Inhalt

VG Augsburg, Urteil v. 08.02.2021 – Au 9 K 20.1387
Titel:

Erfolglose Klage gegen Verpflichtung zur Entfernung und ordnungsgemäßen Entsorgung von Bauschuttmaterial

Normenketten:
KrWG § 3 Abs. 1, § 15 Abs. 1, § 28 Abs. 1
BayAbfG Art. 31 Abs. 1, Abs. 2 S. 1
Leitsätze:
1. Eine Lagerung von Abfall über einen vorübergehenden kurzen Zeitraum ist daher unschädlich, wenn der spätere Nutzungszweck eindeutig feststeht. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Abfallbesitz setzt keinen Besitzbegründungswillen voraus; vielmehr genügt die – auf welche Weise auch immer erlangte – tatsächliche Gewalt über die Abfälle (BVerwG BeckRS 9998, 167447), da sich ansonsten der zur Entsorgung Verpflichtete seiner Verantwortung unter Berufung seines fehlenden Willens zum Besitz entziehen könnte. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Entsorgungspflicht ist eine erfolgsgerichtete Leistungspflicht, für deren Erfolg der Erzeuger und jeder Besitzer in der Entsorgungskette haftet (BVerwG BeckRS 2007, 25229); sie besteht bis zur Inbesitznahme des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Anordnung zur Beseitigung von Abfällen, Bauschutt, Abfalleigenschaft, subjektiver Abfallbegriff, kein unmittelbarer neuer Verwendungszweck, Vorlage von Entsorgungsnachweisen, Zwangsgeld, Abfallrecht, Beseitigungspflicht, Abfallbesitzer, Wechsel des Nutzungszwecks, Unmittelbarkeit, Entsorgungsnachweis, Zwangsgeldandrohung
Fundstelle:
BeckRS 2021, 4352

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen die Verpflichtung zur Entfernung und ordnungsgemäßen Entsorgung von Bauschuttmaterial aus mehreren Gebäudeabbrüchen sowie gegen eine Zwangsgeldandrohung in Höhe von 800,00 EUR.
2
Der Kläger betreibt als Einzelkaufmann das Gewerbe „...“ in ....
3
Bei einer Ortseinsicht wurden auf den Grundstücken Fl.Nr., ... und ... jeweils der Gemarkung ... (...., ... und Nähe ....) Haufwerke mit Beton- bzw. Ziegelbruch festgestellt. Die Grundstücke stehen alle im Eigentum von ....
4
Mit Schreiben vom 23. Januar 2020 forderte der Beklagte den Kläger auf, das Anfahren von Material aus Gebäudeabbrüchen auf das Gelände ab sofort zu unterlassen, das gelagerte Material vom Gelände zu entfernen und den Lagerbetrieb einzustellen. Es wurde darauf hingewiesen, dass das Brechen des Materials vor Ort mit Hilfe eines mobilen Brechers immissionsschutzrechtlich genehmigungspflichtig sei und eine solche Genehmigung aufgrund der Ortslage nicht in Aussicht gestellt werden könne.
5
Mit Schreiben vom 22. Februar 2020 erklärte der Kläger, dass auf dem Gelände ein Wohnhaus, zwei Nebengebäude, eine Doppelgarage und eine gemauerte Gartenhütte abgerissen worden seien. Ein kleiner Teil des Abbruchmaterials sei anderweitig zwischengelagert worden, um die Erschließung des Geländes zu ermöglichen. Es sei geplant, auf dem Grundstück vier Reihenhäuser zu errichten. Es werde eine Genehmigung für die Aufbereitung des Materials auf dem Grundstück selbst angestrebt, um das Material anschließend bei der Gebäudeerrichtung wieder zu verwenden.
6
Mit Schreiben vom 18. März 2020 wurde der Kläger erneut aufgefordert, den Betrieb des eingerichteten Lagers einzustellen, das gelagerte Material vom Gelände zu entfernen und ordnungsgemäß zu entsorgen, was von Klägerseite zugesagt wurde. Für die Entfernung und Entsorgung wurde eine Frist bis zum 20. April 2020 gesetzt. Für den Fall der nicht fristgerechten Folgeleistung wurde eine kostenpflichtige Anordnung zur Einstellung des Betriebs und zur Beseitigung des gelagerten Abfalls angedroht. Weiter wurde bestimmt, dass das Schreiben als Anhörung im Sinne des Art. 28 Abs. 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) gelte. Ebenfalls wurde ein Bußgeldverfahren im Sinne des § 62 Abs. 1 Nr. 1 Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) angedroht.
