Inhalt

VG Augsburg, Urteil v. 13.12.2021 – Au 9 K 19.31633
Titel:

Erfolglose Asylklage einer nigerianischen Staatsangehörigen

Normenketten:
AsylG § 3, § 3b Abs. 1 Nr. 4, § 4, § 30 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
Leitsatz:
Die Opfer häuslicher Gewalt bilden keine bestimmte soziale Gruppe iSd § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Nigeria, Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet (bestätigt), häusliche Gewalt, subsidiärer Schutz (verneint), Abschiebungsverbote (verneint), Asyl, offensichtlich unbegründet, soziale Gruppe
Fundstelle:
BeckRS 2021, 45745

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen, gegen die Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unbegründet.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage gegen die Ablehnung ihres Asylantrages als offensichtlich unbegründet und begehrt die Anerkennung als Asylberechtigte, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, die Gewährung subsidiären Schutzes bzw. die Feststellung von nationalen Abschiebungsverboten nach Nigeria bzw. in einen anderen aufnahmebereiten Staat.
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Die am ... 1991 in B. (Nigeria) geborene Klägerin ist nigerianische Staatsangehörige mit Volkszugehörigkeit der Bini (Edo) und christlichem Glauben. Die Klägerin wurde am 7. August 2018 von der Bundespolizei aufgegriffen, als sie im Bahnverkehr illegal in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist.
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Am 28. August 2018 stellte sie beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (nachfolgend: Bundesamt) einen förmlichen Asylantrag. Am 26. September 2018 wurde der Sohn der Klägerin (...) in ... (Bundesrepublik Deutschland) geboren.
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Nachdem für die Klägerin am 7. August 2018 ein EURODAC-Treffer der Kategorie 1 für Italien ermittelt worden war (Asylantrag in Pesaro/Italien am 12.5.2016), wurde zunächst ein Dublin-Verfahren eingeleitet. Mit Bescheid vom 14. September 2018 wurde der Asylantrag der Klägerin als unzulässig abgelehnt und die Abschiebung nach Italien angeordnet. Die Klägerin hat gegen diesen Bescheid beim Verwaltungsgericht ... Rechtsmittel eingelegt. Ihrem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz wurde mit Beschluss vom 22. November 2018 (Az.: Au 7 S 18.50872) stattgegeben Nachdem das Bundesamt mit Schreiben vom 26. März 2019 erklärt hatte, im Falle der Klägerin sein Selbsteintrittsrecht auszuüben, wurde das Klageverfahren nach beidseitiger Erledigungserklärung mit Beschluss vom 27. Juni 2019 (Az.: Au 7 K 18.50871) eingestellt.
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Die Klägerin wurde vom Bundesamt mehrfach angehört.
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Das persönliche Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates erfolgte am 28 August 2018. Dabei gab die Klägerin unter anderem an, ihr Ehegatte sei in Italien, Neapel; die Adresse habe sie vergessen. Nachweise über die Eheschließung könne sie nicht vorlegen. Sie habe ihr Herkunftsland am 1. März 2016 verlassen und sei über Libyen nach Italien gereist. In Italien habe sie sich ca. zwei Jahre und drei Monate aufgehalten. Am 7. August 2018 sei sie in Deutschland eingereist.
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Am 5. September 2018 wurde die Klägerin zur Zulässigkeit ihres Asylantrags und zu ihren Asylgründen angehört.
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Im Rahmen der Befragung zur Zulässigkeit ihres Asylantrags (vgl. Anhörungsprotokoll, Bl. 121 bis 124 der Bundesamtsakte) gab sie im Wesentlichen an, sie sei im neunten Monat schwanger. In Italien habe sich der Vater ihres ungeborenen Kindes nicht um sie gekümmert. Deshalb sei sie weggegangen. In Deutschland habe sie keine Familienangehörigen.
