Inhalt

VG Bayreuth, Urteil v. 21.04.2021 – B 6 K 20.558
Titel:

Reiseausweis für Staatenlose

Normenketten:
VwGO § 75, § 93, § 173
ZPO § 264 Nr. 2
StaatenlosenÜ Art. 1 Abs. 1, Art. 28
AufenthG § 99 Abs. 1 Nr. 5
AufenthV § 1 Abs. 4, § 4 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 4
GG Art. 116
Leitsatz:
Mit einer Einbürgerung besteht kein Anspruch mehr auf Erteilung eines Reiseausweises für Staatenlose. (Rn. 37) (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Anspruch auf Reiseausweis für Staatenlose bei bestehender deutscher Staatsangehörigkeit (verneint), Staatenloser, Reiseausweis, Einbürgerung, Staatenlosenübereinkommen
Fundstelle:
BeckRS 2021, 46882

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1
Die Klägerin begehrt die Erteilung eines Reisepasses für Staatenlose.
2
Die Klägerin, geboren in der damaligen Tschechoslowakischen Republik am …1961, reiste im Juni 1988 mit ihrem Ehemann und ihrem Sohn in die Bundesrepublik Deutschland ein. Sie hat als Vertriebene und deshalb auch ihr Ehemann und Sohn Aufnahme in die Bundesrepublik Deutschland gefunden. Am 06.06.1989 wurde ihnen gemäß § 1 Abs. 3 Bundesvertriebenengesetz (BVFG) der Vertriebenenausweis … ausgestellt.
3
Auf Antrag vom 04.07.1989 wurde die Klägerin nach § 6 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit v. 22.02.1955 (StARegG) i.V.m. § 16 Abs. 1 Staatsangehörigkeitengesetzes (Ru) StAG mit Wirkung vom 13.02.1990 durch Aushändigung der Einbürgerungsurkunde in den deutschen Staatsverband aufgenommen. In der Folge wurden ihr deutsche Identitätsdokumente ausgestellt.
4
Am 19.03.2019 wurde die Klägerin, ausweislich in Kopie vorgelegter tschechischer Nachweise vom 19.03.2019 und 27.01.2020 mit Apostille bzw. der in Kopie vorgelegten Übersetzung der amtlichen Dokumente aus Januar 2020, aus der tschechischen Staatsbürgerschaft, über die sie bis zu diesem Zeitpunkt ebenfalls verfügt hatte (bis 31.12.1968 tschechoslowakische Staatsbürgerschaft), entlassen.
5
Aktuell ist die Klägerin im Besitz eines Reisepasses der Bundesrepublik Deutschland (Nr. …), gültig vom 09.01.2020 bis zum 08.01.2030.
6
Am 23.03.2020 stellte die Klägerin bei dem Landratsamt … einen Antrag auf Erteilung eines Reiseausweises für Staatenlose.
7
Am 27.06.2020 hat die Klägerin zunächst Untätigkeitsklage vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth erhoben mit dem Antrag:
„Der Beklagte wird verpflichtet, ohne weiteren Verzug den o.g. Antrag der Klägerin vom 23. März 2020 zu verbescheiden.“
8
Mit Bescheid vom 21.09.2020, zugestellt mittels Postzustellungsurkunde (Abdruck 23.09.2021), lehnte das Landratsamt … den Antrag der Klägerin auf Ausstellung eines Reisepasses für Staatenlose nach Anhörung ab (Ziff. 1) und erhob als Kosten eine Bearbeitungsgebühr von 60,00 EUR und Auslagen für die Zustellung mittels Postzustellungsurkunde i.H.v. 4,11 EUR (Ziff. 2). (Gz. …).