7
Mit Bescheid des Landratsamtes ... vom 3. Juli 2020 wurde der Kläger verpflichtet, den auf den Grundstücken Fl.Nrn., ... und ... der Gemarkung ... widerrechtlich abgelagerten Bauschutt bis spätestens einen Monat nach Bestandskraft des Bescheides vom Grundstück zu entfernen, einer ordnungsgemäßen und schadlosen Entsorgung zuzuführen und dem Landratsamt hierüber einen entsprechenden Nachweis vorzulegen (Ziffer I. des Bescheids). In Ziffer II. des Bescheids wurde dem Kläger für den Fall der nicht fristgerechten Folgeleistung ein Zwangsgeld in Höhe von 800,00 EUR zur Zahlung angedroht.
8
Zur Begründung des Bescheids wird ausgeführt, dass auf den bezeichneten Grundstücken Abfälle ohne Genehmigung lagerten. Gemäß § 3 Abs. 1 Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) seien Abfälle alle Stoffe oder Gegenstände, deren sich ihr Besitzer entledige, entledigen wolle oder entledigen müsse. Nach § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KrWG sei der Wille zur Entledigung hinsichtlich solcher Stoffe oder Gegenstände anzunehmen, deren ursprüngliche Zweckbestimmung entfalle oder aufgegeben werde, ohne dass ein neuer Verwendungszweck unmittelbar an deren Stelle trete. Der auf dem Grundstück abgelagerte Bauschutt sei offensichtlich nach § 3 Abs. 1 KrWG als Abfall einzustufen. Erzeuger und Besitzer von Abfällen seien gemäß §§ 7 Abs. 2 Satz 1, 15 Abs. 1 und 28 Abs. 1 KrWG verpflichtet, diese zu verwerten oder zu beseitigen. Als Bauschutt befände sich Ziegelstein- und Betonschutt auf dem Grundstück. Es stehe fest, dass dieses Material angefahren worden sei. Dieses Material solle ebenfalls vom Abbruch stammen und sei nur temporär anderweitig zwischengelagert worden. Der Kläger beabsichtige den Bauschutt auf dem Gelände zu zerkleinern und wieder zu verwenden. Einer Wiederverwendung stehe allerdings entgegen, dass für die Zerkleinerung des Materials in einem mobilen Brecher eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung erforderlich sei. Eine Wiederverwendung des Materials sei zeitlich nicht absehbar. Die Beseitigungsanordnung richte sich gegen den Kläger als Erzeuger des Abbruchmaterials. Der Beseitigungsaufwand sei dem Verpflichteten auch zumutbar, da der Abbruch von diesem durchgeführt und das Material auf dem Grundstück gelagert worden sei. Dem Verpflichteten sei es zuzumuten, die Abfälle binnen der gesetzten Frist von einem Monat nach Bestandskraft des Bescheids selbst zu beseitigen oder durch einen Entsorgungsfachbetrieb beseitigen zu lassen. Die Anordnung sei nicht unverhältnismäßig. Sie sei die einzig sinnvolle und geeignete Maßnahme, um eine ordnungsgemäße, dem Wohl der Allgemeinheit entsprechende Abfallbeseitigung zu erreichen und geordnete Zustände wiederherzustellen. Die Anordnung des Zwangsgeldes stütze sich auf Art. 18, 19, 29, 30 Abs. 1, 31 und 36 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG). Die Höhe des Zwangsgeldes nach Ziffer II bezüglich der Beseitigung bzw. Entsorgung sei angemessen. Sie führe dem Adressaten die Erfüllung der Beseitigungspflicht und die Pflicht zur Vorlage eines Nachweises in ausreichendem Maße vor Augen.
9
Auf den weiteren Inhalt des Bescheids des Landratsamtes ... vom 3. Juli 2020 wird ergänzend verwiesen. Der Bescheid wurde dem Kläger mit Postzustellungsurkunde am 8. Juli 2020 bekannt gegeben.