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Im Rahmen der Anhörung zu ihren Asylgründen (vgl. Anhörungsprotokoll, Bl. 125 bis 136 der Bundesamtsakte) trug sie im Wesentlichen vor, sie habe in ihrem Heimatland keine Personalpapiere besessen. Ihre Geburtsurkunde dürfte sich bei ihrer Mutter befinden. Sie habe ihr Heimatland am 1. März 2016 verlassen. Bis zur Ausreise aus Nigeria habe sie unter der Adresse „...“ gelebt. Dort habe sie in einem Haus, das ihre Mutter gemietet habe, zusammen mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern gelebt. Ihr Vater sei 2010 verstorben. Ihre Mutter (..) arbeite auf einer Farm. Sie habe fünf Brüder und drei Schwestern, eine Schwester sei verheiratet. Ihre Geschwister seien jünger als sie und würden von ihrer Mutter versorgt. Sie habe von 2008 bis 2012 die Schule besucht, zwei Jahre die Primary School und zwei Jahre die Secondary School. Mit dem Schulbesuch habe sie im Alter von 16 Jahren begonnen. Nigeria habe sie verlassen, als sie 21 Jahre alt gewesen sei. Auf Vorhalt, dass sie im Jahr 2016 (ausgehend vom angegebenen Geburtsjahr 1991) 25 Jahre alt gewesen sein müsste, gab die Klägerin an, sie sei aktuell 25 Jahre alt. Sie habe den Beruf einer Friseurin erlernt und sei von ihrer Mutter versorgt worden. Ihre wirtschaftliche Situation sei durchschnittlich gewesen. Sie hätten auf Feldern gearbeitet.
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Zu ihrem Aufenthalt in Italien führte sie aus, sie habe eine Aufenthaltserlaubnis nur für sechs Monate bekommen und habe nach den sechs Monaten das Camp verlassen müssen. Sie habe dann zusammen mit ihrem Freund, einem ghanaischen Staatsangehörigen namens …, der der Vater ihres ungeborenen Kindes sei, in Neapel gelebt. Dieser habe sich nicht um sie gekümmert, sie beschimpft und geschlagen. Sie habe nichts zu essen und keine Arbeit gehabt. Deshalb sei sie aus Italien weggegangen. Offiziell sei sie mit ihrem Freund nicht verheiratet, sie hätten jedoch wegen des ungeborenen Kindes noch Kontakt miteinander. Sie sei nach Deutschland gekommen, weil es ihr hier gefalle und um ihr ungeborenes Kind versorgt zu wissen.
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Zu ihren Asylgründen führte sie im Wesentlichen aus, sie habe Nigeria wegen ihres ersten Ehemannes, mit dem sie verheiratet gewesen sei, verlassen. Er habe sie oft geschlagen. Wegen der Schläge habe sie vier Fehlgeburten gehabt. Ihre Familie habe sie gezwungen, diesen Mann zu heiraten. Jedes Mal, wenn er sie geschlagen habe, habe er sie mit einem Messer bedroht und an der Schulter mit dem Messer verletzt. Es sei um einen Streit mit ihrem Vater gegangen, der bei der Gelegenheit gestorben sei. Sie sei zu ihrer Mutter geflüchtet, aber er sei dann zu ihr gekommen und habe sich mit ihr gestritten und sie geschlagen. Er habe sie in ein anderes Land gebracht und da sei es mit den Schlägen und Stichverletzungen weitergegangen. Nach der vierten Fehlgeburt habe er sie geschlagen und sie sei bewusstlos geworden. Sie sei im Krankenhaus erwacht und sei dann mit Freunden geflüchtet.
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Auf Nachfragen gab die Klägerin an, sie habe im Jahr 2008 geheiratet. Damals sei sie 19 Jahre alt gewesen. Auf Vorhalt, dass sie im Jahr 2008 im Hinblick auf das angegebene Geburtsjahr 1991 nicht 19 Jahre alt gewesen sein könne, gab sei an, sie sei noch in der Schule gewesen, als sie mit ihrem Mann zusammengekommen sei. Als sie schwanger geworden sei, habe sie die Schule unterbrechen müssen. Sie sei 21 Jahre alt gewesen, als sie zum ersten Mal schwanger geworden sei. Danach habe sie noch vier Schwangerschaften gehabt. Auf Nachfrage nach dem Grund für die Auseinandersetzungen und Schläge gab die Klägerin zunächst an, das wisse sie nicht, sie wisse nur, dass er sie geschlagen habe. Auf weitere Nachfrage trug sie vor, sie habe ihrem Mann, wenn er abends ausgegangen und später zurückgekommen sei, manchmal gesagt, dass ihr das nicht gefalle. Manchmal habe sie von ihm Geld für Lebensmittel verlangt und er habe Streit begonnen und sie geschlagen. Auf Nachfrage, wie