Inhalt

VG München, Urteil v. 03.11.2021 – M 9 K 19.110
Titel:

Beseitigungsanordnung von Einmauerung und Einfriedung

Normenkette:
BayBO Art. 6 Abs. 2 S. 1, S. 7 Nr. 1, Art. 54 Abs. 2 S. 2, Art. 55 Abs. 1, Art. 76 S. 1
Leitsatz:
Wird eine Garage genehmigt als Terrasse genutzt und weist sie eine Höhe über drei Meter im Mittel auf, ist der Privilegierungstatbestand des Art. 6 Abs. 7 S. 1 BayBO nicht einschlägig. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beseitigung Mauer und Einfriedung, Absturzsicherung, Terrasse, Abstandsflächen, Garage, Nebengebäude, Mauer
Fundstelle:
BeckRS 2021, 44992

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Klägerin wendet sich gegen die baurechtliche Anordnung zur Beseitigung von Einmauerungen und einer Einfriedung entlang der Nordseite ihres Grundstücks.
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Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks FlNr. …, bebaut mit einem Einfamilienhaus. Das Grundstück liegt im Geltungsbereichs des Baubauungsplans Nr. 5 „P. … U. … Dorf“ der beigeladenen Gemeinde vom 27. November 1997, das für das Grundstück der Klägerin einen Bauraum für den Hauptbaukörper von 20 Meter Länge in Nord-Süd-Ausrichtung und 13 Meter Tiefe in Ost-West-Ausrichtung festsetzt. Für Einfriedungen ist nach der Festsetzung B 6.1 festgelegt, dass diese gegenüber öffentlichen Verkehrsflächen, seitlichen und rückwärtigen Grundstücksgrenzen nur als sockellose, senkrechte Holzlatten bzw. Staketenzäune mit einer maximalen Höhe von 1,20 Meter zulässig sind.
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Die Baugenehmigung für das Wohnhaus der Klägerin stammt vom 29. Februar 1972. Ausweislich der Baugenehmigung beträgt der Abstand an der Nordseite zur Grundstücksgrenze 3 Meter und die Tiefe in Ost-Westrichtung 12,50 m. Auf dem Garagendach wurde eine Terrassennutzung genehmigt mit einem Geländer, das als Absturzsicherung ein Besteigen durch Kinder verhindert, zum Beispiel durch enge Bretterabstände oder innere Verblendung, anderenfalls senkrechten Stäben mit maximalen Stababstand von 12 Zentimetern. Das Gelände ist stark hängig und fällt von Osten nach Westen R. Straße ab.
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Im Zusammenhang mit Bauvorhaben auf den nördlich angrenzenden Grundstücken FlNr. … und FlNr. … wurde bei einer Baukontrolle im Jahre 2012 festgestellt, dass auf dem Flachdach der klägerischen Garage anstelle des genehmigten Terrassengeländers eine Mauer aus Klinker, an der Nordseite ca. 1,83 Meter hoch, errichtet worden war (Bl. 55 ff. Behördenakte). Das Landratsamt hat mit Datum vom 25. September 2012 dazu vermerkt, dass im Hinblick auf das nördlich angrenzende genehmigte Gelände und die Stützmauer als Abschirmung zu der hochgelegenen Nachbarterrasse eine Befreiung möglich sei. Die Klägerin und ihr Ehemann wurden schriftlich aufgefordert, einen Antrag für eine isolierte Befreiung gem. § 31 Abs. 2 BauGB von der Festsetzung B 6.1 des Bebauungsplans bis zum 25. Oktober 2012 zu stellen. Ein Befreiungsantrag wurde nicht gestellt und die beigeladene Gemeinde hat im Vorfeld bereits unter Berufung auf Grundzüge der Planung die Ablehnung signalisiert.
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Aufgrund weiterer Beschwerden wegen Mauern und Zäunen wurde bei einer Baukontrolle am 27. Januar 2017 festgestellt, dass die Klinkerwand vom Garagendach aus 1,83 m hoch sei. Der Grenzabstand an der Nordseite zur nördlichen Grundstücksgrenze betrage wegen der Vormauerung aus Klinker, die 10 cm dick sei, nur 2,90 m. Auf der Garage sei an der Nordseite über zwei Geschosse eine Wandscheibe als Verlängerung der Giebelaußenwand errichtet worden, die an ihrem tiefsten Punkt 4,23 m und an der Gebäudeaußenwand ca. 5,50 m, gemessen ab Garagendach, hoch sei und eine Länge ab dem Wohngebäude von 3,42 m habe. Im Anschluss daran befinde sich eine Klinkerbrüstung von 1,83 Meter entlang der Terrasse sowie eine Vormauerung aus Klinker unterhalb der Schmalseite des Balkons. An der Nordseite des Grundstücks im Einfahrtsbereich entlang der Südgrenze der FlNr. … werde außerdem eine Einfriedung in Höhe von ca. 2 Metern mit waagerechten Holzlattenelementen parallel zur Stützmauer des Grundstücks FlNr. … gebaut, die bei der Baukontrolle noch nicht fertig war und teilweise auf FlNr. …, Gemeindegrund, stehe (Bl. 50 Behördenakte).
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Mit Schreiben vom 9. November 2017 wurden die Klägerin und ihr Ehemann nach einer Besprechung im Landratsamt aufgefordert, einen Bauantrag bis zum 31. Januar 2018 zu stellen (Bl. 96 Behördenakte). Mit Antwortschreiben vom 25. Januar 2018 an den Landrat mit Kopie an den Landtag teilten die Klägerin und ihr Ehemann dazu mit, dass der erbaute Sichtschutz ein Grundrecht sei, da die Fenstersimse des Nachbarn höhengleich mit ihrem Terrassenboden seien. Der Nachbar habe planabweichend gebaut und damals den Baukörper um 1 m nach Westen und Süden versetzt. Die Klinkermauer werde freiwillig auf 1,65 Meter reduziert. Seit 1970 würden sie durch Gemeinde und Ureinwohner schikaniert; die Gemeinde begehe seit dieser Zeit Straftaten, u.a. Erpressung, Schmiergeldforderung, Verleumdung und Rufmord. Die beigefügte chronologische Tabelle belege dies (Bl. 71 ff. der Behördenakte).
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Ausweislich eines Vermerks vom 8. Mai 2018 (Bl. 112 Behördenakte Rückseite) wurde durch das Landratsamt das Verfahren ausgesetzt, da der Ehemann der Klägerin gestorben sei. Mit Schreiben vom 6. September 2018 (Bl. 116 Behördenakte) teilte die Klägerin dazu mit, trotz des Todes ihres Ehemanns habe sich nichts geändert. Seit 50 Jahren gäbe es Hass und Krieg aus der Gemeinde wegen ihrer Weigerung, Schmiergelder zu bezahlen.
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Mit Bescheid vom 10. Dezember 2018 wurde die Klägerin verpflichtet, binnen drei Monate ab Unanfechtbarkeit die Wandscheibe zu entfernen, vgl. rotschraffierte Fläche der Anlage (Ziff. 1). Die Klägerin wurde weiter verpflichtet, binnen drei Monate ab Unanfechtbarkeit, die Vormauerung aus Klinker an der Nordseite zu entfernen, vgl. grün schraffierte Fläche der Anlage (Ziff. 2). Sie wurde weiter verpflichtet, binnen drei Monate nach Unanfechtbarkeit die Sichtschutzbrüstung aus Klinker zu entfernen und durch eine offene, filigrane Umwehrung als wirksame Absturzsicherung zu ersetzen, vgl. blau schraffierte Fläche der Anlage (Ziff. 3). Weiter wurde sie verpflichtet, binnen einen Monats nach Unanfechtbarkeit des Bescheids die ca. 2 m hohe Einfriedung auf ihrem Grundstück FlNr. … an der Südgrenze zu FlNr. … nach den Vorgaben des Bebauungsplans abzuändern bzw. zu beseitigen, vgl. Foto als Anlage (Ziff. 4). Unter Ziff. 5 wurden für den Fall der Nichterfüllung der Ziffern 1 und 2 Zwangsgelder in Höhe von 500 € und bei Nichterfüllung bei Verpflichtung nach Ziff. 3 und Ziff. 4 jeweils ein Zwangsgeld in Höhe von 250 € angedroht. Wandscheibe, Sichtschutzbrüstung und Vormauerung seien im Widerspruch zu bauplanungsrechtlichen und bauordnungsrechtlichen Vorschriften errichtet worden. Eine massive Abmauerung als Terrassengeländer widerspreche der Baugenehmigung vom 29. Februar 1972, wonach ein Geländer genehmigt wurde. Wandscheibe, Vormauerung und Sichtschutzbrüstung seien keine Mauern oder Stützmauern im Sinne des Artikel 57 Abs. 1 Nr. 7a BayBO, da sie höher seien als 2 m, bezogen auf das natürliche Gelände. Genehmigungsfähigkeit liege nicht vor, da der Bebauungsplan ebenfalls entgegenstehe. Durch die Wandscheibe werde der Bauraum für den Hauptbaukörper überschritten. Die Abstandsflächen im Bereich der Klinkervormauerung und der Sichtschutzbrüstung seien mit 2,90 Metern nicht eingehalten und eine Privilegierung der Garage im Sinne des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO (Art.6 Abs. 7 S.1 BayBO nF) läge wegen der Terrassennutzung und der Überschreitung der mittleren Wandhöhe nicht vor. Die Wandscheibe im Anschluss an den Balkon führe dazu, dass bezogen auf das natürliche Gelände eine Wandhöhe von 6 Metern überschritten werde, weshalb auch der Mindestabstand H 1/2 auf dem Baugrundstück nicht nachgewiesen werden könne; das 16 m Privileg, Art.6 Abs. 6 S.1 BayBO (Art.6 Abs. 5a S.2 BayBO nF) sei wegen der Länge des Hauptbaukörpers von 19 m nicht anwendbar. Die Anordnung in Ziff. 3, eine offene filigrane Absturzsicherung zu errichten, werde auf Art. 54 Abs. 2 Satz 2 BayBO als erforderliche Maßnahme zur Absturzsicherung gestützt. Die Einfriedung auf Höhe des Grundstücks FlNr. … widerspreche der Festsetzung B 6.1 des Bebauungsplans, der eine maximale Höhe von 1,20 Meter festsetze. Ein Antrag auf isolierte Befreiung sei zum einen nicht gestellt worden und zum anderen habe die Gemeinde die Ablehnung bereits zu erkennen gegeben. Die Anordnungen seien ermessensgerecht unter Berücksichtigung des Verstoßes gegen Abstandsflächenrecht, der nachbarrechtlichen Belange und der Planungshoheit der Gemeinde.
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Mit Schreiben vom 4. Januar 2019 erhob die Klägerin Klage und beantragte,
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Aufhebung des Bescheids vom 10. Dezember 2018.
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Die Bevollmächtigten begründeten mit Schriftsatz vom 15. April 2019 die Klage. Bereits 2012 sei wegen der heranrückenden Nachbarbebauung auf den FlNr. …, … und … Mauern und Einfriedung als Schutz errichtet worden. Auf den Nachbargrundstücken sei ohne Einhaltung von Abstandsflächen gebaut worden. Zur Klägergrenze hin sei eine Abböschung durch Stützmauern erfolgt. Seit 2012 habe die Klägerin keine Baumaßnahmen mehr durchgeführt. Es gebe mildere Mittel. Für die Wandscheibe werde ein Bauantrag mit Befreiungsantrag vom Bebauungsplan gestellt werden, da Genehmigungsfähigkeit als Sicht- und Rauchschutz gegenüber der Terrasse und dem Kamin der Nachbarn bestehe und da diese einen Abstand von 3 Metern zum Nachbargrundstück einhalte. Die Vormauerung sei genehmigungsfähig, da die Klinker aus ästhetischen Gründen an der Wand angebracht worden seien und die Abstandsflächen nur marginal überschritten würden. Die Sichtschutzbrüstung sei genehmigungsfähig, da es sich um einen nichtabstandsflächenrelevanten Sichtschutz handele und da nur die Brüstung gegenüber dem Nachbargrundstück FlNr. … liege und nicht das Hauptgebäude. Die Einfriedung sei genehmigungsfähig und ein Befreiungsantrag werde gestellt, da diese zur Sicherung des eigenen Grundstücks errichtet worden sei, bevor auf dem deutlich aufgefüllten Nachbargrundstücks FlNr. … eine Absturzsicherung angebracht worden sei und da die Gesamthöhe ähnlich sei wie die der Nachbarn. Wegen der Höhe des Nachbargrundstücks sei die im Bebauungsplan für Einfriedungen festgesetzte Höhe von 1,20 Metern zu niedrig. Eine besondere Härte läge wegen des Todes des Ehemanns der Klägerin vor und da bereits 2012 alles errichtet worden sei.
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Das Landratsamt beantragte,
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Klageabweisung.
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Weder ein Befreiungsantrag noch ein Bauantrag seien gestellt worden. Die überbaubare Grundstücksfläche, die der Bebauungsplan festsetze, werde ebenfalls nicht eingehalten. Die Nachbarn hielten die Abstandsflächen ein und dies sei aufgrund von Beschwerden der Klägerin bauaufsichtlich geprüft worden.
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Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage hat keinen Erfolg.
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Der Bescheid vom 10. Dezember 2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten, § 113 VwGO.
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Die gem. Art. 55 Abs. 1 BayBO genehmigungspflichtige Wand an der Nordseite des Grundstücks und die Einfriedung im Zufahrtsbereich sind formell und materiell baurechtswidrig, sodass die Eingriffsvoraussetzungen des Art. 76 Satz 1 und Satz 2 BayBO für eine Beseitigungsanordnung und des Art. 54 Abs. 2 S.2 BayBO für ein Terrassengeländer vorliegen. Die Baumaßnahmen sind nicht genehmigungsfähig und ein Anspruch auf eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans besteht nicht. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die Begründung des Bescheids Bezug genommen. Ergänzend gilt folgendes:
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1. Die Anordnung zur Errichtung eine Absturzsicherung auf der Terrasse wurde zu Recht auf Art. 54 Abs. 2 S.2 BayBO gestützt, da die für die Terrasse oberhalb der Garage eine Baugenehmigung vorliegt und ohne Absturzsicherung nach dem Ergebnis des Augenscheins wegen der Höhe und dem hängigen Gelände zweifelsfrei die Voraussetzungen des Art. 54 Abs. 4 BayBO, Gefahr für Leib und Leben, erfüllt sind.
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2. Nach dem Ergebnis des Augenscheins und der mündlichen Verhandlung wurde zu keinem Zeitpunkt ein Bauantrag oder ein Befreiungsantrag von den Festsetzungen des Bebauungsplans gestellt. Wegen der Hängigkeit des Geländes und der dichten Bepflanzung entlang der gemeinsamen Grenze zum Nachbarn im Norden, ist eine exakte Höhenbestimmung der Wandscheibe und der Sichtschutzbrüstung nur durch eine Vermessung möglich und diese ist durch die Klägerseite im Rahmen eines Bauantrags vorzulegen. Unter Berücksichtigung des Geländes, der jetzt vorhandenen Wandhöhen und des Abstands von 3 Metern zur Grundstücksgrenze steht nach dem Ergebnis des Augenscheins fest, dass die Abstandsflächen nicht auf dem Baugrundstück nachgewiesen werden.
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3. Soweit schriftsätzlich vorgetragen wurde, dass Wandscheibe und Sichtschutzbrüstung zum Schutz vor Einblicksmöglichkeiten vom Nachbargrundstück aus notwendig seien, hat sich dies durch den Augenschein nicht bestätigt. Die Wohnhäuser auf den FlNr. … und … im Norden liegen beide nicht gegenüber dem Wohngebäude der Klägerin, sondern dazu versetzt. Das Wohnhaus auf FlNr. … liegt etwa zur Hälfte gegenüber der auf der Garage befindlichen Terrasse der Klägerin. Unter Berücksichtigung dessen, dass die Abstandsflächen der Nachbargebäude eingehalten werden, ist es im bewohnten Gebiet sozialüblich, dass von nebenan auf die Terrasse des Nachbarn gesehen werden kann. Eine besondere Schutzbedürftigkeit gegen Einsichtsmöglichkeiten ist für eine Terrassennutzung nicht erkennbar.
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4. Die Vormauerung aus Klinker hat zur Folge, dass die gesamte betroffene Wand die Mindestabstandsfläche von 3 Metern nicht einhält. Dies verstößt materiell gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayBO, wonach vor den Außenwänden von Gebäuden Abstandsflächen von oberirdischen Gebäuden freizuhalten sind, deren Tiefe sich nach der Wandhöhe bemisst (Art. 6 Abs. 4 bis 6 BayBO), jedoch mindestens 3 m beträgt (Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO). Die Garage kann als Nebengebäude nicht gem. Art. 6 Abs. 7 BayBO außer Betracht bleiben, da wegen der Nutzung als Terrasse und der Höhe über drei Meter im Mittel der Privilegierungstatbestand des Art. 6 Abs. 7 S.1 BayBO nicht einschlägig ist.
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Die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenregelungen sind zugunsten des Eigentümers des unmittelbar angrenzenden Nachbargrundstückes drittschützend, ohne dass es dabei auf eine einzelfallbezogene Unzumutbarkeit bzw. auf eine tatsächliche oder spürbare Betroffenheit des Nachbarn ankommt (Hahn/Kraus in Simon/Busse, BayBO, Art. 6 Rn. 604 ff.). Die betroffenen Nachbarn haben deshalb Schutzanspruch, aufgrund dessen ein bauordnungsrechtliches Eingreifen aus Art. 76 BayBO regelmäßig geboten ist.
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Nach dem Ergebnis des Augenscheins ist eine Beseitigung ohne weiteres möglich, da es sich um aufgesetzte Klinker mit einer Tiefe von 10 Zentimetern handelt und nicht um tragende Bestandteile der Wand. Unter Berücksichtigung dessen ist nicht ersichtlich, warum eine Entfernung unverhältnismäßig sein sollte. Der Mindestabstand von 3 Metern dient als Sozialabstand und der Berücksichtigung nachbarrechtlicher Belange. Es ist nicht zu beanstanden, wenn entsprechende Befreiungen nicht erteilt werden, zumal, wenn wie hier seit Jahren Streit über die Abstandsflächen besteht.
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5. Das Landratsamt ist zu Recht davon ausgegangen, dass wegen der massiven Mauern durch Wandscheibe und Terrassenmauer ein einheitlicher Baukörper vorliegt. Als Folge der genehmigten Terrassennutzung ist die Garage nicht mehr in den Abstandsflächen nach Art.6 Abs. 7 Nr.1 BayBO privilegiert. Dies hat zur Folge, dass für die Bemessung der Abstandsflächen die Gesamthöhe einschließlich der Terrassenmauer maßgeblich ist und deshalb an der straßenseitigen Nord-Ecke des Gebäudes eine gesamte Höhe von 5,65 m zugrunde zu legen ist. Ausweislich der Baugenehmigung (Kopie in der Behördenakte) hat das Wohnhaus der Klägerin an der Nordgrenze einschließlich des Balkons im 1.OG mit einer Länge von 14 m. Dazu kommt die Terrasse auf der Garage mit einer zusätzlichen Länge von 6,50 m. Wegen der Gesamtlänge von über 20,50 m ist das Landratsamt zutreffend davon ausgegangen, dass die durch Bebauungsplan festgesetzte Tiefe des Bauraums von 13 Metern und damit auch die überbaubare Grundstücksfläche überschritten wird. Nach dem Ergebnis des Augenscheins und der Umgebungsbebauung liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Festsetzungen des Bebauungsplans funktionslos geworden sind.