9
Die Ablehnung begründete das Landratsamt … damit, dass sich ausweislich der von der Klägerin in diversen Korrespondenzen und auch im verfahrensgegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Reiseausweises für Staatenlose vorgelegten Nachweise, nämlich
- der Einbürgerungsurkunde vom 13.02.1990 - dem Auszug aus dem EStA-Register sowie
- dem ihr von der Stadt … ausgestellten Ausweisdokument (Reisepass Nr. …, gültig vom 09.01.2020 bis zum 08.01.2020 [sic!; offensichtlich gemeint 2030])
10
Deutsche Staatsangehörige durch Einbürgerung gemäß § 6 Staatsangehörigkeitsregelungsgesetz (StARegG) sei.
11
Ein Grund für den Verlust der Deutschen Staatsangehörigkeit sei nicht ersichtlich. Die Klägerin sei somit nicht staatenlos und unterliege damit nicht dem Art. 28 i.V.m. dem Anhang des Staatenlosenübereinkommens, sodass ihr kein Reiseausweis für Staatenlose i.S. des § 99 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG i.V.m. § 1 Abs. 4, § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthV ausgestellt werden könne.
12
Die Klägerin sei bereits mehrmals im Rahmen der vorantraglichen Korrespondenz und mit Anhörung vom 29.07.2020 auf die rechtlichen Gegebenheiten hingewiesen worden und es sei ihr Gelegenheit gegeben worden, sich zur beabsichtigten Äußerung des Antrages zu äußern.
13
Die Klägerin habe auf der Ausstellung eines Reiseausweises für Staatenlose bestanden.
14
Hinsichtlich der festgesetzten Gebühr führte das Landratsamt … aus, dass für die Bearbeitung eines Antrages auf Ausstellung eines Reiseausweises für Staatenlose gemäß § 69 AufenthG i.V.m. §§ 49 Abs. 2, 48 Abs. 1 Nr. 1c AufenthV eine Gebühr in Höhe von 60,00 EUR zu erheben sei. Für die Postzustellungsurkunde seien zu erstattende Auslagen i.H.v. 4,11 EUR entstanden.
15
Mit Schriftsatz vom 19.10.2020, eingegangen am gleichen Tag, hat sich die Klägerin an das Gericht gewendet und unter anderem erklärt:
„In vorbezeichneter Angelegenheit erhebt die Klägerin Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage gem. § 42 Abs. 1 Hs. 2 Alt. 1 VwGO i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG und beantragt in Namen ihrer Person […] Der ablehnende Bescheid des Beklagten vom 21. September 2020 - Zn: … - (s. dazu Anlagen K1) wird aufgehoben.
Der Beklagte wird verpflichtet, dem o.g. Antrag der Klägerin vom 23. März 2020 zu entsprechen und ihr sodann deutsche Passersatzpapiere für Ausländer gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthV (Reiseausweise für de-jure-Staatenlose i.S.d. StlÜbk) auszustellen.“
16
Das Gericht hat den Schriftsatz v. 19.10.2020 nebst versagendem Bescheid vom 21.09.2020 in das hiesige Verfahren B 6 K 20.558 einbezogen und dies der Klägerin mit Schreiben vom 03.11.2020 mitgeteilt.
17
Mit am gleichen Tage zugegangenem Schriftsatz vom 30.11.2020 hat die Klägerin unter anderem erklärt:
„Weil das Gericht die durch die Klägerin mit Klageschrift vom 27. Juni 2020 (Verpflichtungsklage in Form der Untätigkeitsklage) und mit Klageschrift vom 19. Oktober 2020 (Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage) erhobenen Ansprüche, nämlich den Anspruch aus § 75 VwGO (Anspruch auf Verbescheidung eines Antrags) und den Anspruch nach Art. 28 StlÜbk (Anspruch auf Ausstellung deutscher Passersatzpapiere für Ausländer gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthV (Reiseausweis für de-jure-Staatenlose i.S.d. StlÜbk)), derzeit in einem Verfahren mit dem o.g. Aktenzeichen verhandelt - vgl. dazu Anlagen K21 u K 22 -, beantragt die Klägerin aufgrudn von § 93 Satz 2 VwGO, dass das Gericht anordnen möge, dass die o.g. Ansprüche in getrennten Verfahren verhandelt und entschieden werden.“
18
Die Klägerin beantragt sinngemäß zuletzt:
Der ablehnende Bescheid des Landratsamts … vom 21.11.2020 wird aufgehoben.