es zu der Eheschließung gekommen sei, gab die Klägerin zunächst an, das wisse sie nicht. Erst auf Vorhalt trug sie vor, ihre Mutter habe sie und ihre Geschwister („uns“) nicht versorgen können und habe sie gezwungen, den Mann zu heiraten. Auf Vorhalt, dass ihr Vater im Jahr 2008, im Jahr der Heirat, noch gelebt habe, gab sie an, dass ihre Eltern sich hätten scheiden lassen und nicht mehr zusammen gewesen seien. Auf die Frage, ob wirtschaftliche Zwänge zu der Eheschließung geführt hätten, gab sie an, das wisse sie nicht. Die Frage, wer die Eheschließung bestimmt habe, beantwortete sei dahingehend, dass es die Familie ihres Vaters gewesen sei. Auf Vorhalt, dass diese Aussage im Widerspruch zu ihrer Angabe stehe, ihre Mutter habe sie zur Eheschließung gezwungen, da diese nach der Trennung die Familie nicht mehr habe versorgen können, wiederholte die Klägerin, dass nicht ihre Mutter, sondern ihr Vater die Eheschließung bestimmt habe. Auf Nachfrage gab sie an, dass ihr Ehemann den Wunsch geäußert habe, sie zu heiraten und die Familie ihres Vaters einverstanden gewesen sei. Die Frage, ob sie offiziell geheiratet habe, bejahte sie. Die Frage, wie sie von der geplanten Eheschließung erfahren habe, konnte die Klägerin aber ebenso wenig beantworten, wie die Frage, ob es eine Hochzeit gegeben habe bzw. wie die Eheschließung erfolgt sei („Das weiß ich nicht“). Auf Nachfrage, in welches Land ihr Ehemann sie gebracht habe, gab sie an, er habe sie nach Lagos gebracht, führte dann aber auf die Frage, weshalb sie gerade nach Lagos gebracht worden sei, aus, sie selbst sei nach Lagos gegangen, weil er sie ständig geschlagen habe. Des Weiteren gab sie auf entsprechende Frage an, ihre Ehe habe zwei Jahre gedauert und bejahte die Frage, ob es korrekt sei, dass die Ehe dann im Jahr 2010 beendet worden sei. Die Antwort, dass sie nach Beendigung der Ehe zu ihrer Mutter zurückgekehrt sei, korrigierte die Klägerin nach der Rückübersetzung und trug vor, sie habe sich bei ihrer Tante (Schwester der Mutter) aufgehalten. Auf den Vorhalt, dass sie eingangs angegeben habe, bis zu ihrer Ausreise bei ihrer Mutter gelebt bzw. von dieser versorgt worden zu sein, gab die Klägerin keine Antwort. Auch auf die Fragen, wie es bis zu ihrer Ausreise im Jahr 2016 weitergegangen sei und was sie in den sechs Jahren bis zu ihrer Ausreise getan habe, gab sie keine Antwort. Auf weitere Nachfrage gab sie dann noch an, während dieser Zeit sei ihr Mann immer wieder vorbeigekommen, um zu streiten und deshalb sei sie weggegangen. Warum ihr Mann immer wieder bei der Tante vorbeigekommen sei, obwohl sie ihn verlassen habe und die Ehe beendet gewesen sei, wisse sie nicht. Die Frage, ob es einen speziellen Anlass gegeben habe, der letztendlich zu ihrer Ausreise geführt habe, verneinte sie.
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Im Rahmen der FGM-Belehrung gab die Klägerin u.a. an, sie selbst sei beschnitten, legte aber in der Folgezeit das hierzu geforderte Attest nicht vor.
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Am 23. Juli 2019 richtete das Bundesamt ein Informationsersuchen an Italien, das unter dem 16. September 2019 dahingehend beantwortet wurde, dass der Antrag der Klägerin auf internationalen Schutz am 17. Februar 2017 abgelehnt worden sei.
15
Mit Bescheid vom 22. November 2019, der der Klägerin laut Postzustellungsurkunde am 28. November 2019 zugestellt wurde, lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1 des Bescheids), den Antrag auf Asylanerkennung (Nr. 2 des Bescheids) und den Antrag auf Zuerkennung subsidiären Schutzes (Nr. 3 des Bescheids) jeweils als offensichtlich unbegründet ab. Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4 des Bescheids). Die Klägerin wurde aufgefordert die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen; sollte sie die Ausreisefrist nicht einhalten, werde sie nach Nigeria oder in einen anderen Staat abgeschoben, in den sie einreisen dürfe oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet sei (Nr. 5 des Bescheids). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6 des Bescheids).
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klägerin ihre Furcht vor Verfolgung oder einem ernsthaften Schaden nicht glaubhaft gemacht habe. Der Asylantrag werde zudem gemäß § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Ihre Angaben zu der angeblichen Zwangsheirat seien vollkommen oberflächlich und unsubstantiiert und auch in wesentlichen Punkten unauflöslich widersprüchlich. Abschiebungsverbote lägen nicht vor. Es sei der Klägerin auch mit ihrem Kind möglich, den Lebensunterhalt in Nigeria zu sichern. Sie sei eine gesunde arbeitsfähige Frau, welche bereits vor ihrer Ausreise in der Lage gewesen sei, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Bei einer Rückkehr nach Nigeria könne sie zudem Hilfe bei einer Reihe von auf die Förderung und Unterstützung von Frauen spezialisierten Hilfsorganisationen finden.
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Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 4. Dezember 2019 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erhoben und beantragt,
1. Der Bescheid der Beklagten vom 22. November 2019, Az:, zugestellt am 28. November 2019, wird aufgehoben.
2. Unter Aufhebung des Bescheids wird die Beklagte verpflichtet, festzustellen, dass
a) die Klägerin asylberechtigt ist
b) die Flüchtlingseigenschaft bei ihr vorliegt
c) der subsidiäre Schutzstatus bei ihr vorliegt
d) Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG bei ihr vorliegen.
18
Zur Begründung ist ausgeführt, dass die Klägerin ohne unterstützende Verwandte in Nigeria regelmäßig von ihrem Ehemann geschlagen worden sei. Im Falle einer Rückkehr wisse sie nicht, wo sie unterkommen solle. In einer Großstadt könne sie nicht leben, da sie dort niemanden kenne. Angesichts der Auskünfte des Auswärtigen Amtes zum Sozialstatus einer alleinlebenden Frau seien diesen Aussagen nachvollziehbar. Es sei nicht zu erwarten, dass die Klägerin auch nur das Existenzminimum für sich selbst erwirtschaften könne. Aufgrund der legalen Heirat könne die Klägerin auch keine staatliche bzw. polizeiliche Hilfe gegenüber den Übergriffen erhalten. Die Ablehnung des Asylantrages als offensichtlich unbegründet sei daher aufzuheben.
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Die Beklagte hat dem Gericht die einschlägige Verfahrensakte vorgelegt; ein Antrag wurde nicht gestellt.
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Ein von der Klägerin angestrengtes Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes (Az: Au 7 S 19.31634) blieb mit Gerichtsbeschluss vom 22. Januar 2020 ohne Erfolg. Auf die Gründe dieser Entscheidung wird Bezug genommen.
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Mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 3. November 2021 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
22
Am 13. Dezember 2021 fand die mündliche Verhandlung statt. Für den Hergang der Sitzung wird auf das hierüber gefertigte Protokoll verwiesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und auf die von der Beklagten vorgelegte Verfahrensakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Der Einzelrichter (§ 76 Abs. 1 AsylG) konnte über die Klage der Klägerin verhandeln und entscheiden, ohne dass die Beteiligten an der mündlichen Verhandlung vom 13. Dezember 2021 teilgenommen haben. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten ausweislich der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 VwGO). Die Die Klägerin und die Beklagte sind zur mündlichen Verhandlung vom 13. Dezember 2021 form- und fristgerecht geladen worden.
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Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Zurecht ist das Bundesamt in dem mit der Klage angegriffenen Bescheid vom 22. November 2019 davon ausgegangen, dass der von der Klägerin gestellte Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes (Asylanerkennung, Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, subsidiärer Schutz) als offensichtlich unbegründet im Sinne des § 30 Abs. 1 AsylG abzulehnen war. Die Klägerin besitzt keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§§ 3 ff. AsylG) bzw. auf Gewährung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG). Auch liegen in ihrer Person die Voraussetzungen für ein nationales Abschiebungsverbot auf der Grundlage des § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vor. Insoweit war die Klage der Klägerin als einfach unbegründet abzuweisen.
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1. Es bestehen hier keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der mit Bescheid des Bundesamts vom 22. November 2019 erfolgten Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet (§ 30 Abs. 1, 2 AsylG). Im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (§ 77 Abs. 1 AsylG) bestehen an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Bundesamts vernünftigerweise keine Zweifel, so dass sich die Ablehnung des Asylantrags nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG [Kammer], B.v. 20.9.2001 - 2 BvR 1392/00; BVerfG [Kammer], B.v. 3.9.1996 - 2 BvR 2353/95 - beide juris). Der Asylantrag war als offensichtlich unbegründet abzulehnen, weil bei der Klägerin offensichtlich keine Gründe vorliegen, die für die Zuerkennung von Asyl oder internationalem Schutz relevant sind und auch (zielstaatsbezogene) Abschiebungshindernisse nicht vorliegen.
