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VG Augsburg, Urteil v. 17.06.2021 – Au 2 K 20.1120
Titel:

Konkurrentenstreitverfahren um den Dienstposten einer stellvertretenden Kommissariatsleitung

Normenkette:
GG Art. 33 Abs. 2, Art. 3 Abs. 1
Leitsätze:
1. Die Auswahlentscheidung ist ermessensfehlerhaft, wenn die erforderlichen Voraussetzungen für eine vorrangige Umsetzung eines Beigeladenen gem. Ziff. 7.1 RBestPol nicht vorlagen. (Rn. 23 – 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Gesichtspunkt der größtmöglichen personellen Kontinuität bei der Ausübung von Leitungsfunktionen einer Polizeiinspektion und des Wegfalls einer nicht unerheblichen Einarbeitungszeit ist ein legitimer, an dienstlichen Bedürfnissen orientierter Belang. Allerdings regelt Ziff. 7.1 S. 3 RBestPol einschränkend, dass von besonderen dienstlichen Gründen in der Regel frühestens ausgegangen werden kann, wenn der Bewerber beim Ablauf der Ausschreibungsfrist schon mindestens fünf Jahre auf seinem derzeitigen Dienstposten tätig war und mindestens drei Jahre seit der letzten Beförderung vergangen sind. (Rn. 25 – 26) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Dienstposten, Auswahlentscheidung, Besoldungsgruppe, Dienstherr, Beigeladener, Widerspruchsbescheid, Versetzung, Bewerber, Ermessen, Ermessensfehler, Ausschreibung, Stellenbesetzung, Aufhebung, Auslegung, dienstlicher Grund, Beförderungsbewerber, Versetzungsbewerber, Umsetzungsbewerber, sachlicher Grund, Organisationsgrundentscheidung, Umsetzung, Selbstbindung der Verwaltung, RBestPol, interne Dienstbesprechung, Wartefrist, Bestellungsrichtlinien
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 31.01.2022 – 3 ZB 21.2172
Fundstelle:
BeckRS 2021, 46009

Tenor

I. Der Beklagte wird unter Aufhebung seiner Auswahlentscheidung und des Widerspruchsbescheids des Polizeipräsidiums ... vom 8. Juni 2020 verpflichtet, über die Bewerbung des Klägers als "Stellvertretenden Kommissariatsleiter Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter im K. der KPI ... (A11/A12)" unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Auf die Ausschreibung Nr. ... vom ... Ziff. ... für den Dienstposten „Stellvertretender Kom missariatsleiter Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter im K. der KPI X (Besoldungsgruppe A11/A12)“ bewarben sich u.a. der Kläger und der Beigeladene.
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Der Kläger steht bei der KPI Y (Sachbearbeiter im .) als Kriminalhauptkommissar (KHK, Besoldungsgruppe A11) im Dienst des Beklagten. In seiner periodischen dienstlichen Beurteilung zum Stichtag 31. Mai 2018 erzielte der Kläger ein Gesamtergebnis von 13 Punkten.
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Der Beigeladene leistet seit 1. November 2018 seinen Dienst bei der KPI X. Er wurde zuletzt mit Wirkung vom 1. Februar 2020 zum Kriminalhauptkommissar (Besoldungsgruppe A12) befördert K. In seiner letzten periodischen dienstlichen Beurteilung (als Sachbearbeiter) zum Stichtag 31. Mai 2018 erzielte er ein Gesamtergebnis von 11 Punkten.
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Mit Schreiben vom 14. Februar 2020 erklärte der Dienststellenleiter der KPI X, dass er um die Umsetzung des Beigeladenen bitte. Neben der fachlichen Komponente sprächen insbesondere die seit der vorläufigen Übernahme des ausgeschriebenen Dienstpostens gezeigten Führungskompetenzen und positiven Charakterzüge für seine Person.