10
Gegen den Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 10. August 2020 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erhoben und beantragt,
11
den Bescheid der Beklagten (richtigerweise des Beklagten) vom 3. Juli 2020 aufzuheben.
12
Zur Begründung der Klage wird mit Schriftsatz vom 8. Januar 2021 ausgeführt, dass nicht die Firma, deren Inhaber Herr ... sei, auf dem Grundstück Fl.Nrn., ... und ... der Gemarkung ... Bauschutt abgelagert und dort hin transportiert habe. Deshalb könne diese auch nicht verpflichtet werden, etwaigen Bauschutt von diesem Grundstück zu entfernen und einer ordnungsgemäßen und schadlosen Entsorgung zuzuführen. Der Abbruch eines Wohnhauses, einer Doppelgarage und einer Gartenhütte sei durch die, in deren Geschäftsführung sich zwar ebenfalls ... befinde, vorgenommen worden. Die Tätigkeiten seien nicht der Klagepartei zuzurechnen. Abgesehen davon sei der auf dem streitgegenständlichen Grundstück abgelagerte Bauschutt auch nur teilweise der ... zuzuordnen.
13
Das Landratsamt ... ist für den Beklagten der Klage mit Schriftsatz vom 13. Januar 2021 entgegengetreten und beantragt,
14
die Klage abzuweisen.
15
Die zulässige Klage sei unbegründet. Der Kläger habe nicht schlüssig dargelegt, wodurch der Bescheid vom 3. Juli 2020 ihn in unzulässiger Weise beeinträchtige oder in seinen Rechten verletze. Zwar werde vorgetragen, die Firma, deren Inhaber Herr ... sei, sei nicht der taugliche Adressat der Beseitigungsanordnung, weil das Material durch die ... angefahren worden sei. Aus der öffentlichen Bekanntmachung im Handelsregister zur ... gehe jedoch ebenfalls Herr ... als Geschäftsführer hervor. Die angegebene Adresse sei dieselbe wie für die Firma .... Auch auf der Homepage der ... werde Herr ... als deren Vertreter angegeben. Der Kläger sei für das Anfahren von Material auf das Grundstück verantwortlich. Es seien keine Belege vorgelegt worden, welches Material angefahren und abgelagert worden sei. Es sei deshalb auch nicht nachvollziehbar, ob Material vor Ort vermischt worden sei. Die Haufwerke seien unverändert vor Ort abgelagert.
16
Auf die weiteren Ausführungen im Schriftsatz vom 22. Januar 2021 wird ergänzend Bezug genommen.
17
Eine Ortseinsicht des Beklagten vom 16. Dezember 2020 hat ergeben, dass die Haufwerke mit dem Abbruchmaterial weiterhin auf den vorbezeichneten Grundstücken lagern und der Gebäudeabbruch noch nicht vollständig abgeschlossen ist.
18
Am 8. Februar 2021 fand die mündliche Verhandlung statt. Für den Hergang der Sitzung wird auf das hierüber gefertigte Protokoll Bezug genommen.
19
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und auf die vom Beklagten vorgelegte Verfahrensakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

20
Die Kammer konnte über die Klage des Klägers verhandeln und entscheiden, ohne dass der Kläger bzw. dessen Bevollmächtigter an der mündlichen Verhandlung vom 8. Februar 2021 teilgenommen haben. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten ausweislich der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO). Der Bevollmächtigte des Klägers ist am 26. November 2020 form- und fristgerecht zur mündlichen Verhandlung geladen worden.
21
Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg. Der mit der Klage angegriffene Bescheid des Landratsamtes ... vom 3. Juli 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
22
1. Das Landratsamt ... hat als nach Art. 29 Abs. 2 BayAbfG i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 7 der Abfallzuständigkeitsverordnung (AbfZustV) i.V.m. Art. 3 Abs. 1 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) zuständige Behörde den Bescheid formell ordnungsgemäß erlassen, insbesondere wurde der Kläger mit Schreiben vom 18. März 2020 gemäß Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG ordnungsgemäß angehört.
23
2. Die Anordnung in Ziffer I. des streitgegenständlichen Bescheids zur Beseitigung und Entsorgung der auf den Grundstücken Fl.Nr., ... und ... der Gemarkung ... abgelagerten Abfälle (Bauschutt) ist auch in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden.
