Inhalt

VG Augsburg, Urteil v. 10.12.2021 – Au 8 K 20.1952
Titel:

Fortsetzungsfeststellungsklage gegen Art und Weise des Vollzugs einer Ingewahrsamnahme

Normenketten:
VwGO § 43, § 113 Abs. 1 S. 4
GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1
Leitsätze:
1. Die materiell-rechtlichen Anforderungen an den Vollzug des Gewahrsams sind von der Ingewahrsamnahme als solches zu unterscheiden. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bloße Unannehmlichkeiten oder Beschwernisse von Haft- oder Gewahrsamsbedingungen führen noch nicht zu Grundrechtseingriffen, sondern sind grundsätzlich noch hinzunehmen. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das Entkleiden bis auf die Unterwäsche und der damit verbundene Aufenthalt in einem Haftraum über die gesamte Dauer der Ingewahrsamnahme von über 30 Stunden kann sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalles als unverhältnismäßig erweisen. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Fortsetzungsfeststellungsklage, Ingewahrsamnahme, Art und Weise des Vollzugs eines polizeilichen Gewahrsams, Entkleiden der Klägerin, Verbleib im Gewahrsam nur mit Unterwäsche bekleidet über eineinhalb Tage, Zurverfügungstellen weiterer Decken im Gewahrsam, Dauerton während des Gewahrsams aufgrund einer technischen Störung, Gewahrsam, Entkleiden, Haftbedingungen, Unterwäsche, Dauerton, Decken, Unannehmlichkeiten
Fundstelle:
BeckRS 2021, 45493

Tenor

I. Es wird festgestellt, dass die Entkleidung der Klägerin bis auf ihre Unterwäsche und der damit verbundene Aufenthalt im Haftraum über die gesamte Dauer des Sicherheitsgewahrsams rechtswidrig war.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu drei Viertel und der Beklagte zu einem Viertel.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

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Die Klägerin begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Art und Weise des Vollzugs ihrer Ingewahrsamnahme.
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Die volljährige Klägerin L. G. hielt sich zusammen mit ihrer volljährigen Schwester Frau M. G. und ihrem volljährigen Bruder Herr J. G., Kläger im Parallelverfahren Au 8 K 20.1956, besuchsweise bei ihrer Mutter Frau S. P.-G. und deren Lebensgefährten in ... auf. Nachdem bei dem Lebensgefährten, Frau S. P.-G und Frau M. G. eine Covid-19-Erkrankung festgestellt worden war, waren alle sich im Anwesen aufhaltenden Personen unter Quarantäne gestellt worden.
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Am 10. April 2020 ist die Polizei zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen den Familienmitgliedern gerufen worden. Die Klägerin ist wegen einer Verletzung mit einem Messer am Handgelenk im Krankenhaus behandelt worden. Am 11. April 2020 um 19:11 Uhr informierte der Leiter des Gesundheitsamtes die Polizeiinspektion, dass sich mehrere Personen außerhalb des Hausstandes auf dem Anwesen des Lebensgefährten aufhalten würden. Eine Polizeistreife hat um 19:22 Uhr drei auswärtige Personen festgestellt, für die dann nach Absprache mit dem Gesundheitsamt ebenfalls eine 14-tägige Quarantäne angeordnet worden ist.
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Am 11. April 2020 gegen 21:57 Uhr ging bei der Integrierten Leitstelle ein Notruf des Lebensgefährten ein, dass Frau S. P.-G und ihre Kinder auf ihn losgegangen seien. Aufgrund der im Raum stehenden Gefahr, dass weitere Straftaten gegenüber dem Lebensgefährten folgen könnten und wegen des aggressiven Verhaltens der Beteiligten wurden um 23:45 Uhr die Klägerin und ihr Bruder in der Polizeiinspektion, die Mutter und die Schwester der Klägerin in den Hafträumen der Polizeiinspektion ... in Sicherheitsgewahrsam genommen. Ein am 12. April 2020 um 00:55 Uhr durchgeführter Atemalkoholtest ergab bei der Klägerin einen Atemalkoholwert von 0,57 mg/l. Am 12. April 2020 um 06:10 Uhr wurde der Gewahrsam für alle vier Personen durch das Amtsgericht ... bis zum 12. April 2020, 20:00 Uhr, verlängert. Mit Beschluss des Amtsgerichts ... vom 13. April 2020 wurde der Antrag auf längerfristigen Gewahrsam in Bezug auf die Klägerin abgelehnt. Sie wurde am 13. April 2020 um 12:30 Uhr aus dem Gewahrsam entlassen. Mit weiterem Beschluss des Amtsgerichts ... vom 13. April 2020 wurde der Antrag auf längerfristigen Gewahrsam in Bezug auf Herrn J. G. bis 20. April 2020, 24:00 Uhr verlängert. Er wurde daraufhin am 13. April 2020 um 11:30 Uhr in die JVA ... überstellt und dort am 14. April 2020 nach einem negativen Testergebnis entlassen.
