Titel:
Wahl des Verwaltungsbeirats
Normenkette:
WEG § 29
Leitsätze:
1. Vor der Wahl des Verwaltungsbeirates ist zwingend mit einem Grundbeschluss über die Anzahl der Beiratsmitglieder zu beschließen. (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)
2. Steht bei einer Abstimmung den Eigentümern nur die Möglichkeit offen, mit ja zu stimmen oder sich zu enthalten, liegt keine "Wahl" vor; der entsprechende Beschluss ist nichtig. (Rn. 53 – 59) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verwaltungsbeirat, Mitglieder, Wahl, Anzahl, Grundbeschluss
Fundstellen:
LSK 2021, 46018
ZMR 2022, 161
BeckRS 2021, 46018
Tenor
1. Die unter TOP 7 a. Unterpunkt bb. (Wahl des ersten, zweiten, dritten und vierten Verwaltungsbeiratsmitglieds) der Eigentümerversammlung vom 27.03.2021 der Wohnungseigentümergemeinschaft ..., gefassten Beschlüsse werden für ungültig erklärt.
2. Es wird festgestellt, dass der unter TOP 7 a. Unterpunkt bb. (Wahl des fünften Verwaltungsbeiratsmitglieds, Herr ...) der Eigentümerversammlung vom 27.03.2021 der Wohnungseigentümergemeinschaft ..., gefasste Beschluss nichtig ist.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über die Gültigkeit von Beschlüssen, welche anlässlich der ordentlichen Eigentümerversammlung vom 27.03.2021 beschlossen wurden.
2
Die Parteien sind als Wohnungseigentümergemeinschaft ... miteinander verbunden.
3
In der Teilungserklärung Teil C, 13 (1) haben die Wohnungseigentümer für die Eigentümerversammlung die Geltung des Objekt- bzw. Wertstimmrechtes vereinbart. Hiernach hat jeder Eigentümer so viele Stimmen, wie sein Miteigentumsanteil volle Zehntausendstel umfasst (vgl. S. 13 von K1).
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Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Teilungserklärung, Anlage K1, Bezug genommen.
5
Der Kläger ist Wohnungseigentümer der Beklagten, wobei sein Miteigentumsanteil 132/100.000stel beträgt. Bei der Eigentümerversammlung vom 27.03.2021 vertrat der Kläger zudem die ... mit 2.907/100.000stel Miteigentumsanteilen sowie die ... mit 142/100.000stel Miteigentumsanteilen.
6
Der Ehefrau des Klägers, Frau ..., gehören als Miteigentümerin der Beklagten 43.226/100.000stel Miteigentumsanteile. Sie handelte bei der Eigentümerversammlung am 27.03.2021 zudem als Vertreterin von Frau ... mit 142/100.000stel Miteigentumsanteilen.
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Bei der am 27.03.2021 stattfindenden Eigentümerversammlung der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft wurden demnach 46.549/100.000stel Miteigentumsanteile durch den Kläger und seine Ehefrau repräsentiert.
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Zu dieser Eigentümerversammlung hat die Hausverwaltung mit Schreiben vom 01.03.2021 unter Angabe der Tagesordnung geladen. Dabei sah Tagesordnungspunkt 7a die Wahl des Verwaltungsbeirates vor. Insofern heißt es im Einladungsschreiben: „[…] Es muss daher ein neuer Verwaltungsbeirat gewählt werden. Gemäß § 29 WEG können Wohnungseigentümer durch Beschluss zum Mitglied des Verwaltungsbeirates bestellt werden. Hat der Verwaltungsbeirat mehrere Mitglieder, sind ein Vorsitzender und ein Stellvertreter zu bestimmen. Der Verwaltungsbeirat kann aus einer beliebigen Anzahl von Mitgliedern bestehen.“ (vgl. S. 4 von K2).
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Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Einladung zur Eigentümerversammlung vom 01.03.2021, Anlage K2, Bezug genommen.
