Titel:
Wettbewerbswidrig irreführender Hinweis bei Vertrieb von Schnelltests auf das SARS-CoV-2-Virus
Normenketten:
BGB § 312d, § 312g, § 355, § 356
UWG § 2, § 3a, § 5
ZPO § 529
Leitsätze:
1. Verlautbarungen des Verkäufers mit dem Inhalt, dass dem Käufer bestimmte Rechte nicht zustehen, sind regelmäßig von vornherein nicht geeignet, eine dem Verkäufer günstige Entschließung des angesprochenen Kaufinteressenten herbeizuführen. Bei nachteiligen Irreführungen fehlt deshalb anerkanntermaßen das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der geschäftlichen Relevanz der Irreführung. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Art. 246a § 1 Abs. 3 Nr. 2 EGBGB iVm § 4 EGBGB verlangen zwar eine Unterrichtung des Verbrauchers, dass sein Widerrufsrecht kraft Gesetzes nach § 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB nicht besteht bzw. erlischt, wenn er eine Versiegelung öffnet und deshalb hygienische Gründe eine Rückgabe ausschließen. Eine ausdrückliche Anordnung des Gesetzgebers, dass das Anlaufen der Widerrufsfrist auch von dieser (vor Vertragsschluss zu gewährenden) Information abhängt, findet sich jedoch nicht. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das Subsumtionsrisiko darf nicht auf den Verbraucher abgewälzt werden, weshalb ein eindeutiger Bezug der ausreichend präzisen Regelung zu dem konkreten Rechtsverhältnis über den Kauf dieser Ware hergestellt werden muss. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Hinweis, Vertrieb, irreführend, wettbewerbswidrig, Schnelltest, SARS-CoV-2-Virus, Spucktest, Widerrufsrecht, Internetshop, Information, geschäftliche Relevanz, Hinweisbeschluss, Irreführung, Marktverhaltensregel
Vorinstanz:
LG Regensburg, Endurteil vom 24.09.2021 – 2 HK O 1769/21
Fundstellen:
MD 2022, 381
WRP 2022, 241
MDR 2022, 515
BeckRS 2021, 43526
LSK 2021, 43526
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 24. September 2021, Az. 2 HK O 1769/21, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Entscheidungsgründe
1
Die Parteien, Wettbewerber im Bereich des Vertriebs von Schnelltests auf das SARS-CoV-2-Virus, streiten darum, ob ein vom Verfügungsbeklagten verwendeter Hinweis eine wettbewerbswidrige Irreführung darstellt.
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Der Verfügungsbeklagte hat in seinem Internetshop www.…s....de bei einem Verkaufsangebot für einen „H…n Spucktest - Einzelpackung“ im Anschluss an die Beschreibung der wichtigsten Eigenschaften, durch Fettdruck hervorgehoben, angegeben: „Aus hygienischen Gründen sind Schnelltests von der Rückgabe und vom Umtausch ausgeschlossen“.
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Die Verfügungsklägerin sieht darin eine Irreführung, da auch derartige Spucktests zu einer Rücksendung geeignet sind, solange sie vollständig und unbenutzt sind. Der Ausschluss knüpfe nicht an die Versendung versiegelter Ware an, sondern sei generell formuliert. Durch den Hinweis erlange der Verfügungsbeklagte wettbewerbliche Vorteile, da sich Kunden durch ihn von einem Widerruf abhalten lassen könnten und er so Aufwendungen und Mühen für die Prüfung und Vorbereitung zurückgesandter Tests vor einem Wiederverkauf sowie für die Kaufpreisrückerstattung vermeide.
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Der Verfügungsbeklagte wendet ein, er weise auf seiner Website auf das Widerrufsrecht hin und gebe dabei u.a. den Erlöschensgrund in Übereinstimmung mit § 312 Abs. 2 Nr. 3 BGB wieder. Für den Käufer gehe daraus klar und eindeutig hervor, dass das Widerrufsrecht dann, aber auch nur dann ausgeschlossen sei, wenn die Versiegelung entfernt oder geöffnet wurde. Sämtliche von ihm vertriebenen Schnelltests auf das SARS-CoV-2-Virus besäßen als Medizinprodukte entweder eine versiegelte Blisterpackung oder eine Versiegelung an der Umverpackung. Überdies schließe die gerügte Passage nur Sonderrechte des Käufers aus, beziehe sich aber nicht auf das gesetzliche Widerrufsrecht.
