Titel:
Ortsübliche Miete, Mietspiegel München, Qualifizierter Mietspiegel, Mietspiegelfeld, Ortsübliche Vergleichsmiete, Feststellungsinteresse, Gesamtschuldner, Wohnungsgröße, Vorauszahlung, Vereinbarter Mietzins, Rückzahlungsanspruch, Streitwert, Elektronischer Rechtsverkehr, Elektronisches Dokument, Feststellungsantrag, Rückforderungsansprüche, Mietpreisvereinbarung, Mietverhältnis, Mietvertragliche Vereinbarungen, Mietervereine
Schlagwort:
Wohnraummiete
Rechtsmittelinstanz:
LG München I, Beschluss vom 23.12.2021 – 14 S 10254/21
Fundstellen:
ZMR 2022, 479
LSK 2021, 45684
BeckRS 2021, 45684
Tenor
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Kläger zur gesamten Hand 3.295,44 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit 17.10.2020 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass der mietvertraglich vereinbarte Mietzins für die durch die Kläger von dem Beklagten angemietete 3-Zimmer-Wohnung im 1. Stock links in der V…straße … München ab dem 01.10.2020 896,38 € zuzüglich Vorauszahlung auf Betriebskosten für Heizung und Warmwasser von 50,00 € und Vorauszahlung auf die übrigen Betriebskosten gemäß § 2 BetrV von 80,00 € beträgt
3. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist in Ziffern 1. und 3. für die Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 14.829,48 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über Rückzahlungsansprüche hinsichtlich überzahlter Mieten in einem Wohnraummietverhältnis. Weiter begehen die Kläger Feststellung des ab Oktober 2020 zu leistenden Mietzinses.
2
Die Parteien schlossen beginnend ab 01.10.2019 einen Mietvertrag über die Wohnung im 1. Stock der V…straße … in München. Vereinbart wurde ein monatlicher Mietzins in Höhe von 1.171,00 €.
3
Die Wohnungsgröße beträgt 69 qm. Mit dieser Wohnfläche wurde die streitgegenständliche Wohnung auch in dem Exposé durch die Beklagten annonciert, auf welches die Wohnung durch die Kläger angemietet wurde.
4
Mit Schreiben des Mietervereins vom 25.03.2020 rügten die Kläger gemäß § 556 g Abs. 2 Satz 1 BGB einen Verstoß gegen § 556 d BGB.
5
Die streitgegenständliche Wohnung ist Baujahr 1918 und befindet sich in der dunkelblauen Lage nach dem Mietspiegel München 2019. Nach dem Mietspiegel für München liegt die Wohnung in einem Wohnblock und hat ein modernisiertes Bad sowie einen guten Boden im Sinne des Mietspiegels München 2019. Eine Terrasse oder Balkon ist nicht vorhanden.
6
Mit Schreiben vom 24.09.2020 forderte der Mieterverein für die Kläger die Rückzahlung überzahlter Mieten in Höhe von 3.296,44 € bis zum 16.10.2020.
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Eine Reaktion hierauf erfolgte nicht.
8
Die Kläger sind der Auffassung, die ortsübliche Miete betrage somit nach dem Mietspiegel für München 2019 814,89 €. Die Obergrenze der zulässigen Miete nach § 556 d BGB betrage somit zzgl. 10 % 896,38 €.
9
Hinsichtlich des Differenzbetrages von monatlich 274,62 € zur vereinbarten und tatsächlich gezahlten Miete bestehe somit für den Zeitraum Oktober 2019 bis September 2020 ein Rückzahlungsanspruch der Kläger gegen die Beklagten.
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Die Kläger beantragten daher zuletzt:
- 1.
-
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Kläger zur gesamten Hand 3.295,44 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit 17.10.2020 zu zahlen.
- 2.
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Es wird festgestellt, dass der mietvertraglich vereinbarte Mietzins für die durch die Kläger von dem Beklagten angemietete 3-Zimmer-Wohnung im 1. Stock links in der V…straße … München ab dem 01.10.2020 896,38 € zuzüglich Vorauszahlung auf Betriebskosten für Heizung und Warmwasser von 50,00 € und Vorauszahlung auf die übrigen Betriebskosten gemäß § 2 BetrV von 80,00 € beträgt.
11
Die Beklagten beantragten
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Die Beklagten bestritten unsubstantiiert die Wohnungsgröße, eine vertragliche Vereinbarung zu Wohnungsgröße liegen nicht vor. Sie sind zudem der Auffassung, dass der Mietspiegel für München 2019 nicht die ortsübliche Miete wiedergebe.
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Zudem bestehe kein Feststellungsinteresse der Kläger.