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Zu diesem Tagesordnungspunkt kündigte der Kläger mit E-Mail vom 24.03.2021 an die Hausverwaltung folgenden Beschlussantrag für einen Grundsatzbeschluss an: „Die Wohnungseigentümer beschließen, einen Verwaltungsbeirat mit einer Person bis maximal 3 Personen zu wählen.“ (vgl. K3). Dieser Beschlussantrag war der einzige, welcher schriftlich und im Vorfeld der Eigentümerversammlung gestellt wurde.
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Auch hier wird hinsichtlich der Einzelheiten auf die E-Mail des Klägers vom 24.03.2021, Anlage K3, Bezug genommen.
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Im Rahmen der ordentlichen Eigentümerversammlung vom 27.03.2021 diskutierten sodann die anwesenden Eigentümer darüber, wie viele Mitglieder zukünftig im Verwaltungsbeirat tätig sein sollen. Während dieser Diskussion wurden auf Zuruf mündlich unterschiedliche Zusammensetzungen des Verwaltungsbeirates vorgeschlagen. Zur Beschlussfassung kam anschließend lediglich folgender Beschlussantrag: „Der Verwaltungsbeirat der Eigentümergemeinschaft ... soll aus 3 Mitgliedern bestehen.“ (vgl. TOP 7a. Beschlussantrag aa) im Protokoll der Eigentümerversammlung, S. 5 von K4). Dieser wurde mit 46.549,000 Nein-Stimmen (welche vom Kläger und seiner Frau mit deren eigenen und vertretenen Stimmanteilen herrühren), 15.206,000 Enthaltungen und lediglich 34.080,000 Ja-Stimmen abgelehnt. Nachdem im Saal großes Chaos herrschte, die Eigentümer nunmehr abstimmen wollten und eine Beschlussfassung über den Beschlussantrag des Klägers durch den Geschäftsführer der Verwalterin als unnötig befunden wurde, wurde trotz mehrfachen Protests des Klägers über dessen Antrag nicht abgestimmt. Begründet wurde dies damit, dass „bereits eine Begrenzung auf 3 Beiratsmitglieder nicht gewünscht ist (siehe oben) und der Beschlussantrag von Herrn ... erneut eine Begrenzung auf maximal 3 Verwaltungsbeiratsmitglieder vorsehen würde“ (vgl. TOP 7a. Beschlussantrag aa) im Protokoll der Eigentümerversammlung, S. 6 von K4).
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Anschließend wurde in die Wahl der Verwaltungsbeiräte eingetreten. Dabei wurde
„als Abstimmungsmodus festgelegt, dass über jedes einzelne Beiratsamt gesondert gewählt wird. In jedem Wahlgang hat jeder Eigentümer nur eine Stimme und muss sich daher für einen der Kandidaten entscheiden. Das Stimmgewicht richtet sich nach den Miteigentumsanteilen. Der Kandidat, der die meisten der abgegebenen Stimmen (= mit Miteigentumsanteile) auf sich vereinen kann (wer also mindestens die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen erreicht), hat die jeweilige Wahl gewonnen. Wird durch einen Kandidaten nur die relative Mehrheit erreicht, kommt es gegebenenfalls zu einer Stichwahl. Die Wahl erfolgt schriftlich mittels vorbereiteter Stimmzettel, welche an die anwesenden Eigentümer ausgeteilt und nach Wahl der Eigentümer wieder eingesammelt und durch die Hausverwaltung (die Versammlungsleitung) ausgewertet werden.“
(vgl. TOP 7a. Beschlussantrag bb) im Protokoll der Eigentümerversammlung, S. 6 von K4).
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Für den Verwaltungsbeirat kandidierten 5 Kandidaten, namentlich Herr ..., Herr ..., Herr ..., Herr ... und Herr ... An die Wohnungseigentümer wurden sodann für jeden Wahlgang identische Stimmkarten ausgegeben, auf denen untereinander „Kandidat 1“, „Kandidat 2“ etc. bis „Kandidat 6“, jeweils mit einem Kästchen zum Ankreuzen neben den Kandidatennummern aufgedruckt war. Namentlich waren die Kandidaten nicht aufgeführt. Eine ablehnende Wahlmöglichkeit sah die Stimmkarten nicht vor.
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Sodann wurden folgende Beiratsmitglieder mehrheitlich gewählt:
Wahl des 1. Beiratsmitglieds
16
Hier standen folgende Kandidaten zur Wahl: ...
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Herr ... wurde als 1. Beiratsmitglied gewählt.
Wahl des 2. Beiratsmitglieds
18
Hier standen folgende Kandidaten zur Wahl: ...
19
Als 2. Beiratsmitglied wurde Herr ... gewählt.
Wahl des 3. Beiratsmitglieds
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Hier standen folgende Kandidaten zur Wahl: Herr ...
21
Herr ... wurde als 3. Beiratsmitglied gewählt.
Wahl des 4. Beiratsmitglieds
22
Hier standen folgende Kandidaten zur Wahl: ...
23
Als 4. Beiratsmitglied wurde Herr ... gewählt.
Wahl des 5. Beiratsmitglieds
24
Hier stand allein folgender Kandidat zur Wahl: Herr ...
25
Als 5. Beiratsmitglied wurde Herr ... mit 43.931,000 Miteigentumsanteilen (von anwesenden 95.566,000) gewählt.
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Der Kläger und seine Ehefrau hatten beim Versammlungsleiter gegen diesen Wahlmodus protestiert, da er ohne Gegenkandidaten und Alternative erfolgt ist. Nachdem auf ihren Protest nicht eingegangen worden ist, vermerkten sie auf ihren Stimmkarten sowie auf denjenigen der von ihnen vertretenen Miteigentümer handschriftlich ein „Nein“. Infolgedessen wurden die Karten als ungültig gewertet und nicht in die Anzahl der abgegebenen gültigen Stimmen mit eingerechnet.
27
Hinsichtlich des Ablaufs der Eigentümerversammlung und insbesondere der Wahl des Verwaltungsbeirates wird auf das Beschlussprotokoll der Eigentümerversammlung vom 27.03.2021 (Anlage K4), die Kopien der Wahlzettel (Anlage K5 und K6) sowie die E-Mail des Klägers vom 31.03.2021 (Anlage K7) und die E-Mail des Verwalters der Beklagten vom 06.04.2021 (Anlage K8) Bezug genommen.
28
Der Kläger ist der Ansicht,
dass sämtliche Beschlüsse zu TOP 7a. bb. unwirksam sind, der Beschluss zur Wahl des 5. Beiratsmitglieds darüber hinaus auch nichtig, weil er in den Kernbereich des Miteigentums, mithin das mitgliedschaftliche Stimmrecht, eingreife.
29
Die Beschlussfassung über die Wahl der einzelnen Verwaltungsbeiräte verstoße gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung, da die Wahl erfolgt sei, obwohl über den vom Kläger beantragten Grundsatzbeschluss zur Festlegung der Anzahl der Mitglieder des Verwaltungsbeirates pflichtwidrig nicht abgestimmt wurde, obwohl dieser Beschluss denklogisch zwingend der Wahl hätte vorangehen müssen. Nachdem diese Reihenfolge nicht eingehalten worden sei, läge kein geeignetes, sach- und ordnungsgerechtes Verfahren vor. Überdies sei der vom Kläger beantragte Beschluss nicht deckungsgleich mit dem im Rahmen der Eigentümerversammlung verbeschiedenen Beschlussantrag. So habe der zur Abstimmung gelangte Antrag eine fixe Mitgliederzahl von drei vorgesehen, wohingegen nach dem Beschlussantrag des Klägers die Mitgliederanzahl unterhalb der Obergrenze von drei Mitgliedern flexibel gewesen wäre. Infolge der Übergehung des vom Kläger beantragten Grundsatzbeschluss habe die Wahl der einzelnen Verwaltungsbeiräte somit unter Verletzung seines Beschlussantragsrechtes und damit seines mitgliedschaftlichen Teilnahmerechtes stattgefunden.
