Titel:
Verwaltungsgerichte, Festsetzung einer Sicherheitsleistung, Sicherheitsleistung durch Bankbürgschaft, Höhe der Sicherheitsleistung, Verlangen einer Sicherheitsleistung, Antragsgegner, Entschließungsermessen, Anordnung des Sofortvollzugs, Bemessungsfaktoren, Hauptsacheverfahren, Verwaltungsstreitverfahren, Eilverfahren, Vorläufiger Rechtsschutz, Effektiver Rechtsschutz, Überwiegende öffentliche Interessen, Wesentlichkeitstheorie, Verwaltungsakt, Garantie effektiven Rechtsschutzes, Rechtsschutzanspruch, Änderungsbescheid
Schlagworte:
Sofortvollzug, Ermessensfehler, Bestimmtheitsgrundsatz, Angemessenheit der Sicherheitsleistung, Gleichheitssatz, Härteklausel, Fehlerquote
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 09.07.2020 – M 17 S 20.2411
Fundstelle:
BeckRS 2021, 46033
Tenor
I. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 9. Juli 2020 – M 17 S 20.2411 – wird in Ziffern 1 und 2 aufgehoben.
Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 29. Juli 2019, für sofort vollziehbar erklärt mit weiterem Bescheid vom 1. April 2020, wird wiederhergestellt.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 30.000 € festge-setzt.
Gründe
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Die zulässige Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 9. Juli 2020, mit dem der Antrag der Antragstellerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen einen die zu leistende Sicherheit für den Fall von Pflichtverstößen in neuer Höhe festsetzenden Bescheid der Antragsgegnerin abgelehnt wurde, ist begründet.
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1. Das Verwaltungsgericht hat der Antragstellerin vorläufigen Rechtsschutz zu Unrecht versagt und dabei Bedeutung und Tragweite der Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) im Eilverfahren verkannt.
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a) Das Institut des einstweiligen Rechtsschutzes (Art. 80 Abs. 5 VwGO) bezweckt nicht, das Hauptsacheverfahren im Eilverfahren vorwegzunehmen und bereits jetzt endgültige Verhältnisse zu schaffen, in denen der Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren denknotwendig zu spät und zu kurz kommen muss; es beabsichtigt lediglich, unter Abwägung der beiderseitigen Interessenlage eine vorläufige Entscheidung bis zum Ergehen eines rechtskräftigen Urteils im Hauptsacheverfahren zu treffen. Infolgedessen verbietet es sich, schwierige und/oder umstrittene, in der Sache offene Tatsachen- oder Rechtsfragen unter Vermeidung einer mündlichen Hauptverhandlung bereits im Eilverfahren abschließend zu entscheiden und den Verfahrensbeteiligten so die Erlangung einer endgültigen, ergebnisoffenen Entscheidung im Hauptsacheverfahren faktisch unmöglich zu machen, sofern nicht ausnahmsweise ein überwiegendes öffentliches Interesse für die Anordnung des Sofortvollzugs streitet. Effektiver Rechtsschutz hat die Aufgabe, irreparable Entscheidungen, wie sie durch die sofortige Vollziehung einer hoheitlichen Maßnahme eintreten können, soweit wie möglich auszuschließen (vgl. BVerfG, B.v. 24.10.2003 – 1 BvR 1594/03 –, NJW 2003, 3618 [3619]; B.v. 8.4.2010 – 1 BvR 2709/09 –, NJW 2010, 2268 [2269]; siehe auch bereits BayVGH, B.v. 17.2.2020 – 12 CS 19.2505 –, juris Rn. 32 ff.; B.v. 28.08.2020 – 12 CS 20.1750 – juris, Rn. 43 ff.).
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Auf das Vorliegen eines überwiegenden öffentlichen Interesses kann deshalb selbst bei offensichtlicher Erfolglosigkeit eines Rechtsbehelfs in der Hauptsache nicht verzichtet werden, denn die behördliche Vollzugsanordnung stellt lediglich eine Ausnahme vom Regelfall des § 80 Abs. 1 VwGO dar (vgl. Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 80 Rn. 157; Külpmann, in: Finklenburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 6. Aufl. 2011, Rn. 757 ff., 759, 761). Ein Abweichen vom Regelfall darf nur unter den im Gesetz festgelegten Voraussetzungen erfolgen. Infolgedessen kann es nicht genügen, wenn Verwaltungsgerichte feststellen, dass die Behörde den formalen Voraussetzungen des § 80 Abs. 3 VwGO genügt habe, der zugrundeliegende Verwaltungsakt rechtmäßig sei, den Kläger nicht in seinen Rechten verletze und sein Rechtsbehelf voraussichtlich erfolglos bleiben werde; denn daraus folgt noch nicht automatisch das Bestehen eines öffentlichen Vollzugsinteresses, das das Aufschubinteresse des Betroffenen übersteigt. Das Interesse an der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsakts ist stets ein qualitativ anderes als das Interesse am Erlass des Verwaltungsakts selbst (vgl. Külpmann, a.a.O., Rn. 745 m.w.N.; siehe auch bereits BayVGH, B.v. 17.2.2020 – 12 CS 19.2505 – juris, Rn. 33; B.v. 28.08.2020 – 12 CS 20.1750 – juris, Rn. 44).