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6. Keine rechtlichen Bedenken bestehen gegen die Anordnung, die Einfriedung entlang der nördlichen Grundstücksgrenze auf Höhe der FlNr. … zu entfernen. Zum einen steht diese Einfriedung in Teilen auf Gemeindegrund; entsprechende Unterlagen wurden in der mündlichen Verhandlung eingesehen. Zum anderen gibt es keine tatsächliche Notwendigkeit dafür, parallel und im geringen Abstand zur Stützmauer und darauf errichteter Einfriedung des Nachbargrundstücks eine 2 Meter hohe Holzwand in begrenzter Länge zu errichten. Nach dem Ergebnis des Augenscheins ist es bereits fraglich, ob es sich tatsächlich um eine Einfriedung handelt, da es sich um ein freistehendes Wandstück handelt, das keinen erkennbaren Bezug zu den Zwecken einer Einfriedung hat. Zum anderen rechtfertigt die Tatsache, dass der Nachbar wegen der Aufschüttung seines Grundstücks eine Stützmauer benötigt, nicht, dass parallel dazu in Abweichung von den Festsetzungen des Bebauungsplans eine freistehende Wand errichtet wird, bei der es sich nicht um den sinnvollen Teil einer Einfriedung oder Grenzwand handelt und die auch völlig ungeeignet als Absturzsicherung des höher liegenden Nachbargrundstücks ist und war. Bereits aufgrund der Tatsache, dass die Wand auf fremden Grund steht, rechtfertigt die Anordnung der Beseitigung und des Rückbaus, da eine Befreiung von vornherein ausscheidet, § 31 Abs. 2 BauGB. Die Gemeinde lehnt eine Wand auf ihrem Grund ab.
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7. Die Beseitigungsansprüche sind auch nicht verwirkt oder dadurch untergegangen, dass die Arbeiten seit dem Jahr 2012 der Beklagten bekannt sind. Das Landratsamt hat sich in Gesprächen um eine baurechtliche Lösung bemüht und das Verfahren mit Rücksicht auf die persönliche Situation der Klägerin zeitweilig nicht betrieben. Angeforderte Anträge hat die Klägerin nie gestellt. Ein baurechtswidriger Zustand wird nicht durch Zeitablauf legal und eine aktive Duldung des baurechtswidrigen Zustands wurde nie erteilt oder in Aussicht gestellt.
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8. Die Anordnungen sind ermessensgerecht und verhältnismäßig. Weder die Wand noch die Einfriedung sind baurechtlich genehmigungsfähig. Ein Anspruch auf Befreiung wegen einer Ermessenreduzierung auf Null gem. § 31 Abs. 2 BauGB besteht nicht, da sich die Beigeladenen nach dem Ergebnis des Augenscheins in rechtlich nicht zu beanstandender Weise auf die Grundzüge der Planung beruft und da nachbarliche Interessen entgegenstehen. Ein milderes Mittel als die angeordnete Beseitigung ist nicht erkennbar und gegen die Verhältnismäßigkeit der Anordnungen bestehen keine rechtlichen Bedenken. Über die Jahre hinweg ist trotz mehrfacher Bemühungen des Landratsamts und trotz der Ankündigung im Klageverfahren kein Bauantrag und kein Befreiungsantrag gestellt worden. Es war nach Aktenlage und nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung zu keinem Zeitpunkt auch nur ansatzweise die Bereitschaft der Klägerin zu erkennen, baurechtskonforme Zustände herzustellen oder eine nachbarrechtlich abgestimmte Einigung zu ermöglichen. Unter Berücksichtigung dessen, dass die Gemeinde und die Nachbarn erklärtermaßen nicht damit einverstanden sind, hat der Beklagte zu Recht angenommen, dass keine Befreiungsmöglichkeit besteht. Unter Berücksichtigung des Gesamteindrucks einer langen und hohen Wand liegt nicht mehr ein nur geringfügiger Verstoß gegen Baurecht vor. Inwiefern auch für eine Holzwand im Einfahrtsbereich mit allenfalls losem Bezug zu einer Einfriedung eine Befreiung erteilt werden sollte, ist nicht erkennbar.
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Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 VwGO abzuweisen. Es entspricht der Billigkeit, dass die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten selber trägt, da sie keinen Antrag gestellt hat. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO.