Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 05.03.2021 – AN 10 K 20.00033
Titel:

Eigenmächtige Niveauangleichung einer öffentlichen Straße an eine Grundstückszufahrt

Normenketten:
BayStrWG Art. 18 Abs. 1 S. 1
GG Art. 3 Abs. 1
Leitsätze:
1. Die eigenmächtige Niveauangleichung einer öffentlichen Straße an eine Grundstückszufahrt stellt keine Sondernutzung dar. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die uneingeschränkte und ungehinderte Anfahrmöglichkeit zu einem innerstädtischen Grundstück gehört nicht zum Anliegergebrauch. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Baugenehmigung für ein innerörtliches Grundstück begründet nicht von vorneherein einen Anspruch auf Einräumung der in den genehmigten Plänen konkret vorgesehenen Zufahrt. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
4. Wer eigenmächtig das Straßenniveau verändert, kann sich nicht im Nachhinein auf eine in ihren Voraussetzungen nicht näher dargelegte Selbstbindung der Verwaltung zur Duldung berufen. (Rn. 36 – 37) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
eigenmächtige Niveauangleichung einer Ortsstraße an die Höhe der Grundstückszufahrt, Keine Sondernutzung, Duldungspflicht, Selbstbindung der Verwaltung, treuwidriges Verhalten, Sondernutzung, Gemeingebrauch, Straßenniveau, Zufahrt, Grundstück, Angleichung, Straßenbaulast, Gleichbehandlung, Treu und Glauben
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 03.02.2022 – 8 ZB 21.1286
Fundstelle:
BeckRS 2021, 46022

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt die dauerhafte Beibehaltung der durch ihn durchgeführten Angleichung des Straßenniveaus der öffentlichen Straße (Fl.-Nr. …*) an das Niveau seines Grundstücks Fl.-Nr. … im Bereich seiner Grundstückszufahrt.
2
Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks Fl.-Nr. … „…“ in … …, welches mit einem Wohnhaus und einer Doppelgarage bebaut ist.
3
Im Rahmen der Bauarbeiten für den Kanalanschluss wurde der Zufahrtsbereich für die Kanalverlegungsarbeiten aufgegraben. Nach Durchführung der Kanalverlegung wurde am 3. April 2019 der Bereich, in dem die Zufahrtsstraße aufgerissen war, asphaltiert. Im Rahmen der Asphaltierungsarbeiten fand eine Angleichung des Straßenniveaus an das Niveau der ACO-Rinne auf der Grundstückszufahrt Fl.-Nr. … statt. Am gleichen Tag forderte der Stadtbaumeister der Beklagten den Kläger mündlich auf, die Arbeiten auf öffentlichem Grund einzustellen.
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Mit Email vom 4. April 2019 führte der Stadtbaumeister der Beklagten gegenüber dem Kläger unter anderem aus, die vom Stadtbaumeister am 3. April 2019 geforderte Baueinstellung zur Herstellung der klägerischen Grundstückszufahrt sei vom Kläger gänzlich ignoriert worden. Die vom Kläger getätigten Arbeiten befänden sich ausschließlich auf öffentlichem Grund. Klägerseits habe man weder eine verkehrsrechtliche Anordnung noch eine Zustimmung zur inzwischen ausgeführten Baumaßnahme von der Stadtverwaltung eingeholt. Für die Beklagte sei die neugeschaffene Situation in der Stichstraße „…“ nicht hinnehmbar und könne somit nicht geduldet werden. Aus vorgenannten Gründen forderte die Beklagte den Kläger auf, die neugeschaffene Zufahrtsrampe unverzüglich zurückzubauen und den ursprünglichen Zustand der städtischen Straße bis spätestens 18. April 2019 wieder herbeizuführen.