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Das Gesetz lässt eine sofortige Vollziehung eines Verwaltungsakts deshalb nur dann zu, wenn überwiegende öffentliche Belange es rechtfertigen, den Rechtsschutzanspruch des Einzelnen einstweilen zurücktreten zu lassen, um unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse des allgemeinen Wohls in die Wege zu leiten. Um dem Anspruch auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG zu genügen, bedarf es daher stets einer Abwägung der konkurrierenden Interessen. Vor allem bei Eingriffen in Grundrechte, namentlich der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (Art. 14 Abs. 1 GG), setzt die Annahme eines überwiegenden öffentlichen Interesses Gründe voraus, die in einem angemessenen Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs stehen und ein Zuwarten bis zur Rechtskraft des Hauptsacheverfahrens ausschließen. Insoweit ist nicht nur die Möglichkeit milderer Mittel in Erwägung zu ziehen, sondern darüber hinaus zugleich auch zu berücksichtigen, dass der Rechtsschutzanspruch des Einzelnen umso stärker wiegt und umso weniger zurückzustehen hat, je schwerer die ihm auferlegte Belastung wiegt und je mehr die Maßnahmen der Verwaltung Unabänderliches bewirken (vgl. BVerfGE 35, 382 [402]; 69, 220 [228]; BVerfG, B.v. 12.9.1995 – 2 BvR 1179/95 –, NVwZ 1996, 58 [59]; BVerwG, B.v. 14.4.2005 – 4VR 1005/04 –, NVwZ 2005, 689 [690]). Lässt der Sofortvollzug den Eintritt erheblicher Nachteile erwarten, so kann regelmäßig nur ein besonders großes Vollzugsinteresse eine Anordnung der sofortigen Vollziehung tragen. Ob ein solches Interesse vorliegt, ist durch Erwägung aller für und gegen die sofortige Vollziehung streitenden Gründe zu ermitteln (vgl. näher Külpmann, a.a.O., Rn. 761, 759 u. 979 jeweils m.w.N.; siehe auch bereits BayVGH, B.v. 17.2.2020 – 12 CS 19.2505 – juris, Rn. 34; B.v. 28.08.2020 -12 CS 20.1750 – juris, Rn. 45).
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b) Gemessen an diesem allgemein gültigen Maßstab, an dem der Senat trotz der Kritik des Antragsgegners im Schriftsatz vom 30. September 2020 weiter festhält, verfehlen sowohl die nachträgliche Anordnung der sofortigen Vollziehung mit Bescheid vom 1. April 2020 durch den Antragsgegner als auch die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht die Anforderungen der Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG). Weder das StMUV im Rahmen der Begründung des Sofortvollzuges nach § 80 Abs. 3 VwGO noch das Verwaltungsgericht bei der Prüfung von § 80 Abs. 5 VwGO haben die für die Antragstellerin mit der Anordnung des Sofortvollzuges verbundenen Belastungen, insbesondere den mit ihm verbundenen Eingriff in die Grundrechte der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (Art. 14 Abs. 1 GG) der Antragstellerin erhoben und mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die vorzunehmende Abwägung eingestellt. Stattdessen rekurrieren sie einseitig und ausschließlich auf den Umstand, dass die derzeit vorhandene, nach der VerpackV geleistete Sicherheit von 192.000 EUR „für den Sicherungsfall nach § 18 Abs. 4 VerpackG nicht auf weiterhin unbestimmte Zeit auskömmlich“ sei, nachdem derzeit nicht abgesehen werden könne, wann mit einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu rechnen und das Hauptsacheverfahren rechtskräftig abgeschlossen sein werde.
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Allein dies kann indes nicht genügen. In Anbetracht des mit der Anordnung des Sofortvollzuges verbundenen Eingriffs in die Grundrechte der Antragstellerin wäre vielmehr darzulegen gewesen, dass und aus welchen Gründen die Verwirklichung einer konkreten Gefahrenlage – hier des Eintritts des Sicherungsfalls etwa infolge aktuell drohender Insolvenz oder anderer relevanter Umstände einer Verletzung seitens der Antragstellerin eingegangener Verpflichtungen – mit überwiegender Wahrscheinlichkeit noch vor Ergehen einer Entscheidung in der Hauptsache zu erwarten ist und weshalb die durch die Anordnung des Sofortvollzuges zu schützenden Gemeinwohlbelange von solchem Gewicht sind, dass sie die berechtigten, durch § 80 Abs. 1 VwGO ausdrücklich geschützten Interessen der Antragstellerin, von der Belastung mit durch die für rechtswidrig erachtete Sicherheitsleistung verbundenen Kosten bis zum Ergehen einer Entscheidung in der Hauptsache verschont zu bleiben, ausnahmsweise bereits jetzt überwiegen und die Gewährung effektiven Rechtsschutzes im Eilverfahren demgegenüber zwingend zurückzustehen hat (vgl. BVerfGE 51, 268 [284]; BVerfG, B.v. 24.10.2003 – 1 BvR 1594/03 –, NJW 2003, 3618 [3619]; B.v. 8.4.2010 – 1 BvR 2709/09 –, NJW 2010, 2268 [2269]; siehe auch BayVGH, B.v. 17.02.2020 – 12 CS 19.2505 – juris, Rn. 36).