30
Hinsichtlich der Wahl des fünften Beiratsmitglieds ist der Kläger der Auffassung, dass insofern keine richtige Wahl im Sinne einer Entscheidungsoption stattgefunden habe. Vielmehr handle es sich mangels einer echten Wahlmöglichkeit zwischen der Zustimmung und der Ablehnung des Kandidaten um eine Scheinwahl, welche die Stimmrechte des Klägers, seiner Ehefrau und der von ihnen vertretenen Miteigentümer schlichtweg ausgehebelt und damit in den Kernbereich elementarer Mitgliedschaftsrechte eingegriffen habe.
- 1.
-
Die Beschlüsse der Eigentümerversammlung am 27.03.2021 zu TOP 7 a. Unterpunkt bb. über die Wahl des ersten, zweiten, dritten und vierten Verwaltungsbeiratsmitglieds werden für ungültig erklärt.
- 2.
-
a) Es wird festgestellt, dass der Beschluss der Eigentümerversammlung am 27.03.2021 zu TOP 7 a. Unterpunkt bb. über die Wahl des fünften Beiratsmitgliedes, Herr, nichtig ist.
b) Hilfsweise: Der Beschluss der Eigentümerversammlung am 27.03.2021 zu TOP 7 a. Unterpunkt bb. über die Wahl des fünften Beiratsmitgliedes, Herr ... wird für ungültig erklärt.
c) Hilfsweise: Es wird festgestellt, dass die Wahl des fünften Beiratsmitgliedes, Herr ... mit Beschluss der Eigentümerversammlung am 27.03.2021 zu TOP 7 a. Unterpunkt bb. abgelehnt wurde.
32
Die Beklagte beantragt,
33
Die Beklagte ist der Auffassung,
die Bestellung des Verwaltungsbeirates entspräche ordnungsgemäßer Verwaltung.
34
Der ablehnende Beschluss auf die Begrenzung der Verwaltungsbeiratsmitglieder auf drei sei mittlerweile in Bestandskraft erwachsen, sodass es auf einen etwaigen Abstimmungsirrtum des Klägers bzw. eine weitere Entscheidung über den Beschlussantrag des Klägers nicht mehr ankomme.
35
Hinsichtlich des Wahlmodus hätten sich die Mitglieder der Eigentümerversammlung gegen eine Abstimmung en bloc und für eine Einzelabstimmung hinsichtlich jedes Kandidaten entschieden. Da die Wahl anschließend entsprechend diesem Verfahren erfolgt sei, gelte der jeweilige Kandidat, auf welchen die Mehrheit der abgegebenen JaStimmen entfalle, als gewählt.
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Eine Nichtigkeit des Beschlusses läge überdies nicht vor, da weder der Kläger noch seine Ehefrau oder die von ihnen vertretenen Miteigentümer im Kernbereich ihres Stimmrechts verletzt worden seien. Es habe kein Ausschluss vom Teilnahme- oder Stimmrecht stattgefunden, sondern es seien lediglich die Stimmen des Klägers, seiner Ehefrau und der von ihnen vertretenen Miteigentümer nicht berücksichtigt worden. Dies aber sei eine Frage der ordnungsgemäßen Beschlussverkündung, welche allenfalls entsprechend der Regelung des § 25 Abs. 5 WEG zur Unwirksamkeit, aber nicht zur Nichtigkeit führe.
37
Am 06.10.2021 hat die mündliche Verhandlung stattgefunden. In diesem Rahmen ist der Kläger sowie der Geschäftsführer der Verwalterin der Beklagten, Herr, informatorisch gehört worden. Hinsichtlich deren Aussagen wird auf das Protokoll Bezug genommen.
