Titel:
Bescheid, Zulassung, Versorgung, Widerruf, Gerichtsbescheid, Ermessensentscheidung, Frist, Gemarkung, Revision, Berufung, Kostenentscheidung, Aufhebung, Vergleich, Auslegung, Kosten des Verfahrens, gebundene Entscheidung, Formelle Rechtswidrigkeit
Schlagworte:
Bescheid, Zulassung, Versorgung, Widerruf, Gerichtsbescheid, Ermessensentscheidung, Frist, Gemarkung, Revision, Berufung, Kostenentscheidung, Aufhebung, Vergleich, Auslegung, Kosten des Verfahrens, gebundene Entscheidung, Formelle Rechtswidrigkeit
Fundstelle:
BeckRS 2021, 46871
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid des Bayerischen Amts für Waldgenetik, in welchem die Gewinnung von forstlichem Saat- und Pflanzengut in der Zulassungseinheit mit der Registernummer … aufgehoben wurde. Die Zulassungseinheit hat die Bezeichnung R … Die Klägerin beantragte unter dem 11. Juni 1985 die Neuzulassung nach § 3 des Gesetzes über Forstliches Saat- und Pflanzengut für die Baumart Buche im Distrikt B … Die beantragte Zulassung des Bestands zur Gewinnung von Vermehrungsgut wurde mit Bescheid vom 8. Juli 1985 ausgesprochen.
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Mit Bescheid vom 20. Mai 2019 hob das Bayerische Amt für Waldgenetik sämtliche Bescheide und Nebenbestimmungen der Zulassungseinheit mit der Registernummer … auf. Die Gewinnung von forstlichem Saat- und Pflanzgut in dieser Zulassungseinheit ist mit Bekanntgabe des Bescheids nicht mehr zulässig. Die Zulassung sei unter dem Vorbehalt des Widerrufs nach § 4 Abs. 5 Forstvermehrungsgutgesetz (FoVG) erfolgt. Die Zulassungsvoraussetzungen seien nach Forstvermehrungsgutgesetz und der Anlage 1 zur § 1 Abs. 1 der Forstvermehrungsgut-Zulassungsverordnung (FoVZV) hinsichtlich der Anforderungen mit überdurchschnittlicher Bedeutung bei der Zulassung von Erntebeständen dieser Baumart (Qualitätsmerkmale) nicht erfüllt.
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Mit Schreiben vom 24. Juni 2019, eingegangen beim Verwaltungsgericht München am selben Tag, ließ die Klägerin Klage erheben mit dem Antrag,
den Bescheid des Beklagten (Bayerisches Amt für Waldgenetik) vom 20. Mai 2019, Az. …, Register-Nr. …, aufzuheben.
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Das Bayerische Amt für Waldgenetik beantragte mit Schreiben vom 30. Juli 2019
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Das Verwaltungsgericht München verwies den Rechtsstreit mit Beschluss vom 28. Januar 2020 an das Verwaltungsgericht Bayreuth.
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Unter dem 3. April 2020 führte der Klägerbevollmächtigte aus, dass der Beklagte schon einmal sämtliche Bescheide mit der genannten Zulassungseinheit aufgehoben habe (Bescheid vom 15. September 2014). Auf Intervention des Forstreviers W … (Herr …C … ) und des Forstdirektors …K … sei dann der Widerrufsbescheid wieder aufgehoben worden, da man zum Ergebnis gekommen sei, dass sich die Baumart nicht verschlechtert habe (Bescheid vom 29. September 2014). Dies habe sich bis heute nicht geändert. Der Bestand sei für den Gen-Erhaltungsbestand wichtig. Die Klägerin sei vor Erlass des Bescheids nicht angehört worden und das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF … ) sei ebenfalls weder gehört noch beteiligt worden. Man müsse auch andere vergleichbare Bestände berücksichtigen (z.B. Gemarkung W … oder Gemarkung S … ). Es seien die besonderen lokalen Gegebenheiten zu beachten. Zudem liege der streitgegenständliche Bestand im Naturschutzgebiet. B … liege auch im Landschaftsschutzgebiet. Die Jahresfrist sei nicht eingehalten (Art. 49 Abs. 2 Satz 2 und Art. 48 Abs. 4 BayVwVfG). Der Sachverhalt sei seit 2014 bekannt. Der Bescheid sei nicht ausreichend begründet worden (Art. 39 BayVwVfG).