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Mit Auswahlvermerk vom 16. März 2020 wurde der Beigeladene für den ausgeschriebenen Dienstposten ausgewählt. Er sei Umsetzungsbewerber. Seit 1. November 2018 sei er als Sachbearbeiter im K. und von August 2009 bis März 2018 als Sachbearbeiter im ... (...) verwendet worden. Seit Juli 2019 nehme er die Aufgaben des stellvertretenden Leiters von Kommissariat 1 wahr. Für die vorrangige Umsetzung des Beigeladenen lägen besondere dienstliche Gründe vor. Er sei mit dem Dienstbereich und dem Dienstbetrieb der KPI X wie mit den Aufgaben des ausgeschriebenen Dienstpostens bestens vertraut. Auch erscheine er aufgrund seiner persönlichen Kompetenzen für Führungsaufgaben bestens geeignet.
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Mit Schreiben vom 30. März 2020 stimmte der Personalrat des Polizeipräsidiums ... der beabsichtigten Stellenbesetzung zu.
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Mit Schreiben vom 2. April 2020 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass beabsichtigt sei, den Beigeladenen auf den Dienstposten des Stellvertretenden Kommissariatsleiters Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter im K. zu bestellen. Zur Begründung gab er die im Auswahlvermerk genannten Gründe an.
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Mit Wirkung zum 1. Mai 2020 wurde er gemäß Verfügung des Polizeipräsidiums ... vom 24. April 2020 zum stellvertretenden Kommissariatsleiter K. bestellt.
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Der vom Kläger gegen die Absagemitteilung am 14. April 2020 per Fax eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid des Polizeipräsidiums ... vom 8. Juni 2020 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde dargelegt, dass aus der Organisationsfreiheit des Dienstherrn das Recht folge, nach pflichtgemäßem, aber sehr weit gespanntem Ermessen zwischen Umsetzung, Versetzung und Beförderung zu wählen. Der Dienstherr habe sich wegen der vorliegenden besonderen dienstlichen Gründe entschieden, von der möglichen Bevorzugung eines Umsetzungsbewerbers Gebrauch zu machen. Der Beigeladene habe im Rahmen seiner Tätigkeit als Sachbearbeiter im ... und im . umfangreiches Fachwissen in Bezug auf das Aufgabenspektrum des Kommissariats erworben. Er sei auch mit den Aufgaben des stellvertretenden Kommissariatsleiters sehr gut vertraut. Der Kläger habe keine vergleichbaren Kenntnisse im Hinblick auf die Übernahme von Führungsverantwortung. Aufgrund der ausgeübten Tätigkeit sei auch eine langwierige Einarbeitungszeit nicht erforderlich. Unerheblich sei, dass der Beigeladene erst zum 1. Februar 2020 nach A12 befördert worden sei. Zwar würden nach den Bestellungsrichtlinien besondere dienstliche Gründe in der Regel frühestens dann vorliegen, wenn mindestens drei Jahre seit der letzten Beförderung vergangen seien. Nach einer internen Dienstbesprechung der Abteilungs-/Sachgebietsleiter Personal der Polizei und des Verfassungsschutzes mit dem Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration vom 3. Juli 2019 sei diese Regelung jedoch dahingehend anzuwenden, dass ausschließlich bei Führungskräften vor einem erneuten Dienstpostenwechsel drei Jahre auf dem Dienstposten verbracht werden müssten. Im Übrigen sei die Regelung nicht mehr anzuwenden. Der Beigeladene habe im Zuge seiner Beförderung nach A12 auch keinen höherwertigen Dienstposten erhalten. Vielmehr habe er sich unabhängig von seiner Beförderung seit Jahren auf dem Dienstposten bewährt.