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Mit dem Bundesamt ist das erkennende Gericht der Auffassung, dass sich bei der Klägerin die Ablehnung des Antrags auf Gewährung internationalen Schutzes (Flüchtlingseigenschaft und subsidiärer Schutz) geradezu aufdrängt.
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Die Klägerin besitzt offensichtlich keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§§ 3 ff. AsylG). Der Vortrag der Klägerin knüpft selbst bei Wahrunterstellung bereits nicht an ein asylrechtlich relevantes Merkmal im Sinne von §§ 3, 3 b AsylG an. Allenfalls handelt es sich beim Vortrag der Klägerin um ihr drohendes kriminelles Unrecht, welches asylrechtlich unbeachtlich ist. Überdies besteht für die Klägerin jedenfalls eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 3e AsylG. Mit dem Bundesamt ist das Gericht darüber hinaus der Auffassung, dass der Vortrag der Klägerin unglaubwürdig ist und offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht. Das gesamte Vorbringen der Klägerin wirkt konstruiert und unschlüssig.
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Ein Asylantrag ist gemäß § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn in wesentlichen Punkten das Vorbringen des Ausländers nicht substantiiert oder in sich widersprüchlich ist, offenkundig den Tatsachen nicht entspricht oder auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel gestützt wird. Diese Vorschrift steht in Übereinstimmung mit Art. 31 Abs. 8 c) und e) der Verfahrensrichtlinie 2013/32/EU. Danach können die Mitgliedstaaten festlegen, dass das Prüfungsverfahren im Einklang mit den Grundsätzen und Garantien nach Kapitel II beschleunigt und/oder an der Grenze oder in Transitzonen nach Maßgabe von Artikel 43 durchgeführt wird, wenn u.a. e) der Antragsteller eindeutig unstimmige und widersprüchliche, eindeutig falsche oder offensichtlich unwahrscheinliche Angaben gemacht hat, die im Widerspruch zu hinreichend gesicherten Herkunftslandinformationen stehen, so dass die Begründung für seine Behauptung, dass er als Person mit Anspruch auf internationalen Schutz im Sinne der RL 2011/95/EU anzusehen ist, offensichtlich nicht überzeugend ist.
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Der auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gerichtete Hauptantrag der Klägerin bleibt ohne Erfolg. Nach § 3 Abs. 4 1. Hs. AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 der Vorschrift ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560) ist nach § 3 Abs. 1 AsylG ein Ausländer, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will
31
Es ist gemessen an diesen Maßstäben offensichtlich unwahrscheinlich, dass die Klägerin individuell vorverfolgt ausgereist wäre und/oder im Fall der Rückkehr eigene Verfolgung zu befürchten hätte. Die Klägerin hat ausschließlich häusliche Gewalt durch ihren früheren Ehemann geltend gemacht. Häusliche Gewalt knüpft an keinen der vom Gesetz vorgegebenen Verfolgungsgründe an. Die Opfer häuslicher Gewalt bilden insbesondere keine bestimmte soziale Gruppe gemäß §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass eine Gruppe gemäß § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe gilt, wenn a) die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und b) die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird. Im Einklang mit Art. 10 Abs. 1d RL 2011/95/EU und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, Urteile v. 7. November 2013 - C-199/12, C-20012, C-201/12, Minister voor Immigratie en Asiel/X und Y sowie Z/Minister voor Immigratie en Asiel, C-473/16, F/Bevándorlási és Állampolgársági Hivatal) müssen die mit den Buchstaben a und b gekennzeichneten Voraussetzungen des § 3b Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 1 AsylG kumulativ erfüllt sein. Art. 10 Abs. 1d RL 2011/95/EU ist in Verbindung mit der vorstehend bezeichneten Rechtsprechung des Gerichtshofs hinreichend eindeutig zu entnehmen, dass eine bestimmte soziale Gruppe in diesem Sinne nicht vorliegt, wenn die betroffene Gruppe nicht in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat beziehungsweise nicht von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird (Bundesverwaltungsgericht, Urteil v. 19. April 2018 - 1 C 2.17 - juris, Rn. 29 und 31). Das selbständige Erfordernis der „deutlich abgegrenzten Identität“ schließt jedenfalls nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ohne weitergehenden Klärungsbedarf eine Auslegung aus, nach der eine „soziale Gruppe“ im Sinne des § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG/Art. 10 Abs. 1d RL 2011/95/EU allein dadurch begründet wird, dass eine Mehr- oder Vielzahl von Personen in vergleichbarer Weise von etwa als Verfolgungshandlung im Sinne des § 3a Abs. 1 oder 2 AsylG/Art. 9 Abs. 1 oder 2 RL 2011/95/EU zu qualifizierenden Maßnahmen betroffen wird; nach seinem insoweit eindeutigen Wortlaut greift auch § 3b Abs. 2 AsylG/Art. 10 Abs. 2 RL 2011/95/EU erst bei der zugeschriebenen Zugehörigkeit zu einem der im jeweiligen Absatz 1 genannten Verfolgungsgründe, nicht für die Konstitution der „sozialen Gruppe“ selbst (BVerwG, B. v. 17.9. 2018 - 1 B 45/18 - juris, Rn. 9-10). Wenn Frauen Opfer häuslicher Gewalt werden, unterscheidet sie erst dies von allen anderen Frauen; unabhängig von der Frage, ob solche Frauen von der sie umgebenden Gesellschaft überhaupt als davon abgegrenzte Gruppe wahrgenommen werden können, würde sie ihr Status als Opfer häuslicher Gewalt erst zu einer „sozialen Gruppe“ machen und damit die Gruppe als solche konstituieren. Allein die gegen sie gerichteten Verfolgungshandlungen, auch wenn diese sich in gleicher bzw. ähnlicher Weise gegen eine Vielzahl von Betroffenen richten, qualifizieren einen solchen Personenkreis nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aber nicht als „soziale Gruppe“ im Sinne von § 3b Abs. 2 AsylG/Art. 10 Abs. 2 RL 2011/95/EU.
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Damit knüpft der Vortrag der Klägerin, selbst wenn dieser als wahr unterstellt würde, aber bereits nicht an ein asylrechtlich relevantes Merkmal i.S.d. §§ 3, 3b AsylG an. Im Übrigen weist das Gericht darauf hin, dass der Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes der Klägerin auch gem. der Vorschrift des § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abzulehnen ist, da das Vorbringen der Klägerin in wesentlichen Punkten nicht substantiiert oder in sich widersprüchlich ist, offenkundig den Tatsachen nicht entspricht oder auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel gestützt wird. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen im Gerichtsbeschluss vom 22. Januar 2020 im Verfahren Au 7 S 19.31634 Bezug genommen werden.
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2. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes gem. § 4 Abs. 1 AsylG sind bei der Klägerin ebenfalls offensichtlich nicht erfüllt.
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Gemäß § 4 AsylG ist ein Antragsteller subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt: 1. die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, 2. Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder 3. eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.
35
Es fehlt hier an einer substantiierten Darlegung der Drohung eines ernsthaften Schadens in Nigeria. Dass der Klägerin die Todesstrafe drohen würde, ist nicht ersichtlich. Ein internationaler oder innerstaatlicher bewaffneter Konflikt besteht in Nigeria nicht. Es gibt dort keine klassischen Bürgerkriegsgebiete oder -parteien. Im Wesentlichen bestehen vier Konfliktherde: der religiös motivierte Boko-Haram-Konflikt im Nordosten, der Ressourcenkonflikt zwischen Hirten und Bauern im Middlebelt, der latent bestehende „Biafra-Konflikt“ im Nordosten und die Spannungen im ölreichen Nigerdelta. Keiner dieser Konflikte erreicht derzeit jedoch die für einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt erforderliche Gefahrendichte (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria vom 16. Januar 2020, Seite 9; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Nigeria vom 12. April 2019, zuletzt aktualisiert am 20.5.2020, Seite 9-14; zu den religiös motivierten Auseinandersetzungen im Norden Nigerias vgl. VG München, B. v. 24.9. 2019 - M 9 S 17.40668 - juris, Orientierungssatz Nr. 3 sowie Rn. 24).
