Titel:
Abschiebungsandrohung nach Widerruf der Flüchtlingsanerkennung
Normenkette:
AufenthG § 50 Abs. 1, § 58 Abs. 2 S. 2, § 59 Abs. 1, Abs. 2
Leitsätze:
1. Eine Abschiebungsandrohung ist nicht etwa deshalb rechtswidrig, weil die Möglichkeit der Abschiebung in den bezeichneten Zielstaat unsicher ist. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine nach islamischem Ritus geschlossene, religiöse Ehe genießt keinen aufenthaltsrechtlichen Schutz. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Isolierte Abschiebungsandrohung, Langjährige Duldung, Religiöse Ehe, „hinkende“ Ehe, Widerruf der Flüchtlingsanerkennung, Ausreiseaufforderung, Abschiebungsandrohung, religiöse Ehe, „hinkende" Ehe
Fundstelle:
BeckRS 2021, 44553
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen eine Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung.
2
Der Kläger ist ein irakischer Staatsangehöriger, der im Jahr 1998 in die Bundesrepublik Deutschland einreiste und hier am 04.01.1999 einen Asylantrag stellte. Mit Bescheid vom 30.04.1999 stellte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (nunmehr Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - im Folgenden: Bundesamt) fest, dass dem Kläger im Irak politische Verfolgung drohe und daher die Voraussetzungen des damals geltenden § 51 Abs. 1 Ausländergesetz hinsichtlich Irak vorlägen.
3
Mit Bescheid vom 30.03.2005 widerrief das Bundesamt die im Bescheid vom 30.04.1999 getroffene Feststellung und stellte zudem fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG sowie Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorlägen.
4
In einem Schreiben vom 05.11.2005 an die damals für den Kläger zuständige Ausländerbehörde teilte das Bundesamt mit, dass der Bescheid vom 30.03.2005 am 06.10.2005 als zugestellt gelte und Bestandskraft am 21.10.2005 eingetreten sei.
5
Den Bescheid vom 30.03.2005 hatte der Kläger nicht gerichtlich angegriffen.
6
Erstmals am 15.12.2005 erhielt der Kläger eine Duldung.
7
Da sein Aufenthaltsort unbekannt war und er die zugewiesene Gemeinschaftsunterkunft nicht bezogen hatte, wurde der Kläger am 01.02.2006 nach unbekannt verzogen abgemeldet.
8
Am 05.01.2007 wurde der Kläger, der sich zuvor in den Niederlanden aufgehalten hatte, von den niederländischen Behörden nach Deutschland überstellt.
9
In der Folgezeit erhielt der Kläger fortlaufend Duldungen. Als Duldungsgrund wurde zuletzt „faktisches Abschiebeverbot Irak“ angegeben.
10
Am 06.03.2009 heiratete der Kläger die deutsche Staatsangehörige …S. im Bundesgebiet nach islamischem Ritus. Zum Schluss der bürgerlich-rechtlichen Ehe, den der Kläger beabsichtigt hatte, kam es nicht, weil das zuständige Oberlandesgericht dem Kläger im Hinblick auf eine bereits in seinem Herkunftsland geschlossene Ehe keine Befreiung von der Beibringung eines Ehefähigkeitszeugnisses erteilte.
11
Der Kläger wurde während seines Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland wiederholt strafrechtlich verurteilt. Am 03.02.2020 wies das Bundeszentralregister 14 nicht getilgte Verurteilungen auf.
12
Im Hinblick auf die strafrechtlichen Verurteilungen wies der Beklagte den Kläger bereits mit Bescheid vom 31.01.2018 aus der Bundesrepublik Deutschland aus. Die hiergegen gerichtete Klage zum Verwaltungsgericht Bayreuth (B 6 K 18.213) wurde in der Hauptsache für erledigt erklärt, nachdem der Beklagte den Ausweisungsbescheid zurückgenommen hatte. Das Klageverfahren wurde daraufhin mit Beschluss vom 13.07.2020 eingestellt.
13
Mit Bescheid vom 15.07.2020 wurde der Kläger aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe des Bescheids zu verlassen; andernfalls wurde ihm die Abschiebung in den Irak oder einen anderen Staat, in den er einreisen darf bzw. der zu seiner Übernahme verpflichtet ist, angedroht (Ziffer 1). Für den Fall der Abschiebung wurde das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf drei Jahre, beginnend mit dem Tag der Abstimmung, befristet (Ziffer 2).
14
Zur Begründung des Bescheids wurde im Wesentlichen ausgeführt: Rechtsgrundlage für die Abschiebungsandrohung sei § 59 Abs. 1 und 2 AufenthG. Eine vorherige Anhörung des Klägers sei gemäß Art. 28 Abs. 2 Nr. 5 BayVwVfG entbehrlich. Der Kläger sei gemäß § 50 Abs. 1 AufenthG ausreisepflichtig, da er nicht über den erforderlichen Aufenthaltstitel verfüge. Die Ausreisepflicht sei auch gemäß § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG vollziehbar, da der Widerrufsbescheid des Bundesamts vom 30.03.2005 bereits seit dem 21.10.2005 bestandskräftig sei. Die gesetzte Frist liege innerhalb des gesetzlichen Rahmens des § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Der Abschiebungsandrohung stehe es nicht entgegen, falls zweifelhaft sei, ob überhaupt die Möglichkeit der Abschiebung bestehe oder feststehe, dass die Abschiebung auf absehbare Zeit nicht durchführbar sei. Duldungsgründe gemäß § 60a AufenthG stünden dem Erlass einer Abschiebungsandrohung ebenfalls nicht entgegen. Die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots sei nach pflichtgemäßem Ermessen erfolgt. Besondere persönliche Verhältnisse des Klägers, wie etwa familiäre Belange, die eine kürzere Frist als drei Jahre rechtfertigen könnten, seien nicht ersichtlich. Insbesondere begründe die religiöse Ehe zu der deutschen Staatsangehörigen … S. kein Bleiberecht.
15
Gegen den Bescheid vom 15.07.2020 ließ der Kläger am 17.08.2020 Klage erheben mit dem Antrag,
den Bescheid des Beklagten vom 15.07.2020 aufzuheben.
16
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Die Abschiebungsandrohung sei rechtswidrig. Die letzte strafrechtliche Verurteilung des Klägers sei bereits im Jahr 2015 erfolgt. Seitdem habe der Kläger keinerlei Straftaten begangen. Zudem sei mit der Abschiebung des Klägers in den Irak aufgrund der gegenwärtigen dortigen politischen Situation eine erhebliche Gefährdung für Leib und Leben verbunden, weshalb die Abschiebungsandrohung jedenfalls unverhältnismäßig sei.
17
Der Beklagte beantragt,
18
Zur Begründung wurde ausgeführt: Die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung stütze sich nicht auf die in der Vergangenheit vom Kläger begangenen Straftaten, sondern auf die vollziehbare Ausreisepflicht. Die Abschiebungsandrohung sei nicht aufgrund zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote rechtswidrig. Das Bundesamt habe mit Bescheid vom 30.03.2005 festgestellt, dass solche Abschiebungsverbote nicht vorlägen. Die Abschiebung von Straftätern in den Irak sei auch grundsätzlich möglich und es bestehe diesbezüglich kein Abschiebestopp. Dabei sei es unerheblich, dass der Kläger seit mehreren Jahren nicht mehr strafrechtlich in Erscheinung getreten sei.
19
Mit Schriftsätzen vom 25.02.2021 bzw. 01.03.2021 verzichteten die Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
20
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
21
Die zulässige Klage, über die mit Einverständnis der Beteiligten gem. § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte, ist unbegründet. Denn die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sowie das Einreise- und Aufenthaltsverbot im Bescheid vom 15.07.2020 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
22
1. Die Ausreiseaufforderung in Ziffer 1, 1. Halbsatz des Bescheids vom 15.07.2020 ist lediglich ein Hinweis auf die gemäß § 50 Abs. 1 AufenthG kraft Gesetzes bestehende Ausreisepflicht ohne eigenen Regelungsgehalt (vgl. Dittrich/Breckwoldt in HTK-AuslR, Rechtsschutz gegenüber einer Ausreiseaufforderung / 2.4.1, Stand 04.10.2020, Rn. 1 m.w.N.).
23
Der Beklagte ist für die Abschiebungsandrohung in Ziffer 1, 2. Halbsatz des angegriffenen Bescheids zuständig, da eine solche nach einer Widerrufsentscheidung gem. § 73 Abs. 1 AsylG der Ausländerbehörde und nicht dem Bundesamt obliegt (BVerwG, U.v. 23.11.1999 - 9 C 16/99 - BVerwGE 110, 111; Bergmann in Bergmann/Dienelt, 13. Aufl. 2020, § 73 AsylG Rn. 31; Müller in NK-AuslR, 2. Aufl. 2016, § 34 AsylG Rn. 9; Funke-Kaiser in GK-AufenthG, Stand August 2020, § 59 Rn. 18).