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Am 12. Oktober 2020 ließ die Klägerin eine Fortsetzungsfeststellungklage erheben und (zuletzt nur noch) beantragen,
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festzustellen, dass die Art und Weise des Vollzugs des Sicherheitsgewahrsams am 11.und 12. April 2020 durch die Polizeibeamten der PI ... rechtswidrig war, insbesondere
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1. die Entkleidung der Klägerin bis auf ihre Unterwäsche und der damit verbundene Aufenthalt im Haftraum über die gesamte Dauer der Ingewahrsamnahme in diesem Zustand
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2. dass der Klägerin nicht ermöglicht wurde, vor der Entfernung der Kontaktlinsen die Hände zu waschen,
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3. die Verweigerung weiterer warmer Decken trotz niedriger Temperaturen über die gesamte Dauer der Ingewahrsamnahme,
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4. dass der Dauerlärmton in der Nacht vom 11. auf den 12. April 2020 nicht unterbunden oder reduziert worden ist.
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Da sich die hoheitlichen Maßnahmen durch die Umsetzung bereits erledigt hätten, könne die Klägerin im Rahmen der Fortsetzungsfeststellungklage begehren, festzustellen, dass die Maßnahme rechtswidrig gewesen sei. Die Klägerin habe ein schutzwürdiges Rehabilitationsinteresse. Bei den Maßnahmen handle es sich um Verwaltungsakte. Bei der Verwahrung handle es sich um einen Realakt. Der Bruder der Klägerin und sie selbst hätten um die Möglichkeit gebeten, mit einem Anwalt zu telefonieren. Die Polizei habe mitgeteilt, dass ein solcher Anruf nicht zugelassen werde, da die Inhaftierung nach dem Polizeiaufgabengesetz erfolge. Ein solcher Anruf würde erst dann zugelassen werden, wenn die Inhaftierung nach der Strafprozessordnung erfolgen würde. Ihrem Bruder sei mitgeteilt worden, dass der Vater unterrichtet worden sei. Dies habe sich später als unrichtig erwiesen, da der Vater von sich aus bei der Polizei angerufen habe. Nach dem Toilettengang habe der Bruder der Klägerin um die Möglichkeit gebeten, seine Hände waschen zu dürfen und nach Getränken gefragt. Ihm sei dies verwehrt worden. Im Haftraum selbst habe sich eine dünne Fließdecke gefunden. Diese habe die Klägerin nicht ausreichend gegen Kälte geschützt. Erst aufgrund mehrfacher Aufforderung, ihr eine Decke zu geben, sei der Klägerin eine weitere Decke gereicht worden. Kurz darauf seien die Klägerin und ihr Bruder dauerhaft mit einem Piepston konfrontiert worden. Dieser Piepston sei ständig vorhanden und durchdringend gewesen und sei nicht abgeschaltet worden. Offensichtlich habe dieser Piepston dazu gedient, die Inhaftierten zu zermürben. Auf den Hinweis des Bruders, dass auf der Toilette kein Toilettenpapier vorhanden sei, sei diesem mitgeteilt worden, dass dies nachgereicht werde. Der Gesamtaufenthalt sei menschenunwürdig und in keiner Weise verhältnismäßig gewesen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Art und Weise der Ingewahrsamnahme sei rechtmäßig gewesen. Die Klägerin und ihr Bruder seien in nebeneinanderliegenden Hafträumen untergebracht worden. Sie hätten darauf bestanden, die Türe zum Gang hin geöffnet zu lassen, damit sie sich unterhalten könnten. Dieser Bitte seien die Beamten nachgekommen. Die äußeren Türen der beiden Hafträume seien auch zur Gewährleistung einer ausreichenden Belüftung aufgrund der angeordneten Quarantäne nicht - wie sonst üblich - versperrt worden. Lediglich die inneren Gittertüren seien versperrt gewesen. Auch seien eine im Anschluss an die Zellen befindliche Außentüre des Dienstgebäudes geöffnet worden, um so eine ständige Frischluftzufuhr zu gewährleisten. Der Klägerin und ihrem Bruder sei die vorgeschriebene, standardgemäß zur Verfügung stehende Wolldecke bei Einlieferung in die Hafträume gereicht worden. Nachdem die Klägerin angegeben habe, zu frieren, sei ihr eine weitere Decke gereicht worden. Diese habe sie als Kissen genutzt. Der Bruder habe