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Das Landgericht hat aufgrund mündlicher Verhandlung im angegriffenen Endurteil die auf ordungsmittelbewehrte Unterlassung der Werbung mit der inkriminierten Aussage gerichtete Verfügungsklage abgewiesen. Der durchschnittlich informierte und verständige Verbraucher, auf den abzustellen sei, verwechsle Umtausch und Rückgabe nicht mit einem Widerrufsrecht. Der Ausschluss werde auch nicht in einer Weise betont, die als unzulässige Werbung mit Selbstverständlichem anzusehen sei. Der Verbraucher erhalte durch die Widerrufsbelehrung, deren Vorhandensein das Landgericht als glaubhaft gemacht ansah, die notwendigen Informationen, was eine Irreführung ebenfalls ausschließe.
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Mit ihrem Rechtsmittel verfolgt die Verfügungsklägerin und Berufungsführerin ihr erstinstanzliches Begehren weiter. Da der Widerruf zu einer Rückgewährpflicht führe, sei unter Rückgabe auch der Widerruf zu verstehen. Hierfür spreche auch, dass früher statt des Widerrufsrechts alternativ ein Rückgaberecht eingeräumt werden konnte. Dass nicht aus Kulanz zusätzliche Umtauschrechte etc. gewährt würden, müsse nicht gesondert erwähnt werden. Die Widerrufsbelehrung könne die Irreführung nicht ausschließen, da sie andere Voraussetzungen - das Öffnen/Entfernen der Versiegelung - nenne und nur abstrakt formuliert sei. Der Verbraucher meine, einen Hinweis nach Art. 246a § 1 Abs. 3 Nr. 2 EGBGB im Bezug auf den konkreten Artikel zu erhalten.
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Der Verfügungsbeklagte verteidigt die Überlegungen in der angegriffenen Entscheidung als zutreffend. Er bezweifelt, dass dem Verbraucher die frühere Rechtslage bekannt sei; zumindest schließe aber der Gesamteindruck, bei dem die gesonderte Widerrufsbelehrung zu berücksichtigen sei, aus, dass Rückgabe und Umtausch mit Widerruf gleichgesetzt würde.
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Die Berufung hat nach übereinstimmender Ansicht der Senatsmitglieder keine Aussicht auf Erfolg.
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Eine Irreführung aufgrund unwahrer oder zur Täuschung geeigneter Angaben über relevante Umstände i.S.v. § 5 Abs. 1 S. 2 UWG, die den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 9 UWG zu veranlassen geeignet ist und daher als unlauter zu bewerten ist (§ 5 Abs. 1 S. 1 UWG), liegt unter keinem denkbaren Gesichtspunkt vor.
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1. In tatsächlicher Hinsicht muss der Senat davon ausgehen, dass der Verfügungsbeklagte auf den Seiten seines Internetshops in der behaupteten Weise über das Widerrufsrecht informiert und die ausgelieferten Spucktests dieser Art eine Versiegelung - einzeln oder das Gesamtgebinde - aufweisen. Die Verfügungsklägerin hat bereits nicht bestritten, dass der Verfügungsbeklagte eine entsprechende Seite zum Widerrufsrecht bereithält; ferner hat das Landgericht dies als glaubhaft gemacht angesehen, ohne dass sich die Verfügungsklägerin hiergegen in einer gem. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO relevanten Weise gewandt hat. Ebenso wenig ist sie dem Vorbringen des Verfügungsbeklagten, die Tests seien mit einer Versiegelung versehen, entgegengetreten; auch dies müsste der Senat überdies aufgrund der Art des Produkts annehmen.
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2. Eine Irreführung im Stadium der Kaufentscheidung als geschäftlicher Entscheidung hat das Landgericht im Ergebnis zutreffend verneint.