36
Auch eine Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung durch nicht staatliche Akteure droht der Klägerin im Fall der Rückkehr offensichtlich nicht. Soweit sich die Klägerin auf die von ihrem ehemaligen Ehemann ihr gegenüber häusliche Gewalt beruft, so ist dem zu entgegen, dass die Klägerin nach ihrem eigenen Vorbringen sich bereits im Jahr 2010 von ihrem Ehemann dauerhaft getrennt und bis zu ihrer Ausreise im Jahr 2016 bei ihrer Tante gelebt habe. Der Vortrag, dass ihr ehemaliger Ehemann trotz Beendigung der Ehe auch nach dem Jahr 2010 bis zur Ausreise (2016) sie immer wieder aufgesucht und geschlagen habe, ist unglaubwürdig. Der Vortrag wirkt konstruiert, unschlüssig in dem untauglichen Bemühen eine fortbestehende Gefährdungslage bis zum Zeitpunkt der Ausreise im Jahr 2016 zu begründen. Es ist völlig unwahrscheinlich, dass der Ex-Ehemann nun mehr als zehn Jahre nach Beendigung der Ehe noch in irgendeiner Weise gegen die Klägerin unmenschlich oder erniedrigend auftreten könnte. Dies umso mehr, als die Klägerin nicht gezwungen ist, bei einer Rückkehr nach Nigeria an ihre vormaligen Aufenthaltsorte zurückzukehren. Ohne funktionierendes Melde- und Fahndungssystem in Nigeria dürfte dem Ex-Ehemann der Klägerin deren Rückkehr nach Nigeria im Normalfall gar nicht bekannt werden. Auch ist nicht ersichtlich, welches Interesse der ehemalige Ehemann der Klägerin noch an einer Ermittlung des Aufenthaltsorts der Klägerin bei einer Rückkehr nach Nigeria haben könnte.
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3. Auch an der Rechtmäßigkeit der Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, bestehen im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AsylG) keine ernstlichen Zweifel.
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Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten - EMRK - ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Im Falle einer Abschiebung wird eine Verantwortlichkeit der Bundesrepublik Deutschland nach Art. 3 EMRK dann begründet, wenn erhebliche Gründe für die Annahme bestehen, dass der Betroffene im Fall der Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung kann sich aus einer allgemeinen Situation der Gewalt im Zielstaat ergeben, einem besonderen Merkmal des Ausländers oder einer Verbindung von beidem (vgl. BayVGH, U.v. 21.11.2018 - 13a B 18.30632 - juris Rn. 26; BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - juris Rn. 25).
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Auch schlechte humanitäre Verhältnisse können in ganz außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK darstellen. Dies ist immer dann anzunehmen, wenn diese Verhältnisse ganz oder überwiegend auf staatlichem Handeln, auf Handlungen von Parteien eines innerstaatlichen Konflikts oder auf Handlungen sonstiger nichtstaatlicher Akteure, die dem Staat zurechenbar sind, beruhen, weil er der Zivilbevölkerung keinen ausreichenden Schutz bieten kann oder will (EGMR, U.v. 21.1.2011 - 30696/09 - NVwZ 2011, 413; U.v. 28.6.2011 - 8319/07 und 11449/07 - NVwZ 2012, 681). Aber auch dann, wenn diese Voraussetzungen nicht gegeben sind, weil es an einem verantwortlichen Akteur fehlt und „nichtstaatliche“ Gefahren für Leib und Leben im Zielgebiet aufgrund prekärer Lebensbedingungen vorliegen, können schlechte humanitäre Bedingungen im Zielgebiet dennoch in ganz außergewöhnlichen Einzelfällen im Rahmen des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK als unmenschliche Behandlung zu qualifizieren sein (VGH BW, U.v. 24.7.2013 - A 11 S 697/13 - juris Rn. 79 ff.).
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Schlechte humanitäre Verhältnisse können somit nur in ganz „besonderen Ausnahmefällen“ Art. 3 EMRK verletzen, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen eine Aufenthaltsbeendigung sprechen (vgl. BayVGH, U.v. 21.11.2018 - 13a B 18.30632 - juris Rn. 26).