24
Die Abschiebungsandrohung genügt den gesetzlichen Anforderungen, wie sie sich insbesondere aus § 59 AufenthG ergeben. Der Kläger, dessen Schutzstatus nach dem früher geltenden § 51 Abs. 1 AuslG bestandskräftig widerrufen wurde, ist gemäß § 50 Abs. 1 AufenthG ausreisepflichtig, da er den gemäß § 4 Abs. 1 AufenthG erforderlichen Aufenthaltstitel nicht besitzt. Ob die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung neben der Ausreisepflicht auch deren Vollziehbarkeit voraussetzt, ist umstritten (vgl. Kluth in BeckOK AuslR, Stand 01.01.2021, § 59 AufenthG Rn. 7 ff.), bedarf jedoch keiner Entscheidung, weil die Ausreisepflicht hier infolge der Bestandskraft des Widerrufsbescheids vom 30.03.2005 gemäß § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG vollziehbar ist.
25
Sofern der Vortrag des Klägerbevollmächtigten zu den politischen Verhältnissen im Irak darauf abzielen sollte, dass dem Kläger im Irak politische Verfolgung drohe oder Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG bestünden, ist festzustellen, dass die Ausländerbehörde gemäß §§ 6 und 42 Satz 1 AsylG an die Entscheidung des Bundesamts gebunden ist. Im Widerrufsbescheid vom 05.11.2005 hat das Bundesamt die Gefahr politischer Verfolgung sowie die Voraussetzungen von Abschiebungsverboten (u.a.) nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG verneint. Diese Bindungswirkung besteht fort, solange die Entscheidung des Bundesamts wirksam, d. h. nicht aufgehoben oder geändert worden ist (OVG Saarl, B.v. 25.09.2019 - 2 A 284/18 - BeckRS 2019, 24329 Rn. 17; Pietzsch in BeckOK AuslR, § 42 AsylG Rn. 11). Insbesondere bleibt die Bindungswirkung auch bei einer nachträglichen Änderung der Sach- oder Rechtslage bestehen. Die Ausländerbehörde hat hinsichtlich zielstaatsbezogener Abschiebungshindernisse insoweit keine eigene Entscheidungskompetenz. Es obliegt dem Ausländer, eine aus seiner Sicht eingetretene Änderung der Sach- und Rechtslage in dem dafür vorgesehenen Verfahren vor dem Bundesamt geltend zu machen (NdsOVG, B.v. 26.02.2018 - 13 ME 438/17 - BeckRS 2018, 3212 Rn. 14; Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, § 42 AsylG Rn. 7; Pietzsch in BeckOK AuslR, § 42 AsylG Rn. 11).
26
Das Vorliegen von Duldungsgründen berührt die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung nicht, § 59 Abs. 3 Satz 1 AufenthG. Dabei bedeutet der Gesetzeswortlaut des § 59 Abs. 3 Satz 1 AufenthG („Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung“) nicht etwa, dass zwischen vorübergehenden und anderen Duldungsgründen unterschieden werden müsste (Hailbronner in Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Oktober 2020, § 59 AufenthG Rn. 32). Insbesondere ist eine Abschiebungsandrohung nicht deshalb rechtswidrig, weil die Möglichkeit der Abschiebung in den bezeichneten Zielstaat unsicher ist (BVerwG, U.v. 10.07.2003 - 1 C 21/02 - NVwZ 2004, 352/353; Hailbronner, a.a.O., Rn. 31; Funke-Kaiser in GK-AufenthG, § 59 Rn. 53). Denn die Abschiebungsandrohung dient der Durchsetzung der Ausreisepflicht auch dadurch, dass der Ausländer zur freiwilligen Ausreise verlasst werden soll, ohne damit zwangsläufig eine Abschiebung zu ermöglichen. Lediglich in besonderen Ausnahmefällen, in denen die Vollstreckung der Ausreisepflicht absolut ausgeschlossen ist, kann eine Abschiebungsandrohung als rechtswidrig angesehen werden (Hailbronner, a.a.O., Rn. 32 und 39). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier ersichtlich nicht vor. Der Beklagte hat vorgetragen, dass die Abschiebung von Straftätern in den Irak grundsätzlich möglich ist und auch durchgeführt wird. Er hat in diesem Zusammenhang auf eine am 02.12.2020 durchgeführte Sammelabschiebung verwiesen. Dem Gericht ist aus anderen Verfahren bekannt, dass dieser Vortrag des Beklagten zutreffend ist.
27
Der Vortrag, dass der Kläger in jüngerer Zeit straffrei gewesen sei, mag im Ausweisungsverfahren beachtlich sein, ist für die Rechtmäßigkeit der hier streitgegenständlichen Abschiebungsandrohung jedoch unerheblich.
28
2. Das gemäß Ziffer 2 des Bescheids vom 15.07.2020 auf drei Jahre befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot begegnet ebenfalls keiner durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Zwar erfordert die aktuelle Gesetzesfassung des § 11 Abs. 1 AufenthG nicht nur eine Befristung, sondern eine behördliche Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots. Eine behördliche Befristungsentscheidung genügt jedoch dem Anordnungserfordernis (vgl. BVerwG, B.v. 13.7.2017 - 1 VR 3.17 - NVwZ 2017, 1531; B.v. 22.8.2017 - 1 A 10.17 - NVwZ 2018, 345; U.v. 21.8.2018 - 1 C 21.17 - NVwZ 2019, 483).
29
Ermessensfehler i.S.d. § 114 Satz 1 VwGO sind nicht ersichtlich. Die Befristung liegt innerhalb des gesetzlichen Regelrahmens gem. § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG. Insbesondere war der Beklagte nicht gehalten, die von dem Kläger nach islamischem Ritus geschlossene Ehe mit der deutschen Staatsangehörigen …S. besonders zu berücksichtigen. Eine solche religiöse Ehe genießt keinen aufenthaltsrechtlichen Schutz (BVerwG, B.v. 21.08.2018 - 1 A 16.17 - BeckRS 2018, 23003 Rn. 85; B.v. 30.08.2017 - 1 VR 5.17 - BeckRS 2017, 126166 Rn. 51; B.v. 13.07.2017 - 1 VR 3/17 - NVwZ 2017, 1531 Rn. 76; U.v. 27.01.2009 - 1 C 40/07 - juris Rn. 16). Es muss zudem im vorliegenden Klageverfahren davon ausgegangen werden, dass die von dem Kläger in seinem Heimatland geschlossene und in Deutschland (zwischenzeitlich) verschwiegene Ehe fortbesteht. Im Jahr 2013 beabsichtigte der Kläger eine bürgerlich-rechtliche Eheschließung mit der ihm religiös angetrauten …S. Hierzu kam es jedoch nicht, weil das Oberlandesgericht … ihm - wegen der in den behördlichen Ausländerakten enthaltenen Angaben des Klägers zu einer im Irak geschlossenen Ehe - keine Befreiung von der Beibringung eines Ehefähigkeitszeugnisses erteilt hat (siehe Schreiben des zuständigen Standesamts an die Ausländerbehörde der Stadt … vom 27.05.2013; Bl. 165 f. der Behördenakte Band 2). Dass sich die Sachlage seitdem wesentlich geändert hätte, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Unter Berücksichtigung dessen müsste die religiöse Eheschließung mit der deutschen Staatsangehörigen …S. ohnehin auch als eine nicht unter dem Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG stehende Mehrehe angesehen werden (vgl. dazu OVG NW, B.v. 06.01.2009 - 18 B 1914/08 - NVwZ-RR 2009, 539; Marx, Aufenthalts-, Asyl- und Flüchtlingsrecht, 6. Aufl. 2017, § 6 Rn. 10, jeweils m.w.N.). Ohne dass es hier noch entscheidungserheblich darauf ankommt, weist das Gericht zudem noch darauf hin, dass der religiösen Eheschließung vorliegend auch nicht unter dem rechtlichen Gesichtspunkt, dass sie zumindest nach dem Recht des Herkunftsstaates des Klägers anzuerkennen sei (sog. „hinkende Ehe“; vgl. dazu Marx, a.a.O., Rn. 8; Eichenhofer in Huber/Eichenhofer/Endres de Oliveira, Aufenthaltsrecht, 1. Aufl. 2017, Rn. 737), Bedeutung zukommen kann. Zwar ist nach irakischem Recht eine nach religiösem Ritus geschlossene Ehe auch ohne behördliche Registrierung staatlich anerkannt (VG Oldenburg, U.v. 02.01.2018 - 3 A 4808/18 - BeckRS 2018, 114). Das irakische Recht schließt auch eine Mehrehe nicht grundsätzlich aus, sondern macht diese von einer Erlaubniserteilung, die an bestimmte Voraussetzungen gebunden ist, abhängig (§ 3 Abs. 4 des irakischen Gesetzes über das Personalstatut, G Nr. 188 v. 1959, i.d.F. der beiden ÄnderungsG Nr. 11 v. 1963 und Nr. 21 v. 1978, zitiert nach: Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Stand März 2021, unter: „Irak, III. Das Ehe- und Kindschaftsrecht, B. Gesetze“). Dafür, dass diese Voraussetzungen nach irakischem Recht erfüllt wären, ist nichts vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich.
30
Auch unabhängig von der Frage der Eheschließung ist nichts dafür ersichtlich, dass der Beklagte die persönlichen Bindungen des Klägers im Bundesgebiet im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung rechtsfehlerhaft gewichtet hätte.
31
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.