38
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 06.10.2021 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
39
Die Klage hat vollumfänglich Erfolg. Sie ist zulässig und begründet.
40
I. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Amtsgericht Sonthofen gemäß § 43 Nr. 4 WEG, §§ 23 Nr. 2c, 71 Abs. 1 GVG sachlich sowie örtlich zur Entscheidung zuständig.
41
II. Die Klage ist vollumfänglich begründet.
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1. Die Fristen des § 45 WEG wurden eingehalten.
43
Die vollständig begründete Anfechtungsklage hinsichtlich der Beschlüsse der am 27.03.2021 erfolgten Eigentümerversammlung ging bereits am 08.04.2021 per Fax und am 09.04.2021 schriftlich, damit innerhalb der Monatsfrist des § 45 Hs. 1 WEG, beim zuständigen Amtsgericht Sonthofen ein.
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2. Die unter TOP 7 a. Unterpunkt bb. gefassten Beschlüsse über die Wahl des ersten, zweiten, dritten und vierten Verwaltungsbeiratsmitglieds sind ungültig.
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a) Gemäß § 29 Abs. 1 WEG n.F. beschließen die Wohnungseigentümer nunmehr selbst über die Anzahl der Mitglieder des Verwaltungsbeirates. Dieser muss nun nicht mehr aus exakt drei Verwaltungsbeiräte bestehen, vielmehr können sich die Wohnungseigentümer entscheiden, mehr oder weniger Verwaltungsbeiräte zu bestellen (vgl. etwas Hügel/Elzer, DNot 2021, S. 3 ff. (S. 33), Greiner in: BeckOGK, WEG, § 29 Rn. 9), was durch einen Grundsatzbeschluss geschehen kann (vgl. Greiner a.a.O.).
46
Vorliegend lag mit dem Beschlussantrag des Klägers vom 24.03.2021 ein solcher Grundsatzbeschluss im Entwurf vor. Nach Auffassung des Gerichts ist vor der Wahl des Verwaltungsbeirates denklogisch und zwingend über die entsprechende Anzahl der Beiratsmitglieder zu beschließen. Andernfalls ist völlig unklar, wie viele Kandidaten tatsächlich gewählt werden können und wie vieler Abstimmungen (jedenfalls bei einer nicht verblockten Wahl) es hierfür bedarf. Ist die Anzahl der Verwaltungsbeiratsmitglieder per Beschluss vorgegeben, wird exakt diese Anzahl gewählt. Andernfalls besteht das Gremium aus so vielen Personen, wie gewählt wurden, vgl. Greiner a.a.O.
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Zwar wurde im Rahmen der verfahrensgegenständlichen Eigentümerversammlung engagiert über die Anzahl des zu wählenden Verwaltungsbeirates diskutiert, aber lediglich über den Antrag, welcher die Begrenzung auf genau drei Verwaltungsbeiräte vorsah, abgestimmt. Eine Abstimmung über den einzigen schriftlichen und bereits vor Eigentümerversammlung vorliegenden Beschlussantrag des Klägers ist jedoch gerade nicht erfolgt.
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Das Gericht ist der Auffassung, dass der Kläger gerade durch die Schriftlichkeit und Frühzeitigkeit seines Beschlussantrags sowie seiner erheblichen Proteste im Rahmen der Eigentümerversammlung deutlich zum Ausdruck gebracht hat, dass über seinen Antrag - und zwar in dessen konkreten Ausgestaltung - abgestimmt werden muss. Dabei ist das Recht, konkrete Anträge zur Beschlussfassung zu stellen, Ausprägung des Teilnahmerechts der Wohnungseigentümer, Bärmann, WEG, 14. Aufl. 2018, § 24 Rn. 63. „Der Kläger hat als einer der Eigentümer der streitgegenständlichen Wohnungseigentümergemeinschaft ein Recht darauf, dass seine Anträge, sofern sie rechtzeitig vor der Versammlung gestellt werden, auf der Versammlung erörtert werden und darüber - wenn nicht aus sachlich gerechtfertigten Gründen eine Abstimmung nicht erfolgen kann oder soll - auch abgestimmt wird. “ (LG Dortmund, ZWE 2015, 371 ff. [373]). Damit wurde vorliegend in das Kernrecht des Klägers als Eigentümer, Anträge auf der Eigentümerversammlung zu stellen und darüber abstimmen zu lassen, eingegriffen, in dem der konkrete Antrag des Klägers nicht verbeschieden wurde.