die ihm zugewiesene Wolldecke zerrissen und als Lendenschurz getragen. Aus Gründen der Eigensicherung habe die in Streifen gerissene Decke aus der Zelle des Bruders geschafft werden müssen. Den Beamten sei nicht bekannt, dass der Bruder der Klägerin weitere Decke gefordert habe oder dass sich die Betroffenen über zu kalte Temperaturen beklagt hätten. Die Klägerin und ihr Bruder hätten während des Gewahrsams permanent geschrien. Sie hätten die ganze Nacht über dauerhaft die Klingel in ihren Hafträumen betätigt. Zuvor hätten sie ihren Plan kundgetan, den Beamten die Nacht zur Hölle zu machen. Für die Beamten habe sich dieses Verhalten als Missbrauch der Klingel dargestellt. Es sei der Eindruck gewonnen worden, dass die Beamten als „Laufpersonal“ missbraucht worden seien. Aufgrund dessen und zur Bewältigung der anfallenden Arbeit sei auf die Betätigung des Notrufs in zeitlich größeren Abständen reagiert worden. Herr J. G. habe u.a. um 01:50 Uhr die Klingel in seinem Haftraum betätigt und angegeben, auf die Toilette zu müssen. Nach Hinweis, dass sich eine Toilette im Haftraum befinde, habe dieser den Polizisten als „Arschloch“ bezeichnet. In den Hafträumen liege standardgemäß immer eine ausreichende Anzahl an Trinkbechern und Toilettenpapier parat. Im Laufe der Nacht sei die Klägerin von PKin W. regelmäßig mit Getränken versorgt worden. Es könne lediglich hin und wieder zu geringfügigen Verzögerungen gekommen sein, da es aufgrund des Einsatzgeschehens nicht immer möglich gewesen sei, jedem Klingeln unverzüglich zu folgen. POM B. habe die Betroffenen tagsüber mit Toilettenpapier und Getränken versorgt. Hierbei handle es sich meist um je einen Becher Leitungswasser in der Größe von ca. 200 ml. Diese Becher seien immer wieder, in Summe mindestens fünfmal pro Person mit Wasser befüllt worden. Außerdem seien immer wieder einzelne Streifen Toilettenpapier auf ca. zehn Einzelblatt am Stück auf Nachfrage hineingereicht worden. Um Störmaßnahmen durch Verstopfen der Toilette zu verhindern, sei den Betroffenen keine komplette Rolle Toilettenpapier in die Zelle gereicht worden. Die Betroffenen hätten ein Frühstück erhalten. Auf ein Mittagessen hätten beide verzichtet. Die Klägerin habe Tabletten für ihre Schilddrüsenerkrankung benötigt, die durch eine Streifenbesatzung an ihrer Wohnadresse abgeholt und der Klägerin in der notwendigen Dosierung zur Verfügung gestellt worden seien. Nach der Entlassung der Betroffenen stellte PHK S. in den Hafträumen Toilettenpapier in ausreichender Menge, liegengelassene Nahrungsmittel und Decken fest. Die eingesetzten Beamten könnten sich nicht erinnern, ob die Betroffenen danach gefragt hätten, sich die Hände waschen zu dürfen. Es könne jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass dies abgelehnt worden sei, da sich PKin W. während der Nachtschicht zeitweise alleine auf der Dienststelle befunden habe. PKin W. habe für die Klägerin eine Freundin als Vertrauensperson verständigt. Herr J. G. habe von seinem Recht, jemanden zu verständigen, keinen Gebrauch gemacht. Der Vater der beiden sei gegenüber den Beamten nicht als zu verständigende Person benannt worden. Im weiteren Verlauf hätten die Klägerin und ihr Bruder darum gebeten, ihren Rechtsanwalt zu verständigen. Telefonate mit Rechtsanwälten würden regelmäßig in einem Büroraum in der Dienststelle durchgeführt. Ein eigenständiger Anruf durch die Betroffenen wurde von PKin F. verweigert. Hintergrund sei die Quarantäne der Betroffenen und ein eventuelles Ansteckungsrisiko gewesen. Es sei deshalb angeboten worden, bei Nennung eines entsprechenden Rechtsanwalts diesen für sie zu kontaktieren und ihr Anliegen vorzutragen. Einen Anwalt hätten beide nicht nennen können. Sie hätten daraufhin erklärt, dass der Vater informiert werden solle, einen Rechtsanwalt zu verständigen. POM B. habe daraufhin Kontakt mit dem Vater gehabt. POM B. könne jedoch aufgrund des Zeitablaufs nicht mehr sagen, ob dieser durch den Vater oder seitens der Beamten initiiert worden sei. Der Vater habe zugesagt, sich um einen Rechtsanwalt