19
Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin einen Reiseausweis für Staatenlose i.S.d. § 99 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG i.V.m. § 1 Abs. 4, § 4 Abs. 4, Abs. 1 Nr. 4 AufenthV i.V.m. Art. 28 StlÜbk auszustellen.
20
Die Klägerin trägt im Wesentlichen unter Vorlage von deutschem Staatsangehörigkeitsnachweis und deutscher Einbürgerungsurkunde vor, keine Deutsche i.S.d. Art. 116 GG zu sein. Sie ist der Ansicht, dass sie keine deutsche Staatsangehörige mehr sei. Dies begründet sie damit, dass sie ursprünglich inländische Mehrstaaterin gewesen sei, d.h. Deutsche i.S.d. Art. 116 Abs. 1 GG mit einer weiteren, nämlich insoweit der tschechischen Staatsbürgerschaft. Nachdem sie zum 19.3.2019 die tschechische Staatsbürgerschaft aufgegeben habe und nicht mehr die Eigenschaft als inländische Mehrstaaterin innehabe, sei sie keine deutsche Staatsangehörige mehr.
21
Der Beklagte beantragt sinngemäß,
die Klage abzuweisen.
22
Mit Schriftsatz vom 10.02.2020 bzw. vom 02.02.2021 haben die Beteiligten Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
23
Ergänzend wird nach Art. 117 Abs. 3 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten hingewiesen.

Entscheidungsgründe

I.
24
Mit Zustimmung der Beteiligten vom 02.02.2021 und vom 10.02.2021 konnte das Gericht nach § 101 Abs. 2 VwGO über die Verwaltungsstreitsache ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
II.
25
Zum Gegenstand des Verfahrens ist auszuführen, dass die Klägerin im Wesentlichen, zunächst im Wege der Untätigkeitsklage zuletzt im Wege der Versagungsgegenklage, von dem Beklagten die Erteilung eines Reisepasses für Staatenlose begehrt.
26
1. Zunächst hat die Klägerin am 19.06.2020 Untätigkeitsklage auf Verbescheidung ihres Antrags auf Erteilung eines Reiseausweises für Staatenlose vom 16.03.2020 erhoben.
27
2. Infolge des ablehnenden Bescheids vom 21.09.2020 und der „Erhebung der Versagungsgegenklage“ durch die Klägerin am 19.10.2020 ist der versagende Bescheid in das Verfahren einbezogen worden. Die Einbeziehung stellt dabei keine Verbindung zweier unterschiedlicher Klagen (Untätigkeitsklage und Versagungsgegenklage) in einem Verfahren dar, sondern erfolgte aufgrund stets zulässiger Klageänderung i.S.d. § 173 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO. Als eine solche ist das klägerische Begehren der „Erhebung der Versagungsgegenklage“ mit Blick auf die bereits rechtshängige Verpflichtungsklage in Form der Untätigkeitsklage auszulegen, vgl. § 88 VwGO.
28
Eine neue Klage neben der Untätigkeitsklage ist damit insoweit nicht erhoben worden.
29
3. Eine Trennung der Verfahren ist ebenfalls nicht geboten. Es liegt insoweit nur ein einziges Verfahren vor, sodass der Anwendungsbereich des § 93 VwGO nicht eröffnet ist.