49
b) Einen Sachgrund von der Abstimmung über den Antrag des Klägers abzusehen gab es vorliegend gerade nicht. Anders als die Beklagte ist das Gericht der Auffassung, dass mit der Ablehnung der Begrenzung der Mitglieder des Beirats auf konkret drei gerade noch keine Entscheidung über den Antrag des Klägers, welcher eine Mitgliederanzahl von einer bis maximal drei Personen vorsah, getroffen wurde. Anders verhielte es sich nur, wenn die konkrete Begrenzung auf drei Mitglieder tatsächlich angenommen und damit fixiert worden wäre. Dann hätte sich eine Abstimmung über den Beschlussantrag des Klägers und die insofern flexible Untergrenze der zu wählenden Mitglieder des Verwaltungsbeirates erübrigt.
50
Da aber die beiden genannten Beschlussanträge eben gerade im Hinblick auf die Untergrenze der zu wählenden Mitglieder des Verwaltungsbeirates divergieren, handelt es sich insofern beim Antrag des Klägers um ein aliud, welches zur Abstimmung gebracht hätte werden müssen.
51
c) Nachdem der Kläger und seine Ehefrau samt den von ihnen vertretenen Stimmen für den Beschlussantrag des Klägers gestimmt hätten, ist nicht auszuschließen, dass der Beschlussentwurf des Klägers im Rahmen der Eigentümerversammlung angenommen worden wäre. Dann aber wären maximal drei Verwaltungsbeiratsmitglieder zu wählen gewesen, was wiederum nicht ausschließbar auf das Abstimmungsverhalten der einzelnen Eigentümer im Rahmen der einzelnen Wahlgänge und damit das Wahlergebnis durchgeschlagen hätte können.
52
Damit entsprach die Wahl der einzelnen Beiratsmitglieder nicht ordnungsgemäßer Verwaltung und erfolgte unter Verletzung des Beschlussantragsrechtes und damit des mitgliedschaftlichen Teilnahmerechtes des Klägers, sodass die Beschlüsse unter TOP 7 a. Unterpunkt bb. für ungültig zu erklären waren.
53
3. Der unter TOP 7 a. Unterpunkt bb. gefasste Beschluss über die Wahl des fünften Verwaltungsbeiratsmitgliedes ist nichtig.
54
Die Wahl des fünften Verwaltungsbeiratsmitgliedes war offensichtlich rechtswidrig.