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Mit Fax vom 5. April 2019 zeigte sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers bei der Beklagten an und führte unter anderem aus, der geschaffene Zustand im Bereich der Zufahrt …, Fl.-Nr. …, könne vom Kläger nicht gefahrlos beseitigt werden. Der Kläger habe die Zufahrt zu der Garage plangemäß errichtet und wäre daher an der Grenze zur öffentlichen Straße bei Einhaltung des plangemäßen Gefälles von 1% auf 7 Meter und die restlichen 5 Meter von 2% bei einer Höhe an der Straßenkante von minus 17 cm. Dadurch ergebe sich eine Stufe zur anbindenden Straße in Höhe von 58 cm. Dies sei den Plänen zu entnehmen und diesen Plänen sei auch von der Beklagten so zugestimmt worden.
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Mit Schreiben vom 11. April 2019 führte die Beklagte unter anderem aus, zwar sei seitens der Beklagten der Plan im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens eingesehen worden, jedoch werde hierbei nicht jeder Einzelwert überprüft. Vielmehr werde die Eingabeplanung als Gesamtheit betrachtet. Hierzu gehörten auch die zeichnerischen Darstellungen. Stattdessen könnte man von einer Fahrlässigkeit des Bauherrn und des Planers ausgehen. Es sei die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen worden. Es sei vorhersehbar gewesen, dass man mit einem Gefälle von einem bzw. zwei Prozent im Bereich der Zufahrt um 58 Zentimeter zu hoch an der öffentlichen Verkehrsfläche anschließe. Dies sei aus einem der Pläne hervorgegangen. Weiter seien in der Nordansicht des Neubaus das geplante Gelände, die Grundstücksgrenze und der Bestand der Zufahrt vom öffentlichen Raum dargestellt worden. Aus dieser Ansicht lasse sich die ordnungsgemäße Anbindung an den öffentlichen Verkehrsweg erkennen. Selbst wenn während der Bautätigkeit die Nichtumsetzbarkeit der Planung ersichtlich geworden wäre, hätte man ein verhältnismäßig angemessenes Vorgehen wählen können, um die Anhebung der Straße zu verhindern. Durch eine Überarbeitung der Planung oder eine Rücksprache mit der Stadt wäre das Vergehen somit auch vermeidbar gewesen. Unter Berücksichtigung des objektiv zu erwartenden Geschehens hätte man im Laufe der Planung der Pflasterarbeiten feststellen müssen, welche Gefälle notwendig werden, um an den Straßenbestand bündig anzuschließen. Auf ein Prüfungserfordernis seitens der Stadt könne hier nicht abgestellt werden. Es sei weder Prüfungsumfang der Stadt oder der unteren Bauaufsichtsbehörde die genauen Maße und Gefälle der Zufahrt zu kontrollieren. Hier sei auf den Sachverstand des Planungsbüros, der ausführenden Baufirma und des Bauherrn abzustellen. Abschließend sei jedoch auch anzumerken, dass man - egal ob Sachverständiger oder Laie - die Anhörungspflicht des Straßenbaulastträgers und der Straßenverkehrsbehörde vor Eingriffen in den Verkehrsraum erkennen müsse. Dies sollte auch der Firma … bekannt sein, welche regelmäßig entsprechende verkehrsrechtliche Anordnungen beantrage. Ein Unterlassen wie im vorliegenden Fall erfülle unabhängig des Baurechts den Ordnungswidrigkeitentatbestand gemäß § 49 Abs. 4 StVO. Aufgrund der oben genannten Punkte sei ein Rückbau des Straßenkörpers in den Ursprungszustand unausweichlich. Für den Rückbau gewähre die Beklagte dem Kläger eine Frist bis einschließlich 3. Mai 2019.
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Mit Schreiben vom 15. April 2019 zeigte sich der Prozessbevollmächtigte der Beklagten beim Prozessbevollmächtigten des Klägers an und führte unter anderem aus, ohne um Erlaubnis zu fragen und vollkommen eigenmächtig, obwohl eine Baueinstellung am 3. April 2019 gefordert worden sei, habe der Kläger dies vollkommen ignoriert, die öffentliche Straße der Beklagten beschädigt und eine Rampe zu seinem Grundstück gebaut. Dass sich eine Stufe zur anbindenden Straße in Höhe von 58 cm ergebe, sei nicht das Problem der Beklagten. Der Bau der Rampe sei widerrechtlich und ohne Genehmigung erfolgt. Für den Rückbau wurde dem Kläger eine erneute Frist bis 30. April 2019 gesetzt.