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a) Verlautbarungen des Verkäufers mit dem Inhalt, dass dem Käufer bestimmte Rechte nicht zustehen, sind regelmäßig von vornherein nicht geeignet, eine dem Verkäufer günstige Entschließung des angesprochenen Kaufinteressenten herbeizuführen. Der Käufer ist naturgemäß daran interessiert, möglichst weitgehende Rechte zu erhalten, insbesondere auch, sich später von einem einmal geschlossenen Kaufvertrag lösen zu können. Unabhängig davon, ob ein Hinweis darauf, bei einem konkreten Produkt bestünden bestimmte Rechte nicht, eine reine Information darstellen soll, dass solche Rechte nicht gegeben seien, oder einen rechtsgeschäftlichen Ausschluss an sich gegebener Rechte bewirken soll, wird dies den Käufer eher vom Kauf dieses Produkts bzw. bei diesem Händler abhalten. Bei nachteiligen Irreführungen fehlt deshalb anerkanntermaßen das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der geschäftlichen Relevanz der Irreführung (siehe nur Bornkamm/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 5 Rn. 1.176).
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b) Eine Irreführung wäre zwar auch - worauf die Argumentation der Verfügungsklägerin abzielen dürfte - hinsichtlich der späteren Nichtausübung des Widerrufsrechts durch den Käufer, der als Verbraucher erworben hat, denkbar. Eine Gefahr hierfür besteht aber nach Einschätzung des Senats aufgrund der Umstände und Besonderheiten des vorliegenden Falles nicht.
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aa) Eine geschäftliche Entscheidung i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 9 UWG kann auch darin liegen, entsprechende Rechte im Zusammenhang mit der Ware nicht auszuüben.
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bb) Mit der Verfügungsklägerin sieht der Senat eine nicht unerhebliche Gefahr, dass Verbraucher - jedenfalls ein hinreichend großer Teil - unter „Rückgabe“ (auch) den Widerruf verstehen und daher meinen, dass dieser ausgeschlossen sei.
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Insoweit erinnert die Berufung zutreffend daran, dass der Gesetzgeber zeitweise ein Rückgaberecht als Äquivalent zum Widerrufsrecht angesehen hat. Der durchschnittliche Verbraucher wird auch nicht „juristisch sauber“ zwischen dem Widerruf, mit dem die Willenserklärung unwirksam wird, der dadurch ausgelösten Pflicht zur Rückgewähr und deren Erfüllung durch Rückgabe unterscheiden. Für ihn stellt die Rückgabe regelmäßig einen Widerruf dar, zumal für ihn nicht der juristische Mechanismus, sondern allein die Folge entscheidend ist, dass er die Ware zurückgeben kann und den Kaufpreis nicht mehr schuldet bzw. zurückerstattet erhält. Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass der europäische Gesetzgeber, umgesetzt in § 355 Abs. 1 S. 2 u. 3 BGB, aktuell der schlichten Rücksendung der Ware nicht die erforderliche Aussagekraft beimessen wollte und diese nur zusammen „begleitet von einer deutlichen Erklärung“ als Widerruf genügt (vgl. Erwägungsgrund 44 der RL 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, sog. Verbraucherrechte-Rl).
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Dagegen könnte allerdings sprechen, dass der Hinweis unspezifisch an alle Kunden gerichtet ist, mithin nicht allein an Verbraucher, denen allein ein Widerrufsrecht zustehen kann.
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cc) Die Gefahr einer Irreführung ist jedoch durch die vom Verfügungsbeklagten verwendete Formulierung ausgeschlossen bzw. auf ein nicht mehr relevantes Maß reduziert:
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(1) Die Spucktests waren versiegelt. Ebenso sind Testsätze auf Krankheitserreger wie das
SARS-CoV-2-Virus Gegenstände, die nach einem Entfernen der Versiegelung der Verpackung aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder aus Hygienegründen endgültig nicht mehr verkehrsfähig sind, weil es für den Unternehmer wegen ihrer Beschaffenheit unmöglich oder übermäßig schwierig ist, Maßnahmen zu ergreifen, die sie wieder verkaufsfähig machen, ohne dass einem dieser Erfordernisse nicht genügt würde (vgl. EuGH, Urteil vom 27. März 2019 - C-681/17, NJW 2019, 1507 (Slewo/Ledowski),
Rn. 40). Dies folgt bereits aus dem Charakter als Medizinprodukt, das für sich genommen nur einen geringen Preis hat, aber hohen Anforderungen unterliegt, um zuverlässige Ergebnisse anzuzeigen, und daher Unversehrtheit der Packung und Hygiene besonderen Stellenwert besitzen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 15. November 2015, VIII ZR 194/16, NJW 2018, 453, Rn. 9). Der Tatbestand des § 312 Abs. 2 Nr. 3 BGB, nach dem das Widerrufsrecht vorzeitig erlischt, findet daher objektiv auf sie Anwendung.