zu kümmern. Der vorhandene Piepston sei ein Alarmton, der bei Störungen der Heizungsanlage ertöne. Der Alarmsummer sei baulich bedingt in der Nähe der Haftzellen angebracht. Daher sei er aus den Zellen heraus stärker wahrzunehmen. In der Nacht sei eine Störung aufgetreten, die den Alarmsummer aktiviert habe. Eine Abschaltung sei nur durch einen Techniker möglich und habe in der Nacht nicht realisiert werden können. Die Beamten würden sich nicht daran erinnern, dass sich die Klägerin oder ihr Bruder über diesen Piepston beschwert hätten. Es werde insoweit jeweils auf die vorgelegten Stellungnahmen der beteiligten Polizeibeamten verwiesen. Die Art und Weise des Vollzugs der Ingewahrsamnahme sei rechtmäßig gewesen und die Vorschriften der Haftvollzugsordnung der Polizei vom 20. März 1962 seien eingehalten worden. Der Gesamtaufenthalt stelle sich keineswegs als menschenunwürdig oder unverhältnismäßig dar. Es würde sich allenfalls um bloße Unannehmlichkeiten oder Beschwernisse handeln. Solche seien von den untergebrachten Personen hinzunehmen. Hinsichtlich der Decke sei darauf hinzuweisen, dass die weitere, der Klägerin übergebene Decke von dieser als Kissen genutzt worden sei. Der Vortrag der Klägerin, dass sie nicht ausreichend gegen Kälte geschützt worden sei, erschließe sich folglich nicht. Entgegen der Aussage der Klägerin sei die Kontaktierung eines Rechtsanwalts nicht generell durch Beamte verneint worden. Es habe nur nicht die Möglichkeit bestanden, selbst einen Rechtsanwalt zu kontaktieren, sondern die Beamten hätten diesen für die Klägerin kontaktiert. Die Klägerin habe aufgrund ihres aggressiven und nicht berechenbaren Zustands sowie zur Vermeidung möglicher Ansteckungsrisiken in der Zelle belassen werden sollen. Auch dies stelle sich nicht als unverhältnismäßig dar. Es sei vielmehr notwendig gewesen, um die Gesundheit der Beamten nicht zu gefährden und um die Gefahr, die von der Klägerin als Covid-19-Verdachtsperson ausgegangen sei, zu verringern. Insoweit sei auch anzumerken, dass für die Klägerin eine Freundin kontaktiert worden sei. Zudem habe sie keinen Rechtsanwalt benannt. Der Vorwurf der Klägerin, dass der Piepston absichtlich an- oder nicht ausgeschaltet worden sei, sei unhaltbar und werde zurückgewiesen. Es habe sich um einen technischen Defekt gehandelt. Es werde insoweit noch darauf hingewiesen, dass es sich bei der betreffenden Nacht um die Nacht zum Ostersonntag, mithin einem Festtag, gehandelt habe.
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Der ursprünglich ebenfalls erhobene Klageantrag, festzustellen, dass die Ingewahrsamnahme der Klägerin am 11. April 2020 um 23:45 Uhr in ... durch Beamte der Polizeiinspektion ... rechtswidrig war, wurde zurückgenommen und durch Beschluss vom 26. Februar 2021 (Au 8 K 21.410) eingestellt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die beigezogenen Behördenakten sowie auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung, in der zwei zum Zeitpunkt der Gewahrsamnahme vor Ort anwesende Polizeibeamte als Zeugen einvernommen worden sind, verwiesen. Des Weiteren wird auf die beigezogenen Gerichts- und Behördenakten im Verfahren des Bruders der Klägerin (Au 8 K 20.1956) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist teilweise begründet. Die Klägerin kann einen Anspruch auf die Feststellung, dass die Entkleidung bis auf ihre Unterwäsche und der damit verbundene Aufenthalt im Haftraum über die Dauer der Ingewahrsamnahme (Klageantrag zu 1) rechtswidrig war und dies die Klägerin in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), geltend machen. Das Nichtermöglichen, die Hände vor der Entfernung der Kontaktlinsen zu waschen (Klageantrag zu 2), die Verweigerung weiterer warmer Decken trotz niedriger Temperaturen über die gesamte Dauer der Ingewahrsamnahme (Klageantrag zu 3) und das Nichtunterbinden bzw. das Reduzieren des Dauerlärmtons (Klageantrag zu 4) waren demgegenüber rechtmäßig.
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I. Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet.