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Mit seiner am 2. Juli 2020 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Zur Begründung trägt er vor, dass kein besonderer dienstlicher Grund ersichtlich sei, der allein in der Person des ausgewählten Bewerbers vorliegen und der es daher erfordern würde, diesen ohne Leistungsvergleich als Umsetzungsbewerber auszuwählen. Vielmehr würden die für den Beigeladenen genannten Gründe vom Kläger ebenso, teilweise besser erfüllt. Der Kläger verfüge über intensivere und bessere Kenntnisse der zu erledigenden Aufgaben als der Beigeladene. Die internen Abläufe bei der KPI X würden nur sehr geringfügig von den Abläufen der KPI Y abweichen. Auch die kurzfristige Ausübung der Aufgaben des stellvertretenden Kommissariatsleiters lasse nicht auf eine entsprechende Eignung des Beamten zur Wahrnehmung von Führungsaufgaben schließen. Der Kläger sei besser beurteilt und ihm sei dabei Führungseignung zuerkannt worden. Zudem seien die in den Bestellungsrichtlinien getroffenen Regelungen nicht eingehalten. Es sei nicht nachgewiesen, dass die Regelung in den Bestellungsrichtlinien nach einer internen Dienstbesprechung ausschließlich bei Führungskräften anzuwenden sei. Zudem würde die Nichtanwendung bedeuten, dass eine vorrangige Auswahl von Umsetzungsbewerbern nicht in Betracht komme. Zuletzt sei von einem Ausfall von Ermessenserwägungen auszugehen.
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Der Kläger beantragt,
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den Beklagten unter Aufhebung seiner Auswahlentscheidung und des Widerspruchsbescheids des Polizeipräsidiums ... vom 8. Juni 2020 zu verpflichten, erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über die Bewerbung des Klägers auf den ausgeschriebenen Dienstposten „Stellvertretender Kommissariatsleiter Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter im K. der KPI X (A11/12)“ zu entscheiden.
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Der Beklagte wandte sich mit Schreiben des Polizeipräsidiums ... vom 17. Juli 2020 gegen das Klagebegehren. Für ihn ist beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung wurde auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen. Die Dienstbesprechung vom 3. Juli 2019 schließe eine vorherige Auswahl von Umsetzungsbewerbern nicht aus. Die Ausführungen im Widerspruchsbescheid bezögen sich vielmehr ausschließlich auf den Satz 3 der Ziffer 7.1 der Bestellungsrichtlinie. Aus dem Protokoll zur Dienstbesprechung ergebe sich, dass die in den Bestellungsrichtlinien geforderten fünf Jahre auf drei Jahre herabgesetzt würden und zudem die Anwendung auf Führungskräfte beschränkt werde. Zudem werde kein Mindestzeitraum seit der letzten Beförderung gefordert. Ein besonderer dienstlicher Grund sei nicht nur dann gegeben, wenn andere Bewerber vergleichbare Kenntnisse nicht vorzuweisen hätten. Auch die nur kurzzeitige Aufgabenwahrnehmung sei unerheblich, weil der Nachweis einer entsprechenden Eignung nicht vorliegen müsse. Nach einer internen Dienstbesprechung vom 27. November 2019 seien die Regelungen zur Aufgabenkontinuität in Bezug auf K-Sachbearbeiter eingeschränkt anzuwenden.
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Im Protokoll zur Dienstbesprechung am 3. Juli 2019 ist zum Tagesordnungspunkt „Evaluation der Bestellungsrichtlinien“ ausgeführt, dass auf jeden Fall die Regelungen zu Umsetzungen/Versetzungen (Ziffer 7 RBestPol) geprüft werden sollten. Bereits im Vorgriff darauf werde bei der Ausübung des Ermessens in Bezug auf Ausnahmen von der Versetzungssperre künftig davon ausgegangen, dass auf jeden Fall vor einem erneuten Dienstpostenwechsel bei Führungskräften drei Jahre auf dem Dienstposten verbracht werden müssten. Davon würden nur in absoluten Ausnahmefällen Ausnahmen zugelassen.
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Der Kläger replizierte, dass aus dem Vermerk zur Dienstbesprechung nicht entnommen werden könne, dass die Regelung in Ziffer 7.1 nicht mehr angewendet werden solle. Auch ergebe sich daraus nicht, dass die Regelung künftig nur für Führungskräfte gelte. Der Vermerk befasse sich allein mit der sog. Versetzungssperre, so dass eindeutig ein Bezug nur zum zweiten Halbsatz von Ziffer 7.1 Satz 3 der Bestellungsrichtlinie hergestellt werde. Der Kläger erfülle weder die Dreijahresfrist noch die in der derzeit gültigen Bestellungsrichtlinie genannte Fünfjahresfrist.