30
Die Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO stellt insoweit lediglich einen Sonderfall der Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 Fall 2 VwGO dar, wenn ein begehrter Verwaltungsakt nicht erlassen wurde. Das Klagebegehren ist auf den Erlass eines Verwaltungsaktes mit einem bestimmten Inhalt gerichtet, weil der Kläger glaubt, - nicht auf den Erlass des Verwaltungsaktes überhaupt, sondern gerade - auf den Erlass eines Verwaltungsaktes mit dem begehrten Inhalt einen (gebundenen) Anspruch zu haben, vgl. § 42 Abs. 2 VwGO. Die §§ 42 Abs. 1 Alt. 2 Fall 2, 75 VwGO gewähren keinen materiellen Anspruch, sondern sollen bei Untätigkeit der Behörde und Bestehen dieses Anspruchs dessen prozessuale Durchsetzung ermöglichen.
31
Nach behördlicher Entscheidung über den zunächst nicht beschiedenen Antrag nach Erhebung der Untätigkeitsklage kann diese gegebenenfalls etwa zurückgenommen oder der Streit für erledigt erklärt werden, vgl. § 75 Satz 4 VwGO. Im vorliegenden Fall ist der Kläger aber - insoweit zulässig - zur Verpflichtungsklage in Gestalt der Versagungsgegenklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 Fall 1 VwGO) übergegangen. Das Klagebegehren ist also weiterhin darauf gerichtet, dass der Kläger geltend macht, Anspruch auf eine Erteilung eines Reiseausweises für Staatenlose zu haben. Dieses Klagebegehren ist mit dem der zunächst erhobenen Untätigkeitsklage identisch, sodass, wie zuvor festgestellt, insoweit eine zulässige Klageänderung vorlag, nicht aber ein Fall der (objektiven) Klagehäufung (§ 44 VwGO).
32
4. Gegenstand der geführten Verwaltungsstreitsache ist demnach, dass die Klägerin die Aufhebung des Bescheids des Landratsamts … vom 21.09.2020 und Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung eines Reiseausweises für Staatenlose nach § 99 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG i.V.m. § 1 Abs. 4, § 4 Abs. 4, Abs. 1 Nr. 4 AufenthV i.V.m. Art. 28 des Übereinkommens über die Rechtsstellung der Staatenlosen (StlÜbk) begehrt.
III.
33
Die Klage ist zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.
34
Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Erteilung eines Reiseausweises für Staatenlose im Sinne § 99 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG i.V.m. § 1 Abs. 4, § 4 Abs. 4, Abs. 1 Nr. 4 AufenthV i.V.m. Art. 28 StlÜbk nicht zu.
35
1. Nach Art. 28 Satz 1 des StlÜbk i.V.m. dem Anhang des Staatenlosenübereinkommens stellen die Vertragsstaaten den Staatenlosen, die sich regelmäßig in ihrem Hoheitsgebiet aufhalten, Reiseausweise aus, die ihnen Reisen außerhalb dieses Hoheitsgebiets gestatten, es sei denn, dass zwingende Gründe der Staatssicherheit oder der öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen. Im Übrigen steht es im Ermessen des Vertragsstaats, ob einem sich nicht rechtmäßig aufhaltenden Staatenlosen ein Reiseausweis erteilt wird. Gemäß Art. 28 S. 2, 2. Hs. StlÜbk werden die Vertragsstaaten insbesondere die Möglichkeit wohlwollend prüfen, solche Reiseausweise denjenigen in ihrem Hoheitsgebiet befindlichen Staatenlosen auszustellen, die von dem Land, in dem sie ihren rechtmäßigen Aufenthalt haben, keinen Reiseausweis erhalten können.
36
Nach der Legaldefinition des Art. 1 Abs. 1 StlÜbk ist eine Person staatenlos, wenn sie kein Staat aufgrund seines Rechts als Staatsangehöriger ansieht (sog. De-jure-Staatenloser, vgl. BVerwG, U.v. 16.10.1990 - 1 C 15/88 - juris). Sog. De-facto-Staatenlose unterfallen der Vorschrift des Art. 28 StlÜbk dagegen nicht. Gemeint sind damit Personen, die auf den Schutz ihres Staates verzichten, ohne dass ihr Staat sie deswegen seinerseits aus der Staatsangehörigkeit entlässt, sowie diejenigen, deren Staat ihnen seinen Schutz verweigert bzw. Personen, die den Schutz ihres Heimatstaates nicht in Anspruch nehmen wollen oder können (vgl. OVG NW, B.v. 6.7.2012 - 18 E 1084/11 - juris Rn. 7 m.w.N.). Der Nachweis der negativen Tatsache der De-jure-Staatenlosigkeit obliegt dabei grundsätzlich dem Betroffenen - er muss die von ihm behauptete Staatenlosigkeit darlegen und beweisen.
