Titel:
Teilweise erfolgreiche Klage gegen die Feststellung von Mängeln in einem Wohn- und Pflegeheim
Normenkette:
PfleWoqG Art. 3, Art. 12, Art. 17a Abs. 1 S. 2 Nr. 3
Leitsätze:
1. Mängel in einem Wohn- und Pflegeheim sind alle Abweichungen von den Anforderungen des PfleWoqG. Davon sind auch Abweichungen von den Anforderungen der AVPfleWoqG umfasst. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Feststellung eines Mangels erfordert, dass der von der Behörde im Rahmen der Prüfung festgestellte Sachverhalt zutreffend ermittelt wurde und er tatsächlich eine solche Abweichung darstellt. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
3. Es liegt ein Mangel vor, wenn der kleine Deckel eines Tuchspendersystems im Vortränksystem bei Nichtgebrauch nicht vollständig verschlossen ist. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
4. Zu den Anforderungen, die stationäre Einrichtungen hinsichtlich ärztlicher und gesundheitlicher Betreuung sicherzustellen haben, gehört, dass Arzneimittel ordnungsgemäß und bewohnerbezogen aufbewahrt werden, wofür grundsätzlich der Träger zuständig ist. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
5. Da diese Zuständigkeitszuschreibung in einem Spannungsverhältnis mit der gesetzlichen Forderung steht, der Träger solle Selbstständigkeit und Selbstverantwortlichkeit stärken und fördern, bedarf es einer individuellen Abwägung beider Schutzgüter. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
6. Bei der Abwägung ist der Wahrscheinlichkeit und der möglichen Schwere einer durch die nicht ordnungsgemäße Aufbewahrung verursachten Gesundheitsbeeinträchtigung ebenso erhebliches Gewicht beizumessen wie der Frage, wieviel stärker alternative Aufbewahrungsformen die Bewohnerrechte beschneiden würden. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
heimrechtlicher Prüfbericht, Prüfbericht der FQA, erneut festgestellter Mangel, maßgeblicher Beurteilungszeitraum, Anforderungen der Hygiene, gesundheitliche Betreuung, Flächendesinfektion, Tuchspendersystem im Vortränksystem, ordnungsgemäße Aufbewahrung von Arzneimitteln in einem Bewohnerzimmer, offene Lagerung, Selbstverantwortung, Beratung, Prüfbericht, Mangel, Pflegeheim, Tuchspendersystem, Vortränksystem, Aufbewahrung, Arzneimittel, Bewohnerzimmer
Fundstelle:
BeckRS 2021, 44478
Tenor
1. Ziffer IV.2. des Prüfberichts des Landratsamts ... vom 17.01.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von Oberfranken vom 11.12.2019 wird aufgehoben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Der Kläger und der Beklagte tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung von bestimmten Mängeln in einem von ihm betriebenen Wohn- und Pflegeheim durch den Prüfbericht des Landratsamts … vom 17.1.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von Oberfranken vom 11.12.2019.
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Am 5.11.2018 nahm die Fachstelle für Pflege- und Behinderteneinrichtungen - Qualitätsentwicklung und Aufsicht (FQA) am Landratsamt … eine anlassbezogene Prüfung im Wohn- und Pflegeheim … vor, dessen Träger der Kläger ist. Die Prüfung erfolgte aufgrund zweier am 18.10.2018 und 30.10.2018 gegenüber der FQA vorgebrachten Beschwerden über die Einrichtung, insbesondere über den Umgang mit Arzneimitteln sowie Hygiene und Infektionsschutz.
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Mit Schreiben vom 20.12.2018 übersandte das Landratsamt … dem Kläger den vorläufigen Prüfbericht und gab ihm Gelegenheit zur Stellungnahme bis 18.1.2019. Mit Schreiben vom 9.1.2019 nahm der Kläger zu den Vorwürfen Stellung.
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Das Landratsamt … erließ daraufhin den streitgegenständlichen Prüfbericht vom 17.1.2019, der dem Kläger am 19.1.2019 zugestellt wurde. Ziffer IV. des Prüfberichts betrifft „erneut festgestellte Mängel, zu denen bereits eine Beratung erfolgt ist“. Dort aufgelistet sind folgende Mängel, die schon Gegenstand des vorläufigen Prüfberichts waren:
„IV.1. Qualitätsbereich: Hygiene und Infektionsschutz
IV.1.1. Auf mehreren Wohnbereichen (z. B. 1 C/D, 2 A/B) waren die Tuchspendersysteme nicht ordnungsgemäß verschlossen worden. Bei nicht verschlossenem Deckel trocknen die aus dem Eimer herausragenden Desinfektionsmitteltücher aus und verlieren so ihre Wirksamkeit. Es ist nicht ausgeschlossen, dass diese ausgetrockneten Tücher seitens der Pflegekräfte zur Flächendesinfektion noch eingesetzt werden. Außerdem besteht hier die Gefahr der Kontamination, insbesondere aus Feuchtbereichen mit gramnegativen Bakterien, wenn beispielsweise die herausragenden Tücher mit kontaminierten Handschuhen der Pflegekräfte in Berührung kommen.
IV.1.2. Der Träger ist kraft Gesetzes verpflichtet, den festgestellten Mangel abzustellen, um die Qualitätsanforderungen an den Betrieb der Einrichtung sicherzustellen (Art. 3 PfleWoqG).
IV.1.3. Die Einrichtung sollte sicherstellen, dass es nicht zu einer Austrocknung von Desinfektionsmitteltüchern aufgrund unzureichenden Verschluss kommt. Es wird auch dringend angeraten, eine mögliche Kontamination von Desinfektionsmitteltüchern durch unzureichenden Verschluss zu verhindern (siehe hierzu auch „Empfehlung zur Kontrolle kritischer Punkte bei der Anwendung von Tuchspendersystemen im Vortränksystem für die Flächendesinfektion“, Verbund für Angewandte Hygiene e.V. Desinfektionsmittel-Kommission).
Der in der Stellungnahme zum vorläufigen Prüfbericht vorgebrachte Einwand, dass durch die Verwendung des Tuchspendersystems keine hermetisch sterile Umgebung erzeugt werden könne, korrespondiert nicht mit der beschriebenen Mängelfeststellung. Das Flächendesinfektionsmittel sollte entsprechend der Produkthinweise angewendet werden […].
IV.2.1. Qualitätsbereich: Gesundheitsvorsorge
IV.2.1 In einem Bewohnerzimmer befand sich das alkoholische Handdesinfektionsmittel Sterilium für alle anderen Bewohner frei zugänglich gelagert. […] Auch war eine Retterspitzflasche in Gebrauch. Sie war aber trotz begrenzter Haltbarkeit (nach Anbruch 12 Wochen) weder mit Anbruch- noch Ablaufdatum versehen worden.
Ähnlich verhielt es sich mit bereits in Benutzung befindlichen Salben: Heparinsalbe 60.000 I.E. (nach Anbruch noch 1 Jahr haltbar) und Bepanthen Wund- und Heilsalbe (nach Anbruch noch 3 Monate haltbar). Darüber hinaus waren diese Substanzen auch für jeden frei zugänglich bzw. nicht sicher gelagert. […]
IV.2.2. Der Träger ist kraft Gesetzes verpflichtet, den festgestellten Mangel abzustellen, um die Qualitätsanforderungen an den Betrieb der Einrichtung sicherzustellen (Art. 3 PfleWoqG).
IV.2.3. Wie der Einrichtungsträger in seiner Stellungnahme vom 09.01.2019 darlegte, wurde sowohl das Desinfektionsmittel als auch die unter IV.2.1. genannten Arzneimittel vom Sohn des Bewohners angeschafft. Nach Angaben des Einrichtungsträgers würden sämtliche Mittel nicht durch das Pflegepersonal genutzt. […]
Mangelhaft ist dennoch die offene Lagerung des Desinfektionsmittels sowie der Arzneimittel im Zimmer des Bewohners. Da die Zimmertüren nicht verschlossen sind, ist ein Zugang durch andere Bewohner möglich. Sowohl Einrichtungsträger als auch Einrichtungsleitung haben das Wohl aller Bewohner zu wahren. Hierzu gehören auch entsprechende Schutzvorkehrungen vor ungewolltem Zugriff auf Pflegeutensilien und Medikamente, welche für andere Bewohner eine Gefahr darstellen könnten. Dem Einrichtungsträger wird deshalb empfohlen, die in den Bewohnerzimmern aufbewahrten Pflegeprodukte/Medikamente vor ungewolltem Zugriff zu schützen (Aufbewahrung im Schrank).“
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Mit Schreiben vom 15.2.2019, das am 18.2.2019 beim Landratsamt … einging, legte der Kläger Widerspruch bezüglich Nr. IV. des Prüfberichts ein und beantragte, die dort genannten Mängel zu streichen. Dabei trug er im Wesentlichen vor, das Tuchspendersystem werde zur Reinigung von Flächen (z.B. Flecken aufgrund abgestellter Getränketassen auf dem Nachtschränkchen) eingesetzt. Die Reinigung von Flächen, nicht deren Desinfektion stehe im Vordergrund. Hierfür könnten auch ganz gewöhnliche Reinigungstücher verwendet werden. Die Herstellung einer hermetisch sterilen Umgebung könne damit nicht erreicht werden und sei auch nicht bezweckt, da die Pflegekräfte im Wohnumfeld agierten. Man würde die Kritik verstehen, wenn der Deckel des gesamten Eimers offenstehen und es zu einem Austrocknen der gesamten Desinfektionslösung kommen würde. Es werde ein System genutzt, bei dem aus der kleinen Entnahmeöffnung immer nur ein einzelnes Tuch herausrage, sodass sichergestellt sei, dass die im Eimer befindlichen restlichen Tücher feucht blieben. Sollte die Pflegekraft feststellen, dass das herausragende Tuch ausgetrocknet sei, könnte ein feuchtes Tuch nachgezogen und verwendet werden. Wie der Produktbeschreibung entnommen werden könne, gehe es um die Anwendung von trockenen Tüchern, die sowohl in Kombination mit gebrauchsfertigen Schnelldesinfektionsmitteln, als auch mit der gebrauchsfertigen Anwendungslösung von Desinfektionsmittelkonzentraten verwendet werden könnten. Außerdem stehe das Tuchspendersystem auf dem Pflegewagen in erhöhter Position, damit eben kein versehentlicher Kontakt passieren könne. Es sei nicht verständlich, weshalb eine Pflegkraft die Tücher mit kontaminierten Handschuhen anfassen sollte.
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Die Arzneimittel/Pflegeprodukte seien nicht von der Einrichtung in das Bewohnerzimmer eingebracht worden, sondern würden von Angehörigen der Bewohnerin stammen. Die Einrichtung wende die Mittel nicht an, weshalb sie auch nicht in ihren Zuständigkeitsbereich fielen. Die Mittel seien auch nicht für alle Bewohner frei zugänglich. Die Bewohnerzimmer seien nämlich angemietete Wohnräume, die dem Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung unterlägen. Dieses Grundrecht gelte auch, wenn die Bewohnerzimmer nicht abgeschlossen seien, welches in der Entscheidung der Bewohnerschaft liege. Am Eingang der Bewohnerzimmer seien Namensschilder angebracht, welche verdeutlichen würden, wer Zutritt habe. Selbst wenn sich ein dementer Bewohner in das Zimmer verirren würde, müsste er das Mittel direkt im Blickfeld haben, um dieses einnehmen zu können. Wie realistisch seien solche Szenen? Der Ansatz, für die Sicherheit der Bewohner zu sorgen, werde verstanden. Er habe jedoch dort seine Grenze, wo er letztlich auf Gängelung der Bewohnerschaft hinauslaufen würde und Maßnahmen als Einschränkung des freien Bewegungs- und Aktionsradius verstanden würden.
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Auch sei nicht verständlich, weshalb die Mängel als erneut festgestellt qualifiziert würden.
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Das Landratsamt … half dem Widerspruch nicht ab und legte ihn der Regierung von Oberfranken zur Entscheidung vor.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 1.12.2019, der dem Kläger am 18.12.2019 zugestellt wurde, änderte die Regierung von Oberfranken den Ausgangsbescheid dahingehend ab, dass der Mangel unter Nr. IV.1.1. nunmehr als „erstmals festgestellter Mangel“ eingestuft wird und der Mangel unter Nr. IV.2.1. nur in der offenen Lagerung der genannten Mittel gesehen wird, mithin die fehlenden Angaben zum Anbruch- und Ablaufdatum keinen Mangel darstellen. Im Übrigen wies die Regierung von Oberfranken den Widerspruch zurück.
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Dies begründet sie insbesondere damit, dass nicht ersichtlich sei, weshalb die Empfehlungen der Desinfektionsmittel-Kommission nicht relevant sein sollten, zumal sie sich nicht auf einen spezifischen Anwendungsbereich beschränken würden. Dass das Tuchspendersystem primär nicht zur Desinfektion genutzt werde, könne im Umkehrschluss keinesfalls dazu führen, es nicht vollumfänglich gemäß seiner Anwendungsempfehlung zu verwenden. Bereits die Qualitätsanforderung in Art. 3 Abs. 2 Nr. 5 PfleWoqG weise auf das zentrale Erfordernis eines wirksamen Infektionsschutzes der Bewohner einer stationären Einrichtung hin. In Gebrauch befindliche Desinfektionsmittel, gleich welcher Art, müssten deshalb bei Bedarf eine wirksame Desinfektion zuverlässig gewährleisten. Die freiwillige Entscheidung des Trägers, die Tücher auch für Reinigungszwecke zu verwenden, entbinde ihn nicht von der Einhaltung der vorgegebenen Anwendungshinweise. Dass eine Pflegekraft bei ausgetrocknetem obersten Tuch ein neues, feuchtes Tuch nachziehe, entspräche keiner professionellen Handhabung und sei zudem weder im Rahmen einer Dienstanweisung dokumentiert noch sicher überprüfbar. Eine erhöhte Lagerung des Tuchspendersystems auf dem Pflegwagen möge eine versehentliche Berührung erschweren, schließe eine Kontamination aber nicht aus, die durch ein zuverlässiges Verschließen des Deckels leicht vermeidbar sei.
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Die offene Lagerung des Desinfektionsmittels bzw. von Arzneimitteln im Bewohnerzimmer sei als Mangel i.S.d. Art. 3 Abs. 2 Nr. 5 PfleWoqG zu qualifizieren. Es sei keinesfalls ausgeschlossen, sondern jederzeit möglich, dass insbesondere an Demenz erkrankte Bewohner sich Zutritt in ein fremdes Zimmer verschaffen und dort in greifbarer Höhe gelagerte Mittel unbemerkt zu sich nehmen würden. Namenschilder und der Grundsatz der Unverletzlichkeit der Wohnung würden offensichtlich keinen wirksamen Schutz vor unberechtigtem Zutritt bieten. Auch wenn die Mittel nach glaubwürdiger Ausführung des Trägers von Angehörigen eingebracht und von den Pflegekräften selbst nicht verabreicht würden, habe die Einrichtung jedoch stets zu gewährleisten, dass Medizinprodukte bzw. Arzneimittel sicher und vor unbefugtem Zugriff geschützt aufbewahrt würden. Dies entspräche nicht zuletzt auch der Qualitätsanforderung nach Art. 3 Abs. 2 Nr. 1 PfleWoqG, wonach Bewohner vor Beeinträchtigungen in jeder Hinsicht geschützt werden müssten. Angehörige, die eigenständig solche Mittel in die Einrichtung bringen würden, sollten seitens der Einrichtung nachweislich stets darüber informiert werden, welche Aspekte dabei zu beachten seien. Erforderlich sei ein diesbezügliches Qualifikationsmanagement. Die Einstufung als „erneut festgestellter Mangel“ beruhe auf der bereits im Prüfbericht vom 5.3.2018 zur turnusmäßigen Prüfung am 5.12.2017 unter Nr. III.1.1.2. getroffenen Mangelfeststellung zur bewohnerbezogenen, frei zugänglichen Lagerung von Medikamenten. Das Landratsamt habe nunmehr unter pflichtgemäßer Ermessensausübung auf eine Anordnung nach Art. 13 Abs. 1 PfleWoqG verzichtet und stattdessen eine erneute Beratung durchgeführt.
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Mit Schriftsatz vom 16.1.2020, der am selben Tag beim Verwaltungsgericht Bayreuth einging, hat der Kläger Klage erheben lassen und zuletzt beantragt,
den Prüfbericht des Landratsamts … vom 17.1.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Regierung von Oberfranken vom 11.12.2019 in Ziffer IV. aufzuheben.
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Der Klägerbevollmächtigte wiederholt die bereits vorgebrachten Argumente und trägt ergänzend im Wesentlichen vor: Es lägen keine Mängel vor. Das Tuchspendersystem diene nicht der gezielten Desinfektion in einem zuvor umrissenen Problembereich, sondern der Reinigung alltäglicher Verunreinigungen. Die Empfehlungen der Desinfektionsmittel-Kommission seien nicht anwendbar, weil sie für Krankenhäuser gelten würden. Ein Bewohnerzimmer könne nicht keimfrei gemacht werden, hier stehe die Reinigung im Vordergrund. Zudem würden sich die Empfehlungen der Desinfektionsmittel-Kommission kritisch mit der Wirksamkeit von Tuchspendersystemen auseinandersetzen. Ferner werde nicht die Sinnhaftigkeit der Handlungsempfehlung bestritten, dass auch der kleine Deckel auf dem großen Deckel des Tuchspendersystems verschlossen sein sollte. Vielleicht sei aber bei der Besichtigung der kleine Deckel nur deshalb nicht verschlossen gewesen, weil die Pflegekraft gerade ihrer Arbeit nachgegangen sei und erst bei Abschluss ihrer Arbeit den kleinen Deckel verschlossen habe. Vielleicht habe sie es auch einfach vergessen. Leider finde sich im Prüfbericht nichts dazu, wie es zur Beanstandung gekommen sei. Der Vorteil des Tuchspendersystems sei, dass bei Austrocknung eines herausragenden Tuches nicht das ganze System unwirksam werde.
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Die Arzneimittel/Pflegeprodukte hätten sich nicht in frei zugänglichen Gruppen- oder Gemeinschaftsräumen befunden. Bewohnerzimmer seien - auch unverschlossen - nicht frei zugänglich. Es entspräche nicht der Lebenswirklichkeit, dass Bewohner andere Zimmer nutzen und darin herumstöbern würden. Dass ein Demenzkranker sich in einem anderen Zimmer Mittel einverleibe, sei eine Extrem-Variante. Dies zu verhindern würde Kontroll- und Sicherheitsmaßnahmen nach sich ziehen, die in das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung eingreifen würden. Es könne nicht vom Pflegepersonal verlangt werden, private Habseligkeiten der Bewohner nach Kategorien einzuteilen und einer entsprechenden Lagerung zuzuführen. Die Produkte seien alles „Hausmittel“ und frei beziehbar. Angesichts ihrer kleinen Menge gehe von ihnen keine Gefahr für andere Bewohner aus. Die Klägerin sei sich des Spannungsverhältnisses von Führsorgepflicht und individuellen Freiheitsrechten der Bewohner bewusst. Der Heimträger sei zwar verpflichtet, ein umfangreiches Qualitätsmanagement vorzuhalten. Dieser Regelungsmechanismus finde aber seine Grenze, wenn die in Art. 3 PfleWoqG genannten Ziele wie Würde, Selbstständigkeit, Selbstbestimmung und Selbstverantwortung der Bewohnerschaft eingeschränkt würden. Die Anforderungen des Beklagten würden letztlich zu einer Bevormundung und Überwachung des einzelnen Bewohners führen. Der Sohn der Bewohnerin, die die Mittel gehabt habe, sei selbst Apotheker. Ihre Einsichtsfähigkeit gebe keine Hinweise auf eine Eigen- oder Fremdgefährdung.
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Mit Schriftsatz vom 24.1.2020 beantragt der Beklagte,
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Zur Begründung nimmt der Beklagte im Wesentlichen auf den Prüfbericht und den Widerspruchsbescheid Bezug.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte mit der Sitzungsniederschrift vom 19.3.2021 sowie auf die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage (I.) ist hinsichtlich der Ziffer IV.1. des Prüfberichts des Landratsamts … vom 17.1.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von Oberfranken vom 11.12.2019 unbegründet (II.) und hinsichtlich dessen Ziffer IV.2. begründet (III.).
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I. Der mit Klageschrift vom 16.1.2020 gestellte Klageantrag, der wörtlich zum Inhalt hatte, die streitgegenständlichen Bescheide abzuändern und festzustellen, dass die in Ziffer IV. genannten Mängel keine Mängel seien, wurde in der mündlichen Verhandlung vom 19.3.2021 auf richterlichen Hinweis dahingehend umformuliert, dass die Aufhebung der Ziffer IV. begehrt wird. Damit erfolgte bei verständiger, wohlwollender Auslegung gem. § 88 VwGO, insbesondere unter Berücksichtigung der in der Klageschrift enthaltenen Klagebegründung, eine bloße Klarstellung des Klageantrags dahingehend, dass von Beginn an eine isolierte Anfechtungsklage bezüglich Ziffer IV. des streitgegenständlichen Prüfberichts in Gestalt des Widerspruchsbescheids gewollt und beantragt worden war.
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Die so verstandene Anfechtungsklage ist zulässig. Insbesondere ist die Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO statthaft, weil es sich bei dem Prüfbericht um einen feststellenden Verwaltungsakt handelt (vgl. Art. 17d Abs. 1 PfleWoqG; VG Ansbach, U.v. 11.5.2016 - AN 15 K 15.01444 - juris Rn. 62 f.; BayVGH, B.v. 21.1.2020 - 12 ZB 16.268 - juris Rn. 39).
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II. Die Anfechtungsklage ist hinsichtlich der Ziffer IV.1. unbegründet. Der streitgegenständliche Prüfbericht vom 17.1.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von Oberfranken vom 11.12.2019 ist insoweit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Der maßgebliche Beurteilungszeitpunkt für die Begründetheitsprüfung ergibt sich aus dem materiellen Recht und ist hier grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, mithin der Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids vom 11.12.2019. Demnach finden insbesondere das PfleWoqG und die AVPflegeWoqG in der damals geltenden Fassung Anwendung. Hinsichtlich der dem festgestellten Mangel zu Grunde liegenden Sachlage gebietet das materielle Recht allerdings eine Ausnahme bezüglich des maßgeblichen Beurteilungszeitpunktes dahingehend, dass insoweit auf die Verhältnisse am Prüftag abzustellen ist. Denn der Prüfbericht zielt von seiner ihm aufgegebenen Funktion darauf ab, die Ergebnisse der Prüfung festzuhalten. Insofern wird sein Inhalt durch die Prüfung selbst vorgegeben. Die Prüfung als solche ist nach Art. 11 PfleWoqG jedoch gerade auf einen bestimmten Stichtag ausgerichtet. Als Konsequenz daraus spiegelt der Prüfbericht inhaltlich als eine Art Momentaufnahme nur die am Prüftag vorgefundene Pflegesituation wider (zum Ganzen VG Ansbach, U.v. 11.5.2016 - AN 15 K 15.01444 - juris Rn. 65, 72 f.; BayVGH, B.v. 28.7.2011 - 12 ZB 09.3198 - juris). Die Eigenschaft des Prüfberichts als bloße Momentaufnahme wurde auch im Zuge der Novellierung des PfleWoqG bestätigt (vgl. LT-Drs. 16/15221, S. 11 f.).
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1. Ziffer IV.1. ist formell rechtmäßig. Entsprechende Mängel sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Zuständigkeit des Landratsamts … folgt aus Art. 24 Abs. 1 PfleWoqG, Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 BayVwVfG, die der Regierung von Oberfranken als Widerspruchsbehörde aus § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwGO i.V.m. Art. 24 Abs. 3 Satz 1 PfleWoqG, Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 BayVwVfG. Der Kläger wurde vom Landratsamt … auch ordnungsgemäß angehört.
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2. Ziffer IV.1. ist auch materiell rechtmäßig. Die Mangelfeststellung ist nicht zu beanstanden. Das Gericht nimmt zunächst insoweit Bezug auf den Prüfbericht vom 17.1.2019 sowie den Widerspruchsbescheid vom 11.12.2019 (§ 117 Abs. 5 VwGO) und führt ergänzend nur Folgendes aus:
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a) Bei der den streitgegenständlichen Prüfbericht betreffenden Einrichtung des Klägers handelt es sich um eine stationäre Einrichtung i.S.d. Art. 2 Abs. 1 Satz 1 PfleWoqG, auf die gemäß Art. 2 Abs. 1 Satz 3 PfleWoqG die Bestimmungen des Zweiten Teils des PfleWoqG - und damit insbesondere die hier maßgeblichen Art. 3, 11 f. und 17a PfleWoqG - anwendbar sind. Denn das … Wohn- und Pflegeheim … in … ist unstreitig eine Einrichtung, die dem Zweck dient, ältere Menschen aufzunehmen, ihnen Wohnraum zu überlassen sowie Betreuungs- oder Pflegeleistungen zur Verfügung zu stellen oder vorzuhalten. Die Einrichtung ist zudem in ihrem Bestand von Wechsel sowie Zahl der Bewohnerinnen und Bewohner unabhängig und wird entgeltlich betrieben.
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b) Rechtsgrundlage für die Feststellung eines Mangels in einem Prüfbericht ist Art. 17a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 i.V.m. Art. 12 Abs. 2 PfleWoqG. Hiernach umfasst der aufgrund einer Prüfung gemäß § 11 Abs. 1, 4 PfleWoqG in stationären Einrichtungen der Pflege zu verfassende Pflege-Prüfbericht u.a. die am Tag der Überprüfung getroffenen wesentlichen Feststellungen der zuständigen Behörde in dem durch Art. 3 Abs. 2 Nr. 5 PfleWoqG festgelegten Qualitätsbereich der ärztlichen und gesundheitlichen Betreuung zu Mängelfeststellungen nach Art. 12 und 13 PfleWoqG, sowie nach den Vorgaben des PfleWoqG geplante oder bereits angeordnete Maßnahmen zur Mängelbeseitigung.
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Mängel in diesem Sinne sind nach der Legaldefinition des Art. 12 Abs. 1 PfleWoqG alle Abweichungen von den Anforderungen des PfleWoqG. Hiervon umfasst sind auch Abweichungen von den Anforderungen der AVPfleWoqG, da diese aus dem PfleWoqG direkt abgeleitet ist (Art. 25 PfleWoqG). Die Feststellung eines Mangels erfolgt demnach zu Recht bereits dann, wenn der von der Behörde im Rahmen der Prüfung festgestellte Sachverhalt zutreffend ermittelt wurde und er tatsächlich eine solche Abweichung darstellt (so auch VG Ansbach, U.v. 11.5.2016 - AN 15 K 15.01444 - juris Rn. 71; vgl. auch VG Würzburg, U.v. 8.2.2018 - W 3 K 17.608 - juris; VG München, U.v. 19.1.2017 - M 17 K 16.2392).
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Art. 3 PfleWoqG enthält Qualitätsanforderungen an den Betrieb einer Pflegeeinrichtung. Nach Art. 3 Abs. 2 Nr. 5 PfleWoqG ist u.a. sicherzustellen, dass die ärztliche und gesundheitliche Betreuung in der stationären Einrichtung selbst oder in angemessener anderer Weise gewährleistet ist, insbesondere ein ausreichender und dem Konzept der stationären Einrichtung angepasster Schutz der Bewohnerinnen und Bewohner vor Infektionen gewährleistet wird und von den Beschäftigten die für ihren Aufgabenbereich einschlägigen Anforderungen der Hygiene eingehalten werden. Die hygienischen Anforderungen sind dabei fortlaufend dem allgemein anerkannten Stand der fachlichen Erkenntnisse und Veränderungen im Konzept der Einrichtung anzupassen (LT-Drs. 15/10182, S. 23). Herangezogen werden können beispielsweise die Richtlinien des Robert-Koch-Instituts für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (ebd.). Sie und andere ähnliche Erkenntnismittel sind zwar kein verbindliches Recht, stellen jedoch den Stand der Wissenschaft dar (vgl. Wiedersberger in Dickmann, Heimrecht, 11. Aufl. 2014, C. III. Rn. 101).
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Ausgehend von diesen Grundsätzen liegt in dem am Prüftag, dem 6.11.2018, vorgefundenen unverschlossenen Tuchspendersystemen im Vortränksystem ein Mangel vor, da auch der kleine Deckel dieses Tuchspendersystems nach Überzeugung der Kammer bei Nichtgebrauch vollständig zu verschließen ist. Es besteht nämlich andernfalls die Gefahr, dass zumindest das aus den Tuchspendersystem herausragende oberste Tuch nicht mehr ausreichend durchfeuchtet bzw. austrocknet und dadurch dessen Desinfektionswirkung gemindert bzw. aufgehoben ist. Diese Erkenntnis ist nicht nur naheliegend, sondern wird auch durch Praxisbeobachtungen untermauert. So zeigen diese, dass bei nicht verschlossenen Deckeln die aus dem Eimer herausragenden Desinfektionsmitteltücher austrocknen und so ihre Wirksamkeit verlieren (Desinfektionsmittel-Kommission des Verbundes für Angewandte Hygiene e.V., Empfehlung zur Kontrolle kritischer Punkte bei der Anwendung von Tuchspendersystemen im Vortränksystem für die Flächendesinfektion, HygMed 2012, 37-11; Bl. 25 f. GA). Die Desinfektionsmittel-Kommission folgert daraus, dass sichergestellt werden müsse, dass es nicht zur Austrocknung der Tücher, beispielsweise durch unzureichenden Verschluss komme (ebd. Nr. 2.4). Durch Arbeitsanweisungen sei sicherzustellen, dass bei Nichtverwendung der Tücher der Deckel sicher verschlossen sei (ebd. Nr. 3.5). Diese Empfehlungen sind auch im Hinblick auf die hohe Bedeutung des Infektionsschutzes plausibel und geben nach Überzeugung des Gerichts den allgemein anerkannten Stand der fachlichen Erkenntnisse wieder. Der Kläger hat sie inhaltlich auch nicht substantiell entkräftet. Dass das Robert-Koch-Institut (RKI), insbesondere die dort ansässige Kommission für Krankenhaushygiene (KRINKO), scheinbar keine eigenen Empfehlungen für Tuchspendersysteme im Vortränksystem herausgegeben hat (ebd. Nr. 1), steht dem nicht entgegen, weil die Empfehlungen und Richtlinien des RKI nur eine unter vielen Erkenntnisquellen sind, aus denen sich der allgemein anerkannte Stand der fachlichen Erkenntnisse ergeben kann (s.o.). Vermutlich sieht das RKI aufgrund der veröffentlichten Empfehlungen der Desinfektionsmittelkommission gerade keinen Handlungsbedarf. Im Übrigen ist auch nach der vom Kläger vorgelegten Gebrauchsanleitung eines Reinigungssystems mit Fliestüchern nach dessen Gebrauch der „Deckel fest zu verschließen“ (Bl. 38 GA). Den Beschäftigten der klägerischen Einrichtung ist nach den Angaben in der mündlichen Verhandlung (Protokoll vom 19.3.2021, S. 6) zudem (mittlerweile) bewusst, dass der „Deckel des Tuchspendersystems immer verschlossen werden soll“.
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Zur Überzeugung des Gerichts ergibt eine Gesamtschau, dass zur Zeit der Prüfung nicht nur bei mehreren Tuchspendersystemen im Vortränksystem die kleinen Deckel offengestanden haben - was insoweit unstreitig ist -, sondern auch, dass mehrere dieser offenstehenden Systeme auch nicht in Benutzung waren, sodass gerade die oben beschriebene Gefahr einer Wirksamkeitsminderung bzw. eines Wirksamkeitsverlusts bestand. Zwar ist dies nicht dezidiert im Prüfbericht festgehalten und die in der mündlichen Verhandlung informell befragten Personen konnten sich jeweils nur an ein offenstehendes System erinnern und nicht mehr sicher sagen, ob dieses jeweils in Benutzung war. Hierbei ist aber zu berücksichtigen, dass gerade die den Mängelsachverhalt vor Ort feststellende Frau Dr. … in der mündlichen Verhandlung nicht befragt werden konnte, da sie sich im Krankenstand befand und die befragten drei Personen jeweils verschiedene Abstellorte und Auffindsituationen (Stationszimmer bzw. Pflegewagen) beschrieben haben. Auch der Umstand, dass keine von ihnen Hinweise auf eine Benutzung zur Zeit des Auffindens gab, beispielsweise einen Stubendurchgang beschrieb, spricht für die Nichtbenutzung. Hinzu kommt, dass der Prüfbericht von offenstehenden Tuchspendersystemen in „mehreren Wohnbereichen (z.B. 1 C/D, 2 A/B)“ spricht und auf die Empfehlungen der Desinfektionsmittel-Kommission verweist, die ein vollständiges Verschließen der Deckel bei Nichtgebrauch empfehlen. Dennoch hat der Kläger während des gesamten Verwaltungsverfahrens nie behauptet, dass die offenen Tuchspendersysteme gerade in Benutzung gewesen seien. Vor allem in seiner Stellungnahme vom 9.1.2019 wendete er sich ausschließlich und prinzipiell gegen das Erfordernis eines Verschließens der Deckel, deutet aber in keiner Weise an, dass die offenen Deckel auf einer aktuellen Verwendung beruhten. Erstmals in der Klagebegründung vom 16.1.2020 hat er die Mutmaßung geäußert, dass die Pflegekraft „vielleicht“ gerade ihre Arbeit verrichtet habe. Substantiiert hat er dies jedoch weder behauptet noch unterlegt. Zudem waren nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung die in den Stationszimmern und auf den Pflegewägen aufgestellten Tuchspendersysteme in unregelmäßigen Abständen, nämlich bei Bedarf, in Gebrauch. Da pro Station insgesamt drei bis vier Tuchspendersysteme aufgestellt waren (Prot. S. 2), kann im Einzelfall durchaus ein längerer, nicht kontrollierter Zeitraum verstreichen, bis das nächste Tuch genutzt wird. Auch war weder durch organisatorische Maßnahmen sichergestellt, noch entsprach es der täglichen Übung, dass das aus dem System ragende oberste Tuch generell nicht verwendet wird. Die Behauptung, falls ein Tuch einmal ausgetrocknet sei, würde es nicht benutzt, ist für das Gericht auch nicht nachvollziehbar, weil vor allem bei Verwendung von Handschuhen der Feuchtigkeitsgrad des Tuches nicht sicher bestimmt werden kann. Zudem kann die Wirksamkeit der Desinfektionswirkung schon bei angetrockneten Tüchern gemindert sein.