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Auf Anfrage des Gerichts teilte der Beklagte mit Schreiben vom 11. Januar 2021 mit, dass in der streitgegenständlichen Stellenausschreibung nicht darauf hingewiesen worden sei, dass die Bestellungsrichtlinie in der Auslegung des Ergebnisses der Dienstbesprechung am 27. November 2019 zur Anwendung kommen solle.
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Am 17. Juni 2021 fand mündliche Verhandlung statt. Die Sache wurde mit den Beteiligten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht erörtert. Die Parteien wiederholten die bereits schriftsätzlich gestellten Klageanträge. Der Beigeladene stellte keinen Antrag.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist begründet. Die Auswahlentscheidung des Beklagten in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Juni 2020 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Er hat einen Anspruch auf die begehrte Aufhebung der Auswahlentscheidung des Polizeipräsidiums ... und Neuverbescheidung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 2, § 114 Satz 1 VwGO).
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1. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass der Dienstherr in der Ausschreibung zwischen Beförderungs- und Umsetzungs-/Versetzungsbewerbern unterscheiden kann. Nur dann, wenn sich der Dienstherr für ein Auswahlverfahren entschließt, an dem Beförderungs- und Umsetzungs-/Versetzungsbewerber unterschiedslos teilnehmen, legt er sich auf ein an den Maßstäben des Art. 33 Abs. 2 GG ausgerichtetes Auswahlverfahren (Auswahlverfahren nach dem Prinzip der Bestenauslese) fest. Da in der Ausschreibung ausdrücklich angegeben ist, dass Umsetzungen nach Ziff. 7.1 der Richtlinien über die Bestellung auf Dienstposten des gehobenen und des höheren Dienstes der Bayerischen Polizei vom 26. Oktober 2018 (Bestellungsrichtlinien/RBestPol) vorrangig durchgeführt werden können, hat sich der Beklagte nicht auf ein Auswahlverfahren nach dem Prinzip der Bestenauslese beschränkt. Die getroffene Auswahlentscheidung zugunsten des Beigeladenen muss daher nur den Anforderungen an die Ausübung des pflichtgemäßen (aber sehr weit gespannten) Ermessens genügen und darf nicht willkürlich sein (BVerfG, B.v. 28.11.2007 - 2 BvR 1431/07 - juris Rn. 11; BayVGH, B.v. 9.1.2015 - 3 ZB 12.1126 - juris Rn. 5 m.w.N.). Welches „Modell“ der Dienstherr seiner Entscheidung über die Besetzung eines freien Dienstpostens zugrunde legt, hat er - gleichsam als „Organisationsgrundentscheidung“ - spätestens vor der Auswahlentscheidung festzulegen (BVerwG, B.v. 27.5.2020 - 1 WB 18.19 - juris Rn. 27; BayVGH, U.v. 11.11.2020 - 3 BV 19.1619 - BeckRS 2020, 32732 Rn. 26).
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2. Die getroffene Auswahlentscheidung hält dennoch einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Der Kläger hat jedenfalls Anspruch auf die ermessensfehlerfreie Entscheidung über seine Bewerbung. Die Auswahlentscheidung ist hier ermessensfehlerhaft getroffen worden, da die erforderlichen Voraussetzungen für eine vorrangige Umsetzung des Beigeladenen gemäß Ziff. 7.1 RBestPol nicht vorlagen.