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Dabei können Ausländer aber grundsätzlich kein Recht aus der Konvention auf Verbleib in einem Konventionsstaat geltend machen, um dort weiter medizinische, soziale oder andere Hilfe und Unterstützung zu erhalten. Der Umstand, dass im Fall einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, reicht nach der Rechtsprechung allein nicht aus, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen. Denn Art. 3 EMRK verpflichtet die Staaten nicht, Unterschiede im Fortschritt in der Medizin sowie Interschiede in sozialen und wirtschaftlichen Standards durch freie und unbegrenzte Versorgung von Ausländern ohne Bleiberecht zu beseitigen (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15/12 - juris Rn. 23). Nur in ganz außergewöhnlichen Fällen können auch schlechte humanitäre Verhältnisse Art. 3 EMRK verletzen, wenn die humanitären Gründe zwingend gegen eine Aufenthaltsbeendigung sprechen, wie beispielsweise im Fall einer tödlichen Erkrankung im fortgeschrittenen Stadium, wenn im Zielstaat diesbezüglich keine Unterstützung besteht (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15/12 - juris Rn. 23 ff.).
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Dies zugrunde gelegt ist zu Gunsten der Klägerin kein Abschiebeverbot auf der Grundlage des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK gegeben. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Klägerin selbst vorgetragen habe, dass sie in Nigeria vier Jahre lang die Schule besucht habe und danach den Beruf einer Friseurin erlernt habe. Ihre wirtschaftliche Situation in Nigeria sei durchschnittlich gewesen. Auch würden in Nigeria noch mehrere Familienangehörige leben. Ihre Mutter sei auf einer Farm (Landwirtschaft) beschäftigt. Sie habe noch fünf Brüder und drei Schwestern. Deshalb ist bei der jungen durchaus arbeitsfähigen Klägerin davon auszugehen, dass diese bei einer Rückkehr nach Nigeria in der Lage sein sollte, ein Existenzminimum zu erwirtschaften bzw. entsprechende familiäre Unterstützung zu erhalten.
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Nennenswerte gesundheitliche Einschränkungen sind bei der Klägerin nicht bekannt geworden. Überdies kann allgemein festgestellt werden, dass auch eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit findet, bei einer Rückkehr keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Derartige Personen können ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn im Konventionsstaat - Bundesrepublik Deutschland - Rückkehrhilfe angeboten wird (vgl. Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich - BFA - Nigeria, Gesamtaktualisierung vom 20. Mai 2020, Nr. 22, S. 62).
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Schließlich liegen auch die Voraussetzungen für ein Abschiebeverbot auf der Grundlage des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vor. Diesbezüglich fehlt es bereits an einem berücksichtigungsfähigen Vortrag der Klägerin. Nennenswerte gesundheitliche Einschränkungen sind im Verfahren nicht geltend gemacht worden. Überdies gewährt § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG unter dem Gesichtspunkt der extremen Gefahrenlage keinen weitergehenden Schutz als es § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK tut. Liegen also - wie hier - die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK wegen schlechter humanitärer Bedingungen nicht vor, so scheidet auch eine im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG relevante, extreme Gefahrenlage aus.
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Weiter ist auch die sich wohl auch in Afrika ausbreitende Corona-Pandemie nicht geeignet, zur Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 1 AufenthG zu führen. Insoweit gilt es die Vorschrift des § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG zu beachten. Danach sind Gefahren nach § 60 Abs. 7 Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, nur bei einer Anordnung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Eine derartige allgemeine Entscheidung hinsichtlich des Zielstaats Nigeria i.S.d. § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG liegt derzeit nicht vor. Eine persönliche Betroffenheit von der Krankheit selbst hat der Kläger bereits nicht aufgezeigt.
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4. Die auf die Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet beruhende Ausreiseaufforderung der einwöchigen Ausreisefrist und die gleichzeitig erfolgte Abschiebungsandrohung nach §§ 34, 36 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG sind demnach ebenfalls nicht zu beanstanden.
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Gleiches gilt in Bezug auf das in Nr. 6. des mit der Klage angegriffenen Bescheids verfügten gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots auf der Grundlage von § 11 Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG. Die Beklagte hat insoweit zutreffend das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG angeordnet und gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 AufenthG auf die Dauer von 30 Monaten befristet. Diese Befristungsentscheidung begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Beklagte hat insoweit das ihr zukommende Ermessen erkannt und im Rahmen der gerichtlich eingeschränkten Prüfung des § 114 VwGO ordnungsgemäß ausgeübt. Einwände wurden hiergegen auch nicht erhoben.
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5. Nach allem war die Klage demnach in Bezug auf den gestellten Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes als offensichtlich unbegründet abzuweisen. Im Übrigen war die Klage als einfach unbegründet abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als im Verfahren unterlegen hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylG.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO.
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Dieses Urteil ist gemäß § 78 Abs. 1 Satz 2 AsylG unanfechtbar.