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Soweit der Kläger argumentiert, dass Tuchspendersystem sei in der streitgegenständlichen Einrichtung ausschließlich zur Reinigung und nicht zur Desinfektion verwendet worden und müsse daher nicht die oben dargestellten Anforderungen einhalten, trifft dies nach Überzeugung des Gerichts nicht zu. Das System wurde zwar in der stationären Einrichtung überwiegend zur Reinigung, aber eben auch zur Desinfektion verwendet. Dies ergibt sich insbesondere aus Folgendem: Der Kläger hat anfänglich selbst vorgetragen, dass das streitgegenständliche Tuchspendersystem der Flächendesinfektion dient (Schreiben vom 9.1.2019, S. 2). Er befüllte das Tuchspendersystem auch mit Desinfektionsmittellösung und nicht nur mit Reinigungsmittellösung (ebd.). Eine umfassende Reinigung und Desinfektion erfolgte in der Einrichtung sechsmal wöchentlich durch Reinigungskräfte (Prot. S. 3). Daneben besteht zwangsläufig das Erfordernis, zwischenzeitlich (kleinere) Bereiche zu desinfizieren (vgl. auch KRINKO, Infektionsprävention in Heimen, Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 2015, S. 1061 ff., 1065 f., N. 5.4). Dies erfolgt dann anlassbezogen durch die anwesenden Pflegekräfte. Diesen stand nach den Angaben in der mündlichen Verhandlung letztlich zur Flächendesinfektion nur das streitgegenständliche Tuchspendersystem, das sich auf den Pflegewägen und in den Stationszimmern befindet, zur Verfügung. Denn es wurde neben diesem nur noch von einem, ausschließlich der Handdesinfektion dienendem System auf den Pflegewägen sowie von einem Tuchspendersystem mit anderer Flüssigkeit für infektiöse Personen berichtet. Hinzu kommt, dass in der mündlichen Verhandlung angegeben wurde, dass mit dem Tuchspendersystem u.a. auch umgefallene Rollstühle und Nachtkästchen „gereinigt“ werden (Prot. S. 2). Diese Gegenstände sind aber gerade teils anlassbezogen zu desinfizieren (vgl. Bayerischer Rahmenplan für Infektionsprävention in stationären Einrichtungen für ältere Menschen und pflegebedürftige Volljährige, Stand Juni 2014, S. 10 und Anlage 1, https://www.lgl.bayern.de/downloads/gesundheit/hygiene/doc/rahmenhygieneplan.pdf, zuletzt abgerufen am 16.3.2021; KRINKO, Infektionsprävention in Heimen, a.a.O. S. 1065 f., Nr. 5.4; Prot. S. 4). Im Übrigen ist grundsätzlich auch beim Wechseln von Verbänden etc. eine vorherige Desinfektion der jeweiligen Arbeitsfläche nötig, die nach Angaben in der mündlichen Verhandlung auch mit diesem Tuchspendersystem erfolgte und wohl auch noch erfolgt (ebd.).
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Auch das Argument des Klägers, das Offenstehen eines Deckels sei auch bei Anwendung aller im Verkehr erforderlicher Sorgfalt nicht gänzlich zu vermeiden, weil es vorkommen könne, dass beispielsweise ein (gerade schon etwas länger beanspruchter) Deckel wieder von alleine aufgehe oder eine Pflegekraft das Verschließen schlichtweg vergesse, spricht nicht gegen die Mangelfeststellung. Natürlich kann auch bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt und beim Ergreifen aller notwendigen organisatorischen Maßnahmen (z.B. Dienstanweisung zu Deckelverschluss; Hinweis auf Deckelverschluss auf jedem Systemdeckel; Unterrichtung bei Hygieneschulung) ein Offenstehen nicht hundertprozentig vermieden werden. Vorliegend gab es aber zur Zeit der Prüfung eine Häufung von aufstehenden Deckeln nicht genutzter Tuchspendersysteme (s.o.), die einen solchen singulären Einzelfall nach Überzeugung des Gerichts ausschließen lassen, zumal vom Kläger auch zu keinem Zeitpunkt substantiiert behauptet wurde, dass die offenstehenden Deckel am Prüfungstag auf Unachtsamkeit o.ä. zurückzuführen seien. Vielmehr hat er ausschließlich und erstmals in der Klageschrift vom 16.1.2020 die Hypothese geäußert, der Deckelverschluss könnte möglicherweise auch einfach vergessen worden sein. Daher ist davon auszugehen, dass am Prüfungstag ein strukturelles Defizit hinsichtlich des Verschlusses der Deckel der vorgehaltenen Tuchspendersysteme im Vortränksystem vorlag. Zumindest dieses rechtfertigt die getroffene Mangelfeststellung. Auch ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass ausreichende organisatorische Maßnahmen gegen ein Offenstehen getroffen worden waren.
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Vor allem im Hinblick auf die hohe Bedeutung des Infektionsschutzes in Einrichtungen der stationären Altenpflege ist die Anforderung, die Deckel von teils zur Desinfektion verwendeten Tuchspendersystemen im Vortränksystem bei Nichtbenutzung zu verschließen, auch verhältnismäßig.
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Da bereits aufgrund der beschriebenen Austrocknungsgefahr ein vollständiger Deckelverschluss bei Nichtbenutzung erforderlich ist, kann - wenngleich alles dafür spricht - letztlich offenbleiben, ob die Ziffer IV.1 alternativ auch mit einer Kontaminationsgefahr im konkreten Einzelfall begründet werden kann. In diesem Fall wären die Deckel sogar während eines Stubendurchgangs u.ä. zu verschließen, sodass es nicht auf die Frage ankäme, ob die Tuchspendersysteme in Benutzung waren. Laut den Empfehlungen der Desinfektionsmittelkommission (a.a.O. Nr. 2.5) zeigen nämlich Praxisbeobachtungen, dass bei nicht verschlossenen Deckel die Gefahr der Kontamination, z.B. bei Kontakt mit kontaminierten Handschuhen, besteht. Wie die mündliche Verhandlung ergeben hat, standen die Tuchspendersysteme auf den Pflegewägen zwar auf der (obersten) Ablagefläche. Dort befand sich aber auch jeweils etwas erhöht ein Desinfektionsmittelspender für die Handdesinfektion (vgl. Prot. S. 2). Einer Kontaminationsgefahr dürfte daher nicht ausreichend vorgebeugt sein.
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c) Soweit der Kläger die Mängelfeststellung mit dem Argument angegriffen hat, es handele sich nicht um einen erneut festgestellten Mangel, wurde bereits seinem Widerspruch insoweit stattgegeben, sodass dies hier nicht mehr streitgegenständlich ist. Wie der Widerspruchsbescheid vom 11.12.2019 (S. 1, 5) zu Recht ausführt, handelt es sich bei dem nicht ordnungsgemäß verschlossenen Tuchspendersystem um einen erstmals festgestellten Mangel.
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d) Abschließend bleibt anzumerken, dass die Beratung, die der Beklagte bei der Klägerin aufgrund der strittigen Mängelfeststellung durchführte, die Maßnahme mit der geringsten Eingriffsintensität ist, die bei Feststellung eines Mangels in Betracht kommt (vgl. Art. 12 Abs. 2 Satz 1, Art. 13 ff. PfleWoqG). Die Beratung war damit auch verhältnismäßig.
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III. Die Anfechtungsklage ist hinsichtlich der Ziffer IV.2. begründet. Der streitgegenständliche Prüfbericht vom 17.1.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von Oberfranken vom 11.12.2019 ist insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Ziffer IV.2. ist zwar formell rechtmäßig (vgl. entsprechend oben Nr. II.), aber materiell rechtswidrig, weil die Mangelfeststellung im konkreten Einzelfall unverhältnismäßig in die Rechte der betroffenen Bewohnerin eingreift (s.u. Nr. 1) und es sich zudem nicht um einen erneut festgestellten Mangel handeln würde (s.u. Nr. 2). Die streitgegenständliche Mangelfeststellung besteht dabei allein in der offenen Lagerung der Arzneimittel im beanstandeten Bewohnerzimmer und der Qualifizierung als erneut festgestellter Mangel, nicht jedoch im fehlenden Anbruch- und Ablaufdatum auf den Produkten, weil dem Widerspruch insoweit schon mit dem Widerspruchsbescheid vom 11.12.2019 abgeholfen wurde.
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1. Zu den Anforderungen, die stationäre Einrichtungen hinsichtlich ärztlicher und gesundheitlicher Betreuung sicherzustellen haben, gehört nach Art. 3 Abs. 2 Nr. 5 PfleWoqG auch, dass Arzneimittel ordnungsgemäß und bewohnerbezogen aufbewahrt werden. Die Anforderung ist so zu verstehen, dass dem Träger die Zuständigkeit und Verantwortlichkeit für die ordnungsgemäße Aufbewahrung und den ordnungsgemäßen Umgang mit Arzneimitteln zukommt. Diese Zuständigkeitszuschreibung steht in einem Spannungsverhältnis mit der grundsätzlichen Schwerpunktforderung des Gesetzes, der Träger solle Selbstständigkeit und Selbstverantwortlichkeit stärken und fördern. Beide konkurrierenden Schutzgüter sind daher in jedem individuellen Fall abzuwägen. Können Bewohner oder Angehörige die Aufbewahrung der und den Umgang mit Arzneimitteln eigenständig sicherstellen und wollen sie dies auch, so kann der Träger seine Verantwortlichkeit hierfür grundsätzlich und im Zweifel zivilvertraglich abgesichert, auf den Bewohner bzw. seine Angehörigen übertragen. Von der (Auffang-)Pflicht, offensichtliche Defizite bei der Sicherstellung durch den Bewohner zu beseitigen, indem dieser in seiner Selbstständigkeit unterstützt (Hilfe zur Selbsthilfe) oder die Verantwortung durch den Träger an sich gezogen wird, ist der Träger dadurch jedoch nicht befreit (zum Ganzen Wiedersberg in Dickmann, Heimrecht, 11. Aufl. 2014, C. III. Rn. 102).
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Demnach bedarf es im jeweils konkreten Einzelfall einer Abwägung der widerstreitenden Rechtsgüter im Sinne praktischer Konkordanz. Dabei sind einerseits insbesondere die Schutzgüter des § 3 Abs. 2 Nr. 2 PfleWoqG unter Einbeziehung des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) in den Blick zu nehmen, andererseits ist vor allem das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG), wie es u.a. auch durch die Fürsorgepflichten der Einrichtung und § 3 Abs. 2 Nr. 1, 5 PfleWoqG ausgeformt ist, zu berücksichtigen. Bei der Abwägung ist u.a. der Wahrscheinlichkeit und der möglichen Schwere einer durch die nicht ordnungsgemäße Aufbewahrung verursachten Gesundheitsbeeinträchtigung ebenso erhebliches Gewicht beizumessen wie der Frage, wieviel stärker alternative Aufbewahrungsformen die Bewohnerrechte beschneiden würden. Die ordnungsgemäße Aufbewahrung von Arzneimitteln hat hierbei für die gesundheitliche Betreuung der Heimbewohner grundsätzlich ein hohes Gewicht (vgl. BayVGH, B.v. 28.7.2011 - 12 ZB 09.3198 - juris Rn. 15). In stationären Betreuungs- und Pflegeeinrichtungen ist die Selbstverantwortung regelmäßig geringer und die Verantwortungssphäre des Trägers weiter als beispielsweise in ambulant betreuten Wohnformen (vgl. Wiedersberg in Dickmann, Heimrecht, 11. Aufl. 2014, C. III. Rn. 64).
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Ausgehend von diesem Maßstab ist im vorliegenden Einzelfall dem Selbstbestimmungsrecht der Bewohnerin, in dem die beanstandeten Arzneimittel aufgefunden worden sind, der Vorrang einzuräumen und daher eine nicht ordnungsgemäße Aufbewahrung der im Prüfbericht konkret bezeichneten Arzneimittel zu verneinen. Dies ergibt sich vor allem aus folgenden Überlegungen:
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Die im Bewohnerzimmer offen gelagerten Arzneimittel standen vorliegend im Eigentum der Bewohnerin der Pflegeeinrichtung und wurden von deren Sohn mitgebracht. Sie zählen nicht zu den vom Pflegepersonal angeschafften bzw. verabreichten Arzneimitteln. Obwohl die Gesetzesbegründung des Pflegewohnqualitätsgesetztes letzteren Fall im Blick hat, differenziert der Wortlaut des Art. 3 Abs. 2 Nr. 5 PfleWoqG nicht zwischen privaten und vom Pflegepersonal beigebrachten bzw. verabreichten Arzneimitteln, sodass auch der hiesige Fall darunter zu fassen ist. Die Verantwortungssphäre des Trägers ist in diesem Fall aber enger zu fassen.
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Nach Überzeugung des Gerichts ist vorliegend die Gefahr äußerst gering, dass sich ein anderer Bewohner die offen aufbewahrten Arzneimittel oral einverleibt. Wie die mündliche Verhandlung ergeben hat, ist die Bewohnerin, bei der die offene Lagerung der Arzneimittel beanstandet wurde, nicht im beschützten Bereich untergebracht und komplett immobil gewesen. Sie wurde dreimal die Woche mobilisiert und mit Rollstuhl für kürzere Zeit aus dem Zimmer gebracht (Prot. S. 3). Auch Bewohner im nicht beschützten Bereich können zwar dement oder aus anderen Gründen desorientiert sein, die Wahrscheinlichkeit hierfür ist aber gering. Hinzu kommt, dass durch die fast ständige Anwesenheit der Bewohnerin in ihrem Zimmer sowie insbesondere des Aussehens und der Handhabung der beanstandeten Arzneimittel eine Einnahme durch einen sich in das Zimmer verirrenden anderen Bewohner äußerst gering ist.
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Ferner sind die Folgen einer versehentlichen Einnahme der Arzneimittel, namentlich des Steriliums, der Retterspitzlösung, der Heparinsalbe und der Bepanthen Wund- und Heilsalbe, begrenzt. Hierfür spricht bereits, dass es sich jeweils um freiverkäufliche Arzneimittel handelt. Zudem spricht dafür auch die vom Gericht angeforderte, beklagtenseitige ärztliche Stellungnahme vom 15.3.2021. Sie kommt zum Ergebnis, dass die orale Einnahme des Steriliums - also eines Desinfektionsmittels auf Alkoholbasis - die Symptome einer Alkoholintoxikation hervorrufen könne. Die Schwere der Intoxikation sei abhängig von der aufgenommenen Desinfektionsmittelmenge, wobei Propanol-1ol und Propanol-2-ol stärker toxisch wirken würden als Ethanol. Die Einnahme von Retterspitz könne Übelkeit und Erbrechen hervorrufen; lebensbedrohliche Vergiftungserscheinungen drohten nicht. Da oral verabreichtes Heparin kaum resorbiert werde, seien bei versehentlicher oraler Aufnahme von Heparinsalbe ebenso wie von Bepanthen Wund- und Heilsalbe keine schweren Vergiftungserscheinungen zu erwarten. Demnach drohen allenfalls bei der oralen Einnahme erheblicher Mengen von Sterilium schwerwiegende Intoxikationserscheinungen, wobei die Größe der im Bewohnerzimmer vorgefundenen Steriliumflasche sich nicht aus den Akten ergibt. Im Hinblick auf die konkrete Verwendung des Steriliums wird höchstwahrscheinlich eine 100ml-Flasche, allenfalls eine 500ml-Flasche benutzt worden sein.
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Demgegenüber sind die Einschränkungen, welche die Bewohnerin hinzunehmen hätte, wenn sie die Arzneimittel stets unzugänglich lagern müsste, gewichtig. Da die Bewohnerin immobil war, bräuchte sie bei einer Verwahrung in einem bettfernen Möbelstück stets fremde Hilfe. Sie in Anspruch nehmen zu müssen, wäre gerade bei den genannten Arzneimitteln aufgrund ihres häufigen und teils unregelmäßigen Gebrauchs belastend. Allenfalls bei einer Aufbewahrung in bettnahen Möbeln, namentlich dem oberen Teil des Nachtschränkchens, wäre ein Zugriff durch die Bewohnerin selbst gesichert. Der dortige Stauraum ist aber eng begrenzt, vermutlich durch andere Gegenstände schon ausgefüllt und ein Zugriff desorientierter, anderer Bewohner nicht sonderlich erschwert.
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Nur am Rande sei angemerkt, dass der Umstand, dass die vorgenommene, umfassende Abwägung im konkreten Einzelfall keinen Mangel ergeben hat, nicht den Schluss zulässt, dass in anderen Fällen die offene Lagerung von Arzneimitteln in der streitgegenständlichen Einrichtung gleichwohl keinen Mangel begründen könnte. In anderen Fällen könnte die individuelle Abwägung durchaus zugunsten des Schutzes anderer Bewohner ausgehen - so u.a. auch, wenn die Wahrscheinlichkeit einer Einnahme erhöht ist und die Arzneimittel (auch in kleineren Mengen) erhebliche Gesundheitsgefahren auslösen können (z.B. verschreibungspflichtige Medikamente). Soweit der Kläger einen enormen organisatorischen Umsetzungsaufwand durch eine nicht offene Lagerung reklamiert, dürfte dieser Aspekt mit Blick auf das Gewicht der anderen in die Abwägung einzustellenden Rechtsgüter, von untergeordnete Bedeutung sein. Zudem dürfte der Aufwand tatsächlich überschaubar sein, da eine entsprechende Ergänzung der zivilrechtlichen Heimverträge mit den Bewohnern und das Achten auf Auffälligkeiten im Rahmen der Stubendurchgänge ausreichen dürfte.
47
2. Die Ziffer IV.2. ist auch deshalb rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, weil sie unter der Überschrift „Erneut festgestellte Mängel, zu denen bereits eine Beratung erfolgt ist“ eingeordnet ist. Selbst wenn es sich um einen Mangel gehandelt hätte, wäre er nämlich nur als erstmals festgestellter Mangel zu qualifizieren gewesen.
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Ein erneut festgestellter Mangel liegt vor, wenn die Behörde die einen Mangel begründenden Tatsachen zuvor schon einmal wahrgenommen hat, wobei es ausreichend ist, wenn die Tatsachen einen qualitativ vergleichbaren Sachverhalt bilden, d.h. eine Verletzung zumindest der gleichen Anforderung nach dem PfleWoqG begründen (so VG Ansbach, U.v. 11.5.2016 - AN 15 K 15.01444 - juris Rn. 103).
49
Dies zu Grunde legend trifft die Ansicht des Beklagten, die Einstufung als „erneut festgestellter“ Mangel beruhe auf der bereits im Prüfbericht vom 5.3.2018 unter Nr. III.1.1.2. getroffenen Mängelfeststellung nicht zu (Widerspruchsbescheid S. 6). Denn die dortige Mängelfeststellung betrifft keinen qualitativ vergleichbaren Sachverhalt. Sie hatte die nicht bewohnerbezogene, frei zugängliche Lagerung u.a. von sterilem Verbandsmitteln und einem Medikamentendepot (diverse Tuben InferctoScab) in einem Stationszimmer zum Gegenstand. Die Medikamente und Verbandsmittel standen damals zudem im alleinigen Verfügungs- und Verantwortungsbereich des Einrichtungsträgers. Bei objektivierter Auslegung der Mängelfeststellung Nr. III.1.1.2 konnte der Kläger daher nicht davon ausgehen, dass selbige Anforderungen auch für die streitgegenständliche Fallkonstellation gelten würden, also für Arzneimittel, die in einem Bewohnerzimmer aufbewahrt werden sowie im Eigentum und primären Verfügungs-/Verantwortungsbereich der Bewohnerin stehen.
50
Nach alledem ist die Ziffer IV.2. des Prüfberichts vom 17.1.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von Oberfranken vom 11.12.2019 rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, weshalb der Klage insoweit stattzugeben war.
51
IV. Da Kläger und der nicht anwaltlich vertretene Beklagte zu etwa jeweils gleichen Teilen obsiegt haben, waren die Verfahrenskosten beiden gem. § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO jeweils zur Hälfte aufzuerlegen. Aus Gesichtspunkten der „prozessualen Waffengleichheit“ der Parteien hat das Gericht von einer Kostenaufhebung abgesehen (vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 155 Rn. 4).
52
V. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.