24
Nach Ziff. 3 Satz 3 RBestPol können Umsetzungsbewerber nur „ausnahmsweise“ nach den unter Ziff. 7 RBestPol genannten „engen“ Voraussetzungen bestellt werden. Erforderlich ist hierfür nach den Regelungen der derzeit geltenden RBestPol in der veröffentlichten Fassung neben besonderen dienstlichen (Ziff. 7.1 Satz 2 f. RBestPol) oder zwingenden persönlichen Gründen (Ziff. 7.1 Satz 4 RBestPol), dass der Bewerber beim Ablauf der Ausschreibungsfrist (vgl. Ziff. 6.2 Var. 1 RBestPol) schon mindestens fünf Jahre auf seinem derzeitigen Dienstposten tätig war und mindestens drei Jahre seit der letzten Beförderung vergangen sind (vgl. Ziff. 7.1 Satz 3 RBestPol).
25
a) Ein besonderer dienstlicher Grund wäre an sich gegeben. Darunter versteht man einen legitimen, an dienstlichen Bedürfnissen orientierten Belang (VG Augsburg, U.v. 17.1.2013 - Au 2 K 11.1781 - juris Rn. 23). Dem Dienstherrn kommt bei dessen Bestimmung grundsätzlich ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Entscheidungsspielraum zu. Ein solcher dienstlicher Grund könnte daher an sich darin gesehen werden, dass der Ausgewählte den ausgeschriebenen Dienstposten bereits mehrere Monate kommissarisch ausgeübt hat, mit den anfallenden Aufgaben des Dienstpostens bereits vertraut war und keiner Einarbeitung mehr bedurfte (so bereits VG Augsburg, U.v. 17.1.2013 - Au 2 K 11.1781 - BeckRS 2013, 50490 Rn. 23). Der Gesichtspunkt der größtmöglichen personellen Kontinuität bei der Ausübung von Leitungsfunktionen einer Polizeiinspektion und des Wegfalls einer nicht unerheblichen Einarbeitungszeit ist nämlich ein legitimer, an dienstlichen Bedürfnissen orientierter Belang (VG Augsburg, U.v. 6.10.2016 - Au 2 K 16.662 - juris Rn. 29).
26
b) Allerdings regelt Ziff. 7.1 Satz 3 RBestPol einschränkend, dass von besonde ren dienstlichen Gründen in der Regel frühestens ausgegangen werden kann, wenn der Bewerber beim Ablauf der Ausschreibungsfrist (vgl. Ziff. 6.2 Var. 1 RBestPol) schon mindestens fünf Jahre auf seinem derzeitigen Dienstposten tätig war und mindestens drei Jahre seit der letzten Beförderung vergangen sind. Bei den Regelungen der Bestellungsrichtlinie handelt es sich um Verwaltungsvorschriften, die eine tatsächliche Vermutung für eine bestimmte Verwaltungspraxis schaffen. Der Bewerber hat daher einen Anspruch auf Beibehaltung der Verwaltungspraxis aus Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung. Vorliegend wurde bei der getroffenen Auswahlentscheidung dieser subjektive Anspruch verletzt, weil beim Beigeladenen die Voraussetzungen der Ziff. 7.1 Satz 3 RBestPol nicht vorlagen und die Ergebnisse der internen Dienstbesprechungen vom 3. Juli und 27. November 2019 keine Änderung der Verwaltungspraxis bewirken konnten.
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aa) Der Beigeladene war erst seit dem 1. November 2018 Sachbearbeiter im . und damit noch keine 5 Jahre auf seinem bisherigen Dienstposten. Überdies wurde er erst mit Wirkung vom 1. Februar 2020 zum Kriminalhauptkommissar (A 12) befördert, so dass nicht mindestens drei Jahre seit der letzten Beförderung vergangen sind. Es sind auch keine atypischen Umstände vorgetragen und ersichtlich, die zu einem Abweichen von den statuierten Voraussetzungen („in der Regel“) berechtigen würden. Im Gegenteil dürfte sich angesichts des geringen Zeitraums zwischen der letzten Beförderung und der Ausschreibung das in Ziff. 7.1 Satz 3 RBestPol eingeräumte Ermessen eher dahingehend verdichtet haben, dass von einem dienstlichen Belang nicht ausgegangen werden kann, zumal auch der dienstliche Grund der zeitweisen (kommissarischen) Ausübung des Dienstpostens ein vom Dienstherrn selbst geschaffener Aspekt ist.