24
a) Der Beklagte hat die Regelung in Ziffer I. des streitgegenständlichen Bescheids zu Recht auf Art. 31 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 BayAbfG gestützt.
25
(1) Nach Art. 31 Abs. 1 BayAbfG ist derjenige, der in unzulässiger Weise Abfälle lagert oder ablagert, zur Beseitigung des rechtswidrigen Zustands verpflichtet. Nach Art. 31 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 BayAbfG kann die zuständige Behörde die hierfür erforderlichen Anordnungen erlassen. Von der Beseitigungspflicht erfasst werden alle Ablagerungen außerhalb von zugelassenen Entsorgungsanlagen. Die entsprechenden landesgesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen, die der Beseitigung von Verstößen gegen das Landesabfallrecht und damit primär der Gefahrenabwehr dienen, stehen als verfassungsrechtlich zulässige Befugnisnormen neben den bundesgesetzlichen Bestimmungen des KrWG, insbesondere dessen § 62 (vgl. BVerwG, B.v. 5.11.2012 - 7 B 25.12 - juris Rn. 10; BayVGH, B.v. 27.3.2017 - 20 CS 16.2404 - juris Rn. 58). Vorliegend geht es um die Beseitigung des andauernden rechtswidrigen Zustandes der Ablagerung von großen Mengen Bauschutt aus Gebäudeabbrüchen mit der damit verbundenen negativen Vorbildwirkung.
26
Dies zugrunde gelegt ist es nicht zu beanstanden, dass der Beklagte seine Anordnungen ergänzend auf § 15 Abs. 1 und § 28 Abs. 1 KrWG gestützt hat. Denn die landesrechtlichen Anforderungen und die bundesrechtlichen Vorgaben des KrWG bauen aufeinander auf (vgl. BayVGH, B.v. 27.3.2017, a.a.O. - juris Rn. 65; OVGRP, U.v. 26.1.2012 - 8 A 11081/11 - juris Rn. 55 ff.).
27
(2) Die derzeit auf den Grundstücken Fl.Nrn., ... und ... der Gemarkung ... gelagerten Bauschuttmaterialien unterfallen unstreitig dem Abfallbegriff des KrWG.
28
Gemäß § 3 Abs. 1 KrWG sind Abfälle alle Stoffe oder Gegenstände, deren sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss. Nach § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KrWG ist ein Wille zur Entledigung im Sinn von § 3 Abs. 1 KrWG hinsichtlich solcher Stoffe oder Gegenstände anzunehmen, deren ursprüngliche Zweckbestimmung entfällt oder aufgegeben wird, ohne dass ein neuer Verwendungszweck unmittelbar an deren Stelle tritt. Liegen dessen überwiegend subjektiv geprägten Voraussetzungen vor, so begründet § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KrWG die Fiktion des Entledigungswillens. Bei der Prüfung kommt jedoch der Verkehrsanschauung besondere Bedeutung zu, was eine gewisse Verobjektivierung der Tatbestandsmerkmale ermöglicht. Die materielle Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Abfalleigenschaft trifft zwar die Behörde (vgl. BayVGH, B.v. 17.2.2020 - 12 CS 19.2505 - juris Rn. 43), der Beklagte konnte jedoch vorliegend anhand der im Verfahren vorgelegten Lichtbilder anlässlich der durchgeführten Ortseinsichten die tatsächlichen Voraussetzungen der Abfalleigenschaft belegen. Auch wurde vom Kläger die Abfalleigenschaft der derzeit gelagerten Materialen im Verfahren nicht bestritten.
29
Eine Nutzung der Materialien im Sinne der ursprünglichen Zweckbestimmung der Stoffe scheidet vorliegend nach dem vorgenommenen Gebäudeabbruch aus. Es verhält es sich vielmehr so, dass der Kläger die Materialien nach den durchgeführten Gebäudeabbrüchen seit der erstmaligen Feststellung am 23. Januar 2020 schlichtweg auf den betroffenen Grundstücken belassen hat.