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(2) Art. 246a § 1 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 4 EGBGB verlangen zwar eine Unterrichtung des Verbrauchers, dass sein Widerrufsrecht kraft Gesetzes nach § 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB nicht besteht bzw. erlischt, wenn er eine Versiegelung öffnet und deshalb hygienische Gründe eine Rückgabe ausschließen. Eine ausdrückliche Anordnung des Gesetzgebers, dass das Anlaufen der Widerrufsfrist auch von dieser (vor Vertragsschluss zu gewährenden) Information abhängt, findet sich jedoch nicht; insbesondere verweist § 356 Abs. 3 S. 1 BGB nur auf die Pflichten in Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB (vgl. auch BeckOGK/Busch, 1.6.2021, BGB § 312d Rn. 18). Dies entspricht der (vollharmonisierenden) europarechtlichen Vorgabe, da auch Art. 10 Abs. 1 der RL 2011/83/EU (Verbraucherrechte-RL) das Nichtanlaufen der 2-Wochen-Frist nur an die unterbliebene Belehrung über das Widerrufsrecht, die in Art. 6 Abs. 1 lit. h) vorgesehen ist, geknüpft hat, nicht aber eine entgegen Art. 6 Abs. 1 lt. k) unterbliebene Belehrung über das Nichtbestehen oder Erlöschen des Widerrufsrechts in den Fällen des Art. 16. Auch hat der Gesetzgeber den Ausschluss bzw. das vorzeitige Erlöschen in den in § 312g Abs. 2 BGB genannten Fällen nicht an eine entsprechende Information geknüpft. Die Missachtung von Informationspflichten kann lediglich Schadensersatzpflichten auslösen, die u.U. auf eine Befreiung vom Vertrag hinauslaufen können sollen, wenn der Vertragsschluss in der irrigen Annahme eines Widerrufsrechts erfolgt (vgl. BeckOK BGB/Martens, 60. Ed. 1.11.2021, BGB § 312g Rn. 13; MüKoBGB/Wendehorst, 8. Aufl. 2019, BGB § 312g Rn. 12; Schirmbacher, in: Tamm/Tonner/Brönneke, Verbraucherrecht,
