Titel:
Verletzung der Mitwirkungspflichten bei Gewährung von Unterhaltsvorschussleistungen
Normenketten:
UVG § 1 Abs. 3, § 9 Abs. 1
VwUVG Nr. 1.11.1 Abs. 3
Leitsätze:
1. Die Mitwirkungspflicht nach § 1 Abs. 3 UVG besteht nicht ausnahmslos, sondern trifft den Elternteil im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Begrenzung der Mitwirkungsobliegenheit kommt danach allenfalls etwa in extremen, unerträglichen Konfliktlagen in Betracht. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
3. Im Rahmen der Mitwirkungspflichten wird man von der Klägerin mindestens verlangen können, dass sie eine Beistandschaft oder eine Bestellung eines Amtspflegers zulässt. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Umfang der Mitwirkungspflichten bei der Vaterschaftsfeststellung im Rahmen des Unterhaltsvorschussrechts, keine allgemeine Verhältnismäßigkeitsabwägung im Rahmen der Mitwirkungspflicht, Anforderungen an die Darlegung einer unerträglichen Konfliktlage, Unterhaltsvorschuss, Vaterschaftsfeststellung, Mitwirkungspflichten, unerträgliche Konfliktlage, Vaterschaftsanerkennung, Kamerun, Putativvater, Beistandschaft, Amtspfleger
Fundstelle:
BeckRS 2021, 44334
Tenor
1.Die Klage wird abgewiesen.
2.Die Klägerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
3.Die Entscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
1
Die Klägerin begehrt die Gewährung von Unterhaltsvorschuss für ihre Tochter …, geboren am …2007, von der Beklagten. Die Klägerin und ihre Kinder hatten bis Mitte 2020 die kamerunische Staatsbürgerschaft. Diese haben sie durch Einbürgerung in Deutschland verloren. Bis zur Einbürgerung hatten sowohl die Klägerin als auch ihre Tochter … einen Aufenthaltstitel, der ihnen jeweils die Ausübung einer Erwerbstätigkeit erlaubte (Behördenakte Seiten 104 bis 105).
2
Die Klägerin, die mit der obengenannten Tochter, sowie zwei weiteren Kindern in …(* …*) lebt, erhielt auf Grundlage von zwei Bescheiden der Stadt … vom 05.12.2017 Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) ab dem 01.07.2017. In einem der Bescheide wurde festgehalten, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Unterhaltsleistungen nach dem UVG erfüllt seien, nachdem die Vaterschaftsanerkennung für die Tochter durch den geschiedenen Ehemann unwirksam sei. Die Klägerin sei jedoch verpflichtet, bei der Feststellung der Vaterschaft für …ausreichend mitzuwirken. Mit Bescheid vom 28.06.2019 wurde die Höhe neu festgesetzt, da die Tochter im August 2019 das 12. Lebensjahr vollendete und somit ab diesem Monat den Unterhalt der 3. Altersstufe erhielt. Im Bescheid wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass mit Vollendung des 12. Lebensjahres weitere Voraussetzungen für die Gewährung von Unterhaltsvorschuss bestünden.
3
Im Rahmen der jährlichen Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen erklärte die Klägerin am 16.07.2018 und 28.06.2019, dass sich ihre Verhältnisse nicht geändert hätten. Vom Kindsvater sei nur der Name und sein Aufenthalt in Kamerun bekannt. Sie wurde aufgefordert, sich mit der zuständigen Sachbearbeiterin hinsichtlich der Vaterschaftsfeststellung in Verbindung zu setzen.
4
Die Klägerin hatte zuvor den Namen des mutmaßlichen Vaters und seinen Aufenthalt in Kamerun benannt, sowie das bei einer Internetrecherche gefundene Bild des mutmaßlichen Vaters identifiziert. Dieser ist nach Internetquellen … Das Deutsche Institut für Jugendhilfe und Familienrecht e.V. hat auf Bitte der Stadt* … versucht, eine Vaterschaftsfeststellung durch den potentiellen Vater in Kamerun zu erreichen. Hierzu wurde ein Schreiben an den potentiellen Vater gesandt. Dieses Schreiben ist nach Mitteilung des Deutschen Instituts für Jugendhilfe und Familienrecht e.V. vom 06.08.2018 nicht zurückgekommen, jedoch unbeantwortet geblieben. Daher wurde vom Deutschen Institut für Jugendhilfe und Familienrecht e.V. ein Vaterschaftsanerkennungsverfahren am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Kindes, also in Deutschland, empfohlen.
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Am 26.11.2019 teilte die Klägerin bei einer persönlichen Vorsprache bei der Behörde mit, dass sie gegen den Kindsvater nichts weiter unternehmen wolle, weil sie befürchte, Probleme mit diesem zu bekommen.
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Mit Bescheid vom 29.11.2019 stellte die Stadt … die bewilligten Unterhaltsvorschussleistungen für die Tochter … mit Wirkung vom 01.12.2019 ein. In der Begründung wird ausgeführt, dass die Leistungen eingestellt werden müssten, weil die Klägerin ihren Mitwirkungspflichten bei der Vaterschaftsfeststellung nach § 1 Abs. 3 UVG nicht mehr nachkomme. Die für den Monat Dezember angewiesene UVG-Leistung in Höhe von 272,00 EUR sei von ihr zu erstatten.
7
Hiergegen legte die Klägerin durch den Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 11.12.2019 Widerspruch ein. Zur Begründung wurde vorgetragen, dass die Klägerin eine Vaterschaftsfeststellung nicht wünsche, weil sie befürchte, dass sowohl sie selbst, als auch ihre Familie in Kamerun einer Rache durch den einflussreichen Putativvater ausgesetzt sein könnten. Die Menschenrechtslage in Kamerun sei schwierig. Ein Verfahren zur Vaterschaftsfeststellung sei mit großen, nicht hinnehmbaren Gefahren für die Klägerin verbunden.
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Nachdem die Stadt … dem Widerspruch nicht abgeholfen hat, erging unter dem Datum vom 10.03.2020 ein Widerspruchsbescheid durch die Regierung von Oberfranken, mit dem der Widerspruch zurückgewiesen wurde. Zur Begründung wird angeführt, dass die Klägerin gegenüber dem Jugendamt erklärt habe, dass sie nicht an der Feststellung der Vaterschaft mitwirke; deshalb sei ein Anspruch nach § 1 Abs. 3 UVG ausgeschlossen.
9
Dagegen erhob die Klägerin mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 23.03.2020, der am gleichen Tag dort einging, vorbehaltlich der Bewilligung von Prozesskostenhilfe, Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth.
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Zur Begründung wird ausgeführt, die Klägerin habe sich zunächst kooperativ gezeigt, und den Vater benannt, sodass dieser habe angeschrieben werden können. Nachdem der Vater des Kindes politisch sehr einflussreich sei und sich schon während der Schwangerschaft abweisend gegenüber der Klägerin verhalten habe, befürchte die Klägerin nach einem Vorgehen gegen den mutmaßlichen Vater Repressalien und Gewalt sowie staatliche Einflussnahme, sodass sie weitere Schritte nicht unterstützen könne. Sowohl sie selbst, als auch ihre noch in Kamerun lebende Familie seien bei einem Vaterschaftsfeststellungsverfahren gefährdet.
11
Die Stadt … beantragt mit Schriftsatz vom 09.04.2020,
die angekündigte Klage abzuweisen.
12
Zur Begründung wird unter Bezugnahme auf § 1 Abs. 3 UVG ausgeführt, dass die Klägerin verpflichtet sei, an der Feststellung der Vaterschaft mitzuwirken und auch kein Ausnahmetatbestand nach Nr. 1.11.1 Abs. 3 VwUVG, der eine Mitwirkungspflicht entfallen lassen könne, ersichtlich sei. Repressalien des mutmaßlichen Vaters seien wegen der räumlichen Trennung nicht zu befürchten, außerdem könnte ihnen mit entsprechenden Möglichkeiten (Antrag auf alleiniges Sorgerecht, Kontakt-Näherungsverbot etc.), begegnet werden.
13
In einem Hinweisschreiben vom 24.04.2020 legte das Gericht dar, dass die befürchteten Repressalien in Kamerun anhand der Erkenntnismittel aus dem Land nicht gänzlich ausgeschlossen seien, aber die Klägerin bisher hierzu nur pauschale Behauptungen aufgestellt habe. Zusätzlich sei aber von der Beklagten darzulegen, ob eine Vaterschaftsfeststellung erfolgsversprechend sei, sodass die von der Klägerin verlangte Mitwirkung hieran angemessen sei.
14
Mit Schriftsatz vom 18.05.2020 erläuterte die Stadt …, dass das eingeschaltete Deutsche Institut für Jugendhilfe und Familienrecht e.V. nach ausbleibender Reaktion des mutmaßlichen Vaters auf die schriftliche Bitte hin, die Vaterschaft anzuerkennen, empfohlen habe, ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren in Deutschland nach §§ 100 ff. FamFG durchzuführen und hierbei die Arbeitgeberadresse des mutmaßlichen Vaters anzugeben. Die Erfolgsaussichten seien schwer zu beurteilen. Mit Kamerun bestehe kein Zustellungsabkommen und nach § 175 FamFG solle bei einem Vaterschaftsfeststellungsverfahren vor einer Beweisaufnahme über die Abstammung die Angelegenheit in einem Termin erörtert und das persönliche Erscheinen der verfahrensfähigen Beteiligten angeordnet werden. Zudem werde in der Regel eine genetische Abstammungsuntersuchung angeordnet. Beides scheine schwer realisierbar. Eine Durchsetzung eines Unterhaltsanspruches müsse in Kamerun erfolgen, dazu müssten die deutschen Beschlüsse hierzu dort anerkannt werden.