30
Es ist auch kein neuer Verwendungsweck unmittelbar an die Stelle der ursprünglichen Zweckbestimmung getreten. Ein nach der gesetzlichen Konzeption unmittelbar zu erfolgender konkreter Austausch des Verwendungszwecks ist somit nicht gegeben. Insbesondere fehlt es an der für die Unmittelbarkeit erforderlichen zeitlichen Komponente. Dabei ist zwischen finaler Zwecksetzung und objektiver Realisierbarkeit zu differenzieren. Die tatsächliche Nutzung muss nicht sofort realisiert werden (können), es genügt, wenn sie in einem zeitlich überschaubaren Zeitraum möglich ist. Eine Lagerung über einen vorübergehenden kurzen Zeitraum ist daher unschädlich, wenn der spätere Nutzungszweck eindeutig feststeht (vgl. Petersen in Jarass/Petersen, KrWG, 1. Auflage 2014, § 3 Rn. 87). Dies zugrunde gelegt, fehlt es hier an der erforderlichen Unmittelbarkeit. Zwar mag der Kläger beabsichtigen, das Bauschuttmaterial aus den Gebäudeabbrüchen bei einem eventuellen Neubau auf den streitgegenständlichen Grundstücken erneut zu verwenden, jedoch wurde dieses Vorhaben in einem überschaubaren Zeitraum nicht realisiert. Auch fehlt es bereits an der vom Kläger begehrten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zur erforderlichen Aufbereitung des Bauschutts. Eine konkrete Absicht der Wiederverwendung vor Ort hat der Kläger auch nicht ausreichend dargelegt, zumal im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch überhaupt nicht absehbar ist, ob die geplanten Wohnbauvorhaben auf den streitgegenständlichen Grundstücken ihrerseits überhaupt realisiert werden können. Angesichts der Tatsache, dass sich das Material bereits seit über einem Jahr - die erste Feststellung vor Ort erfolgte am 23. Januar 2020 - unverändert auf den Grundstücken befindet, macht deutlich, dass es sich hier nicht nur um eine kurze, vorübergehende Zwischen-Lagerung handelt, sondern vielmehr um ein Liegenlassen auf unbestimmte Zeit. Dieser andauernde Zustand der illegalen Lagerung bzw. Ablagerung muss vom Beklagten schon im Hinblick auf die Bezugsfallwirkung nicht hingenommen werden.
31
(3) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 31 Abs. 2 BayAbfG liegen auch im Übrigen vor. Die Anordnung wurde auch zutreffend gegenüber dem Kläger erlassen, da dieser Abfallbesitzer im Sinne des § 3 Abs. 9 KrWG und somit gemäß Art. 31 Abs. 1 BayAbfG zur Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes verpflichtet ist.
32
(a) Nach § 3 Abs. 9 KrWG ist Besitzer von Abfällen jede natürliche oder juristische Person, die die tatsächliche Sachherrschaft über Abfälle hat. Das Abfallrecht knüpft für die Pflicht zur Überlassung von Abfällen somit maßgeblich an den Besitz an, weil allein der Besitzer kraft seiner Sachherrschaft rechtlich und tatsächlich in der Lage ist, die Abfälle der öffentlichen Entsorgung zuzuführen; er kann jeden anderen von dem Zugriff auf die Abfälle ausschließen. Abfallbesitzer ist daher jede natürliche oder juristische Person, die die tatsächliche Sachherrschaft über Abfälle hat (§ 3 Abs. 9 KrWG). Anders als im Zivilrecht setzt Abfallbesitz keinen Besitzbegründungswillen voraus; vielmehr genügt die - auf welche Weise auch immer erlangte - tatsächliche Gewalt über die Abfälle (BVerwG, U.v. 11.12.1997 - 7 C 58.96 - juris Rn. 10). Dieses Begriffsverständnis folgt aus der unterschiedlichen Funktion des Besitzes im Zivilrecht und im Abfallrecht. Während der Begriff im Zivilrecht vorrangig dem Schutz des Besitzers gegen Besitzstörungen und den Herausgabeansprüchen des Eigentümers dient, hat er im Abfallrecht die Funktion, die Verantwortlichkeit für Abfall zu bestimmen. Diese ist nicht von einem Besitzbegründungswillen abhängig, da sich der zur Entsorgung Verpflichtete seiner Verantwortung unter Berufung seines fehlenden Willens zum Besitz entziehen könnte.