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Nach teilweiser Rücknahme der Klage insoweit, als sie auf nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit des Sicherheitsgewahrsams an sich, die grundsätzlich der ordentlichen Gerichtsbarkeit zugewiesen ist, gerichtet war, verbleibt es für die übrigen Klageanträge auf nachträgliche Feststellung der Art und Weise des Sicherheitsgewahrsams bei der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Eine Trennung dieser Fragen erscheint auch sinnvoll, weil im Rahmen einer zulässig angeordneten Freiheitsentziehung allein durch die Art und Weise ihres Vollzugs zusätzliche Rechtsverstöße und Grundrechtsverletzungen erfolgen können (HessVGH, B.v. 24.1.2011 - 8 A 2236/10.Z - juris Rn. 12; VG Köln, U.v. 20.11.2014 - 20 K 1799/13 - juris Rn. 25). Die Frage der Anordnung der Ingewahrsamnahme und deren Vollzug sind grundsätzlich voneinander zu unterscheiden. So kann die Anordnung einer Ingewahrsamnahme durchaus rechtmäßig sein, während etwa eine einzelne Maßnahme während des Vollzugs, die zum Zeitpunkt der Ingewahrsamnahme nicht notwendigerweise vorhersehbar ist, sich als rechtswidrig erweisen kann, ohne dass von einem Durchschlagen dieses Mangels auf die Freiheitsentziehung als solche ausgegangen werden muss (BVerfG, B.v. 13.12.2005 - 2 BvR 447/05 - juris Rn. 61). Wegen des engen Sachzusammenhangs ist zwar grundsätzlich das Amtsgericht auch für die Kontrolle freiheitsbeschränkender Maßnahmen, wie etwa einer persönlichen Durchsuchung während einer Ingewahrsamnahme zuständig, wenn dies zur Gewährleistung der Ordnung im Gewahrsam erforderlich ist (BayVGH, U.v. 25.10.1988 - 21 B 88.01491 - NJW 1989, S. 1754 f.; B.v. 1.8.2016 - 10 C 16.637 - juris Rn. 3), die gemäß Art. 97 i.V.m. Art. 98 PAG n.F. (die im Wesentlichen den Vorgängerregelungen Art. 17 i.V.m. Art. 18 Abs. 3 PAG a.F. entsprechen) der ordentlichen Gerichtsbarkeit zugewiesen sind (offengelassen BayVGH, U.v. 27.1.2012 - 10 B 08.2849 - juris Rn. 27, 32). Im konkreten Fall ist jedoch eine verwaltungsgerichtliche Überprüfung nicht ausgeschlossen, weil eine Entscheidung des Amtsgerichts nach Art. 97, 98 und 99 PAG nicht beantragt worden ist (VGH BW, U.v. 18.11.2021 - 1 S 803/19 - juris Rn. 24; VG Köln, U.v. 20.11.2014 - 20 K 1799/13 - juris Rn. 25; VG Gießen, U.v. 27.9.2010 - 9 K 1708/09.GI - juris Rn. 14; OLG Celle, B.v. 23.6.2005 - 22 W 32/05 - juris Rn. 21). Die Klägerin hat (nur) die Art und Weise zu einem (eigenen) Streitgegenstand gemacht und ausdrücklich eine bezogen auf die Freiheitsentziehung an sich zusätzliche Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts geltend gemacht.
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II. Die auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der konkreten Art und Weise des Gewahrsams ist statthaft und auch im Übrigen zulässig.
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1. Dabei kann offenbleiben, ob man die streitbefangenen „Maßnahmen“ als eigenständige polizeiliche Verwaltungsakte mit entsprechendem Regelungsgehalt i.S.d. Art. 35 Satz 1 BayVwVfG oder als (bloße) Realakte im Rahmen des Vollzugs des polizeilichen Gewahrsams einstuft (BayVGH, U.v. 27.1.2012 - 10 B 08.2849 - juris Rn. 29; VGH BW, U.v. 18.11.2021 - 1 S 803/19 - juris Rn. 26). Denn in jedem Fall ist ein effektiver nachträglicher gerichtlicher Rechtsschutz der bereits vor Klageerhebung beendeten Maßnahmen entweder über eine Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO oder aber die allgemeine Feststellungsklage gemäß Art. 43 Abs. 1 VwGO gewährleistet (siehe oben).
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2. Die Klägerin hat auch ein Rechtsschutzinteresse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Maßnahmen hinreichend dargetan.
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Die (Fortsetzung-)Feststellungsklage ist nur zulässig, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsakts (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO) oder des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses (vgl. § 43 Abs. 1 VwGO) hat. Ein solches Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Natur sein.
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Hier kann die Klägerin ein berechtigtes Feststellungsinteresse zumindest wegen eines tiefgreifenden Grundrechtseingriffs geltend machen. Ein trotz Erledigung fortbestehendes Rechtsschutzinteresse kommt in Fällen tiefgreifender Grundrechtseingriffe in Betracht (vgl. BVerfG, B.v. 13.12.2005 - 2 BvR 447/05 - juris Rn. 55; BVerfG, B.v. 5.12.2001 - 2 BvR 527/99 u. a. - juris Rn. 36; BVerfG, B.v. 3.2.1999 - 2 BvR 804/97 - juris Rn. 8; BayVGH, U.v. 27.1.2012 - 10 B 08.2849 - juris Rn. 33; VGH BW, U.v. 22.7.2004 - 1 S 410/03 - juris Rn. 20). Bei schwerwiegenden Grundrechtseingriffen hat das Bundesverfassungsgericht ein durch Art. 19 Abs. 4 GG geschütztes Rechtsschutzinteresse u.a. in Fällen angenommen, in denen die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in der der Betroffene die gerichtliche Entscheidung in der von der Prozessordnung eröffneten Instanz kaum erlangen kann (vgl. BVerfG, B.v. 5.12.2001 a. a. O.; BayVGH, U.v. 20.3.2015 - 10 B 12.2280 - juris Rn. 27).