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An der Darlegung einer solchen Dringlichkeit fehlt es im vorliegenden Fall. Weder das StMUV noch das Verwaltungsgericht zeigen in der Sache nachvollziehbar auf, dass der Eintritt des Sicherungsfalls noch vor Ergehen einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ernsthaft droht und weshalb die bereits nach der VerpackV geleistete und auch weiterhin zur Verfügung stehende Sicherheit in Höhe von 192.000 EUR zur Bewältigung einer entsprechenden Gefahrenlage nicht zumindest übergangsweise bis zum Ergehen einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren ausreichend sein soll, nachdem das StMUV die für die Anordnung des Sofortvollzugs ins Feld geführte „Untersicherung“ seit Inkrafttreten des § 18 Abs. 4 VerpackG am 1. Januar 2019 selbst für einen Zeitraum für mehr als 6 Monate bis zum Erlass des Bescheides vom 29. Juli 2019 über die Anhebung der Sicherheitsleistung auf nunmehr 1.204.500,00 € hingenommen, die Sicherheitsleistung selbst erst (spätestens) zum 1. Januar 2020 angefordert hat und auch im Zeitpunkt des Bescheiderlasses am 29. Juli 2019 keinen Anlass sah, diesen mit einer Anordnung des Sofortvollzuges (ab 1. Januar 2020) zu verbinden. Auch die Ausführungen des Antragsgegners im Schriftsatz vom 30. September 2020 ändern daran nichts. Vielmehr wurde der Sofortvollzug erst 8 Monate nach Bescheiderlass und gar 15 Monate nach Inkrafttreten der Neuregelung am 1. April 2020 angeordnet, ohne dass dargelegt worden oder sonst ersichtlich wäre, dass und vor allem weshalb sich die Gefahr des Eintritts des Sicherungsfalls zwischenzeitlich signifikant erhöht hat. Allein der Umstand, dass Insolvenz nicht generell ausgeschlossen werden kann, kann die Anordnung des Sofortvollzuges angesichts der bereits vorhandenen Sicherheit in Höhe von 192.000 EUR nicht rechtfertigen. Würde die Gefahr eines unmittelbaren Eintritts des Sicherungsfalls tatsächlich bestehen, so hätte der Antragsgegner bereits im Zeitpunkt des Inkrafttretens von § 18 Abs. 4 VerpackG am 1. Januar 2019 keine Sekunde zögern dürfen, die Anforderung der (erhöhten) Sicherheitsleistung ins Werk zu setzen und mit der Anordnung des Sofortvollzugs zu verbinden. Vorliegend ist jedoch weder das eine noch das andere geschehen. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners können die mit der Sicherheitsleistung verbundenen Folgen auch nicht „problemlos rückgängig gemacht“ werden, denn mit den Finanzierungskosten einer einmal angeforderten und bereitgestellten Sicherheit bleibt die Antragstellerin dauerhaft belastet.
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Angesichts dessen liegt auf der Hand, dass das StMUV die nachträgliche Anordnung des Sofortvollzuges unter Missachtung des Ausnahmecharakters dieses Rechtsinstituts (vgl. § 80 Abs. 1 VwGO) als „Druckmittel“ einsetzt, nicht nur um bereits jetzt vollendete Tatsachen zu schaffen, sondern zugleich auch die Verwaltungsgerichte schon im Eilverfahren zu einer möglichst umfassenden Prüfung der Erfolgsaussichten der seitens der Antragstellerin erhobenen Klage gegen den Bescheid vom 29. Juli 2019 zu zwingen. Für einen derart sachwidrigen Gebrauch ist das Rechtsinstitut des Sofortvollzuges jedoch nicht geschaffen. Ebenso wenig statthaft ist die dadurch – noch dazu von einer obersten Landesbehörde – hervorgerufene Provokation der Inanspruchnahme verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutzes – einer der knappsten Ressourcen gerichtlichen Rechtsschutzes überhaupt. An dieser Beurteilung hält der Senat trotz der Kritik des Antragsgegners im Schriftsatz vom 30. September 2020 fest.
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Alle diese Gesichtspunkte hat das Verwaltungsgericht unberücksichtigt gelassen. Statt dem Antragsgegner in den Arm zu fallen, hat es den Sofortvollzug bestätigt, ohne dass nachweisbare, aktuelle und hinreichend konkrete Gefahren für ein wichtiges Gemeinschaftsgut (vgl. BVerfGE 44, 105 [117]), die alleine ein Zurücktretenmüssen der berechtigten Interessen der Antragstellerin im Eilverfahren hätten rechtfertigen können, in der Sache nachvollziehbar dargelegt worden wären (vgl. BVerfG, B.v. 24.10.2003 – 1 BvR 1594/03 –, NJW 2003, 3618 [3619]; B.v. 8.4.2010 – 1 BvR 2709/09 –, NJW 2010, 2268 [2269]). Gleichzeitig hat es sich ohne Vorliegen der im Gesetz vorausgesetzten Ausnahmelage dazu hinreißen lassen, sich bereits im Eilverfahren abschließend zu den aufgeworfenen Rechtsfragen zu verhalten, was nunmehr auch den Senat zu einer im gegenwärtigen Stadium des Verfahrens von Gesetzes wegen gar nicht vorgesehenen vertieften Befassung zwingt, obwohl der Antragsgegner im Bescheid vom 1. April 2020 kein öffentliches Interesse an der Anordnung des Sofortvollzuges aufgezeigt hat, das über dasjenige am Erlass des Verwaltungsaktes selbst hinausreichen würde. Eine Eilbedürftigkeit ist angesichts des Vorhandenseins einer Sicherheitsleistung von 192.000 EUR nach der VerpackV, die auch weiterhin zur Verfügung steht, nicht ersichtlich. Die Anordnung des Sofortvollzuges kann bereits alleine deshalb keinen Bestand haben.