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Der Beklagte erwiderte hierauf mit Schreiben vom 28. Mai 2020, dass die Aufhebung des Widerrufs erfolgt sei, da es Verwaltungspraxis gewesen sei, Zulassungen möglichst nur mit Einverständnis des Waldbesitzers zu widerrufen. Im Bescheid vom 29. September 2014 sei darauf hingewiesen worden, dass nochmals geprüft werde, ob die Zulassungsvoraussetzungen nach dem FoVG und der FoVZV vorlägen und die Zulassung dann auch ohne Einverständnis des Waldbesitzers zurückgenommen werden könne. Die Kontrollbeamten … W … und … L … hätten am 2. und 3. März 2018 festgestellt, dass die Voraussetzungen nicht vorliegen. Man habe dies zusätzlich in einer Sitzung des Landesgutachterausschusses am 17. Mai 2018 beraten. Es seien vergleichbare Rotbuchenbestände der Region durch Herrn L … im Juni und Juli 2018 kritisch besichtigt worden. Herr L … sei beauftragt worden, im selben Herkunftsgebiet … „…“ und im angrenzenden Thüringen die Situation zu beobachten. Gut beerntbare Buchenbestände seien das Ergebnis einer Exkursion vom 11. bis 13. September 2018 gewesen. Rechtsgrundlage des Widerrufs sei § 4 Abs. 5 Satz 3 Halbs. 1 FoVG. Die Klägerin sei insoweit angehört worden, als man Herrn FD … K …bei einer Besprechung am 29./30. November 2018 die Gründe genannt habe. Zudem habe man der Klägerin nun mit Schreiben vom 28. Mai 2020 Gelegenheit gegeben, zum Widerruf Stellung zu nehmen. Die Jahresfrist sei eingehalten. Die Entscheidung, die Zulassung aufzuheben, sei erst im September 2018 erfolgt, nachdem im Mai 2018 festgestellt worden sei, dass die Qualitätsmerkmale nicht vorliegen. Aus Rücksicht der Klägerin gegenüber habe man erst noch die Erkenntnisse der Bereisung abwarten wollen. Diese hätten im September 2018 vorgelegen. Acht Monate später habe man den Widerrufsbescheid erlassen. Bei der Frist handele es sich um eine Entscheidungsfrist, die erst zu laufen beginne, wenn die Behörde nach Ausforschung des Sachverhalts alle Tatsachen kenne. Der Erntebestand „B …“ erfülle die unter der Kategorie „ausgewählt“ erforderlichen Zulassungsvoraussetzungen nicht mehr. Gemäß Anlage 1 zu § 1 Abs. 1 Nr. 1 FoVZV seien unter 10. „Form und Habitus“ gute phänotypische Merkmale erforderlich wie Geradschaftigkeit, Wipfelschäftigkeit, gute Verzweigung und Feinastigkeit. Der Anteil von Bäumen mit Zwieseln und Drehwuchs dürfe nur gering sein. Im Erntebestand „B …“ wiesen 90 Prozent der Bäume Mängel wie (Tief-) zwiesel, Schlangen- und Drehwuchs auf. Hinzu komme der Aspekt, dass im Vergleich zu qualitativ überdurchschnittlichen, gut beerntbaren Buchenbeständen im benachbarten Thüringen eine Versorgung mit hochwertigem Vermehrungsgut in diesem Herkunftsgebiet keine Rolle spiele. Nachträgliche Nebenbestimmungen wie Neuabgrenzung oder Durchforstung wären aus fachlicher Sicht nicht möglich gewesen.