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Unter Anwendung dieser Grundsätze ist ein berechtigtes Interesse der Klägerin, die Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Polizeimaßnahme feststellen zu lassen, gegeben. Denn die Klägerin kann sich auf die Verletzung ihres durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisteten allgemeinen Persönlichkeitsrecht bzw. auf das Recht auf körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG berufen. Diese geltend gemachten Grundrechtsverletzungen sind nicht ohne Weiteres von der Hand zu weisen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann ein ideelles Feststellungsinteresse in Betracht kommen, wenn die in Frage stehende Maßnahme den Kläger objektiv in seinem grundrechtlich geschützten Bereich beeinträchtigt hat. Hierzu zählen namentlich Feststellungsbegehren, die polizeiliche Maßnahmen zum Gegenstand haben (BayVGH, U.v. 27.1.2012 - 10 B 08.2849 - juris Rn. 35).
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III. Die Klage ist teilweise begründet. Die Entkleidung der Klägerin bis auf ihre Unterwäsche und der damit verbundene Aufenthalt im Haftraum über die Dauer der Ingewahrsamnahme (Klageantrag zu 1) war rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Nichtermöglichen, die Hände vor der Entfernung der Kontaktlinsen zu waschen (Klageantrag zu 2), die Verweigerung weiterer warmer Decken trotz niedriger Temperaturen über die gesamte Dauer der Ingewahrsamnahme (Klageantrag zu 3) und das Nichtunterbinden bzw. das Reduzieren des Dauerlärmtons (Klageantrag zu 4) waren demgegenüber rechtmäßig.
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1. Das Entkleiden der Klägerin bis auf ihre Unterwäsche und der damit verbundene Aufenthalt im Haftraum über die gesamte Dauer der Ingewahrsamnahme in diesem Zustand (Klageantrag zu 1) war rechtswidrig.
28
a) Die materiell-rechtlichen Anforderungen an den Vollzug des Gewahrsams, der von der Ingewahrsamnahme als solches zu unterscheiden ist (vgl. BVerfG, B.v. 13.12.2005 - 2 BvR 447/05 -, juris Rn. 61), ergeben sich aus dem einfachen Recht, dem Verfassungsrecht und den Garantien der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Die Garantie der Menschenwürde in Art. 1 Abs. 1 GG begründet Schutzpflichten des Staates, die Person in Polizeigewahrsam menschenwürdig zu behandeln (vgl. BVerfG, B.v. 13.11.2007 - 2 BvR 939/07 - juris Rn. 12 ff.). Zu den Mindeststandards gehören hygienische Haft- oder Gewahrsamsbedingungen einschließlich des Zugangs zu sanitären Einrichtungen und der Möglichkeit, körperliche Bedürfnisse unter Wahrung der eigenen Intimsphäre zu verrichten. Diese verfassungsrechtlichen Vorgaben stimmen im Wesentlichen mit den aus Art. 3 EMRK folgenden besonderen Schutzpflichten des Staates gegenüber Personen in Polizeigewahrsam überein (VGH BW, U.v. 18.11.2021 - 1 S 803/19 - juris Rn. 88). Dabei führen bloße Unannehmlichkeiten oder Beschwernisse noch nicht zu Grundrechtseingriffen, sondern sind grundsätzlich noch hinzunehmen (BayVGH, U.v. 27.1.2012 - a.a.O. - juris Rn. 38; OLG München, B.v. 2.10.2008 - 34 Wx 10/08 - juris Rn. 32; OLG Celle, B.v. 23.6.2005 - 22 W 32/05 - juris Rn. 22). Generell stellen Maßnahmen, die mit einer Entkleidung verbunden sind, einen schwerwiegenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht dar (zu einer Entkleidung im Zusammenhang mit Durchsuchungen: BVerfG, B.v. 4.2.2009 - 2 BvR 455/08 - juris Rn. 25; VG Gießen, U.v. 27.9.2010 - 9 K 1708/09.GI - juris Rn. 18). Die Maßnahme kann allenfalls dann verhältnismäßig sein, wenn sie zum Schutz der in Gewahrsam genommenen Person selbst oder zum Schutz der Beamten vor Gefahren für Leib und Leben geboten erscheinen. Dies ist eine Frage des jeweiligen Einzelfalles.
