Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 19.10.2021 – AN 4 K 20.00502
Titel:

Austritt einer Mitgliedsgemeinde aus dem Zweckverband - Zum Vorliegen eines wichtigen Grundes (verneint)

Normenketten:
KommZG Art. 44, Art. 48
GG Art. 28 Abs. 2 S. 1
BV Art. 11 Abs. 2 S. 2
Leitsätze:
1. Aus Art. 44 Abs. 1 S. 1 KommZG ergibt sich kein Anspruch eines Zweckverbandsmitglieds auf Zustimmung zum begehrten Austritt durch die Verbandsversammlung. (Rn. 58 – 60) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Beschränkung der Austrittsmöglichkeiten eines austrittswilligen Zweckverbandsmitglieds durch Art. 44 Abs. 1 und Abs. 3 KommZG greift zwar in das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht ein; der Eingriff ist jedoch gerechtfertigt. (redaktioneller Leitsatz)
3. Ob ein „wichtiger Grund“ iSd Art. 44 Abs. 3 KommZG zur Kündigung der Verbandsmitgliedschaft vorliegt, ist gerichtlich voll überprüfbar. Ein wichtiger Grund muss auf objektiven Gegebenheiten beruhen, die eine Gefährdung der Existenz eines Mitglieds oder eine  völlige Zweckvereitelung des Verbandszwecks bedeuten und die zur Unzumutbarkeit der weiteren Mitgliedschaft führen. Subjektive Entscheidungen einzelner Mitgliedsgemeinden genügen nicht (Rn. 66 – 69) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
erstrebter Austritt einer Mitgliedsgemeinde aus dem Zweckverband, Vorliegen eines wichtigen Grundes (verneint), Zweckverband, Mitgliedsgemeinde, Austritt, Kündigung, wichtiger Grund, Verbandsversammlung, Zustimmung, Zwei-Drittel-Mehrheit, Pflichtverletzung, Unzumutbarkeit, Existenzgefährdung
Fundstelle:
BeckRS 2021, 42915