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Zum Beweis für dieses Vorbringen wurden angeboten: Erhebungsbogen des Revisors W … vom 18. Dezember 2006, Revisionsprotokoll des Revisors L … vom Juli 2014, Auszug aus den Vormerkungen zur Dienstbesprechung der Kontrollbeamten am 2. und 5. Mai 2018 in Oberfranken und Revisionsprotokoll des Revisors L … vom 1. August 2018. Die Ausweisung als Generalerhaltungsbestand und die Lage in einem FFH- oder Landschaftsschutzgebiet blieben von den Vorgaben des FoVG unberührt. Die Ernte von Bucheckern zur Aussaat oder Anzucht im eigenen Wald werde nicht vom FoVG geregelt. Nach § 21 FoVG bleibe das Erzeugen und Inverkehrbringen von Vermehrungsgut aus diesem Bestand auf Antrag und mit Ausnahmegenehmigung der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung für wissenschaftliche Zwecke und für die Generhaltung weiterhin möglich. Bereits gewonnenes und erzeugtes Vermehrungsgut bleibe verkehrsfähig und verwendbar.
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Mit Schreiben vom 30. Juli 2020 wies der Beklagte darauf hin, dass die nachträgliche Anhörung der Klägerin erfolgt sei. Die Klägerin ließ hierzu durch Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 18. Juni 2020 vortragen, dass sich die Qualität der Buchen im Jahr 1985 genauso dargestellt habe wie heute. Die Eigenschaften hätten sich seit der Zulassung bis heute nicht wesentlich verändert. Sie würden dem entsprechen, was vor Ort an Bäumen in genau dieser Ausprägung vorhanden sei und aufgrund Witterung, Standort und sonstigen Bedingungen vor Ort wachse. Es werde ausdrücklich auf den Rotbuchenbestand in der Gemarkung W … und in der Gemarkung S … hingewiesen. Gerade die besonderen Gestaltungs- und Wuchsformen stellten ein Charakteristikum der Örtlichkeit und das Aufwuchses dar. Dies würde bei nicht mehr gestatteter Fortführung zu einer völligen Veränderung des Erscheinungsbildes führen. Im Übrigen erfolgen dieselben Einwände, die schon in der Klagebegründung vorgetragen wurden.
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Hierzu erwiderte der Beklagte, dass nicht nachvollzogen werden könne, dass der Widerruf zu einer völligen Veränderung des Erscheinungsbildes führe. Der Widerruf der Zulassung eines Bestandes als Erntebestand wirke sich nicht auf das Erscheinungsbild dieses Bestands aus. Es habe nur zur Folge, dass forstliches Vermehrungsgut aus diesem Bestand grundsätzlich nicht mehr in den Verkehr gebracht werden könne.
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Die Parteien wurden mit gerichtlichem Schreiben vom 24. November 2020 zu einer Entscheidung mittels Gerichtsbescheid gehört.
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Die Klägerin äußerte hierauf, dass Fachstellen die angefochtene Entscheidung nicht nachvollziehen könnten. So werde der Bestand unter der Registernummer … unter der Kategorie „ausgewählt“ unverändert geführt, obwohl der dortige Bestand eine schlechtere Qualität aufweise (Beweisangebot: … K …, … C …, amtliche Auskunft der Naturschutzbehörde bei der Regierung von Oberfranken).
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird gemäß § 84 Abs. 1 Satz 3, § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, der als Urteil wirkt, entschieden werden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Halbsatz 1 VwGO). Die Beteiligten wurden gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid gehört.
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Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet. Der Bescheid des Bayerischen Amts für Waldgenetik vom 20. Mai 2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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1. Anhaltspunkte für eine formelle Rechtswidrigkeit des Bescheids bestehen nicht. Zwar wurde die Klägerin vor Erlass des Bescheids nicht angehört. Die Anhörung wurde aber nachgeholt, was nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 3 BayVwVfG zu einer Heilung eines etwaigen Formfehlers führt. Zudem ist selbst die fehlende Anhörung unbeachtlich, da sie die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat (Art. 46 BayVwVfG). Der Beklagte hatte hier (wie im Folgenden noch ausgeführt wird) eine gebundene Entscheidung zu treffen, deren gesetzliche Voraussetzungen vorgelegen haben und die auch im Rahmen einer Anhörung nicht hätten ausgeräumt werden können.
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2. Der Bescheid ist materiell rechtmäßig.