55
a) Dies ergibt sich bereits auf den ersten Blick aus der Definition des Wortes „Wahl“. Nach dem Duden definiert sich „Wahl“ als „Möglichkeit der Entscheidung; das Sichentscheiden zwischen zwei oder mehreren Möglichkeiten“. Vorliegend jedoch hatten die Eigentümer im Rahmen der Wahl des fünften Verwaltungsbeiratsmitgliedes lediglich die Möglichkeit mit „Ja“ zu stimmen bzw. sich der Wahl zu enthalten. Wer sich jedoch der Stimme enthält, will - aus welchen Motiven auch immer - weder ein zustimmendes noch ein ablehnendes Votum, sondern seine Unentschiedenheit bekunden. Er will auf die Beschlussfassung nicht anders einwirken, als wenn er der Versammlung ferngeblieben wäre oder sich vor der Abstimmung entfernt hätte. Der objektive Erklärungswert der Stimmenthaltung gebietet es daher, wenn gesetzlich nichts anderes geregelt ist, diese bei der Errechnung der Stimmenmehrheit nicht mitzuzählen (BGH NJW-RR 2019, 1102 Rn. 8). Damit entschied vorliegend lediglich das Abstimmungsergebnis derjenigen, die sich mit einem „Ja“ bzw. einem Kreuz für den letzten zur Wahl stehenden Kandidaten an der Wahl beteiligt hatten, da die Nein-Stimmen des Klägers und seiner Frau sowie der von ihnen vertretenen natürlichen und juristischen Personen gänzlich unberücksichtigt blieben. Eine echte Wahl im Sinne von mindestens einer Alternativen gab es somit bei der Wahl des fünften Verwaltungsbeiratsmitgliedes nicht, weswegen der ihr nachfolgende Beschluss nichtig ist.
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b) Er erfolgte im Übrigen in Verkennung des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 18.01.2019. Darin stellt der BGH erneut fest, dass der Grundsatz, dass eine Wahl mit Stimmenmehrheit erfolgen muss, nicht beeinträchtigt werden darf, da er ein elementares Recht der Wohnungseigentümer darstellt.
57
Zwar besteht danach selbstverständlich die Möglichkeit, dass bei mehreren Kandidaten eine Wahl dadurch erfolgen kann, dass jeder nur eine Ja-Stimme hat und dass derjenige Kandidat gewählt ist, der die meisten Ja-Stimmen auf sich vereinigt. Bei der Bestimmung der Mehrheit allein entscheidend ist somit, ob die abgegebenen Ja-Stimmen die Nein-Stimmen überwiegen (BGH NJW-RR2019, 1102 Rn. 8).
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Vorliegend stand im fünften Wahlgang lediglich noch eine Person zur Wahl, sodass hier eine Wahl allein durch Abgabe einer Ja-Stimmen nicht möglich war. Ein solches Vorgehen torpediert sämtliche Wahlprinzipien, mithin auch die gesamten wohnungseigentumsrechtlichen Grundsätze. So könnte doch bei dieser Vorgehensweise die Bestimmung des Verwaltungsbeirates allein durch eine einzige Ja-Stimmen erfolgen, selbst wenn diese nur auf einen minimalen Bruchteil der Wohnungseigentümer entfiele und sämtliche übrigen Wohnungseigentümer gegen die Wahl des entsprechenden Kandidaten wären.
59
Im Hinblick auf diese grobe Verkennung allgemeiner Wahlprinzipien und die Verletzung elementarer wohnungseigentumsrechtlichen Grundsätze war der Beschluss hinsichtlich der Wahl des fünften Verwaltungsbeiratsmitgliedes für nichtig zu erklären.
60
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
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IV. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO, da vorliegend lediglich die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist.
62
V. Der Streitwert war gem. § 49 GKG festzusetzen.
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Danach ist grundsätzlich das objektive Gesamtinteresse aller Wohnungseigentümer an der Entscheidung für die Festsetzung des Streitwerts maßgeblich.
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Vorliegend war über die Gültigkeit/Nichtigkeit einer Verwaltungsbeiratswahl zu entscheiden. Dabei ist das Interesse der Wohnungseigentümer an der Entscheidung über einen solchen Beschluss unter Berücksichtigung der Bedeutung der Verwaltungsbeiratsaufgaben und der Größe der Wohnungseigentümergemeinschaft zu schätzen, Toussaint, in: BeckOK Kostenrecht, § 49 GKG Rn. 27. Hiernach war vorliegend von einem Streitwert in Höhe von 1.000 € je Verwaltungsbeiratsmitglied auszugehen, vgl. etwa LG Nürnberg-Fürth NJOZ 2011, 655 (657); LG Frankfurt a. M. WuM 2018, 317= BeckRS 2018, 3977 Rn. 4.