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LG Augsburg, Urteil v. 15.11.2021 – 032 O 4511/20
Titel:

Keine Haftung der Porsche AG für eventuelle unzulässige Abschalteinrichtungen in von Audi geliefertem Dieselmotor (hier: Porsche Cayenne)

Normenketten:
BGB § 823 Abs. 2, § 826, § 831
StGB § 263
Leitsätze:
1. Zu - jeweils verneinten - (Schadensersatz-)Ansprüchen von Käufern eines Porsche-Fahrzeugs, in das ein von Audi entwickelter Diesel-Motor eingebaut ist, vgl. auch BGH BeckRS 2021, 37683; OLG Köln BeckRS 2020, 25732; OLG München BeckRS 2020, 41015; BeckRS 2020, 44392; BeckRS 2021, 7739; OLG Dresden BeckRS 2020, 32522; BeckRS 2021, 6203; OLG Bamberg BeckRS 2021, 2533; BeckRS 2021, 31199; LG Augsburg BeckRS 2021, 8686; LG München I BeckRS 2020, 42410; BeckRS 2021, 37992; LG München II BeckRS 2020, 43746; LG Nürnberg-Fürth BeckRS 2020, 43093; BeckRS 2021, 37945; BeckRS 2021, 37979; LG Passau BeckRS 2021, 37975; LG Würzburg BeckRS 2020, 44850. (redaktioneller Leitsatz)
2. Es kann nicht ohne weiteres angenommen werden, dass der Vorstand bzw. Mitarbeiter des oberen Managements der Porsche AG Kenntnis von dem Einsatz einer (etwaigen) unzulässigen Abschalteinrichtung in dem von der Audi AG entwickelten, hergestellten und zugelieferten V6-TDI (EU 6) Dieselmotor hatten. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
3. Anhaltspunkte dafür, dass die Porsche AG eine Wissensorganisationspflicht traf, auf deren Grundlage sie Zugriff auf die bei der Audi AG vorhandenen Informationen hatte und vorwerfbar nicht nutzte, sind nicht ersichtlich. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
4. Selbst wenn man eine Pflicht der Porsche AG dahingehend annähme, die von der Audi AG bezogenen Motoren zu überprüfen, könnte eine Verletzung einer derartigen Überwachungs- oder Überprüfungspflicht grundsätzlich allenfalls einen Fahrlässigkeitsvorwurf, nicht jedoch den Vorwurf eines vorsätzlichen sittenwidrigen Verhaltens begründen. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Porsche, Diesel-Abgasskandal, 3,0 l V6 Dieselmotor, EA897 EVO, EA 896 Gen2, Sittenwidrigkeit, konzernverbundene Unternehmen, Wissensorganisationspflicht, Überwachungs- oder Überprüfungspflicht, Abschalteinrichtung
Fundstelle:
BeckRS 2021, 43620