33
Das Gericht hat keinen Zweifel daran, dass der Kläger als Inhaber einer Firma für Garten- und Landschaftsbau, Trockenbau und Baggerarbeiten mit der Ausführung der Gebäudeabbrüche auf den streitgegenständlichen Grundstücken auch Abfallbesitzer des entstandenen Bauschutts geworden ist. Als solcher hat er sich auch im behördlichen Verfahren gegenüber dem Landratsamt ... stets geriert. Auf eine andere Person als Abfallerzeuger bzw. Abfallbesitzer hat der Kläger nicht hingewiesen. Dieses ist erstmalig im Klagebegründungsschriftsatz vom 8. Januar 2021 (Gerichtsakte Bl. 26) erfolgt. Da der Kläger nach dem Handelsregister ebenfalls alleiniger Geschäftsführer der Firma ... ist, ist das Bestreiten der Eigenschaft als Abfallbesitzer lediglich als Schutzbehauptung zu werten. Der Kläger ist somit als natürliche Person Abfallbesitzer im Sinne des § 3 Abs. 9 KrWG, gegen den auch Anordnungen nach Art. 31 Abs. 1 und 2 BayAbfG gerichtet werden können.
34
(b) Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KrWG ist der Erzeuger oder Besitzer von Abfällen, die nicht verwertet werden, verpflichtet, diese zu beseitigen. Die Entsorgungspflicht ist eine erfolgsgerichtete Leistungspflicht, für deren Erfolg der Erzeuger und jeder Besitzer in der Entsorgungskette haftet (BVerwG, U.v. 28.6.2007 - 7 C 5.07 - juris Rn. 19). Der Abfallbesitzer ist unabhängig vom Andauern seines Besitzes solange entsorgungspflichtig, bis diese Pflicht abschließend gesetzeskonform erfüllt ist (Jacobj in Versteyl/Mann/Schomerus, KrWG, 4. Aufl., § 3 Rn. 65). Die Überlassungspflicht besteht daher bis zur Inbesitznahme des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers (Schomerus, in Versteyl/Mann/Schomerus, KrWG, 4. Aufl., § 17 Rn. 12).
35
Da die in Rede stehenden Abfälle jedenfalls vom Kläger nicht verwertet worden sind, handelt es sich hierbei um Abfälle zur Beseitigung (§ 3 Abs. 1 Satz 2 KrWG). Für derartige Abfälle ist gemäß § 28 Abs. 1 KrWG die Behandlung und Lagerung in Abfallbeseitigungsanlagen vorgesehen. Da die maßgeblichen Grundstücke ersichtlich keine zugelassene Abfallbeseitigungsanlage im Sinne des § 28 KrWG sind, erfolgte die Ablagerung in unzulässiger Weise im Sinne des Art. 31 Abs. 1 BayAbfG.
36
(4) Der angegriffene Bescheid verstößt auch nicht gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG.
37
Hinreichende Bestimmtheit eines Verwaltungsakts bedeutet, dass der Inhalt der getroffenen Regelung, d.h. der Entscheidungssatz im Zusammenhang mit den Gründen und den sonstigen bekannten oder ohne weiteres erkennbaren Umständen, für den Adressaten des Verwaltungsakts so vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein muss, dass er sein Verhalten danach ausrichten kann. Der Entscheidungsinhalt muss in diesem Sinn für den Adressaten nach Art und Umfang aus sich heraus verständlich sein und diesen in die Lage versetzen, zu erkennen, was genau von ihm gefordert wird, bzw. was in der ihn betreffenden Sache geregelt oder verbindlich durch den Verwaltungsakt festgestellt wird.
38
Diese Anforderungen wird vorliegend mit der Benennung der gelagerten Bauschuttmaterialien und den Grundstücken noch genüge getan. Es ist für den Kläger auch für den Fall einer zwangsweisen Durchsetzung ausreichend erkennbar, welche Materialien von ihm zu beseitigen sind. Aufgrund der heterogenen Zusammensetzung des abgelagerten Materials aus den Gebäudeabbrüchen ist eine noch genauere Bezeichnung über die Ablagerungsorte mit entsprechenden Flurnummern hinaus, für den Beklagten auch nicht möglich. Für den Kläger ist vielmehr bei verständiger Würdigung unzweideutig erkennbar, welche Handlung von ihm verlangt wird und worauf sich die Beseitigungsanordnung bezieht. Auch hat der Kläger in behördlichen Verfahren selbst nicht geltend gemacht, diesbezüglich in Zweifel zu sein.
