1.3.2.3 innerhalb besonders gekennzeichneter Bereiche die Baulinien durch Laubengänge bis zu einer Tiefe von 2,0 m überschritten werden.
36
c) Bezüglich der im vorliegenden Fall genehmigten Eingabeplanung der Beigeladenen ist festzuhalten, dass der südliche Baukörper zwar unmittelbar an der östlichen Grundstücksgrenze zum Grundstück der Klägerin hin errichtet werden soll. Hierbei befindet sich nach den Darstellungen im Bebauungsplan auf dieser östlichen Grundstücksgrenze allerdings auch eine Baulinie, welche sich über die gesamte Länge der östlichen Fassade des südlichen Baukörpers erstreckt. Entsprechend der oben dargestellten Regelungen im Bebauungsplan zu den überbaubaren Grundstücksflächen konnte dieser Baukörper daher zulässigerweise auf der sich mit der Grundstücksgrenze überdeckenden Baulinie genehmigt werden. Die Abstandsflächen sind dabei - wegen Ausnutzung der im Plan vorgesehenen, überbaubaren Grundstücksbereiche - im Einklang mit Ziffer 1.3.1.2 der textlichen Festsetzungen in diesem Fall entsprechend verkürzt, weswegen ein Verstoß gegen Art. 6 BayBO mithin nicht anzunehmen ist.
37
d) Hinsichtlich des nördlich gelegenen Baukörpers stellt sich der Fall abstandsflächenrechtlich so dar, dass der Hauptbaukörper östlicherseits ebenfalls entlang einer im Bebauungsplan eingezeichneten Baulinie errichtet werden soll und insofern auch hier gem. Ziffer 1.3.1.2 der textlichen Planfestsetzungen die Abstandsflächen durch deren Reduzierung bis zur Grundstücksgrenze eingehalten sind. Der ebenfalls entlang der Ostseite zu errichtende Laubengang im ersten und im zweiten Obergeschoss, durch den der nördliche Baukörper erschlossen wird, überschreitet zwar diese Baulinie, hält aber die gleichermaßen im Bebauungsplan eingezeichnete, wiederum etwas weiter östlich liegende Baugrenze noch ein. Auch in dieser Hinsicht werden die zulässigen Abstandsflächen zum Grundstück der Klägerin hin eingehalten. Dabei kann sowohl die Frage, ob in diesem Fall erneut die Regelung aus Ziffer 1.3.1.2 der textlichen Festsetzungen zum Tragen kommt, da trotz Überschreitung der Baulinie zumindest die Baugrenze eingehalten ist, als auch - für den Fall deren Verneinung - die Frage, ob - je nach Einordnung des Laubenganges als untergeordnetes oder nicht mehr untergeordnetes Bauteil - die Baulinienüberschreitung unschädlich ist oder entsprechend Ziffer der textlichen Festsetzungen ein Maß von 0,5 H eingehalten werden muss, dahinstehen, da nach der Eingabeplanung die letztgenannte Abstandsflächentiefe von 0,5 H durch den Laubengang jedenfalls eingehalten wird.
38
Weitere Anhaltspunkte dafür, dass die streitgegenständliche Baugenehmigung in bauplanungs- oder bauordnungsrechtlicher Hinsicht drittschützende Normen verletzt, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind, sind nicht ersichtlich.
39
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren nicht für erstattungsfähig zu erklären, da sie keinen Antrag gestellt und sich somit keinem eigenen Prozesskostenrisiko ausgesetzt hat, §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO.
40
Die Entscheidung bezüglich der vorläufigen Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).