14
Beweise wurden nicht erhoben.
15
Zur Vervollständigung des Tatbestands wird auf sämtliche wechselseitigen Schriftsätze der Parteien sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 23.06.2021 vollumfänglich Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
16
Der Rechtsstreit ist zur Entscheidung reif.
17
Die Klage ist zulässig und begründet, da den Klägern ein Rückzahlungsanspruch aus §§ 556g Abs. 1 Satz 3, 812 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 BGB sowie ein Anspruch auf Feststellung der zu zahlenden Miete in der beantragten Höhe zusteht.
18
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Amtsgericht München sachlich und örtlich zuständig, §§ 29a Abs. 1 ZPO, 23 Nr. 2a GVG.
19
Hinsichtlich des Feststellungsantrags besteht ein Feststellungsinteresse gemäß § 256 Absatz ein ZPO, da die Beklagten die Teilnichtigkeit der Mietpreisvereinbarung sowie die durch die Kläger vorgenommene Berechnung der ortsüblichen Miete in Abrede stellen die Kläger ein Interesse an der Feststellung der Höhe des zukünftig zu bezahlenden Mietzinses haben.
20
Die Klage ist auch in vollem Umfange begründet.
21
Der Klägerin steht ein Anspruch auf Rückzahlung überzahlter Mieten für die Monate Oktober 2019 bis September 2020 in Höhe von monatlich 274,62 €, insgesamt 3.295,44 € aus Leistungskondiktion zu (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB).
22
1. Die mietvertragliche Vereinbarung zwischen den Parteien über einen Mietzins in Höhe von 1171 € erweist sich gemäß §§ 556g Abs. 1 Sätze 1 und 2, 556d BGB in Höhe von 274,62 € als unwirksam.
23
Die streitgegenständliche Wohnung befindet sich in einem Verordnungsgebiet nach § 556d Abs. 2 BGB.
24
Die zu Beginn des Mietverhältnisses vereinbarte Miete darf daher die ortsübliche Vergleichsmiete gemäß § 558 Abs. 2 BGB um höchstens 10 % übersteigen.
25
Für die ortsübliche Vergleichsmiete gilt bei Vorliegen eines qualifizierten Mietspiegels auch insoweit die Vermutungswirkung des § 558 d Abs. 3 BGB (Schmidt-Futterer/Börstinghaus BGB § 556d Rn. 49). Der Mietspiegel für München 2019 stellt einen solchen qualifizierten Mietspiegel dar. Substantiierte Angriffe (vgl. LG München I, Schlussurteil vom 26.02.2014 – 14 S 20377/13) gegen den Mietspiegel für München 2019 wurden seitens der Beklagten nicht vorgebracht, die beklagte Partei hat lediglich pauschal vorgetragen, der Mietspiegel gebe nicht die ortsübliche Miete wieder.
26
Dieser Vortrag vermag die Vermutungswirkung des § 158 Abs. 2 BGB nicht zu widerlegen.
27
Nach dem Mietspiegel für München 2019 ergibt sich eine durchschnittliche ortsübliche Miete in Höhe von 814,89 €.
28
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die streitgegenständliche Wohnung in einem Anwesen gelegen ist, welches vor dem Jahr 1918 gebaut wurde.
29
Die klägerseits vorgetragene Wohnungsgröße von 69 qm wurde durch die beklagte Partei zwar bestritten, das Bestreiten erfolgte aber unsubstantiiert mit Nichtwissen und ist daher gemäß § 138 Abs. 4 ZPO unzulässig, da die Beklagten als Vermieter selbst Kenntnis über die Wohnungsgröße haben, so dass der entsprechende Klägervortrag als zugestanden gilt.
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Das bloße Bestreiten ist darüber hinaus auch gemäß dem Grundsatz des venire contra factum proprium treuwidrig und somit unzulässig, da die Beklagten selbst in einem vor Abschluss des Mietvertrags erstellten Exposé, mit welchem sie für die Wohnungsanmietung warben, die Wohnungsgröße mit 69 qm ausgewiesen haben.
31
Die Wohnungsgröße ist somit mit 69 qm als zugestanden anzusehen.
32
Aus dem entsprechenden Mietspiegelfeld ergibt sich somit eine Grundmiete von 10,27 €/qm. Unstreitig ist zwischen den Parteien der Zuschlag von 0,80 €/qm für eine durchschnittliche zentrale Lage, ein Abschlag von 0,60 €/qm aufgrund des Vorliegens eines Wohnblocks nach dem Mietspiegel für München 2019, ein Zuschlag in Höhe von 0,46 €/qm für ein modernisiertes Bad sowie in Höhe von 1,24 €/qm für gutem Boden sowie ein weiterer Abschlag von 0,43 €/qm aufgrund des Nichtvorhandenseins einer Terrasse oder eines Balkons.
33
Die durchschnittliche ortsübliche Miete nach dem Mietspiegel für München 2019 liegt somit bei 11,81 € pro Quadratmeter und somit bei 814,89 € für die streitgegenständliche Wohnung.
34
Bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete mittels des Mietspiegels ist zwar zu beachten, dass diese kein feststehender Betrag ist, sondern sich in einem Spannenbereich mit oberer und unterer Grenze bewegt. Für vollständig identische Wohnungen werden nicht identische Mietpreise vereinbart. Neben objektiven Kriterien spielen bei der Mietpreisvereinbarung auch subjektive Gesichtspunkte, wie z.B. besonderes Verhandlungsgeschick, eine Rolle. Darüber hinaus unterscheiden sich die vereinbarten Mieten für identische Wohnungen auch nach der Dauer des jeweiligen Mietverhältnisses. Aus diesem Grund bewegt sich die ortsübliche Vergleichsmiete immer in einem Spannenbereich. Diese wird im Mietspiegel 2019 durch die Tabelle 4 begrenzt. Die Spanne nach Tab. 4 des Mietspiegels für München 2019 beträgt für die streitgegenständliche Wohnung 9,32-14,00 €/qm.
35
Innerhalb dieser Spanne schätzt das Gericht die ortsübliche Vergleichsmiete nach § 287 ZPO.
36
Vorliegend wurden durch die Parteien weder begründete Abweichungen nach Tab. 5 des Mietspiegels für München 2019 vorgetragen noch erfolgte sonstiger Vortrag, der eine von der durchschnittlichen ortsüblichen Miete abweichende Einordnung der streitgegenständlichen Wohnung innerhalb der Spannenwerte rechtfertigen würde, sodass das Gericht die ortsübliche Miete mit der durchschnittlichen ortsübliche Miete des Mietspiegels von 11,81 € pro Quadratmeter eingeordnet hat.
37
Die Erholung eines Sachverständigengutachtens war aus Sicht des Gerichts zur Ermittlung der ortsüblichen Miete nicht erforderlich, da diese auf der Grundlage des qualifizierten Mietspiegels für München für 2019 nach § 287 ZPO geschätzt werden konnte. Substantiierte Einwendungen über die pauschale Behauptung hinaus, dass der Mietspiegel für München 2019 nicht die ortsübliche Miete abbildet, sind nicht erfolgt, sodass das Gericht unter Zugrundelegung der Vermutungswirkung des § 558 d Abs. 4 BGB den Mietspiegel für München 2019 zur Ermittlung und Schätzung der ortsüblichen Vergleichsmiete heranziehen konnte. Anhaltspunkte dafür, dass die Heranziehung des Mietspiegels für München 2019 als Grundlage zur Bildung der Einzelvergleichsmiete nicht sachgerecht wäre, wurden weder vorgetragen noch sind solche ersichtlich.
38
Die Kläger haben somit für den geltend gemachten Zeitraum einen Rückforderungsanspruch aus § 556g Abs. 1 S. 3 BGB in Höhe von 3.295,44 € gegen die Beklagten. Eine qualifizierte Rüge i.S. von § 556g Abs. 2 BGB liegt im Schreiben des Mietervereins vom 25.03.2020 vor, da es die Tatsachen enthält, auf denen die Beanstandung der vereinbarten Miete beruht.
39
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1 S. 1, 288 Abs. 1 BGB.
40
2. Da die mietvertragliche Vereinbarung zwischen den Parteien über einen Mietzins in Höhe von 1.171,00 € gemäß §§ 556g Abs. 1 Sätze 1 und 2, 556d BGB in Höhe von 274,62 € unwirksam ist, beträgt der zukünftig durch die Kläger zu leistende Mietzins 896,38 € zzgl. 50,00 € Vorauszahlung auf die Heiz- und Warmwasserkosten sowie 80 € auf die sonstigen Betriebskosten.
41
Dies war im Rahmen des Klageantrags unter Ziffer 2. antragsgemäß festzustellen.
42
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur sofortigen Vollstreckbarkeit auf § 709 Satz 1, 2 ZPO.
43
Der Streitwert beträgt 14.829,48 € (vergleiche AG Neukölln, 20 C 19/17), § 41 Abs. 5 GKG ist auf den Feststellungsantrag nicht anwendbar (vgl. BGH, Beschluss vom 14.6.2016 – VIII ZR 43/15).