39
(5) Die Anordnung entspricht schließlich im Ergebnis auch den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung, welche vom Gericht nur eingeschränkt überprüft werden kann (vgl. § 114 VwGO).
40
Die Aufforderung des Landratsamts, den gelagerten Bauschutt zu entfernen und ordnungsgemäß zu entsorgen, ist im Ergebnis frei von Ermessensfehlern und auch nicht unverhältnismäßig. Nachdem die Qualifizierung als Abfall im Rechtssinne (§ 3 Abs. 1 KrWG) nicht zu beanstanden ist, sind alternative Anordnungen nicht zu erwägen gewesen. Die Anordnung, in unzulässiger Weise gelagerten Abfall zu beseitigen, ist von Art. 31 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BayAbfG ohne Weiteres gedeckt. Mildere Mittel sind nicht ersichtlich, zumal dem Kläger bis zum Bescheidserlass im Juli 2020 mehrfach Gelegenheit gegeben wurde, den Abfall freiwillig zu beseitigen.
41
Darüber hinaus wurde der Kläger als Abfallbesitzer (§ 3 Abs. 9 KrWG) im Ergebnis zu Recht als Störer in Anspruch genommen, Art. 9 Landesstraf- und Verordnungsgesetz (LStVG). Indem das zuständige Landratsamt den Kläger als denjenigen, der den Abbruch der Gebäude und damit die Entstehung des Abfalls zu verantworten hat, zur Beseitigung herangezogen hat, hat es im Ergebnis eine Ermessensbetätigung vorgenommen, die als Auswahlentscheidung gerichtlich unbeanstandet bleibt. Die Inanspruchnahme des Klägers als Verhaltensverantwortlicher ist im Ergebnis rechtsfehlerfrei erfolgt.
42
b) Die dem Kläger ebenfalls in Ziffer I. des streitgegenständlichen Bescheides auferlegte Nachweispflicht der Entsorgung findet, ohne dass die Vorschrift ausdrücklich vom Beklagten genannt worden ist, in § 62 KrWG eine ausreichende Rechtsgrundlage. Danach kann die zuständige Behörde im Einzelfall die erforderlichen Anordnungen u.a. zur Durchführung dieses Gesetzes treffen. Vorliegend geht es darum, sicherzustellen, dass die Verpflichtungen aus § 15 Abs. 1 Satz 1, § 28 Abs. 1 Satz KrWG erfüllt werden. Die Ermessensentscheidung begegnet im Ergebnis keinen Bedenken, zumal die Vorlage der geforderten Nachweise mit keinem nennenswertem Aufwand für den Kläger verbunden ist.
43
c) Die Klage bleibt schließlich auch ohne Erfolg, soweit sich der Kläger gegen die Zwangsgeldandrohung in Ziffer II. des Bescheids vom 3. Juli 2020 wendet. Die Androhung eines bestimmten Zwangsgelds (Art. 36 Abs. 3 VwZVG) stellt einen aufschiebend bedingten Leistungsbescheid im Sinne des Art. 23 Abs. 1 VwZVG dar (vgl. VG Augsburg, U.v. 2.7.2012 - Au 5 K 11.707 - juris Rn. 25). Die Zuständigkeit des Landratsamts als Anordnungsbehörde erfolgt aus Art. 20 Nr. 1 VwZVG, eine gesonderte Anhörung war nach Art. 28 Abs. 2 Nr. 5 BayVwVfG nicht erforderlich.
44
Die Zwangsgeldandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 29 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1, Art. 31, Art. 36 Abs. 1 und 5 VwZVG und ist nach Art und Höhe nicht zu beanstanden. Mit Ziffer I. des Bescheids liegt auch ein vollziehbarer (Grund-)Verwaltungsakt vor. Dem Kläger steht ab dem Zeitpunkt des Eintritts der Bestandskraft (vgl. Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 VwZVG) noch ein für die Erfüllung der in Ziffer I. aufgegebenen Verpflichtungen ausreichender Zeitraum zur Verfügung. Die Zwangsgeldandrohung genügt im Übrigen auch den gesetzlichen Bestimmtheitsanforderungen.
45
3. Nach allem war die Klage daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Als im Verfahren unterlegen hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen.
46
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).