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a) Rechtsgrundlage für den Bescheid ist § 4 Abs. 5 Satz 3 FoVG i.V.m. Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayVwVfG. Gemäß § 4 Abs. 5 Satz 2 FoVG ist das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zulassung hinsichtlich der Kategorien „Ausgewählt”, „Qualifiziert” und „Geprüft” in regelmäßigen Abständen, insbesondere wenn Anhaltspunkte für Änderungen gegeben sind, zu überprüfen. Wenn die Voraussetzungen nicht mehr vorliegen, ist nach § 4 Abs. 5 Satz 3 FoVG die Zulassung zu widerrufen; im Übrigen bleiben die den §§ 48 und 49 des Verwaltungsverfahrensgesetzes entsprechenden landesrechtlichen Bestimmungen unberührt. Der Widerruf ist durch die Rechtsvorschrift des § 4 Abs. 5 Satz 3 FoVG zugelassen. Zudem war der Widerruf im Bescheid vom 29. September 2014 (vgl. nachstehende Ausführungen) vorbehalten.
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In der Dienstbesprechung der Kontrollbeamten am 2. und 3. Mai 2018 in Oberfranken wurde für das Gebiet … festgehalten, dass „sehr häufig Tiefzwiesel, unschnürige Krümmung (Schlangenwuchs), tlw. Drehwuchs“ vorliegen würden.
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Gemäß Anlage 1 zu § 1 Abs. 1 Kapitel I Nr. 10 FoVZV ist hinsichtlich der Anforderungen an Form und Habitus ausgeführt: Bäume in Erntebeständen müssen besonders gute phänotypische Merkmale aufweisen, insbesondere Geradschaftigkeit, Wipfelschäftigkeit und Schaftrundheit, gute Verzweigung und Feinastigkeit. Darüber hinaus darf der Anteil von Bäumen mit Zwieseln oder Drehwuchs nur gering sein. Unstreitig erfüllt der Buchenbestand „B …“ diese Anforderungen nicht. Unbeachtlich ist, dass sich der Bestand nicht wesentlich verändert hat und die Bäume dem entsprechen würden, was aufgrund Witterung, Standort und sonstigen Bedingungen vor Ort wachse (Ausführungen in der Klagebegründung, Blatt 44 der Gerichtsakte). In der Anlage 1 zur FoVZV wird nicht danach differenziert, ob die Bäume grundsätzlich nach ihrem Genotyp gute Merkmale aufweisen, die nur deshalb nicht zum Tragen kommen, da die örtlichen Gegebenheiten ungünstig sind. Es wird ausdrücklich allein auf phänotypische Merkmale abgestellt. Dass die phänotypischen Eigenschaften (zu 90%) hier nicht vorliegen und häufig Tiefzwiesel, Schlangenwuchs und Drehwuchs vorliegen, wurde nicht bestritten und ist in der Akte durch jahrelange Beobachtung der Bestandsqualität nachgewiesen. Die Klägerin hält diese Eigenschaften nur für den Ort des Aufwuchses typisch. Dies ist aber nach dem Wortlaut der Anlage 1 zur FoVZV nicht ausschlaggebend.
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Die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Widerruf sind damit erfüllt. § 4 Abs. 5 Satz 3 FoVG eröffnet der Behörde entgegen Art. 49 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG kein Ermessen. Die Zulassung ist vielmehr zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. Insofern kann nicht berücksichtigt werden, ob die Behörde in gleichgelagerten Fällen (die Klägerin spielt auf die Gemarkung W … und die Gemarkung S … an) ebenfalls Widerrufsbescheide erlassen müsste. Nur ergänzend wird ausgeführt, dass der Beklagte nach seinen Ausführungen (nachträgliche Anhörung zum Widerruf - Schreiben vom 28. Mai 2020) auch andere unterdurchschnittliche Bestände gelöscht hat.