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar. 
Beschluss
Der Streitwert wird auf ... € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Klagepartei begehrt von der Beklagten Rückabwicklung wegen behaupteter Dieselabgasmanipulation.
2
Die Klagepartei erwarb am 22.05.2015 bei einem Dritten (...) einen Pkw der Porsche Typ Cayenne (2967ccm | 193kW | 262PS) 3.0 (FIN: ...) zum Preis von ...€ als Neuwagen(Kilometerstand: 0 km, vgl. Anlage K 1). Zum Zeitpunkt der Klageeinreichung betrug die Laufleistung 79.000 km. Der Fahrzeugkauf wurde finanziert (Anlage K 36).
3
Die Klagepartei veräußerte das streitgegenständliche Fahrzeug am 18.10.2020 an einen Dritten für ... €. Die Laufleistung zum Zeitpunkt des Verkaufs betrug 87.000 km (Anlage K 34).
4
Das Fahrzeug verfügt über einen V6-TDI (EU 6) Dieselmotor. Zwischen den Parteien ist jedoch streitig, ob es sich um einen Motor mit der internen Bezeichnung EA897 EVO (Klagepartei) oder einen EA 896 Gen2 (Beklagte) handelt. In der EG-Übereinstimmungsbescheinigung wird die Beklagte als Herstellerin der Antriebsmaschine genannt.
5
Nach Bekanntwerden der Dieselthematik hat die Herstellerin des Motors, die ... AG, der Beklagten zwischen ... und ... mehrfach bestätigt, dass in den Motoren des im streit gegenständlichen Auto verwendeten Typs keine unzulässigen Abschaltvorrichtungen eingebaut seien.
6
An dem streitgegenständlichen Fahrzeug wurde im September 2019 ein Software-Update (Freigabe durch das Kraftfahrtbundesamt (KBA) vom 18.10.2017) durchgeführt. Grund hierfür war eine Rückrufaktion (vgl. Anlagenkonvolut 35).
7
Die Klägerin behauptet u.a., dass im streitgegenständlichen Fahrzeug unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut seien,... Die Verantwortlichen bei der Beklagten hätten Kenntnis von den Abschalteinrichtungen gehabt.
8
Die Klagepartei ist daher der Auffassung, die Beklagte hafte aus § 311 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 BGB, 826 BGB, § 831 BGB sowie § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB und i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 27 EG-FGV.
9
Die Klägerin beantragt nach teilweiser einseitiger Erledigterklärung zuletzt.
...
10
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
11
Die Beklagte trägt vor, dass bereits keine kausale Täuschungshandlung vorliege. Sie habe den Motor weder entwickelt noch hergestellt. Neben den schriftlichen Bestätigungen von Seiten der ... AG habe sie auch selbst umfangreiche interne technische Prüfungen angestrengt und keine unzulässigen Abschalteinrichtungen feststellen können. Die Vorstände der Beklagten hätten sich - nach umfangreicher Sachverhaltsaufklärung - auf die Zusicherungen der ... AG verlassen. Das Vorbringen zur Fa. ... sei bereits deshalb irrelevant, weil die Beklagte keine Vertragsbeziehungen zur Entwicklung oder Herstellung der relevanten Motorsteuerungssoftware der Motoren des streitgegenständlichen Fahrzeugs mit ... habe.
12
Für das weitere Vorbringen der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18.10.2021 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
A) Zulässigkeit
14
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Landgericht Augsburg für die Entscheidung sachlich und örtlich zuständig, §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG, 32 ZPO.
B) Begründetheit
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Die Klage ist aber unbegründet, die Klägerin hat keinen Anspruch auf Schadensersatz in Form der Rückabwicklung des Kaufvertrags.
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1. Da der Kaufvertrag nicht zwischen den Parteien geschlossen wurde, sind kaufrechtliche Ansprüche ausgeschlossen.
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2. Ansprüche aus deliktischer Haftung - einerseits aus § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit § 263 Abs. 1 StGB und andererseits aus § 826 - setzen eine vorsätzliche Täuschung seitens des Schädigers voraus, welche hier nicht vorliegt:
18
Unabhängig davon, ob überhaupt eine unzulässige und insbesondere sittenwidrige Abschalteinrichtung in dem Motor des streitgegenständlichen Fahrzeugs verbaut ist / war, hat die Klägerin nicht hinreichend dargelegt, dass die Beklagte von einer eventuell manipulierten Software Kenntnis hatte.
19
Die Beklagte hat den streitgegenständlichen Motor (einschließlich Motorsteuerung, Motorsteuerungssoftware und Abgasnachbehandlungssystem) tatsächlich weder entwickelt noch hergestellt, sondern sich lediglich von der ... AG, einem selbständigen Unternehmen, zuliefern lassen. Etwas anderes ergibt auch nicht daraus, dass die Beklagte in der EG-Übereinstimmungsbescheinigung als Herstellerin der Antriebsmaschine genannt ist. Es kann insoweit nicht ohne weiteres angenommen werden, dass der Vorstand bzw. Mitarbeiter des oberen Managements Kenntnis von dem Einsatz einer (etwaigen) unzulässigen Abschalteinrichtung hatte (vgl. u.a. OLG Karlsruhe v. 08.10.2020 u. v. 10.11.2020 - 8 U 10/20). Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte Kenntnis hatte oder aber ihr das Wissen von anderen Personen, Organen oder Leitungsgremien innerhalb des Konzerns zuzurechnen wären, liegen nach dem klägerischen Vorbringen nicht in ausreichendem Maße vor. Die Beklagte durfte sich insoweit auch auf die wiederholten Bestätigungen der ... AG verlassen (vgl. auch OLG München, Urteil v. 08.12.2020 - 18 U 576/20; OLG Frankfurt a.M., Urteil v. 05.12.2019 - 16 U 61/18). Allein der Umstand, dass Manager in unterschiedlichen Konzerngesellschaften in Leitungs- oder Planungsabteilungen an verantwortlicher Stelle beschäftigt waren, ergibt keinen Hinweis für eine Wissenszurechnung dieser Personen an die Beklagte (vgl. u.a. OLG Frankfurt am Main, Urteil v. 05.12.2019, 16 U 61/18, Rn. 25, juris; OLG Bamberg, Urteil v. 03.02.2021 - 8 U 83/20, BeckRS 2021, 2533).
20
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die den Motor liefernde wie die Beklagte selbst ein Tochterunternehmen des Konzerns ist. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte gegenüber der ... AG eine Wissensorganisationspflicht traf, auf deren Grundlage sie Zugriff auf die bei ... vorhandenen Informationen hatte und vorwerfbar nicht nutzte (vgl. OLG Frankfurt a.M., Urteil v. 04.09.2019, 13 U 136/18, Rn. 22), sind nicht ersichtlich.
21
Selbst wenn man eine Pflicht der Beklagten dahingehend annehmen möchte, die von der ... AG bezogenen Motoren zu überprüfen, könnte eine Verletzung einer derartigen Überwachungs- oder Überprüfungspflicht grundsätzlich allenfalls einen Fahrlässigkeitsvorwurf, nicht jedoch den Vorwurf eines vorsätzlichen sittenwidrigen Verhaltens begründen. Für eine bewusste Verletzung von Überprüfungspflichten im Sinne eines vorsätzlichen Wegschauens bestehen wiederum keine Anhaltspunkte (vgl. OLG München, Hinweisbeschluss v. 28.05.2020 - 5 U 1005/20, BeckRS 2020, 23596). Insoweit können auch aus dem Bußgeldbescheid der Staatsanwaltschaft Stuttgart (aufgrund fahrlässiger Verletzung der Aufsichtspflicht) Rückschlüsse jedenfalls in der klägerseits gewünschten Weise nicht gezogen werden.
22
Die Angestellten eines Schwester- oder Tochterkonzerns sind auch keine Verrichtungsgehilfen der Beklagten i. S. des § 831 BGB, so dass ein eventueller Vorsatz seitens der ... AG der Beklagten nicht zugerechnet werden kann.
23
3. Weitere durchgreifende Anspruchsgrundlagen für die geltend gemachten Ansprüche sind nicht ersichtlich.
C)
I.
24
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.
II.
25
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 und 2 ZPO.
III.
26
Die Streitwertfestsetzung basiert auf §§ 63 Abs. 2 S. 1, 48 Abs. 1 S. 1 GKG i.V.m. §§ 3 f. ZPO.