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b) Nicht streitgegenständlich ist im vorliegenden Verfahren die Frage, ob eine Entkleidung im Zusammenhang mit einer evtl. durchgeführten Durchsuchung i.S.v. Art. 21 PAG zulässig ist. Nach dem gestellten Klageantrag zu 1 geht es vielmehr um die Frage, ob das bis auf die Unterwäsche erfolgte Entkleiden über die gesamte Dauer der Ingewahrsamnahme von ca. Ostersonntag, 12. April 2020 um 0.40 Uhr bis Montag, 13. April 2020 bis ca. 9.00 Uhr rechtswidrig war.
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Unter Auswertung der vorgelegten Akten und nach Durchführung der mündlichen Verhandlung sowie nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, bei der zwei vor Ort anwesende Polizeibeamte als Zeugen einvernommen worden sind, steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Klägerin über den gesamten Zeitraum der Ingewahrsamnahme nur mit Unterwäsche bekleidet im Gewahrsamraum festgehalten war.
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Die Klägerin selbst hat in der mündlichen Verhandlung glaubhaft geschildert, dass sie sich bei der „Einlieferung“ bis auf die Unterwäsche hat ausziehen müssen. Zwei Polizistinnen hätten ihr dabei geholfen, da sie einen Verband an der Hand gehabt habe. So sei sie in die Gewahrsamszelle verbracht worden. Die Kleidung sei ihr anschließend nicht mehr ausgehändigt worden. In Unterwäsche sei sie bis Montag in der Gewahrsamszelle gewesen. Erst vor dem Verbringen zum Haftrichter habe sie sich wieder anziehen können (S. 4 des Sitzungsprotokolls). Dies wurde von dem Beklagten auch nicht bestritten. Die in der mündlichen Verhandlung als Zeugin vernommene Polizeibeamtin hat bestätigt, dass die Kleidung der Klägerin in einem Sack im Vorraum der Gewahrsamszelle verpackt gewesen sei. Sie selbst habe der Klägerin die Kleidung bis zu ihrem Schichtende am 12. April 2020 gegen 7.00 Uhr nicht ausgehändigt. Auch der zweite Polizeibeamte, der in der mündlichen Verhandlung als Zeuge einvernommen worden ist, hat ausgesagt, dass er der Klägerin keine Kleidung gereicht habe. Die Klägerin hat des Weiteren glaubhaft geschildert, dass sie darauf bestanden habe, sich wieder anziehen zu können. Diesem Wunsch ist offensichtlich nicht nachgekommen worden.
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In diesem konkreten Einzelfall war die Maßnahme nicht verhältnismäßig. Gründe, die diese Maßnahme hätten rechtfertigen können, wurden nicht dargelegt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die bis auf die Unterwäsche vollständige Entkleidung und der dauerhafte Aufenthalt im Gewahrsamsraum ohne Oberbekleidung zum Eigenschutz oder zum Schutz der vor Ort anwesenden Beamten geboten gewesen wäre. Ausreichend wären in diesem Fall auch mildere Mittel, wie beispielsweise das Entfernen von Gürteln oder Kordeln etc., gewesen. Selbst im Hinblick auf die „Frühphase“ der Covid-Pandemie mit dem erstmaligen Lockdown am 16. März 2020 nur wenige Wochen vor dem Vorfall, wäre es zumindest erforderlich gewesen, der Klägerin entsprechende Ersatzkleidung, bei der keine Gefahr der Virenübertragung gegeben gewesen wäre, auszuhändigen. Auch die unstrittig gegebene Möglichkeit, sich mit der vorhandenen Decke zu schützen, war nicht ausreichend, den Grundrechtseingriff zu rechtfertigen. So kann eine Decke nicht in jeder Situation vor Blicken schützen, beispielsweise wenn man den Trinkwasserbecher durch die Gitterstäbe entgegennimmt. Auch beispielsweise in der Nacht besteht die Möglichkeit, dass die Decke wegrutscht und man ungeschützt den Blicken kontrollierender Polizeibeamter ausgesetzt ist. Vor allem auch angesichts der zeitlichen Dauer von über 30 Stunden ist diese Situation auch nicht mehr nur als bloße Unannehmlichkeit zu qualifizieren.
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Nach allem war diese Maßnahme unverhältnismäßig und verletzte die Klägerin in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG.
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2. Nicht rechtswidrig war es demgegenüber, dass der Klägerin nicht die Möglichkeit gegeben wurde, vor der Entfernung ihrer Kontaktlinsen die Hände zu waschen (Klageantrag zu 2).
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Das Recht der Klägerin auf körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ist insoweit nicht verletzt. Zum einen hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung selbst angegeben, dass ihr im Laufe der Tagschicht am 12. April 2020 ein Wasserbecher zur Aufbewahrung der Kontaktlinsen übergeben worden sei. Nach den glaubhaften Angaben des in der mündlichen Verhandlung einvernommenen Zeugen B. hat dieser auch mehrmals Becher mit Leitungswasser in die Gewahrsamsräume gereicht (S. 13 des Sitzungsprotokolls). Dieses Wasser hätte die Klägerin durchaus auch zum Reinigen ihrer Hände verwenden können. Davon abgesehen ist es auch möglich, Kontaktlinsen zu entfernen, ohne dass die Hände das Augeninnere berühren. Selbst wenn jedoch ein Kontakt erfolgen sollte, hat dies nicht zwangsläufig zur Folge, dass sich die Augen entzünden. Dies ist allenfalls als bloße Unannehmlichkeit zu qualifizieren. Gesundheitliche Beeinträchtigungen wurden weder vorgetragen noch nachgewiesen.
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3. Auch die Verweigerung weiterer warmer Decken trotz niedriger Temperaturen über die gesamte Dauer der Ingewahrsamnahme war nicht rechtswidrig.
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Auch darin liegt keine Verletzung des Rechts der Klägerin auf körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG vor. Die Klägerin hat zwar glaubhaft geschildert, dass sie nach einer weiteren Decke verlangt habe. Diese sei ihr auch gegeben worden. Dies wäre relativ zeitnah zur „Einlieferung“ gewesen (S. 4 des Sitzungsprotokolls). Zeuge B. hat geschildert, dass jedenfalls bei ihm nicht nach einer weiteren Decke verlangt worden sei (S. 14 des Sitzungsprotokolls). Die Zeugin W. konnte sich insoweit nicht mehr erinnern (S. 11 des Sitzungsprotokolls). Wie aus der schriftlichen Stellungnahme der PKin F. vom 4. Juli 2021 (Bl. 40 der Behördenakte) zu entnehmen ist, hat die Klägerin eine zweite Decke erhalten, wobei sie eine Decke als Kissen genutzt habe. Dies wird von der Klägerin auch nicht bestritten (vgl. S. 11 des Sitzungsprotokolls). Es ist somit davon auszugehen, dass die Klägerin trotz kalter Temperaturen, v.a. in der Nacht, am Osterwochenende 2020, mit zwei Decken und durch den Schutz des beheizten Gewahrsamraums auch bei eventueller Dauerlüftung mit offener Außentür und offener Haftzelle ausreichend geschützt war und demnach kein Grundrechtseingriff vorliegt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass es aufgrund der Pandemielage erforderlich war, eine ausreichende Belüftung sicherzustellen. Eine gesundheitliche Beeinträchtigung hat die Klägerin nicht behauptet und auch nicht nachgewiesen.
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4. Die „Einschaltung“ des Dauerlärmtons war ebenfalls nicht rechtswidrig (Klageantrag zu 4).
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Es steht insoweit nun unstrittig fest, dass es entgegen der früheren Ansicht der Klägerin der Dauerlärmton nicht aktiv eingeschaltet worden ist. Es handelt sich dabei vielmehr um einen Alarm-Ton, der bei einem Defekt der Heizung aktiviert wird. Dies geschieht automatisch. Nach Aussage der Zeugin W. ist der Ton in den Gewahrsamsräumen, v.a. wenn die Außentüre der Gewahrsamsräume offensteht, deutlich zu hören (S. 10 des Sitzungsprotokolls). Die Klägerin selbst hat ausgesagt, sich zunächst über den Ton nicht beschwert zu haben. Sie habe ihn auch erst später gehört. Bei Tagesanbruch sei er plötzlich weggewesen (S. 4 des Sitzungsprotokolls). Es habe sich angehört, wie wenn an einer Schalttafel ein Schalter umgelegt werde. Dann habe sie den Ton nicht mehr gehört. Der Bruder der Klägerin hat insoweit ergänzt, dass er etwa zwei Stunden nach Einsetzen des Tons den diensthabenden Beamten aufgefordert habe, diesen abzustellen. Dies sei dann auch geschehen (vgl. Protokoll im Verfahren Au 8 K 20.1956).
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Es ist demnach davon auszugehen, dass der Ton zum einen nicht ausreichend beeinträchtigend war, da sich die Klägerin bzw. ihr Bruder nicht unmittelbar beschwert haben. Zum anderen haben die Polizeibeamten umgehend auf die Beschwerde reagiert, da dann der Ton nicht mehr zu hören war. Es ist somit allenfalls von einer Unannehmlichkeit und nicht von einem Grundrechtseingriff auszugehen. Das Unterlassen des sofortigen Ausschaltens war insoweit nichts rechtswidrig.
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IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708, 711 ZPO.