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b) Die Jahresfrist des Art. 49 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG, Art. 48 Abs. 4 BayVwVfG findet keine Anwendung. Diese Frist ist immer dann nicht anwendbar, wenn das für den Widerruf maßgebliche Gesetz eine das VwVfG verdrängende Regelung beabsichtigt (Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Auflage 2018, § 49 Rn. 85). Dies ist hier der Fall, da nach § 4 Abs. 5 Satz 3 FoVG die Zulassung zwingend zu widerrufen ist, wenn die Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. Der Schutzzweck der Norm verbietet es auch nach Fristablauf, ungeeignetes Saatgut in den Verkehr zu bringen. Die Jahresfrist ist nicht ergänzend anwendbar, wenn der Gesetzgeber erkennbar zum Schutz vorrangiger Grundrechte oder Rechtsgüter Dritter einen gesetzwidrigen Zustand schlechterdings nicht hinnehmen will (BVerwG, U.v. 26.3.1996 - 1 C 12/95 - BVerwGE 101, 24-34 - juris Rn. 27 - zum Waffenrecht).
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Vertrauensschutzgesichtspunkte (in erster Linie stehen finanzielle Interessen im Raum) des Eigentümers überwiegen nicht das Interesse der Allgemeinheit - insbesondere der zukünftigen Generationen, dass nur geeignetes Saatgut in den Verkehr gebracht wird. Dies hat der Gesetzgeber durch die Formulierung, dass die Zulassung zu widerrufen ist, ohne dass der Behörde ein Ermessen zukommt, zum Ausdruck gebracht. In diesem Zusammenhang spielt es keine Rolle, dass „B …“ im Landschaftsschutzgebiet und der Bestand im Naturschutzgebiet liegt. § 4 FoVG regelt das Inverkehrbringen von forstlichem Vermehrungsgut. Deshalb bedarf solches Ausgangsmaterial zur Erzeugung von forstlichem Vermehrungsgut, das in den Verkehr gebracht werden soll, der Zulassung (§ 4 Abs. 1 Satz 1 FoVG). Nicht erfasst ist somit (wie auch das Bayerische Amt für Waldgenetik ausgeführt hat), dass Bucheckern zur Aussaat und Anzucht im eigenen Wald verwendet werden. Hierfür wird keine Zulassung benötigt, weshalb sich der Widerruf der Zulassung nicht auf das Erscheinungsbild des Bestandes auswirken kann. Der Gen-Bestand kann somit aufrechterhalten werden. Zudem kann für die Generhaltung nach § 21 FoVG auf Antrag die Erzeugung und das Inverkehrbringen (für angemessene Mengen des Vermehrungsguts) erlaubt werden, das der Generhaltung dient und das nicht die Anforderungen des Gesetzes erfüllt. Eine weitere Beweisaufnahme, dass die Buchen für den Gen-Bestand wichtig sind, ist daher mangels Entscheidungserheblichkeit nicht erforderlich.
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c) Selbst wenn man die Jahresfrist des Art. 49 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG, Art. 48 Abs. 4 BayVwVfG für anwendbar halten sollte, so wäre diese Frist eingehalten. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Frist des Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG eine Entscheidungsfrist, keine Bearbeitungsfrist. Sie beginnt erst zu laufen, wenn dem nach der behördeninternen Geschäftsverteilung zuständigen Amtswalter alle für die Rücknahme erheblichen Tatsachen vollständig und zweifelsfrei bekannt sind. Hierzu gehört neben der bloßen (Er-) Kenntnis der Rechtswidrigkeit des früheren Bescheids auch die Kenntnis aller für einen möglichen Vertrauensschutz und für die zu treffende Ermessensentscheidung wesentlichen Umstände. Nach dieser vom Gesetzgeber ausdrücklich gebilligten Auslegung (vgl. BT-Drs. 10/6283, 5) beginnt der Fristlauf erst dann, wenn die Behörde ohne weitere Sachaufklärung objektiv in der Lage ist, unter sachgerechter Ausübung ihres Ermessens über die Rücknahme des Verwaltungsakts zu entscheiden; dies setzt - sofern dadurch weitere entscheidungserhebliche Tatsachen ermittelt werden können - auch eine Anhörung des Betroffenen voraus (BeckOK MigR/Decker, VwVfG, 6. Auflage, Stand: 1.10.2020, § 48 Rn. 31 unter Berufung auf BVerwGE 70, 356 (364 f.) - BeckRS 1984, 108100; BVerwGE 112, 360 (364) - BeckRS 2001, 30157345).