37
2. Die Klägerin erfüllt nicht den Begriff der Staatenlosen. Durch Einbürgerung auf Grund von § 6 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit vom 22.02.1955 (1. StARegG) wurde die Klägerin Deutsche mit allen Rechten und Pflichten und ist seitdem auch Deutsche im Sinne des Art. 116 Abs. 1 (Alt. 1) GG.
38
Deutscher nach Art. 116 Abs. 1 GG ist vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Regelung, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte oder Abkömmling in dem Gebiete des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 Aufnahme gefunden hat. Deutscher nach Art. 116 GG sind somit die deutschen Staatsangehörigen, die formell die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, aber auch die sogenannten Statusdeutschen, nämlich Flüchtlinge und Vertriebene deutscher Volkszugehörigkeit und deren Ehegatten und Abkömmlinge, soweit sie nicht bereits formell die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen oder erlangt haben (vgl. HMHK/Hailbronner, 6. Aufl. 2017, GG Art. 116 Rn. 5).
39
Die Klägerin unterfällt damit aufgrund ihrer Einbürgerung dem Begriff des Deutschen nach Art. 116 GG. Die Klägerin hat ihren gesetzlichen Anspruch gemäß § 6 Abs. 1 1.StARegG i.V.m. § 16 Abs. 1 (Ru) StAG auf Einbürgerung durch Antrag vom 04.07.1989 geltend gemacht und daraufhin eine Einbürgerungsurkunde am 13.02.1990 erhalten. Durch die Einbürgerung hat die Klägerin die deutsche Staatsangehörigkeit (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 5 StAG) erhalten.
40
Da die Klägerin danach unstreitig die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, ist sie Deutsche i.S.d. Art. 116 GG und hat keinen Anspruch auf Ausstellung eines Reiseausweises für Staatenlose.
41
3. Selbst ohne die Geltendmachung des gesetzlichen Anspruchs auf Einbürgerung hätte die Klägerin dann den Rechtsstatus der sogenannten „Statusdeutschen“ inne gehabt, also den Status einer Deutschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit. Selbst in diesem Falle wäre die Klägerin Deutsche im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG, vgl. jedenfalls auch § 40a StAG.
42
4. Gründe für den Verlust der - deutschen - Staatsangehörigkeit nach § 17 StAG sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Dadurch, dass die Klägerin am 19.3.2019 aus der tschechischen Staatsbürgerschaft entlassen wurde - die durch die Klägerin erst später herbeigeführte Erfassung im deutschen Melderegister ist hierfür nicht von Bedeutung -, mag sie zwar nicht mehr über zwei Staatsangehörigkeiten (tschechisch und deutsch) verfügen. Der Umstand, dass die Klägerin nunmehr nur noch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und mangels weiterer Staatsangehörigkeit kein Doppelstaater mehr ist, ändert nichts daran, dass sie weiterhin Deutsche nach Art. 116 Abs. 1 GG geblieben ist. Die Bezeichnung als (inländischer) Doppelstaater knüpft an die Staatsbürgerschaft an, nicht umgekehrt die Staatsbürgerschaft an die Einordnung als Doppelstaater.
43
5. Aus den vorstehenden Gründen liegen auch die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Anspruch der Klägerin auf ermessensfehlerfreie Neuverbescheidung nach Art. 28 Satz 2 StlÜbk nicht vor.
IV.
44
Als unterlegener Teil hat die Klägerin gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.