Titel:
Mangels Bestimmtheit unzulässige Saldoklage betreffend rückständige Wohngeldzahlungen
Normenkette:
ZPO § 253 Abs. 2
Leitsatz:
Macht die Klagepartei im Rahmen einer auf rückständige Wohngeldzahlungen gerichteten Klage lediglich einen Saldobetrag geltend ohne vorzutragen, für welche Monate das Wohngeld in welcher Höhe offen sein soll, handelt es sich um eine mangels Bestimmtheit unzulässige Saldoklage. Denn sofern aus den Schriftsätzen nicht erkennbar ist, welche Zahlungen erfolgt sind, auf welche konkrete Forderung welche Zahlung in welcher Höhe verrechnet wurde, welche konkrete Forderung noch fortbesteht und auf welchem Rechtsgrund die geltend gemachte Forderung beruht, erweist sich die Klage als zu unbestimmt. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Saldoklage, rückständige Wohngeldzahlungen, Bestimmtheit, Jahresabrechnung
Rechtsmittelinstanz:
LG München I, Endurteil vom 11.11.2021 – 6 S 2936/21 WEG
Fundstelle:
BeckRS 2021, 47059
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Der Streitwert wird auf 5.532,42 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten rückständige Wohngeldzahlungen 2019.
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Die Klägerin ist eine Wohnungseigentümergemeinschaft, deren Mitglied der Beklagte ist als Eigentümer der Einheiten .
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Die Wohnungseigentümer genehmigten in der Eigentümerversammlung vom 14.12.2019 zu Top 3a die Jahresrechnung 2017 bestehend aus Gesamt- und Einzelabrechnungen und der Heiz- und Warmwasserkostenabrechnung 2017/2018. Es wurde ferner beschlossen, dass Guthaben bis zum 10.01.2020 überwiesen werden. Die Wohnungseigentümer genehmigten in der gleichen Versammlung zu Top 5a die Jahresabrechnung 2018 und beschlossen, dass die Guthaben zum 10.01.2020 überwiesen werden. Durch Beschluss zu Top 7 genehmigten die Wohnungseigentümer den Wirtschaftsplan 2019 bestehend aus Gesamtwirtschaftsplan und Einzelwirtschaftsplänen. In dem vorgenannten Beschluss ist weiter geregelt, dass das monatlich zu zahlende Hausgeld spätestens zum 3. Werktag eines Monats zu leisten ist. Differenzen in Form von Guthaben oder Nachzahlungen seien bis zum 10.01.2020 „vorzunehmen“.
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Sämtliche Beschlüsse wurden nicht angefochten.
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Unstreitig bestehen keine Hausgeldforderungen 2019 für Teileigentum 6 und 39. Eine vom Beklagten geleistete Zahlung in Höhe von € 2080,91 vom 08.01.20 wurde vollständig auf die diese Eigentumsanteile betreffenden Forderungen aufgrund der angegebenen Leistungsbestimmung verrechnet.
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Die Klagepartei behauptet, dass sich unter Berücksichtigung der Soll-Zahlungen und der tatsächlichen Zahlungen ein offener Saldo von 5532,42 € zum 10.01.2020 zulasten des Beklagten betreffend das Wohngeld 2019 ergebe.
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Im SS vom 12.10.20 behauptet die Klagepartei, dass aus den Hausgeldabrechnungen 2017 und 2018 folgende Nachzahlungsverpflichtungen für den Beklagten bestehen:
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Im SS vom 26.10.2020 trägt die Klagepartei vor, dass „für die streitgegenständlichen Abrechnungen keine Hausgeldvorauszahlungen betreffend Teileigentum 12, 13, 23 und 38 erfolgt sind und keine Zahlungen durch den Beklagten zu verrechnen seien. Für jedes Teileigentum wird die Gesamtforderung summarisch aufgelistet.
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Im Schriftsatz vom 20.11.2020 führt die Klagepartei für jedes Teileigentum isoliert die nach Wirtschaftsplan monatlich geschuldeten Hausgeldvorauszahlungen für das Jahr 2019 auf. Bei der Aufzählung zu Teileigentumsnummer 38 zieht die Klagepartei geleistete Hausgeldvorauszahlungen 2019 in Höhe von 280 € von den aufgelisteten Sollzahlungen ab. In einem weiteren Schritt werden die Rückstände bzw. Guthaben aus 2017 und 2018 im jeweiligen Teileigentum addiert bzw. subtrahiert.
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In den Schriftsätzen vom 11.12.2020 und 09.02.2021 trägt die Klagepartei zu dem Guthaben in Höhe von Euro 280 betreffen das Teileigentum 38 vor.
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Im Schriftsatz vom 09.02.2021 verweist der Klägervertreter unter Ziffer 2 pauschal auf die Rückstände aus den Hausgeldabrechnungen 2017 bei Teileigentum 12, 13, 23 und 38 sowie ein Guthaben aus der Hausgeldabrechnung 2018 betreffend Teileigentum 38.