28
bb) Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht aus den genannten internen Dienstbesprechungen. Zwar ist eine Änderung von Verwaltungsvorschriften bzw. der maßgeblichen Verwaltungspraxis grundsätzlich jederzeit möglich, wenn ab einem bestimmten Zeitpunkt allgemein anders verfahren und nicht nur in Einzelfällen willkürlich von der bisherigen Praxis abgewichen wird (VG Bayreuth, B.v. 26.6.2017 - 5 E 17.424 - BeckRS 2017, 122596 Rn. 24). Die Verfahrenswirkungen von u.a. Art. 3 Abs. 1 GG verpflichten bei behördlichen Auswahlentscheidungen wie der konkret streitgegenständlichen Stellenbesetzung jedoch dazu, dass die das Ermessen bindenden Richtlinien transparent sind und den Bewerbern so rechtzeitig bekanntgegeben werden, dass sie sich darauf einstellen können (vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 114 Rn. 29; zu Auswahlentscheidungen beim Zugang zu öffentlichen Einrichtungen z.B. NdsOVG, B.v. 17.11.2009 - 7 ME 116/09 - juris; VG Regensburg, U.v. 22.7.2019 - RO 5 K 19.26 - BeckRS 2019, 19855 Rn. 36, 38). Dies gilt in besonderer Weise im konkreten Fall. Durch den ausdrücklichen Hinweis in der Ausschreibung auf Ziff. 7.1 RBestPol hat der Dienstherr eindeutig zu erkennen gegeben, dass er sich in einer bestimmten Weise, nämlich im Sinne der derzeit gültigen Fassung dieser Ziffer der RBestPol, binden will. Er kann sein (Umsetzungs-, Versetzungs- bzw. Auswahl-) Ermessen daher nicht aufgrund einer rein internen Dienstbesprechung in einer der objektiv kommunizierten Verfahrensweise widersprechenden Art ausüben. Eine solche Ermessensbetätigung wäre für Bewerber nämlich nicht vorhersehbar, so dass diese sich auf eine geänderte Verwaltungspraxis nicht einstellen könnten.
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3. Der unterlegene Beamte kann eine erneute Entscheidung über seine Bewer bung dann beanspruchen, wenn seine Aussichten, beim zweiten Mal ausgewählt zu werden, zumindest offen sind, d.h. wenn seine Auswahl möglich erscheint (BVerfG, B.v. 24.9.2002 - 2 BvR 857/02 - ZBR 2002, 427). Dies ist hier der Fall, weil es nicht ausgeschlossen erscheint, dass der Kläger angesichts eines Gesamturteils von 13 Punkten in der letzten periodischen Beurteilung bei einer Auswahlentscheidung nach Leistungsgesichtspunkten zum Zuge käme (vgl. BayVGH, B.v. 14.8.2015 - 3 CE 15.1410 - juris Rn. 22). Jedenfalls wurde vom Beklagten nicht substantiiert vorgetragen, dass eine Auswahl des Klägers nach dem Grundsatz der Bestenauslese nicht in Betracht kommt.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Es entsprach der Billigkeit nach § 162 Abs. 3 VwGO, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nicht der unterliegenden Partei aufzuerlegen, weil der Beigeladene keinen Antrag gestellt hat und sich seinerseits ebenso keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 154 Abs. 3 Hs. 1 VwGO). Die Zuziehung einer Bevollmächtigten im Vorverfahren war nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO notwendig. Gegenstand des Verfahrens war die ordnungsgemäße Ermessensausübung bei einer Konkurrenzsituation zwischen einem Umsetzungsbewerber und Beförderungsbewerbern. In diesem Zusammenhang stellten sich eine Reihe nicht ohne weiteres zu beantwortender rechtlicher Fragen. Von dem insoweit nicht juristisch vorgebildeten Kläger konnte daher nicht erwartet werden, das Vorverfahren ohne Hinzuziehung eines Rechtsanwalts zu führen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.