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2. Ungeachtet dessen erweist sich der Bescheid vom 29. Juli 2019 entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch bereits nach dem derzeitigen Erkenntnisstand im Eilverfahren mangels Betätigung des in § 18 Abs. 4 VerpackG zwingend vorgesehen Entschließungsermessens als offensichtlich rechtswidrig. Am sofortigen Vollzug eines mutmaßlich rechtswidrigen Bescheides besteht kein schutzwürdiges Interesse (vgl. Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 80 Rn. 158; Külpmann, in: Finklenburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 6. Aufl. 2011, Rn. 967 ff. jeweils m.w.N.). (Auch) infolgedessen überwiegt das Aufschubinteresse der Antragstellerin mit der Folge, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin wiederherzustellen ist.
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a) Wie das Verwaltungsgericht zutreffend feststellt, steht die Entscheidung über die Sicherheitsleistung gemäß § 18 Abs. 4 VerpackG sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach im Ermessen des Antragsgegners. Eine Betätigung des Ermessens dem Grunde nach, also hinsichtlich des „Ob“ der Erhebung der Sicherheitsleistung (Entschließungsermessen), sucht man indes im Bescheid vom 29. Juli 2019 vergebens.
Die Ermessensbetätigung beschränkt sich allein auf die Bemessung der Höhe der Sicherheitsleistung (Auswahlermessen). Insoweit heißt es wörtlich:
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„Am 01. Januar 2019 trat das VerpackG in Kraft und löste die bis dahin geltende VerpackV ab. Im VerpackG wurde die Rechtsvorschrift zur Festsetzung einer Sicherheitsleistung gegenüber der bisherigen Regelung dahin geändert, dass ein Rückgriff auf die Sicherheitsleistung auch bei Verstößen gegen Pflichten aus der Abstimmungsvereinbarung nach § 22 Abs. 1 VerpackG oder gegen Pflichten aus einseitigen Vorgaben nach § 22 Abs. 2 VerpackG möglich ist. Folglich besteht Bedarf, die festgesetzten Sicherheitsleistungen an die neue Rechtslage anzupassen und sie in für alle Dualen Systeme gleicher Art und Weise auszugestalten.“ [Hervorhebung des Senats]
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Mit der Verwendung der Formulierung „folglich besteht Bedarf“ macht das StMUV deutlich, dass es sich des Bestehens eines Entschließungsermessens gar nicht bewusst ist und rechtsirrig vom Vorliegen einer gebundenen Entscheidung hinsichtlich des „Ob“ der Anforderung einer Sicherheitsleistung auch bei Verstößen gegen Pflichten aus § 22 Abs. 1 und 2 VerpackG ausgegangen ist. Insoweit liegt ein Ermessensausfall vor, der im Hauptsacheverfahren auch nicht mehr geheilt werden kann. § 114 S. 2 VwGO schafft die prozessualen Voraussetzungen lediglich dafür, dass defizitäre Ermessenserwägungen ergänzt werden, nicht hingegen auch dafür, dass das (Entschließungs-) Ermessen erstmals ausgeübt wird (vgl. BVerwGE 129, 367 [376]; 106, 351 [365]; siehe auch Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 114 Rn. 208 f.).
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Dieser schwerwiegende und zugleich auch grundlegende Mangel, der durch die Ausführungen des Antragsgegners im Schriftsatz vom 30. September 2020 nicht infrage gestellt wird, kann entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch nicht mit der Erwägung überwunden werden, der Antragsgegner habe bereits mit der Nebenbestimmung in Ziffer 2.10 des Feststellungsbescheids vom 14. Dezember 2007, geändert durch den ersten Änderungsbescheid vom 30. August 2011, von dem durch § 18 Abs. 4 VerpackG eingeräumten (Entschließungs-) Ermessen Gebrauch gemacht. § 18 Abs. 4 VerpackG war zum Zeitpunkt des Erlasses der genannten Bescheide noch gar nicht in Kraft. Ungeachtet dessen hat die Sicherheitsleistung nach der am 1. Januar 2019 in Kraft getretenen Neuregelung auch einen ganz anderen inhaltlichen Zuschnitt als nach der Vorgängerregelung, wie das Verwaltungsgericht im Zusammenhang mit seinen Ausführungen zur Höhe der Sicherheitsleistung gleich mehrfach (zu Recht) betont (vgl. hierzu auch BT-Drs. 18/11274, S. 103 f.). Umso mehr drängt sich die Notwendigkeit einer (erneuten) Betätigung des Entschließungsermessens durch den Antragsgegner nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 18 Abs. 4 VerpackG auf.
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Es liegt auch weder ein Fall „intendierten Ermessens“ noch ein solcher einer „Ermessensreduzierung auf Null“ vor. Vielmehr ist die Anforderung einer Sicherheitsleistung ausdrücklich in das pflichtgemäße Ermessen („kann“) des Antragsgegners gestellt. Der Antragsgegner kann deshalb sehr wohl von der Anforderung einer Sicherheitsleistung ganz oder teilweise absehen, wann immer ihm dies aus welchen Gründen auch immer opportun erscheint. Andernfalls hätte der Gesetzgeber bestimmt, dass eine Sicherheitsleistung zwingend anzufordern ist oder zumindest angefordert werden soll, was ein Absehen vom Verlangen einer Sicherheitsleistung auf atypische (Ausnahme)- Fälle beschränkt hätte.