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Mit Schreiben vom 30. April 2019 beantragte der Kläger eine Sondernutzungserlaubnis nach Art. 18 BayStrWG. Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, die Zufahrt über diesen kleinen Abzweig von der Straße … sei im Rahmen der Bauarbeiten nur unwesentlich geändert worden. Eine Beeinträchtigung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs sei dadurch nicht zu erwarten. Bei Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes entstehe eine Stufe zum bisherigen Grundstücksniveau. Diese Stufe könnte durch einen Keil ausgeglichen werden, wie dies im Bereich der Stadt … an verschiedenen Ausfahrten schon jetzt der Fall sei. Dort seien Hochborde entweder mit Brettern oder mit Betonkeilen so verändert worden, dass eine Auffahrt bzw. Überfahrt ohne weiteres möglich sei. Eine solche Situation vor dem Grundstück des Klägers wäre jedenfalls nicht besonders schön anzusehen gewesen, weshalb im Rahmen der ohne dies notwendigen Asphaltierungsarbeiten die Asphaltstraße höhengleich an die Einfahrt auf dem Grundstück des Klägers angepasst worden sei. Von Bedeutung sei vorliegend auch, dass die ursprüngliche Straße wegen der Kanalarbeiten schon aufgerissen worden sei. Der jetzige Zustand daher mit dem ursprünglichen nicht vergleichbar sei.
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Mit Schreiben vom 6. Juni 2019 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis ab. Begründet wurde dies damit, dass nach intensiver Diskussion und pflichtgemäßem Ermessen die Beklagte dem Antrag des Klägers nicht stattgeben werde. Weiter wurde unter anderem ausgeführt, mit einer auf Zeit oder auf Widerruf erteilten Zustimmung könne das Problem nicht gelöst werden. Art. 18 BayStrWG passe hier nicht.
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Mit Schreiben vom 15. Juni 2019 wurde der Kläger unter Fristsetzung bis 5. Juli 2019 erneut zum Rückbau der Straße aufgefordert.
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Am 8. August 2019 fand zwischen den Parteien ein gemeinsames Gespräch statt. Die Parteien konnten sich nicht einigen. Eine Sondernutzung wurde seitens der Beklagten abgelehnt, da gute 7 Meter trotz eines angekündigten Baustopps überbaut worden seien, sich die neue Rampe teilweise auf Privatgrund befinde und der bisherige Regenablauf nicht mehr gewährleistet sei.
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Mit Schreiben vom 13. September 2019 regte der Prozessbevollmächtigte gegenüber der Beklagten an, die Frage des Rückbaus der Straße einer gerichtlichen Klärung zuzuführen.
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Mit Schreiben vom 25. Oktober 2019 legte der Kläger gegen die Versagung der Erteilung der beantragten Sondernutzungserlaubnis vom 6. Juni 2019 Widerspruch ein.
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Mit Schreiben vom 13. November 2019 half die Beklagte dem Widerspruch des Klägers nicht ab.
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Mit Fax vom 21. November 2019 beantragte der Prozessbevollmächtigte des Klägers bei der Beklagten, den Vorgang der Widerspruchsbehörde zur Entscheidung über den Widerspruch vorzulegen.
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Mit Fax vom 4. Dezember 2019 teilte die Beklagte dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mit, dass über Art. 15 Abs. 1 BayAGVwGO kein fakultatives Widerspruchsverfahren möglich sei und stattdessen direkt Klage zu erheben sei.
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Mit Fax vom 7. Januar 2020, eingegangen am gleichen Tag bei Gericht, erhob der Kläger Klage. Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, der Kläger habe einen Anspruch auf Beibehaltung der Zufahrt in der jetzt bestehenden Form, weshalb die Anträge, jedenfalls die Hilfsanträge zulässig und begründet seien. Dem Kläger seien im Stadtgebiet der Beklagten zwei bis drei vergleichbare Ausführungen der öffentlichen Straße zu bebauten Grundstücken im Zufahrtsbereich bekannt.