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Zwar war schon im Jahr 2006 (vgl. Erhebungsbogen, Blatt 5 der Behördenakte) bei 60% der Bäume die Geradschaftigkeit und Wipfelschäftigkeit schlecht, die Bestandsqualität wurde mit schlecht beurteilt. Dies wurde im Jahr 2014 bei einer Bestandserfassung bestätigt. So vermerkte der Kontrollbeamte L … bereits im Juli 2014 (Blatt 7 der Behördenakte), dass die Zulassungsvoraussetzungen nach § 1 Abs. 1 FoVZV nicht erfüllt sind. Deshalb erging auch ein Widerrufsbescheid vom 15. September 2014, der allerdings zurückgenommen wurde, da man in diesem Bescheid davon ausging, dass eine Zustimmung des Eigentümers vorlag. Im Widerruf des Bescheids vom 15. September 2014 (Bescheid vom 29. September 2014) wurde aber ausdrücklich vermerkt, dass nochmals geprüft werde, ob die Zulassungsvoraussetzungen vorliegen. Sofern dies nicht mehr der Fall sei, müsse die Zulassung ohne Einvernehmen mit dem Waldbesitzer widerrufen werden. Der Bescheid wurde nicht angegriffen und ist bestandskräftig. Grund dafür, dass zum damaligen Zeitpunkt nicht schon ein Widerruf (auch ohne Zustimmung des Eigentümers) erfolgte, war nach den Ausführungen des Bayerischen Amts für Waldgenetik (nachträgliche Anhörung zum Widerruf - Schreiben vom 28. Mai 2020, Blatt 62 der Gerichtsakte), dass der autochthone und lokal angepasste Buchenbestand wegen seiner guten Beerntbarkeit nach damaligem Kenntnisstand essentiell für die Saatgutversorgung im Herkunftsgebiet … war und die überwiegende Mehrheit der Rotbuchenbestände dieser Herkunft keine bessere Qualität vorzuweisen hatte.
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Durch den bestandskräftigen Widerrufsvorbehalt (Art. 49 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayVwVfG) wurde die Frist des Art. 49 Abs. 2 Satz 2, Art. 48 Abs. 4 BayVwVfG erneut in Gang gesetzt. Im Einvernehmen mit dem AELF … wurde der Buchenerntebestand am 18. Mai 2015 überprüft (Aktennotiz, Blatt 33 der Behördenakte). Insofern wurde unter anderem vereinbart, dass ein Anbauversuch mit Saatgut erfolgt, um zu klären, ob die schlechten Stammqualitäten auf die Phänologie oder den Genotyp zurückzuführen sind. Weitere angesprochene Änderungen sollten dem Landesgutachterausschuss vorgeschlagen werden. Dies zeigt, dass die Beurteilung des Bestands zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen war und die Entscheidungsfrist noch nicht zu laufen begann. Die Ermittlung weiterer Tatsachen stand unter Vertrauensschutzgesichtspunkten im Interesse der Klägerin, da ansonsten ein sofortiger Widerruf im Raum gestanden wäre.
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Zur weiteren Beurteilung wurden am 2. Mai 2018 Flächen besichtigt, um zu prüfen ob Saatgut des HKG … „…“ anderweitig qualitativ hochwertig vorhanden ist. Das Ergebnis wurde dem Landesgutachterausschuss am 17. Mai 2018 vorgelegt (Blatt 41 der Behördenakte). Insbesondere für das Gebiet „…“, BaySF FB … wurde eine mittlere bis gute Qualität und eine Beerntbarkeit in den nächsten Jahren festgestellt (Blatt 39 der Behördenakte).
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Am 1. August 2018 wurde noch eine Revision des Erntebestandes eingeholt (Blatt 43 der Behördenakte). Vom 11. bis 13. September 2018 fand eine Exkursion des Revisionsbeamten im Herkunftsgebiet … im angrenzenden Thüringen statt. Hierbei wurden gut beerntbare Buchenbestände mit überdurchschnittlicher Qualität festgestellt (Klageerwiderung vom 28. Mai 2020). Erst zu diesem Zeitpunkt waren sämtliche Tatsachen ermittelt worden, die für die Entscheidungsfrist ausschlaggebend waren.
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Als unterliegende Partei trägt die Klägerin die Kosten des Verfahrens nach § 154 Abs. 1 VwGO.
30
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).