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Die Betätigung des dem Antragsteller eingeräumten Entschließungsermessens wird deshalb nicht dadurch entbehrlich, dass der Antragsgegner mit Bescheid vom 14. Dezember 2007, geändert durch den Änderungsbescheid vom 30. August 2011 bestandskräftig über das „Ob“ der Erhebung einer Sicherheitsleistung entschieden hat, wie das Verwaltungsgericht rechtsirrig meint. Diese Entscheidung ist auf anderer Rechtsgrundlage nach der VerpackV und unter ganz anderen inhaltlichen Voraussetzungen getroffen worden. Wie der Antragsgegner in einer solchen Konstellation bereits damals (!) von dem (erst) ab 1. Januar 2019 nach § 18 Abs. 4 VerpackG eingeräumten Entschließungsermessen Gebrauch gemacht haben soll, erschließt sich dem Senat nicht. Jedenfalls unterliegt der streitgegenständliche Bescheid vom 29. Juli 2019 bereits alleine aufgrund der Nichtausübung des Entschließungsermessens der Aufhebung im anstehenden Hauptsacheverfahren. An seiner sofortigen Vollziehung besteht daher kein schutzwürdiges öffentliches Interesse.
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Dass die Antragstellerin sich in der Beschwerdebegründung lediglich auf Ermessensfehler allgemein, nicht aber explizit auf den des Ausfalls des Entschließungsermessens berufen hat, steht der Berücksichtigung dieses Umstandes durch den Senat auch unter Beachtung des durch § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO vorgegebenen, lediglich eingeschränkten Prüfungsrahmens im Lichte der verfassungsrechtlichen Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) nicht entgegen (vgl. VGH Kassel, B.v. 18.1.2006 – 5 TG 1493/05 –, NVwZ-RR 2006, 846 [847]; BayVGH, B.v. 23.1.2002 – 25 CS 02.172 –, NVwZ 2003, 118 [121]; siehe zur Problematik der Auslegung von § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO ausführlich Guckelberger in Sodan/Ziekow, 5. Aufl. 2018, § 146 Rn. 100 ff. m.w.N.). § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO lässt die Befugnis des Senats zur umfassenden Interessenabwägung und vollständigen Prüfung entscheidungserheblicher Tatsachen und Rechtsfragen unberührt (vgl. BayVGH, B.v. 23.1.2002 – 25 CS 02.172 –, NVwZ 2003, 118; B.v. 17.6.2013 – 12 CE 13.999 – juris, Rn. 23). Der Einwand des Beklagten, die Beschwerdebegründung stelle vorliegend ausdrücklich klar, dass die Ermächtigungsgrundlage des § 18 Abs. 4 VerpackG und dessen Verfassungsmäßigkeit und Bestimmtheit nicht angegriffen werden, verfängt demgegenüber nicht. Die Annahme, unter solchen Umständen werde umfangreicherer Rechtsschutz gewährt als gesucht wurde, ist abwegig. Auf welche rechtlichen Gesichtspunkte der Senat eine Entscheidung stützt, ist allein seine Sache.
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b) Offensichtlich rechtswidrig ist der streitgegenständliche Bescheid vom 29. Juli 2019 aber auch deshalb, weil er (derzeit) nicht auf einer operablen Rechtsgrundlage beruht. § 18 Abs. 4 VerpackG gestattet dem Antragsgegner zwar ausdrücklich die Anforderung einer „angemessenen, insolvenzfesten Sicherheit“, er legt jedoch entgegen dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot und der Wesentlichkeitstheorie (Art. 20 Abs. 3 GG) nicht selbst fest, unter welchen Voraussetzungen von einer Angemessenheit der Sicherheitsleistung auszugehen ist. Die Vorschrift ist deshalb – jedenfalls in ihrer gegenwärtigen Form – nicht vollzugsfähig und kann die Festsetzung der Sicherheitsleistung im Bescheid vom 29. Juli 2019 nicht tragen.
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Das Rechtsstaatsprinzip und das Demokratiegebot verpflichten den Gesetzgeber, in den grundlegenden normativen Bereichen, namentlich in denen der Grundrechtsverwirklichung, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen (vgl. BVerfGE 49, 89 [126]; 101, 1 [34]; 108, 282 [312]; 136, 69 [114] Rn. 102; BVerwGE 138, 201 [204] Rn. 26; 144, 93 [96] Rn. 12 [sog. Wesentlichkeitstheorie]); er darf diese insbesondere nicht dem Handeln und der Entscheidungsmacht der Exekutive überlassen (vgl. BVerfGE 49, 89 [127]; 83, 130 [142]). Mit dem Vorbehalt des Gesetzes und der Wesentlichkeitstheorie überschneidet sich das Gebot der hinreichenden Bestimmtheit von Rechtsvorschriften (vgl. BVerfGE 62, 169 [183]; 149, 293 [323] Rn. 77). Der Bestimmtheitsgrundsatz verlangt, dass eine gesetzliche Ermächtigung der Exekutive zur Vornahme von Verwaltungsakten nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt und begrenzt ist, sodass das Handeln der Verwaltung messbar und in einem gewissen Ausmaß für den Staatsbürger vorhersehbar und berechenbar wird (vgl. BVerfGE 56, 1 [12]; 108, 52 [75]; 110, 33 [53 f.]; BVerwGE 126, 222 [228] Rn. 29).
Dies schließt die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe, wie etwa den der „Angemessenheit“, zwar nicht grundsätzlich aus, erforderlich ist jedoch stets, dass zumindest die äußeren Grenzen des Spielraums abgesteckt sind und insoweit die Möglichkeit einer richterlichen Prüfung eröffnet ist (vgl. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 16. Aufl. 2020, Art. 20 Rn. 83 m.w.N.). Die grundsätzliche Zulässigkeit unbestimmter Gesetzesbegriffe entbindet den Gesetzgeber insbesondere nicht davon, die Vorschrift so zu fassen, dass sie den rechtsstaatlichen Grundsätzen der Normenklarheit und Justitiabilität entspricht. Sie muss in ihren Voraussetzungen und in ihrem Inhalt so formuliert sein, dass die von ihr Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können (vgl. BVerfGE 21, 73 [79]; 52, 1 [41]; 78, 214 [226]; 133, 277 [355 f.] Rn. 181). Letzteres erfordert, dass sich unbestimmte Rechtsbegriffe durch eine Auslegung der betreffenden Normen nach den Regeln der juristischen Methodik hinreichend konkretisieren lassen und verbleibende Ungewissheiten nicht so weit gehen, dass die Vorhersehbarkeit und Justitiabilität des Handelns der durch die Normen ermächtigten Stellen gefährdet sind (vgl. BVerfGE 21, 73 [79 f.]; 118, 168 [188]; 120, 274 [316]; 133, 277 [355 f.] Rn. 181; 145, 20 [69 f.] Rn. 125).
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Für die „Angemessenheit“ eines abgabenrechtlichen Entgelts hat das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden, dass die Verwendung dieses Begriffs den rechtsstaatlichen Bestimmtheitsanforderungen nicht genügt, weil der Abgabenschuldner nicht in die Lage versetzt wird, die ihn treffende Belastung in gewissem Umfang vorauszuberechnen, da es an der normativen Festlegung von Bemessungsfaktoren zur Bestimmung des angemessenen Entgelts fehlt. Für die inhaltliche Ausfüllung des Begriffs des angemessenen Entgelts, das einseitig von dem öffentlich-rechtlichen Abgabeberechtigten verlangt und gegebenenfalls gerichtlich durchgesetzt werden könne, gebe die Rechtsordnung mit der Verwendung des Begriffs der „Angemessenheit“ keine hinreichenden Maßstäbe vor (vgl. BVerwG, U.v. 26.03.2015 – 7 C 17.12 –, BVerwGE 152, 1 [8 f.] Rn. 30).
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Für den hier vorliegenden Fall der „Angemessenheit“ einer Sicherheitsleistung kann entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts und des Antragsgegners nichts anderes gelten. Der Umstand, dass das Entgelt für den Abgabenschuldner regelmäßig „verloren“ ist, die Sicherheitsleistung aber unangetastet bleibt, wenn der Sicherungsfall nicht eintritt, bildet im Lichte des Bestimmtheitsgrundsatzes und der Wesentlichkeitstheorie (Art. 20 Abs. 3 GG) kein rechtserhebliches Unterscheidungskriterium, denn auch für die Bereitstellung der Sicherheitsleistung durch Bankbürgschaft entstehen dem Schuldner Kosten in Form von Avalzinsen, gleichzeitig reduziert sich regelmäßig sein Kreditvolumen. Der Betrag der jährlichen Kosten für die Finanzierung der erhöhten Sicherheitsleistung (1.204.500 EUR statt 192.000 EUR wie bisher) ist für die Antragstellerin – gleich dem einer Abgabe – endgültig verloren. Die Interessenlage ist demzufolge, anders als das Verwaltungsgericht meint, durchaus vergleichbar. Auch auf Seiten des Schuldners einer Sicherheitsleistung besteht deshalb ein berechtigtes Interesse, die ihn aufgrund der Höhe der Sicherheitsleistung treffende Belastung in gewissem Umfang vorausberechnen zu können, indem die Bemessungsfaktoren zur Bestimmung der Angemessenheit der Sicherheitsleistung normativ festgelegt werden und eine willkürliche Handhabung durch Behörden wirksam ausgeschlossen wird (vgl. BVerfGE 108, 186 [234 ff.]; BVerwGE 105, 144 [147 f.]; 152, 1 [8 f.] Rn. 29 f.).
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Der unbestimmte Rechtsbegriff der „angemessenen“ Sicherheitsleitung lässt sich ohne nähere gesetzliche Bestimmung der Bemessungsfaktoren mit den herkömmlichen juristischen Methoden nicht konkretisieren. Insbesondere kann nicht durch Auslegung festgestellt werden, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die in der Rechtsnorm ausgesprochene Rechtsfolge vorliegen (vgl. BVerfGE 21, 209 [215]; 102, 254 [337]; 145, 20 [69] Rn. 125). Die ausschließlich anlagebezogenen Sicherheitsleistungen des § 8a Abs. 2 Satz 3 BImSchG und des § 36 Abs. 3 KrWG sind mit der hier geforderten nicht zu vergleichen. Mit den in § 18 Abs. 4 VerpackG selbst genannten Pflichtverletzungen, die abgesichert werden sollen, und den daraus gegebenenfalls entstehenden Kosten lassen sich im Wege der Gesetzesinterpretation keine verlässlichen Bemessungsfaktoren ermitteln. Namentlich die Festlegung, ob bei der Bestimmung der „Angemessenheit“ der Sicherheitsleistung von einem flächendeckenden „worst-case-Szenario“ (gleichzeitiger Totalausfall aller Systeme) auszugehen ist oder eine realitätsbezogenere Betrachtung entsprechend einem Maßstab überwiegender Wahrscheinlichkeit in Betracht gezogen werden kann, stellt aufgrund des bestehenden Grundrechtsbezuges (Art. 12 u. 14 GG) im Lichte der Wesentlichkeitstheorie eine Entscheidung dar, die nicht in geschlossenen Zirkeln von Arbeitsgruppen und „Fachbruderschaften“ der Exekutive getroffen werden kann, sondern dem Licht der Öffentlichkeit in Gestalt parlamentarischer Rechtssetzung vorbehalten bleiben muss. Gleiches gilt auch hinsichtlich der weiteren Bemessungsfaktoren und den wesentlichen Voraussetzungen der Festsetzung, insbesondere des zeitlichen Bezugsrahmens und des Zeitraums bis zu einer Anpassung entsprechend veränderter Marktbedingungen, sowie der Ausgestaltung der näheren Voraussetzungen einer Inanspruchnahme der Sicherheitsleistung im Eintrittsfall, vor allem dann, wenn nicht alle Systeme gleichzeitig betroffen sind.
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Zusätzlich muss im Rahmen einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere der den Betroffenen auferlegten Belastung und dem Gewicht und der Dringlichkeit der diese rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit (Verhältnismäßigkeit i.e.S.) noch gewahrt bleiben (vgl. BVerfGE 118, 168 [195]; 120, 224 [241]; 141, 82 [100] Rn. 53) und das Maß der den Einzelnen treffenden Belastung noch in einem vernünftigen Verhältnis zu den der Allgemeinheit erwachsenden Vorteilen stehen (vgl. BVerfGE 76, 1 [51]; 119, 59 [87]). Auf dieser Grundlage ist zugleich ein angemessener Ausgleich zwischen dem Eingriffsgewicht der Regelung und dem verfolgten gesetzgeberischen Ziel, mit anderen Worten zwischen Individual- und Allgemeininteresse herzustellen (vgl. BVerfGE 133, 277 [322] Rn. 109 m.w.N.).
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Auch insoweit bestehen alleine schon aufgrund der enormen Erhöhung von 192.000 EUR auf nunmehr 1.204.500 EUR – das sechsfache (!) des bisherigen Betrages – erhebliche Bedenken. Die in den Raum gestellte Behauptung des Beklagten, die Leistung einer Sicherheit könne, sollte sie sich im Hauptsacheverfahren als zu hoch erweisen, problemlos rückgängig gemacht werden, entbehrt jeglicher Grundlage. Es kann daher keinem vernünftigen Zweifel unterliegen, dass die Festsetzung einer Sicherheitsleistung in solcher Höhe intensiv in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (Art. 14 Abs. 1 GG) eingreift mit der Folge, dass eine Bestimmung der wesentlichen Bemessungsfaktoren durch den Gesetzgeber selbst zu erfolgen hat, weil ansonsten eine verlässliche Grenze der Angemessenheit im Sinne von § 18 Abs. 4 VerpackG nicht auszumachen ist (vgl. BVerfGE 83, 130 [142]; 149, 293 [323 f.] Rn. 77 m.w.N.) und die Betroffenen der Willkür der Festsetzungsbehörde ausgesetzt würden.
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Der Antragsgegner wird deshalb im Wege einer Bundesratsinitiative eine Ergänzung des § 18 Abs. 4 VerpackG anzuregen haben, wenn er weiterhin an der Anforderung einer Sicherheitsleistung in neuer Höhe festhalten möchte. Ohne eine Bestimmung der maßgeblichen Bemessungsfaktoren der Sicherheitsleistung durch den Gesetzgeber selbst, ist zugleich auch eine wirksame Rechtskontrolle durch die Gerichte nicht durchführbar (vgl. hierzu BVerfGE 110, 33 [52 ff.]; 113, 348 [376 f.]; 120, 378 [407]). § 18 Abs. 4 VerpackG ist daher in seiner jetzigen Form nicht operabel und vermag daher die Festsetzung einer (erhöhten) Sicherheitsleistung nicht zu tragen. Zu dieser Feststellung im Eilverfahren ist der Senat – anders als der Antragsgegner meint (vgl. Schriftsatz vom 30.09.2020, S. 3) – auch ohne Vorlage nach Art. 100 GG an das Bundesverfassungsgericht berechtigt (vgl. BVerfGE 86, 382 [389]; siehe auch Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 80 Rn. 134). Eine Vorwegnahme der Hauptsache liegt insoweit nicht inmitten.
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Das der Bestimmung der Höhe der Sicherheitsleistung zugrundeliegende Arbeitspapier der länderoffenen Arbeitsgruppe „Festsetzung von Sicherheiten nach § 18 Abs. 4 VerpackG und Beibringung von Sicherheiten“ vom 21. Dezember 2018, auf dessen unkritische, aber gleichwohl bereits Endgültigkeit signalisierende Nachzeichnung das Verwaltungsgericht sich im Eilverfahren beschränkt hat, kann den Mangel einer gesetzlichen Festlegung der Bemessungsfaktoren der Sicherheitsleistung nach § 18 Abs. 4 VerpackG nicht ausgleichen. Verwaltungsvorschriften gleich welcher Art verfügen nicht über die der Wesentlichkeitstheorie und dem Gesetzesvorbehalt genügende Rechtsnormqualität (vgl. BVerfGE 80, 257 [265 f.]; 131, 130 [148]). Darüber hinaus begegnet auch ein alleiniges Abstellen auf die Verbrennungskosten durchgreifenden Bedenken. Im Fall des Systemausfalls darf auch der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger im Wege der Ersatzvornahme keine andere als die in § 16 Abs. 1 Satz 1 VerpackG i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KrWG vorgesehene Verwertungsart wählen. Dort ist die Vorbereitung zur Wiederverwertung bzw. das Recycling, nicht aber die Verbrennung als vorrangig beschrieben (vgl. auch § 6 Abs. 1 u. 2 KrWG). Infolgedessen ist zugleich auch ein den Verpackungen gegebenenfalls noch innewohnender (Rest-) Marktwert bei der Bemessung der Sicherheitsleistung kalkulatorisch mit zu berücksichtigen.
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c) Schließlich sticht ins Auge, dass der Antragsgegner im Jahre 2019 auf der Grundlage von Zahlen aus dem Jahr 2017 eine Festsetzung der Sicherheitsleistung der Antragstellerin vorgenommen hat, die einen Marktanteil von 11,61% zugrunde legt, obwohl dieser nach unwidersprochener Aussage des Antragstellerbevollmächtigten im Jahre 2019 bereits nur noch bei 8 bis 9%, durchschnittlich und gerundet bei 8,6% gelegen hat, was sich im Berechnungsmodell der Antragsgegnerin in einer rund 400.000 € niedrigeren Sicherheitsleistung niederschlüge. Dies hat zur Folge, dass die Antragstellerin zu einem nicht unwesentlichen Teil die Sicherheitsleistung ihrer Konkurrenten zusätzlich zu dem auf sie selbst entsprechend den Marktverhältnissen entfallenden Anteil aufbringen soll – ein das allgemeine Gerechtigkeitsempfinden auch jenseits jeder juristischen Betrachtung in grober Weise verletzendes Ergebnis.
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Indes vermag gerade die Verweigerung einer an sich gebotenen Korrektur eines angefochtenen Bescheides die offensichtliche Rechtswidrigkeit desselben zu verstärken, weil der rechtswidrig erzeugte Zustand dadurch sehenden Auges auf unbestimmte Zeit perpetuiert wird. Eine generalisierende oder auch typisierende Behandlung von Sachverhalten – vorliegend das Abstellen auf Zahlenmaterial aus dem Jahr 2017 noch im Jahr 2019, obwohl jedenfalls zum Teil bereits neuere Daten vorliegen – kann im Lichte des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) nur dann hingenommen werden, wenn damit verbundene Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären, lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betroffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist (vgl. BVerfGE 100, 59 [90]; 103, 310 [319]; 126, 233 [263 f.]). Überschreitet die Intensität des Eingriffs – wie hier – das zulässige Maß, so ist zumindest eine Härteklausel erforderlich (vgl. BVerfGE 60, 16 [51 f.]; 68, 155 [173 f.] 100, 59 [103]; siehe zur Problematik allgemein Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 16. Aufl. 2020, Art. 3 Rn. 37 f.), die in einer zukünftigen Regelung unverzichtbar ist. Als sog. Dauerverwaltungsakt bedarf die Festsetzung einer Sicherheitsleistung regelmäßiger Überprüfung und gegebenenfalls Änderung durch die Festsetzungsbehörde (vgl. Rennert, DVBl. 2019, 593 [598]; siehe auch BVerwG, B.v. 29.10.2014 – 9 B 32/14 – juris, Rn. 3; OVG NRW, B.v. 04.16.2010 – 19 E 259/10 – juris, Rn. 6).
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Im Allgemeinen hingenommen wurde eine „Ausnahmequote“ von 7,5% (vgl. BVerfGE 17, 1 [23 ff.]), nicht mehr jedoch eine Fehlerquote von mehr als 10% (vgl. BVerwGE 68, 36 [41]). Dass diese vorliegend aufgrund der erheblichen Differenz zwischen unterstelltem und tatsächlichem Marktanteil von mehr als 25% aktuell weit jenseits dieses Bereichs liegt, ist offenkundig und bedarf keiner weiteren Erläuterung. Auch deshalb kann der dringend korrekturbedürftige Bescheid vom 29. Juli 2019 keinen Bestand haben. An der weiteren Aufrechterhaltung des Sofortvollzuges einer solchermaßen eklatant rechtswidrigen Verwaltungsentscheidung besteht kein überwiegendes öffentliches Interesse. Ebenso wenig ist der Antragsgegner berechtigt, die im Bescheid vom 29. Juli 2019 für das Jahr 2020 angekündigte Überprüfung mit Blick auf das noch anhängige Hauptsacheverfahren weiter aufzuschieben. Eine „Übersicherung“ zum Nachteil der Antragstellerin ist bereits jetzt mit Händen zu greifen, selbst wenn man die zu Unrecht gewählten Parameter des Antragsgegners zugrunde legt.
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Die begehrte Anordnung ist deshalb unter Aufhebung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu erlassen.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. 1.5 des Streitwertkatalogs, der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu halbieren ist.
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4. Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).