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Die Klägerin beantragte zuletzt,
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Euro 5.532,42 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5% p. a. über dem Basiszinssatz ab 10.01.2020 zu bezahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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Er behauptet, sämtliche Nebenkosten mit Ausnahme der Instandhaltungsrücklage gezahlt zu haben. Es bestehe lediglich Streit über die Berechtigung der Instandhaltungsrücklage, die rückwirkend beschlossen worden sei.
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Bezüglich der Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen Bezug genommen.
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Das Gericht hat mehrfach darauf hingewiesen, dass eine unzulässige Saldoklage vorliegt, zunächst bei der Klagezustellung, sodann mit Hinweisbeschluss vom 13.10.2020, sodann mit Verfügung vom 04.11.2020 und zuletzt mit Hinweis vom 26.11.2020 .
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Bezüglich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Parteien und die genannten Hinweise des Gerichts.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist unzulässig.
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Das Amtsgericht München ist für die Entscheidung örtlich zuständig, da die Wohnanlage im Bereich des Amtsgerichts belegen ist. Die Berechtigung des Verwalters zur Vertretung der Klägerin gemäß § 27 Abs. 3 Satz 1 Nummer 7 WEG alte Fassung folgt aus § 4 Abs. 1 des Verwaltervertrages vom 15.08.2019 (Anlage K5) in Verbindung mit dem 1. Nachtrag zum Verwaltervertrag vom 18.12.2019.
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Der Verband der Wohnungseigentümer vertreten durch den Verwalter ist prozessführungsbefugt, da er ein eigenes Recht im eigenen Namen geltend macht.
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Es liegt eine Saldoklage vor, bei der der Klageantrag unbestimmt und der Klagegrund nicht eindeutig umfasst ist, § 253 Abs. 2 ZPO.
22
Aus den Schriftsätzen der Klagepartei ist nicht erkennbar, welche Zahlungen durch den Beklagten erfolgt sind, auf welche konkrete Forderung welche Zahlung in welcher Höhe verrechnet wurde, welche konkrete Forderung noch fortbesteht und auf welchem Rechtsgrund die geltend gemachte Forderung beruht. Unabhängig davon, dass der bloße Verweis auf Anlagen nicht ausreichend ist, geht aus den Anlagen 2e und 8e lediglich der geltend gemachte Saldo hervor. Die Klagepartei trägt betreffend die Wohngeldabrechnungen 2017, 2018 und 2019 nicht vor, für welche Monate das Wohngeld in welcher Höhe offen sein soll. Dies ist aber erforderlich, weil das Wohngeld monatlich geschuldet ist und nicht als Jahreswohngeld beschlossen worden ist (Anlage K 2a ff.). Aus Top 7 des Versammlungsprotokolls über die ordentliche Eigentümerversammlung vom 14.12.2019 geht hervor, dass die Vorauszahlungen (Hausgeld und Instandhaltungsrücklage) gemäß Teilungserklärung bis spätestens zum 3. Werktag eines Monats fällig sind, es sich also bei Hausgeld um eine monatliche Schuld handelt.
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Es ist auch nicht vorgetragen, inwieweit es sich bei den Forderungen aus den Abrechnungen 2018 und 2017 um solche aus der genehmigten Jahresabrechnung oder um solche aus einer Abrechnungsspitze handelt.
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Es fehlt auch Vortrag dazu, welche Zahlungen 2017 und 2018 auf welche monatlichen Hausgeldbeitragsforderungen erfolgt sind bzw. wie die Zahlungen verrechnet wurden. Vorgetragen wird nur der Saldo des Nachzahlungsbetrags bzw. des Guthabens.
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Soweit Guthaben verrechnet werden, ist eine Verrechnungsbestimmung im Sinn von § 366 Abs. 1 BGB nicht aufgeführt. Eine Anwendung von § 366 Abs. 2 BGB scheitert an der Auslegungsfähigkeit. Im Schriftsatz vom 26.10.2020 teilt der Klägervertreter mit, dass hinsichtlich der Teileigentumseinheiten 12,13, 23 und 38 keine Zahlungen zu verrechnen seien. Dies widerspricht dem Vortrag im Schriftsatz vom 20.11.2020 und den vorgelegten Anlagen K 2e und K 8e. Im Schriftsatz vom 10.12.2020/11.12.2020 werden unter Ziffer 2. Zahlungen des Beklagten inklusive Zahlungsbestimmungen von diesem vorgetragen, die im Hinblick auf die vorgelegte Anlage K 2e nicht nachvollziehbar sind und insbesondere jedenfalls teilweise der Zahlungsbestimmung durch den Beklagten widersprechen. Daraus geht eindeutig hervor, dass keine Heizkostenvorauszahlung erfolgen sollte.
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Aufgrund des dargestellten Sachverhalts ist es auch unter Zuziehung der vorgelegten Anlagen nicht möglich, eine Zuordnung der erfolgten Zahlungen zu konkreten Forderungen weder direkt noch im Weg der Auslegung zu treffen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO