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VG München, Gerichtsbescheid v. 07.12.2021 – M 26b K 19.3452
Titel:

Rundfunkbeitragspflicht, Umzug ins Ausland, rechtzeitige schriftliche Abmeldung gegenüber Rundfunkanstalt als konstitutive Voraussetzung der Beendigung der Beitragspflicht

Normenkette:
RBStV § 7 Abs. 2
Schlagworte:
Rundfunkbeitragspflicht, Umzug ins Ausland, rechtzeitige schriftliche Abmeldung gegenüber Rundfunkanstalt als konstitutive Voraussetzung der Beendigung der Beitragspflicht
Fundstelle:
BeckRS 2021, 44037

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.  
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. 
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet. 

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen die Verpflichtung, Rundfunkbeiträge zu entrichten.
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Der Kläger war unter der Beitragsnummer … … … mindestens seit dem Jahr 2013 beim Beklagten bis einschließlich … Oktober 2017 als privater Beitragszahler erfasst.
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Nach eigenen Angaben zog der Kläger Ende Oktober 2015 aus seiner damaligen Wohnung in A … aus, verlegte seinen Wohnsitz nach Italien, kehrte Ende November 2016 nach Deutschland zurück, begründete einen Wohnsitz in B … Dort meldete sich im Februar 2017 beim Einwohnermeldeamt ab, um sich wiederum nach Italien zu begeben, um im November 2017 nach Deutschland zurückzukehren und sich in C … niederzulassen. Nach eigenen Angaben bezog er während seines Aufenthalts in Deutschland als Langzeitarbeitsloser Sozialleistungen vom Jobcenter.
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Mit Festsetzungsbescheid von 6. April 2018 setzte der Beitragsservice des Beklagten gegen den Kläger für den Zeitraum 1. November 2015 bis 31. Januar 2016 Rundfunkbeiträge einschließlich eines Säumniszuschlags in Höhe von insgesamt 60,50 EUR fest.
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Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom … April 2018 Widerspruch ein und machte geltend, er habe von Herbst 2015 bis November 2017 in Italien gelebt und sei daher nicht in Deutschland beitragspflichtig. Seit Dezember 2017 lebe er in einer Wohngemeinschaft mit einer Dame, die für diese Wohnung den Rundfunkbeitrag entrichte. Außerdem beziehe er seit November 2017 Sozialleistungen (Hartz IV) vom Jobcenter.
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Mit Festsetzungsbescheid vom 2. Januar 2019 setzte der Beitragsservice des Beklagten gegen den Kläger weitere Rundfunkbeiträge für den Zeitraum 1. Februar 2016 bis 31. April 2018 einschließlich eines Säumniszuschlags in Höhe von insgesamt 480,50 EUR fest. Ein Widerspruch des Klägers gegen diesen Bescheid ist nicht aktenkundig.
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Mit Festsetzungsbescheid von 1. März 2019 setzte der Beitragsservice gegen den Kläger Beiträge für den Zeitraum 1. Mai 2018 bis 31. Januar 2019 einschließlich eines Säumniszuschlags in Höhe von insgesamt 165,50 EUR fest. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein.
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Mit Schreiben vom 7. Juni 2019 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass das Beitragskonto rückwirkend zum Ablauf des Monats Oktober 2017 abgemeldet worden sei.
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Mit Schreiben vom … März 2019, bei Gericht eingegangen am 7. März 2019, erhob der Kläger Klage zum Amtsgericht Köln mit dem Ziel, seine Beitragspflicht, die seit Mitte 2015 nicht mehr bestehe, gerichtlich prüfen zu lassen. Mit Schreiben vom … April 2019 beantragt der Kläger,
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1. seine Beitragsschuld seit Oktober 2015 mangels Beitragspflicht zu streichen,
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2. den Beitragsservice D … wegen der Art und Weise der Eintreibung von Rundfunkgebühren öffentlich zu rügen.
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Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend, er sei seit Ende Oktober 2015 nach Italien übergesiedelt, um dort Arbeit zu suchen. Darüber habe er per Post den Beklagten informiert. Ende November 2016 sei er wieder nach Deutschland gekommen, habe sich arbeitslos gemeldet und zur Untermiete bei der Familie A … gewohnt. Er sei aus zwei Gründen nicht beitragspflichtig gewesen, einerseits, weil er Sozialleistungen bezogen habe (Hartz IV) und andererseits, weil Frau A … bereits die Gebühren für diese Wohnung bezahlt habe. Am … Februar 2017 habe er sich bei der Gemeinde abgemeldet und sei wiederum nach Italien gezogen. Im November 2017 sei er wieder nach Deutschland zurückgekehrt, habe sich unverzüglich beim Jobcenter gemeldet und wieder Hartz IV bekommen. Darüber hinaus wohne er seither in Untermiete bei Frau B … …, die für diese Wohnung den Rundfunkbeitrag entrichte. Er habe den Beitragsservice immer per Post informiert, aber nie eine Antwort bekommen, sondern immer nur Mahnungen und Pfändungsandrohungen. Der Umgang des Beitragsservice mit den Bürgern sei menschenunwürdig und nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Wäre er in Italien geblieben, so hätte der Beitragsservice bis zum Nimmerleinstag Rundfunkbeiträge auf seinen Namen veranschlagt.
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Mit Beschlüssen vom 9. Mai 2019 und vom 17. Juli 2019 wurde der Rechtsstreit zunächst vom Amtsgericht Köln an das Verwaltungsgericht Köln und von dort an das Verwaltungsgericht München verwiesen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung führt er aus, die Klage sei unzulässig, da kein bestimmter Klageantrag gestellt sei. Das Konto des Klägers sei zum … Oktober 2017 abgemeldet worden. Der Festsetzungsbescheid vom 6. April 2018 sei rechtmäßig, da der Kläger das Ende des Innehabens der Wohnung nicht rechtzeitig beim Beklagten angezeigt habe. Eine rückwirkende Abmeldung sei nach der einschlägigen rundfunkbeitragsrechtlichen Vorschrift - § 7 Abs. 2 Satz 1 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages (RBStV) - verboten. Der Festsetzungsbescheid vom 2. Januar 2019 sei bereits bestandskräftig. Der Festsetzungsbescheid vom 1. März 2019 könne nicht Gegenstand der Klage sein, weil dieser dem Kläger im Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht zugegangen sei. Einen Wegzug nach Italien am … Februar 2017 habe der Kläger unter dem 13. Juni 2019 dem Beklagten erstmals mitgeteilt.
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Der Rechtsstreit wurde mit Beschluss vom 8. Juni 2021 zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen. Mit Schreiben vom 5. November 2021 wurden die Parteien zur Entscheidung im Wege des Gerichtsbescheids angehört.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Über die Klage konnte nach Anhörung der Beteiligten durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 VwGO - Verwaltungsgerichtsordnung). Auf ein Einverständnis der Beteiligten kommt es nicht an (Eyermann, VwGO, 15. Aufl., § 84 Rn. 10).
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1. Die Klage hat keinen Erfolg.
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1.1. Die Klage bedarf zunächst der Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB analog unter Beachtung der von § 88 VwGO gesetzten Grenzen.
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Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz findet im Rundfunkbeitragsrecht in der Regel im Wege der Anfechtung der Festsetzungsbescheide statt. Das Gericht legt die vom anwaltlich nicht vertretenen Kläger erhobene Klage in dessen wohlverstandenem Interesse dahingehend aus, dass er die Aufhebung der Festsetzungsbescheide vom 6. April 2018, 2. Januar 2019 und 1. März 2019 begehrt. Mit der Aufhebung dieser Bescheide könnte der Kläger das Ziel erreichen, die im Zeitraum von November 2015 bis Januar 2019 bis nicht entrichten zu müssen.
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Soweit mit der Klage auch das Ziel verfolgt wird, für Oktober 2015 keine Beiträge zahlen zu müssen, ist ein Festsetzungsbescheid nach Aktenlage nicht ersichtlich. Insoweit lässt sich auch im Wege der Auslegung ein hinreichend bestimmter Klageantrag nicht ermitteln, da es bereits am Klagegegenstand fehlt.
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Für den auf eine „öffentliche Rüge“ gerichteten Antrag sieht die VwGO keinen passenden Rechtsbehelf vor. Im Übrigen ist ein Rechtsschutzbedürfnis für einen derartigen Antrag nicht ersichtlich. Das Gericht misst diesem Antrag daher keine eigenständige Bedeutung zu.
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1.2. Die Anfechtungsklage gegen den Festsetzungsbescheid von 6. April 2018 ist zulässig, aber unbegründet.
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1.2.1. Die Klage ist als Untätigkeitsklage (§ 75 VwGO) zulässig, da der Kläger rechtzeitig Widerspruch gegen den Festsetzungsbescheid eingelegt und der Beklagte ohne zureichenden Grund in angemessener Frist nicht über den Widerspruch entschieden hat.
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1.2.2. Die Klage ist unbegründet, weil der Festsetzungsbescheid vom 6. April 2018 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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1.2.2.1. Rechtsgrundlage für die Erhebung von Rundfunkbeiträgen ist der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag - RBStV -vom 7. Juni 2011 (GVBl S. 258) sowie § 8 des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrags -RFinStVvom 27. Juli 2001 (GVBl S. 566) in der jeweils gültigen Fassung. Der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag ist nach Zustimmung der Landesparlamente und Hinterlegung der Ratifikationsurkunden in Kraft getreten (s. Art. 7 Abs. 2 des 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrags; s. BayVerfGH, E.v.14.5.2014 - Vf. 8-VII-12, Vf. 24-VII-12 - juris Rn. 57). Mit dem Zustimmungsbeschluss des Bayerischen Landtags vom 17. Mai 2011 in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. Juni 2011(GVBl S. 258) kommt ihm die Wirkung eines Bayerischen Landesgesetzes zu.
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1.2.2.2. Die Verfassungsmäßigkeit des seit 1. Januar 2013 geltenden Beitragsmodels ist höchstrichterlich durch Grundsatzentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, U.v. 18.7.2018 - 1 BvR 1675/16 u.a. - juris) des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 18.3.2016 - 6 C 6/15 - juris) sowie des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs (BayVerfGH, E.v. 15.5.2014 - Vf. 8-VII-12, Vf. 24-VII-12 - juris) geklärt.
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1.2.2.3. Gemäß § 2 Abs. 1 RBStV ist im privaten Bereich für jede Wohnung von deren Inhaber (Beitragsschuldner) ein Rundfunkbeitrag zu entrichten. Inhaber einer Wohnung ist jede volljährige Person, die die Wohnung selbst bewohnt. Als Inhaber wird jede Person vermutet, die dort nach dem Melderecht gemeldet ist oder im Mietvertrag für die Wohnung als Mieter genannt ist (§ 2 Abs. 2 RBStV). Die Höhe des Rundfunkbeitrags beträgt seit 1. April 2015 17,50 EUR pro Monat (§ 8 RFinStV in der Fassung des 16. Rundfunkänderungsstaatsvertrags vom 9.7.2014).
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Der Kläger war bereits mindestens seit 2013 als Inhaber einer Wohnung grundsätzlich beitragspflichtig.
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1.2.2.4. Entgegen der Auffassung des Klägers endet die Beitragspflicht nicht automatisch mit dem Wegzug ins Ausland und auch nicht allein mit der Abmeldung beim Einwohnermeldeamt.
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Gemäß § 7 Abs. 2 und § 8 Abs. 2 RBStV endet die Beitragspflicht mit dem Ablauf des Monats, in dem das Innehaben der Wohnung gegenüber der Rundfunkanstalt förmlich (schriftlich) abgemeldet wird. Die Regelung, dass das Ende der Beitragspflicht - anders als deren Beginn - zusätzlich von einer förmlichen Anzeige des Beitragsschuldners abhängt, ist sachlich geboten, um einen ordnungsgemäßen und ökonomischen Beitragseinzug sicherzustellen. Die Abmeldung ist damit materiell-rechtliche Voraussetzung für die Beendigung der Rundfunkbeitragspflicht. Dies führt dazu, dass derjenige, der sich nicht schriftlich gegenüber der Rundfunkanstalt abgemeldet hat, den Rundfunkbeitrag grundsätzlich weiter zahlen muss, auch wenn er keine Wohnung im Inland bewohnt (vgl. zum Ganzen Gall in Binder/Vesting, Beck´scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 4. Aufl., § 7 Rn. 24 m.w.N.). Eine Abmeldung gegenüber dem Einwohnermeldeamt ersetzt nicht die erforderliche Abmeldung gegenüber der Rundfunkanstalt.
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Für die erforderliche rechtzeitige und schriftliche Abmeldung trägt der Kläger die Darlegungs- und Beweislast. Für den fraglichen Zeitraum November 2015 bis Januar 2016 ist eine solche Abmeldung nicht aktenkundig und auch nicht anderweitig nachgewiesen. Nach der eindeutigen Formulierung des § 7 Abs. 2 Satz 1 RBStV kann eine Abmeldung ausschließlich mit Wirkung für die Zukunft erfolgen. Eine nachträgliche (rückwirkende) Abmeldung ist nicht möglich (Gall in Binder/Vesting, Beck´scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 4. Aufl., § 7 Rn. 33 m.w.N.).
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Da die Beitragspflicht nicht durch rechtzeitige schriftliche Abmeldung gegenüber dem Beklagten beendet wurde, ist der Kläger für den vom Festsetzungsbescheid erfassten Zeitraum beitragspflichtig.
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1.2.2.5. Der Kläger ist für den fraglichen Zeitraum auch nicht etwa gemäß § 4 Abs. 1 RBStV als Empfänger von Sozialleistungen befreit. Die Befreiung erfolgt nur auf Antrag und unter Vorlage eines Sozialleistungsbescheides. Einen einschlägigen Sozialleistungsbescheid für den Zeitraum November 2015 bis Januar 2016 hat der Kläger nicht vorgelegt.
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Gegen den Festsetzungsbescheid von 6. April 2018 bestehen daher keine rechtlichen Bedenken.
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1.3. Soweit die Klage gegen den Festsetzungsbescheid vom 2. Januar 2019 gerichtet sein soll ist, ist sie bereits unzulässig, da dieser Bescheid unanfechtbar geworden ist. Der Kläger hat es versäumt, innerhalb der Monatsfrist Widerspruch einzulegen oder unmittelbar Klage zu erheben. (§ 70 Abs. 1, § 74 Abs. 1 VwGO).
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1.4. Unzulässig ist die Klage auch, soweit sie gegen den Festsetzungsbescheid vom 1. März 2019 gerichtet sein soll. Zwar hat der Kläger gegen diesen Bescheid rechtzeitig Widerspruch eingelegt, über den der Beklagte binnen angemessener Frist nicht entschieden hat (§ 75 VwGO). Jedoch besteht für die Klage kein Rechtsschutzbedürfnis, weil das Beitragskonto für den von diesem Festsetzungsbescheid erfassten Beitragszeitraum (Mai 2018 bis Januar 2019) vom Beklagten rückwirkend abgemeldet worden ist. Das Gericht geht davon aus, dass mit der Abmeldung des Beitragskontos die Beitragsschuld des Klägers storniert wurde, sodass für eine Klage kein Rechtsschutzbedürfnis mehr besteht.
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2. Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
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3. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.