3. Auflage 2020, § 9 Rn. 148; zur Diskussion BeckOGK/Busch, 1.6.2021, BGB § 312d Rn. 20 f.).
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(3) Diese Fragen bedürfen aber sämtlich keiner abschließenden Erörterung. Der gerügte Hinweis ist in allen Fällen und bei allen denkbaren Rechtsfolgen nicht geeignet, einen Verbraucher von einer berechtigten Ausübung eines Widerrufsrechts abzuhalten, wenn die Voraussetzung des Öffnens einer vorhandenen Versiegelung nicht vorliegen:
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(a) Nähme man an, der Ausschluss des Widerrufsrechts des Verbrauchers wäre wegen einer unzureichenden Belehrung (wogegen aber das Fehlen einer entsprechenden ausdrücklichen Voraussetzung im Gesetz spricht) nicht gegeben, wäre der Hinweis zwar inhaltlich falsch. Der durchschnittlich verständige Verbraucher erkennt aber aus der Formulierung trotz ihres schlagwortartigen Charakters, dass ihm das Widerrufsrecht nur dann verwehrt sein soll, wenn hygienische Gründe einer erneuten Verwendung einer ihm zugesandten Ware entgegenstehen. Ein Verbraucher, der die Ware noch gar nicht erhalten hat oder ihm übersandten Spucktests noch nicht geöffnet hat, würde sich daher durch den so formulierten Hinweis nicht ernsthaft von seiner Absicht und seinem Rechtsstandpunkt abbringen lassen, da in solchen Fällen hygienische Gründe einem Widerruf erkennbar nicht entgegenstehen. Der Verbraucher wird daher, selbst wenn er keine juristischen Kenntnisse und Argumentationsgabe besitzt, den gerügten Hinweis nicht als Grundlage dafür genügen lassen, dass der Verkäufer den Widerruf in solchen Fällen zurückweist. Er wird vielmehr vorbringen, dass es zu keinerlei Verschlechterung der hygienischen Situation gekommen ist und daher ein Ausschluss des Widerrufs aus den genannten Umständen in der konkreten Situation nicht gerechtfertigt ist. Letztlich liefert der Verfügungsbeklagte somit dadurch, dass er den sachlichen Grund für das angeblich nicht bestehende Widerrufsrecht angibt, selbst das Argument dafür, dass dieser in der konkreten Situation dem Widerruf nicht entgegenstehen könne.
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(b) Kommt § 312g Abs. 1 Nr. 3 BGB ungeachtet der Defizite der Information zur Anwendung, erlischt das Widerrufsrecht bei den vorliegend vertriebenen Spucktests mit dem Öffnen der vorhandenen Versiegelung vorzeitig. Der Hinweis mag auch dann insoweit nicht korrekt sein, als die Ware noch unversiegelt ist. Der Verbraucher kann sich aber in Fällen, in denen er die Versiegelung noch nicht geöffnet hat, wiederum ohne Weiteres damit verteidigen, dass Erwägungen der Hygiene einem Widerruf offensichtlich nicht entgegenstehen, und findet dazu einen Anhaltspunkt auf der Seite mit der Widerrufsbelehrung sowie dem Hinwies selbst, der an die hygienischen Gründe anknüpft.
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3. Der Senat übersieht nicht, dass die Informationspflichten über das Widerrufsrecht nach § 312d und Art. 246a EGBGB dem Schutz des Verbrauchers dienende Marktverhaltensregeln i.S.v. § 3 a UWG darstellen und Verstöße daher wettbewerbsrechtliche Folgen haben können (Haselblatt/Gregor, in:
Gloy/Loschelder/Danckwerts, Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2019, § 48 Rn. 86;
BeckOGK/Busch, 1.6.2021, BGB § 312d Rn. 17). Es bestehen auch erhebliche Bedenken, dass ein Hinweis des Inhalts, wie ihn der Verfügungsbeklagte angebracht hat, den Anforderungen nach Art. 246a § 1 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 4 EGBGB genügen würde, da er die maßgebliche Information nicht vollständig und damit nicht, wie dort gefordert, in klarer und verständlicher Weise präsentiert. Ebenso darf nach h.M. das Subsumtionsrisiko nicht auf den Verbraucher abgewälzt werden, weshalb ein eindeutiger Bezug der ausreichend präzisen Regelung zu dem konkreten Rechtsverhältnis über den Kauf dieser Ware hergestellt werden muss (so BeckOK BGB/Mertens, 1.11.2021, Art. 246a EGBGB Rn. 38 zu Art. 246a § 1 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB; Rätze, VuR 2018, 109; zumindest eine beispielhafte Aufzählung verlangend BeckOGK/Busch, 1.6.2021, EGBGB Art. 246a § 1 Rn. 45; a.A. Schirmbacher, in: Tamm/Tonner/Brönneke, Verbraucherrecht, 3. Auflage 2020, § 9 Rn. 148; Müller, PharmR 2017, 554; KG, Urteil vom 27. Juni 2014 - 5 U 162/12, GRUR 2015, 84 (85) zur früheren Gesetzesfassung). Einen auf § 3c UWG gestützten Unterlassungsanspruch macht die Verfügungsklägerin aber nicht geltend; er würde einen anderen Streitgegenstand bilden.
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Der Senat legt deshalb aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1422 des Kostenverzeichnisses zum GKG).
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Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Hinweises.