15
Mit Schriftsatz vom 25.05.2020 ließ die Klägerin vortragen, dass der mutmaßliche Vater keine konkreten Drohungen ausgesprochen habe, sie aber nach den bisherigen Erfahrungen von einer Gefahr ausgehe. Der mutmaßliche Vater habe sich von Anfang an geweigert, irgendeine Verantwortung für die Tochter zu übernehmen. Er sei verheiratet und ein Einbrechen der Klägerin in die Ehe sei wegen der gesellschaftlichen Situation problematisch gewesen. Sie habe daher keinerlei weitere Bemühungen angestellt, um Schwierigkeiten zu vermeiden. Nachdem das Jugendamt den mutmaßlichen Vater des Kindes angeschrieben habe, habe dieser den Bruder der Klägerin getroffen und diesem klargemacht, dass er sich keinem Verfahren unterziehen werde. Aufgrund der beigezogenen Erkenntnismittel sei nicht erforderlich, dass konkrete Vorwürfe oder Drohungen getätigt würden, da allgemein bekannt sei, dass man in Kamerun mit entsprechenden finanziellen Mitteln und persönlichen Verbindungen Menschen Schwierigkeiten bereiten könne. Die Klägerin rechne damit, dass der Bruder berufliche Probleme und die Mutter Probleme bei der Gesundheitsversorgung bekomme. Sollte sie selbst zum Verwandtschaftsbesuch nach Kamerun reisen, befürchte sie Probleme bei der Ein- oder Ausreise. Welche konkreten Maßnahmen der mutmaßliche Vater einleiten würde, sei letztlich nur spekulativ. Aus dem Schriftsatz der Stadt … ergäben sich große Unsicherheiten, ob und inwieweit die Vaterschaftsfeststellung gegenüber dem mutmaßlichen Vater durchsetzbar sei, insofern sei die Streichung des gegenständlichen Unterhaltsvorschussanspruches der Klägerin unverhältnismäßig.
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Dem hält die Stadt … mit Schriftsatz vom 24.06.2020 entgegen, dass weder konkrete Gefahren noch ein Ausschlusstatbestand, der von Mitwirkungspflichten entbinde, vorlägen. Hierfür bedürfe es Anhaltspunkte für das Vorliegen einer unerträglichen Konfliktsituation auf Seiten der Auskunftspflichtigen. Diese Schwelle sei nicht erreicht. Potentiellen Gefahren durch den mutmaßlichen Vater könnten mit rechtlichen Mitteln (Antrag auf alleiniges Sorgerecht, Kontakt-Näherungsverbot, Einreiseverbot des mutmaßlichen Vaters etc.) begegnet werden. Diese seien aber aufgrund der räumlichen Trennung unter Umständen gar nicht erforderlich. Es bestehe zumindest die Möglichkeit, dass die Vaterschaftsfeststellung betrieben werden könne, zumal nicht feststehe, wie sich die rechtlichen Verhältnisse in Kamerun in den kommenden Jahren entwickelten. Weiterhin sei es Sinn und Zweck des UVG, der öffentlichen Hand die potentielle Möglichkeit zu eröffnen, die Leistungen von dem „anderen Elternteil“ erstattet zu bekommen. Die Klägerin habe nicht ansatzweise glaubhaft gemacht, dass sie ein so herausragendes schützenswertes Interesse habe, das die hochrangigen Kindesinteressen hinsichtlich der rechtlichen Feststellung seiner Vaterschaft, sowie die fiskalischen Interessen der staatlichen Gemeinschaft deutlich überwiege.
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Hierzu führt der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 03.07.2020 aus, dass die Klägerin weitgehend mitgewirkt habe, die Bemühungen dennoch nicht erfolgreich gewesen seien. Deshalb und aus der Stellungnahme zu den weiteren Erfolgsaussichten einer Vaterschaftsfeststellung der Stadt … ergebe sich, dass auch weitere Maßnahmen nicht erfolgreich sein werden. Dagegen sei die Sorge der Klägerin vor den Möglichkeiten des mutmaßlichen Vaters begründet. Es reiche auch nicht aus, wenn dem mutmaßlichen Vater verboten werde, nach Deutschland zu reisen. Dieser könne auch Personen nach Deutschland schicken. Der deutsche Staat könne spätestens, wenn die Klägerin oder ihre Tochter zu Verwandtschaftsbesuchen nach Kamerun reise, keinen Schutz mehr bieten. Die Tochter habe auch keinen Bedarf, den potentiellen Vater zu finden. Nachdem es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass eine Vaterschaftsanerkennung zu einer Unterhaltsleistung für die Tochter in Deutschland führe, sei das Vorgehen der Stadt …unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles unverhältnismäßig.
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Mit Beschluss vom 14.08.2020 wurde der Klägerin Prozesskostenhilfe gewährt, da die Erfolgsaussichten der Klage nach summarischer Prüfung offen seien.
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Die Klägerin erhob sodann mit Schriftsatz vom 26.08.2020, der am gleichen Tag bei Gericht einging, Klage mit den Anträgen,
- 1.
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Die Beklagte wird verpflichtet, den Bescheid vom 29.11.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.03.2020 aufzuheben und der Klägerin Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz über den 01.12.2019 hinaus weiter zu bewilligen.
- 2.
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Die Beiziehung des Unterfertigten auch im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
- 3.
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Die Beklagter die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
20
Zur Begründung wurde auf das bisherige Vorbringen verwiesen und ergänzend ausgeführt, dass die Klägerin keine ganz konkreten Drohungen des potentiellen Peinigers darlegen oder glaubhaft machen könne. Während der Schwangerschaft und nach der Geburt des Kindes habe der Putativvater sich geweigert, in irgendeiner Weise Verantwortung zu übernehmen oder gar die Vaterschaft anzuerkennen. Die Klägerin habe bereits damals aufgrund der gesellschaftlichen Stellung des Vaters Angst gehabt, weitere Schritte einzuleiten. Auf Drängen des Jugendamtes habe die Klägerin schließlich bei der weiteren Anerkennung mitgewirkt. In der Folge habe der Bruder der Klägerin zufällig Kontakt zum Putativvater gehabt. Dieser habe von dem Schreiben aus Deutschland berichtet und klargemacht, dass er sich keinem Verfahren unterziehen werde. Zu konkreten Vorwürfen, Drohungen oder Angriffen sei es nicht gekommen. Dies sei aber aufgrund der Menschenrechtslage in Kamerun auch nicht erforderlich. Die Klägerin rechne damit, dass der Bruder berufliche Probleme und die Mutter Probleme bei der Gesundheitsversorgung bekomme. Sollte sie selbst zum Verwandtschaftsbesuch nach Kamerun reisen, befürchte sie Probleme bei der Ein- oder Ausreise. Welche konkreten Maßnahmen der mutmaßliche Vater einleiten würde, sei letztlich nur spekulativ. Die Erfolgsaussichten der begehrten Vaterschaftsfeststellung seien gering. Ein Verfahren in Kamerun scheitere schon an den geringen finanziellen Mitteln der Klägerin. Während ein Verfahren in Deutschland mangels Zustellungsübereinkommens mit Kamerun problematisch sei. Der Putativvater könne in ein etwaiges Verfahren gar nicht wirksam einbezogen werden. Erst recht könnten in Kamerun keine Zwangsmittel zur Durchsetzung einer genetischen Untersuchung angewandt werden. Es gebe folglich zwar theoretisch rechtliche Möglichkeiten das Verfahren in Deutschland zu betreiben, die Durchsetzung der Ansprüche habe aber selbst aus Sicht der Beklagten geringe Erfolgsaussicht. Hinzu komme, dass das Verfahren mit Verfahrenskostenhilfe abgewickelt werden müsste, was ein Kostenrisiko für die Klägerin bedeute, wenn das Verfahren erfolglos bliebe. Selbst wenn der Klägerin nicht die Kosten eines solchen Verfahrens auferlegt würden, verblieben diese bei der Staatskasse. Insoweit sei abzuwägen, ob die voraussichtlichen Kosten für die geltend gemachten Leistungen aus UVG bis zum 18. Lebensjahr, in Höhe von etwa 17.582,00 EUR in Relation zu den zu erwartenden Kosten des von der Beklagten angestrebten Verfahrens stünden. Alleine die Gutachterkosten für ein Abstammungsgutachten seien nach Erfahrung des Rechtsanwaltes mit 1.000 - 1.500 EUR anzusetzen. Weiterhin seien voraussichtliche Flugkosten von Kamerun nach Deutschland, Übersetzungen, Zustellungen für zu beteiligende Dritte wie Institute, Sachbearbeiterkosten bei Gericht und der Beklagten, Anwaltskosten u.v.m. in die Abwägungen einzubeziehen. Die Streichung des Unterhaltsvorschusses sei unverhältnismäßig.
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Dem hält die Beklagte im Schriftsatz vom 19.11.2020 entgegen, dass die allgemeine Annahme, Personen mit finanziellen Mitteln könnten in Kamerun das Handeln anderer Personen beeinflussen, nicht ausreiche, um eine drohende Gefahr für die im Bundesgebiet lebende Klägerin und ihr Kind zu begründen. Die Klägerin sei daher nicht von der Mitwirkungspflicht befreit. Eine solche hätte zudem zur Folge, dass der Kindsvater letztlich zulasten der Allgemeinheit von der Unterhaltspflicht dauerhaft freigestellt würde. Das bisherige Vorbringen rechtfertige eine solche Folge aus Sicht der Beklagten nicht. Weiterhin könne die Beklagte in ihrer Funktion als Unterhaltsvorschussbehörde die Leistungsgewährung nicht von den konkreten Erfolgsaussichten eines Vaterschaftsanerkennungsverfahrens abhängig machen. Die Durchsetzung sei zudem zwar als schwer realisierbar, aber nicht als unmöglich eingeschätzt worden. Die vorgeschlagene Abwägung der Kosten des Unterhaltsvorschusses mit den Kosten einer Vaterschaftsanerkennung laufe dem Grundsatz des Vorbehaltes des Gesetzes zuwider. Weder im Gesetz, noch in den zugehörigen Verwaltungsvorschriften gebe es Anhaltspunkte für eine solche Abwägung. Nicht zuletzt habe das Kind aus Sicht der Beklagten ein Interesse an der Feststellung der Vaterschaft, zudem sei überhaupt nicht abzusehen, wie sich die Verhältnisse in Kamerun in den kommenden Jahren entwickelten.
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Für die Klägerin führt der Rechtsanwalt mit Schriftsatz vom 30.11.2020 hierzu ergänzend zum bisherigen Vortrag aus, dass die Klägerin keine konkreteren Befürchtungen vortragen könne, weil sich diese alle auf die bisherigen Verhaltensweisen des Putativvaters bezögen. Dieser habe sich bisher nicht für seine Tochter interessiert. Der Beweis des ersten Anscheins und die allgemeine Lebenserfahrung wiesen darauf hin, dass niemand freiwillig an der Feststellung einer Zahlungspflicht mitwirke. Dies gelte umso mehr, als der Putativvater in einer intakten Familie lebe und die Anerkennung eines (weiteren) Kindes zu einer Beeinträchtigung bereits bestehender und feststehender Unterhalts- und gegebenenfalls späteren Erbrechtsansprüchen führe. Hieran habe wohl weder der Putativvater noch dessen Familie Interesse. Selbst wenn nicht mit konkreten Gefahren für Leib und Leben oder sonstige schützenswerte Rechtsgüter der Klägerin oder deren Familie zu rechnen wäre, sei nicht zu erwarten, dass Unterhaltsansprüche auch rechtlich und tatsächlich in Kamerun gegen den dort lebenden Putativvater durchsetzbar wären. Er werde sich nach den bisherigen Erfahrungen nicht freiwillig einer Vaterschaftsfeststellung unterwerfen. Es könne dahinstehen, ob und wie weit sich die Verhältnisse in Kamerun ggf. änderten. Zudem könnten Unterhaltsansprüche, die mit der Leistung des Unterhaltsvorschusses auf den Freistaat Bayern bzw. die Stadt* … übergingen, auch zu einem späteren Zeitpunkt nach etwaigen Änderungen der Erfolgsaussichten durchgesetzt werden. Hierbei dürften angesichts des Alters des unterhaltsberichtigten Kindes auch keine Verjährungsansprüche entgegenstehen.
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Auf Anfrage des Gerichts teilte die Beklagte mit Schriftsatz vom 22.06.2021 mit, dass die Klägerin den Unterhaltsvorschussbetrag für Dezember 2019 ausbezahlt bekommen habe. Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1a UVG lägen vor. Sie seien am 28.06.2019 geprüft worden. Die Klägerin habe angegeben, keine Leistungen nach SGB II zu beziehen. Weiterhin habe sie ein Bruttoeinkommen aus nichtselbstständiger Arbeit bei der Firma … in Höhe von ca. 1.300 € monatlich angegeben.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und die beigezogene Behördenakte sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28.06.2021 verwiesen, § 117 Abs. 3 VwGO.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage hat inhaltlich keinen Erfolg.
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I. Die Klage ist zulässig und insbesondere fristgerecht erhoben. Zwar ist eine bedingt erhobene Klage grundsätzlich unzulässig, da Prozesserklärungen bedingungsfeindlich sind; der Klägerin kann aber auf Grundlage des ergangenen Prozesskostenhilfebeschlusses vom 14.08.2020 und der danach eingegangenen Klage am 26.08.2020 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden (NK-VwGO/Werner Neumann/Nils Schaks, 5. Aufl. 2018, VwGO § 166 Rn. 21). Die Klageerhebung am 26.08.2020 enthält konkludent einen fristgemäßen Wiedereinsetzungsantrag nach § 60 VwGO. Sie ist innerhalb von zwei Wochen nach dem Beschluss über Prozesskostenhilfe eingegangen.
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Die Klägerin ist auch klagebefugt, durch die Aufhebung der Leistungsgewährung und Rückforderung besteht die Möglichkeit der Verletzung in eigenen Rechten, § 42 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 9 UVG.
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II. Die zulässige Klage bleibt inhaltlich ohne Erfolg.
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Zwar richtet sich die Klage gegen den richtigen Beklagten und die Klägerin kann einen etwaigen Anspruch auch in eigenem Namen geltend machen, jedoch erweist sich der streitgegenständliche Bescheid vom 29.11.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.03.2020 als rechtmäßig, sodass die Klägerin auch nicht in ihren Rechten verletzt ist, § 113 Abs. 1 VwGO.
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1. Die Stadt … ist vorliegend die richtige Beklagte nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO i.V.m. Art. 62 Abs. 2 Gesetz zur Ausführung der Sozialgesetze (AGSG).
31
2. Die Klägerin kann etwaige Ansprüche und Rechtsverletzungen aus dem Unterhaltsvorschussrecht als sorgeberechtigter Elternteil, bei dem ihre Tochter lebt, im eigenen Namen geltend machen, § 9 Abs. 1 UVG.
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3. Der Bescheid erweist sich hinsichtlich der Einstellung von Zahlungen nach dem UVG ab dem 01.12.2019 als rechtmäßig. Ab diesem Zeitpunkt bestand kein Anspruch auf Leistungen nach dem UVG mehr.
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Unabhängig davon, ob die übrigen Voraussetzungen für die Gewährung von Unterhaltsvorschuss nach § 1 Abs. 1, Abs. 1a und Abs. 2a UVG vorliegen, ist der Anspruch nach § 1 Abs. 3 UVG ausgeschlossen, weil die Klägerin bei der Feststellung der Vaterschaft nicht ausreichend mitgewirkt hat und dies auch in Zukunft nicht tun will. Dies hat sie bereits im behördlichen Verfahren mitgeteilt, und in der mündlichen Verhandlung erneut explizit wiederholt, indem sie erklärte, sie wünsche keinerlei Schritte gegen den potentiellen Vater. Sie wolle auch nicht, dass das Jugendamt als Beistand oder Amtspfleger die Vaterschaftsfeststellung betreibe.
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a. Nach § 1 Abs. 3 UVG besteht ein Anspruch auf Unterhaltsleistung nach dem UVG unter anderem dann nicht, wenn der Elternteil, bei dem das unterhaltsvorschussberechtigte Kind lebt, sich weigert, bei der Feststellung der Vaterschaft mitzuwirken. Die Mitwirkungspflicht besteht nicht ausnahmslos, sondern trifft den Elternteil im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren (BVerwG U.v. 21.11.1991 - 5 C 13/87, NJW 1992, 1522; s. auch BT-Drs 8/1952, S. 7).
35
Im Fall einer Konfliktlage, die wegen des Grundrechts auf Wahrung der Intimsphäre anzuerkennen ist, dürfen keine Angaben verlangt werden, die ohne Weiteres einen Rückschluss auf die Person des Vaters erlauben und damit doch auf deren Offenbarung zulasten jener Belange hinauslaufen würden, die den Konflikt hervorrufen. Doch müssen zwecks Vorbeugung gegen die missbräuchliche Verweigerung einer Mitwirkung hierzu Darlegungen verlangt werden, auf deren Grundlage sich das Bestehen einer beachtlichen, anerkennenswerten Konfliktlage nachvollziehen lässt. Was in diesem Sinne möglich und zumutbar wäre, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Eine Begrenzung der Mitwirkungsobliegenheit kommt danach allenfalls etwa in extremen, unerträglichen Konfliktlagen in Betracht. (BVerwG U.v. 21.11.1991 - 5 C 13/87, NJW 1992, 1522; BVerwG, U.v. 16. 5. 2013 - 5 C 28/12, NJW 2013, 2775, BayVGH B.v. 31.03.2010 -12 C 09.2943 - BeckRS 2010, 31260; OVG NW B.v. 22.08.2013 - 12 B 713/13 - BeckRS 2014, 48741; OVG Bautzen B.v. 22.06.2010 - 5 D 33/10, BeckRS 2010, 53046; Knittel, JAmt 2019, 183, 187). Die Mitwirkungspflicht der Kindesmutter bei der Feststellung der Vaterschaft ist auch dann verletzt, wenn bei Erfüllung derselben die Ermittlung des Kindesvaters für die Behörde nicht erfolgversprechend gewesen wäre (OVG NW B.v. 16.12.2020 - 12 E 819/20 - juris Rn. 14). Die vorgenannten Grundsätze gelten auch, wenn der Putativvater sich gewöhnlich im Ausland aufhält. Allein das Vorausahnen etwaiger prozeduraler Schwierigkeiten bei womöglich gleichzeitig geringer Aussicht auf das Gelingen eines Rückgriffs ist kein Grund, von vornherein von der Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens abzusehen. Damit würde die Absicht des Gesetzgebers unterlaufen, grundsätzlich und schematisch einen Rückgriff für die im Voraus gezahlten Unterhaltsleistungen vorzusehen und zu betreiben. Eine Vorabwürdigung, ob dies im Einzelfall überhaupt gelingen werde und die Anstrengungen lohnen, ist weder der Verwaltung noch den Gerichten zugestanden (Knittel, JAmt 2019, 183, 187).
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Über die genannten Extremfälle einer unerträglichen Konfliktlage hinaus, ist weder im Gesetz noch sonst eine pauschale Abwägung der jeweiligen Kosten bzw. Verhältnismäßigkeit, wie sie der Klägerbevollmächtigte vornimmt, vorgesehen. Ein solche Auslegung widerspräche auch dem der Regelung zu Grunde liegenden Konzept, dass die Mitwirkungspflicht grundsätzlich besteht und alleine in dem, was Möglich und Zumutbar ist, seine Grenze findet. Im Übrigen würde dabei auch zu Unrecht außer Acht lassen, dass das Kind einen verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf Kenntnis seiner Abstammung hat. Diesen dürfen weder staatliche Organe noch die Mutter selbst allein deshalb vereiteln, weil sie nach Gutdünken schon die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens von vornherein für nicht aussichtsreich halten (Knittel, JAmt 2019, 183, 188).
37
b. Im Rahmen der Mitwirkungspflichten wird man von der Klägerin mindestens verlangen können, dass sie eine Beistandschaft oder eine Bestellung eines Amtspflegers zulässt. Auch wenn von der Mutter evtl. keine weitergehende aktive Förderung des Verfahrens erwartet werden kann, und sie mit Worten zum Ausdruck bringt, dass es ihr eigentlich lieber wäre, die Vaterschaft würde nicht festgestellt, sind ihre Mitwirkungspflichten solange nicht verletzt, als dies nur ihre innere Haltung widerspiegelt, ohne konkrete Auswirkungen auf den Fortgang der Angelegenheit zu haben. Verweigert sie jedoch die Beistandschaft oder eine Bestellung eines Amtspflegers, oder lässt sie eine bereits bestehende Beistandschaft durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Jugendamt aufheben und nimmt im Anschluss daran einen bereits gestellten Feststellungsantrag zurück, ist grundsätzlich von einer Verletzung der Mitwirkungspflicht auszugehen (Knittel, JAmt 2019, 183, 188).
38
c. Gemessen an diesen Grundsätzen hat die Klägerin ihre Mitwirkungspflicht verletzt, bzw. besteht keine Ausnahme von der Mitwirkungspflicht. Es ist nicht hinreichend ersichtlich, dass die Klägerin tatsächlich in eine extreme, unerträgliche Konfliktlage gerät, wenn Sie an der Vaterschaftsfeststellung durch die Bestellung eines Amtspflegers oder einer Beistandschaft mitwirkt.
39
Es sind keine konkreten Anhaltspunkte geschildert, die darauf schließen lassen, dass der potentielle Vater sich rächen könnte. Letztlich gibt die Klägerin selbst zu, dass die möglichen Konsequenzen spekulativ sind. Alleine eine diffuse oder unkonkrete Angst, ohne objektivierbare Anhaltspunkte kann keine extreme, unerträgliche Konfliktlage begründen.
40
Bisher hat der potentielle Vater sich nach den Angaben der Klägerin zudem lediglich dahingehend geäußert, dass er die Vaterschaft nicht anerkennen und für die Tochter der Klägerin nicht aufkommen wird. Aus den von der Klägerin vorgetragenen Äußerungen des potentiellen Vaters geht nicht hervor, dass er sich mit Repressalien rächen würde, wenn es zu einem entsprechenden Verfahren kommen würde. Außerdem kann er sein Ziel, die Tochter nicht anzuerkennen und nicht für diese aufzukommen derzeit auch dadurch erreichen, dass er das für ihn unerwünschte Verfahren durch Nichtstun boykottiert. Es bedarf also zum Erreichen seiner Ziele nicht zwingend der Druckausübung auf die Klägerin und ihre Familienangehörigen. Alleine die theoretische Möglichkeit, dass der potentielle Vater in irgendeiner Weise der Klägerin oder ihrer Familie Probleme machen könnte, reicht nicht aus, um anzunehmen, dass er von diesen Möglichkeiten überhaupt Gebrauch macht.
41
Hinsichtlich der etwaigen Repressalien ist der Vortrag der Klägerin wenig konkret. Sie hat weder vorgetragen, inwiefern ihre Mutter medizinische Versorgung benötigt und wie der potentielle Vater ihrer Tochter hierauf Einfluss nehmen könnte, noch in welcher Form er ihrem Bruder berufliche Probleme bereiten könnte. In der mündlichen Verhandlung sind diese Befürchtungen von ihr überhaupt nicht erwähnt worden, sodass einiges dafür spricht, dass es sich um wenig objektivierbare Befürchtungen der Klägerin handelt. In Bezug auf die Befürchtung der Klägerin, der mutmaßliche Vater ihrer Tochter könne gegen ein Schmiergeld ggf. veranlassen, dass ihr bei Ein- oder Ausreise bzw. bei ihrer Familie durch staatliche Kräfte der Pass abgenommen wird, ist dies genauso spekulativ wie die übrigen vorgetragenen Befürchtungen. Hierbei bleibt völlig offen, wie dieser überhaupt - insbesondere in Anbetracht ihrer Aussage, die kamerunischen Behörden wüssten bei einem etwaigen Besuch ihrerseits nicht, wo sie sich aufhalte - von ihrer Anwesenheit erfahren sollte.
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Insgesamt kann aus dem Vortrag der Klägerin heraus keine extreme, unerträgliche Konfliktlage geschlossen werden. Nachdem die Klägerin sich bei der persönlichen Vorsprache bei der Stadt … am 26.11.2019 entsprechend äußerte, keine weiteren Schritte bezüglich einer Vaterschaftsfeststellung zu wünschen, lag ab diesem Zeitpunkt bzw. für den darauffolgenden Monat Dezember 2019 der Ausschluss von Unterhaltsvorschussleistungen nach § 1 Abs. 3 UVG vor. Die Einstellungen der Leistungen ab Dezember 2019 ist daher rechtmäßig.
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4. Soweit die Klägerin in der Begründung des Bescheides außerdem aufgefordert wird, den bereits geleisteten Unterhaltsvorschuss für Dezember 2019 zurückzuzahlen, ist dies ebenfalls rechtmäßig.
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a. Obwohl die Rückforderung lediglich in der Begründung aufgenommen wurde, ist der Bescheid auch hinsichtlich der Rückforderung formell rechtmäßig und insbesondere hinreichend bestimmt. Der typische Aufbau eines Bescheides mit Tenor, Sachverhalt und Begründung ist nicht zwingende Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes, solange klar ist, was der Adressat, aus welchen Gründen tun, dulden oder unterlassen soll. Aus der Formulierung „Die für den Monat Dezember 2019 bereits angewiesene UVG-Leistung in Höhe von 272,00 € ist von Ihnen zu erstatten“, des ohnehin - inklusive Rechtsmittelbelehrungnur eineinhalb Seiten umfassenden Bescheides wird hinreichend deutlich, dass die Klägerin den gezahlten Betrag zurückerstatten soll. Dies hat sie ausweislich ihrer Widerspruchsbegründung und Vertretungsanzeige vom 11.12.2019, in der sie vorgetragen hatte, das Geld bereits verbraucht zu haben, auch so verstanden.
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b. Die Rückforderung findet ihre Rechtsgrundlage, wie im Widerspruchsbescheid vom 10.03.2020 zutreffend angeführt, in § 50 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X). Danach sind Leistungen, soweit sie ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind, zu erstatten. § 5 UVG ist nicht anwendbar, da es sich um eine Rückforderung für einen Zeitraum handelt, in dem es schon keine Gewährung mehr gab.
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Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 29.11.2019 wurde die Gewährung von Unterhaltsvorschussleistungen mit Wirkung vom 01.12.2019 eingestellt. Noch vor Beginn des Dezember 2019 wurde der Klägerin also mitgeteilt, dass der Grund für die Gewährung von Unterhaltsvorschuss ab Dezember 2019 wegfällt. Die Leistung war nur aufgrund der zeitlichen Nähe zum Monatsbeginn bereits angewiesen worden und wurde damit zu Unrecht und ohne Verwaltungsakt (noch) erbracht.
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Rechtsfolge ist nach § 50 Abs. 2 SGB X ohne weitere Voraussetzungen oder Ermessensspielraum der Behörde, dass der Betrag zurückzuerstatten ist. Es kommt im Hinblick auf die vorherige Ankündigung, dass der Rechtsgrund fehlt, auch nicht auf etwaige Vertrauenstatbestände an. Die Regelung im Bescheid ist damit rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
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Nach alldem ist der Bescheid insgesamt rechtmäßig und die Klage daher vollumfänglich abzuweisen.
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III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Nach § 188 Satz 2 VwGO ist das Verfahren gerichtskostenfrei. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß § 167 VwGO i.V. m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.