18
Mit Schriftsatz vom 4. März 2021 führte der Prozessbevollmächtigte des Klägers unter anderem aus, es sei nicht richtig, dass sich eine Stufe von 58 cm ergeben hätte, sondern lediglich eine solche von 20 cm. Die Bauarbeiten seien durch die Firma … durchgeführt worden. Geschäftsführende Gesellschafterin sei die … Diese werde durch die Geschäftsführer … … und … … vertreten. Dass die Beklagte, vertreten durch ihren Stadtbaumeister, eine Baueinstellung gegenüber dem Kläger ausgesprochen habe, sei unzutreffend. Der Stadtbaumeister hab am 3. April 2019 lediglich mit einer Mitarbeiterin der Firma … telefoniert. Der Kläger habe hiervon erst gegen späten Nachmittag etwas mitbekommen und habe dann auch den Gesprächstermin angeboten, nachdem allerdings die Baumaßnahme wohl schon abgeschlossen gewesen sei; dies habe auch dann dazu geführt, dass die Gesprächstermine, die die Mitarbeiterin am 3. April 2019 um 15:17 Uhr für den 4. April 2019 vorgeschlagen habe, abgesagt worden seien. An anderer Stelle in der … und … seien auf dem öffentlichen Grund der Beklagten ebenfalls Baumaßnahmen durchgeführt worden, die unstreitig einer Sondernutzung auf öffentlichen Grund darstellen.
19
Er beantragt in der mündlichen Verhandlung,
1.
Der Bescheid der Beklagten vom 6. Juni 2019 mit Ergänzung vom 13. November 2019 und vom 4. Dezember 2019 wird aufgehoben.
2.
Die Beklagte wird verpflichtet, die Sondernutzungserlaubnis entsprechend des Antrags des Klägers vom 30. April 2019 zu erteilen.
3.
Hilfsweise für den Fall, dass kein Anspruch auf Erteilung besteht, wird die Beklagte verpflichtet, über den Antrag unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu verbescheiden.
4.
Weiter hilfsweise für den Fall, dass keine Ansprüche nach Ziffer 2 und 3 bestehen, wird die Beklagte verurteilt, die öffentliche Zufahrtsfläche auf das Grundstück des Klägers, …, … … im Bereich der Asphalterneuerung auf einer Länge von 8 Metern wie vorhanden unverändert zu dulden.
20
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
21
Zur Begründung führte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten aus, anstatt eine Umplanung auf seinem eigenen Grundstück vorzunehmen, habe der Kläger nunmehr die öffentliche Straße in Beschlag genommen und habe diese auf rund 7 Meter überbaut. Der Kläger habe auch rechtswidrig gehandelt. Noch während der Bauarbeiten habe die Beklagte am 3. April 2019 eine Baueinstellung angeordnet, welche der Kläger schlichtweg ignoriert habe. Die Baueinstellung sei auch tatsächlich durch den Stadtbaumeister der Beklagten ausgesprochen worden. Soweit der Kläger ausführe, es gebe im Stadtgebiet der Beklagten 2 - 3 vergleichbare Ausführungen, sei dies falsch. Zudem gehe eine Sondernutzungserlaubnis ins Leere, da diese nur auf Zeit oder auf Widerruf erteilt werden dürfe. Dem Kläger gehe es hier eindeutig um eine dauerhafte Beibehaltung der widerrechtlich durchgeführten „Straßenanpassung“. Bestehe kein gesetzlicher Anspruch, gebe es auch keinen Duldungsanspruch für den Kläger.
22
Auf Frage des Gerichts, warum die Beklagte die jetzige Situation nicht dulden möchte, gab der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung an, es handele sich schon um ein Problem der Entwässerung. Gäbe es beispielsweise Durchfeuchtungsprobleme an der benachbarten Garage, käme der Eigentümer sicherlich auf die Beklagte zu, nicht auf den Kläger. Des Weiteren befürchte die Beklagte auch Schwierigkeiten mit einem möglichen Rechtsnachfolger des gegenüberliegenden Grundstücksbesitzers, weil dessen Grundstück und Zaun in Anspruch genommen sei.
23
Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Behördenakte sowie die Gerichtsakte und wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

24
1. Die Klage bleibt mit dem Hauptantrag und den Hilfsanträgen ohne Erfolg.
25
1.1 Die Klage ist im Hauptantrag als Versagungsgegenklage statthaft (§ 88 VwGO) und auch im Übrigen zulässig.
26
1.2 Die Klage ist im Hauptantrag auf Aufhebung des Bescheids vom 6. Juni 2019 mit Ergänzung vom 13. November 2019 sowie vom 4. Dezember 2019 und Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung der Sondernutzungserlaubnis sowie im Hilfsantrag zu 1 auf Aufhebung des Bescheids vom 6. Juni 2019 mit Ergänzung vom 13. November 2019 sowie vom 4. Dezember 2019 und Verpflichtung der Beklagten zu erneuter Verbescheidung unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung der mit Schreiben vom 30. April 2019 beantragten Sondernutzungserlaubnis, da die durch den Kläger vorgenommene Veränderung der öffentlichen Straße bereits mangels Benutzung der öffentlichen Straße keine Sondernutzung i.S.v. Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG, sondern ein Eingriff in die Straßenbaulast der Beklagten darstellt.
27
Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG erfordert eine Benutzung der öffentlichen Straße über den Gemeingebrauch hinaus. Die durch den Kläger durchgeführte Angleichung des Straßenniveaus der öffentlichen Straße an das Niveau seines Grundstücks stellt bereits keine Benutzung dar. Dies folgt bereits aus dem allgemeinen Sprachgebrauch des Wortes „Benutzung“, das so viel wie „Verwenden“ oder „Gebrauchmachen“ von einer Sache bedeutet (vgl. BayVGH, B.v. 15.12.2017 - 8 ZB 16.1806, NVwZ 2018, 511). Mithin fällt das Verändern einer Sache nicht unter eine erlaubnispflichtige Sondernutzung. Selbst bei Annahme einer erlaubnispflichtigen Sondernutzung könnte das klägerische Begehren der dauerhaften Beibehaltung des von ihm geschaffenen Zustandes nicht über Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG erreicht werden, da eine Sondernutzungserlaubnis nur auf Zeit oder auf Widerruf erteilt wird, vgl. Art. 18 Abs. 2 Satz 1 BayStrWG. Demnach wurde der Antrag auf Erteilung der Sondernutzungserlaubnis von der Beklagten zu Recht abgelehnt.
28
1.3 Die Klage ist im Hilfsantrag zu 2 auf Verurteilung der Beklagten zur Duldung des vorhandenen Straßenzustandes als allgemeine Leistungsklage statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Leistungsklage ist jedoch mangels Vorliegens einer Duldungspflicht der Beklagten unbegründet.
29
Der Kläger hat in das - gewidmete - Straßengrundstück, das im Eigentum und in der Baulast der Beklagten steht, eingegriffen, ohne dass dies erlaubt worden wäre. Nach Aktenlage hat die Beklagte sogar den eindeutigen Willen dahingehend geäußert, den Eingriff bzw. die Baumaßnahme am Straßengrund zu unterlassen. Dem Gericht ist nicht erkennbar, dass die Beklagte dies zu dulden hätte.
30
Die Duldungspflicht der Beklagten ergibt sich nicht aus dem Rechtsinstitut des Anliegergebrauchs.
31
Der Anliegergebrauch sichert die Erreichbarkeit eines (Innerorts-)Grundstücks nicht uneingeschränkt, sondern nur in seinem Kern. Der gegenüber dem schlichten Gemeingebrauch gesteigerte Anliegergebrauch reicht nur so weit, wie eine angemessene Nutzung des Grundeigentums die Benutzung der Straße erfordert und der Anlieger auf das Vorhandensein der Straße in spezifischer Weise angewiesen ist. Beispielsweise gehört die uneingeschränkte Anfahrmöglichkeit mit Kraftfahrzeugen bei einem innerörtlichen Wohngrundstück selbst mit potenziellen Garagen oder Stellplätzen nicht zum geschützten Kernbereich des Anliegergebrauchs (vgl. BayVGH, U.v. 15.3.2006 - 8 B 05.1356, IBRRS 2006, 1162).
32
Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich eine Duldungspflicht der Beklagten auch nicht aus dem Umstand, dass die Beklagte dem Plan hinsichtlich der Bebauung des klägerischen Grundstücks im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens zugestimmt hat.
33
Eine Baugenehmigung für ein innerörtliches Grundstück begründet nicht von vorneherein einen Anspruch auf Einräumung der in den genehmigten Plänen konkret vorgesehenen Zufahrt. Denn mit der Baugenehmigung ist grundsätzlich keine straßen- und wegerechtliche Erlaubnis verbunden. Auch eine Baugenehmigung im Innenbereich berechtigt regelmäßig nur zur Verwirklichung des Bauvorhabens auf dem Baugrundstück, nicht zur Inanspruchnahme des öffentlichen Straßenraums (vgl. BayVGH, U.v. 1.12.2009 - 8 B 09.1980, BeckRS 2010, 46947), erst recht nicht zur eigenmächtigen Inanspruchnahme des öffentlichen Straßenraums.
34
Eine Duldungspflicht der Beklagten ergibt sich auch nicht aus einer Selbstbindung der Verwaltung i.S.v. Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV.
35
Aus dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 BV) kann sich eine Selbstbindung der Verwaltung ergeben. Hat die Verwaltung ihr Ermessen bislang nach einem bestimmten Muster ausgeübt oder ist bei der Auslegung einer Norm einer bestimmten Praxis gefolgt, kann sie davon in einem weiteren Einzelfall ohne besondere sachliche Rechtfertigung nicht abweichen. Aus dieser Selbstbindung folgt regelmäßig eine Bindung an eine ausgeübte Verwaltungspraxis, da davon ausgegangen wird, dass sich die Verwaltung an sie hält. Eine Abweichung kommt nur in Betracht, wenn eine wesentliche Besonderheit des Einzelfalls die Abweichung rechtfertigt (vgl. BayVGH, U.v. 15.3.2006 - 8 B 05.1356, IBRRS 2006, 1162; BVerwG, U.v. 13.9.1973, BVerwGE 44, 72).
36
Gemessen daran fehlt es bereits an den Voraussetzungen der Selbstbindung der Verwaltung, da die Beklagte von Anfang an gegen eine Veränderung der öffentlichen Straße war und ihren Willen dem Kläger gegenüber auch ausdrücklich kundgetan hat. Aus den in der mündlichen Verhandlung vom Prozessbevollmächtigten des Klägers vorgelegten Bildern ergeben sich für das Gericht entgegen der Auffassung des Klägers keine vergleichbaren Situationen. Der Kläger hat hierzu auch nicht substantiiert vorgetragen. Aus den vorgelegten Bildern wird bereits nicht ersichtlich, wie die entsprechenden Grundstücksbesitzer mit der Beklagten verblieben sind und ob, wie im vorliegenden Fall, auch eine eigenmächtige Veränderung der Straße vorlag.
37
Unabhängig davon, kann sich ein Kläger, der erst eigenmächtig eine öffentliche Straße verändert, im Nachhinein nicht auf eine Selbstbindung der Verwaltung berufen. Dies stellt einen Verstoß gegen Treu und Glauben i.S.v. § 242 BGB dar. Das Rechtsinstitut der Selbstbindung der Verwaltung kann vorliegend nicht dazu dienen, einen rechtswidrigen Zustand zu perpetuieren.
38
Demnach steht dem Kläger kein Anspruch auf Duldung zu.
39
2. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.