Tenor

1.
Die Klage wird abgewiesen.
2. 
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
3. 
Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
4. 
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleitung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Klägerin ist Mitgliedsgemeinde des beklagten Zweckverbandes und erstrebt mit ihrer Klage die Feststellung, dass sie den Beklagten durch Kündigung wirksam verlassen habe, hilfsweise eine erneute Entscheidung über die Austrittserklärung oder weiter hilfsweise die Feststellung des Vorliegens eines wichtigen Kündigungsgrunds.
2
Die Klägerin ist seit der Gründungsphase des beklagten Zweckverbands im Jahr 1998 dessen Mitglied. Hierbei handelte es sich um einen freiwilligen Zusammenschluss von acht Städten und Gemeinden. Der Verband ist nach Amtlicher Bekanntmachung vom Vortag am 30. Dezember 2004 entstanden.
3
In der Verbandssatzung in der zuletzt durch die 5. Änderungssatzung vom 1. Juli 2016 geänderten Fassung finden sich auszugsweise folgende Vorschriften:
§ 3 (Räumlicher Wirkungsbereich)
4
Der räumliche Geltungsbereich des Verbandsgebietes erstreckt sich auf Teile des Gebiets der Gemeinden … und … und der Stadt … (Standortgemeinden). Das Verbandsgebiet ist in dem dieser Satzung als Anlage 1 beigefügten Übersichtsplan im Maßstab 1:5000 mittels einer schwarzen, gestrichelten Linie durch deren Innenseite konkret festgelegt.
§ 4 (Verbandszweck)
5
1. Der Zweckverband hat die Aufgabe, im Verbandsgebiet nach § 3 einen gemeinsamen Industrie- und Gewerbepark zu errichten, zu betreiben und zu unterhalten. Er hat das gemeinsame Industrie- und Gewerbegebiet zu planen und nach § 15 zu erschließen, das Standortmarketing zu betreiben, dort Betriebe anzusiedeln und die dafür erforderlichen öffentlichen Einrichtungen zu errichten und zu erhalten. Soweit erforderlich hat er auch die Anpassung der äußeren Erschließung zur Verbindung des Gewerbeparks an das vorhandene örtliche und überörtliche Straßennetz zu planen („äußere Erschließung“), auch soweit dies außerhalb des Verbandsgebietes nach § 3 dieser Satzung erfolgen soll. Die Verbandsmitglieder sind sich darüber einig, dass Gewerbeansiedlungen mit einem voraussichtlichen Flächenbedarf von über 5 ha in ihrem Bereich nur im Verbandsgebiet nach § 3 dieser Satzung erfolgen soll.
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2. Die Erschließung des Verbandsgebiets nach § 3 erfolgt abschnittsweise entsprechend dem zu erwartenden Bedarf. Zur Aufgabe des Zweckverbandes gehört der Erwerb der Grundstücksflächen für die erforderlichen Erschließungsanlagen sowie der Gewerbe- und Industrieflächen, um sie an ansiedlungswillige Betriebe zu veräußern.
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3. Dem Zweckverband werden im Verbandsgebiet nach § 3 alle Rechte und Pflichten nach dem Baugesetzbuch (BauGB) übertragen, die sonst im Verbandsgebiet den Gemeinden … und … und der Stadt … zustehen würden. Dies gilt nicht für die Flächennutzungsplanung. Flächennutzungspläne, die das Verbandsgebiet nach § 3 betreffen, werden von der jeweiligen Gemeinde im Benehmen mit dem Zweckverband erlassen. Der Zweckverband hat insbesondere die Befugnis, Bebauungspläne und andere Satzungen nach dem BauGB zu erlassen und bodenordnerische Maßnahmen durchzuführen; er ist zuständig für die Erklärung des Einvernehmens nach § 36 BauGB. Weiterhin kann der Zweckverband örtliche Bauvorschriften nach Art. 91 der Bayerischen Bauordnung (BayBO) erlassen.
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4. Der Zweckverband hat die Aufgabe, die im Verbandsgebiet nach § 3 und die außerhalb des Verbandsgebiets zur Anbindung des Gebiets erforderlichen Gemeindestraßen zu errichten und zu unterhalten. Er ist insoweit Straßenbaulastträger für diese Straßen mit allen Rechten und Pflichten nach dem Bayer. Straßen- und Wegegesetz (BayStrWG). Hierzu gehört insbesondere die Verkehrssicherungspflicht, die Beleuchtungs-, Reinigungs-, Streu- und Räumpflicht (Art. 51 BayStrWG) sowie die Vergabe der Straßennamen und der Hausnummern (Art. 52 BayStrWG). Im Verbandsgebiet übertragen die Standortgemeinden dem Zweckverband das Recht, Entgelte für die Einräumung des Rechts zur Benutzung öffentlicher Verkehrswege für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen, die der unmittelbaren Versorgung von Letztverbrauchern im Gemeindegebiet mit Strom und Gas dienen, zu erheben (Konzessionsabgaben). Der Zweckverband erhält mit Verbandsgebiet die Befugnis, Satzungen und Verordnungen nach dem Bayer. Straßen- und Wegegesetz (BayStrWG) zu erlassen. Die Widmung der Gemeindestraßen und die Führung des Bestandsverzeichnisses verbleiben bei der jeweiligen Gemeinde.
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5. Der Zweckverband hat die Aufgabe, die im Verbandsgebiet nach § 3 für den gemeinsamen Industrie- und Gewerbepark erforderlichen öffentlichen Einrichtungen zur Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung zu errichten, zu betreiben und zu unterhalten. Hierzu kann er sich der zentralen Einrichtungen der Verbandsmitglieder bedienen. Das Nähere hierzu wird in Zweckvereinbarungen geregelt.
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6. Dem Zweckverband werden im Verbandsgebiet nach § 3 alle im Zusammenhang mit der Errichtung, dem Betrieb und der Unterhaltung eines Industrie- und Gewerbeparks stehenden hoheitlichen Aufgaben übertragen. Der Zweckverband hat insbesondere die Befugnis, für seine Erschließungsanlagen eine Erschließungs- und ggf. eine Straßenausbaubeitragssatzung, ebenso Benutzungssatzungen für seine Einrichtungen (z.B. Wasserabgabe- und Entwässerungssatzungen) und Beitrags- und Gebührensatzungen zu den Wasserabgabe- und Entwässerungssatzungen zu erlassen und nach diesen Satzungen Beiträge, Gebühren und sonstige Entgelte zu erheben.
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7. Das Recht, Steuern zu erheben, wird nicht übertragen.
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8. Der Zweckverband hat die Aufgabe durch Kooperationsprojekte eine regionale Identität zu fördern und in der Bevölkerung zu verankern. Hierzu zählt auch die Bereitstellung und Finanzierung der Beförderung aus den Mitgliedsgemeinden zu kirchlichen, kulturellen, sozialen, gesundheitlichen und sportlichen Veranstaltungen sowie Veranstaltungen der Heimat- und Brauchtumspflege und die Beteiligung und Mitwirkung daran innerhalb der Mitgliedsgemeinden.
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9. Zur Sicherung der Leistungs- und Handlungsfähigkeit soll angestrebt werden, kommunale Aufgaben der Mitgliedsgemeinden gemeinsam wahrzunehmen ohne die kommunale Eigenständigkeit und Identität dabei zu verlieren. Insbesondere kann der Zweckverband zur Förderung der regionalen Wirtschaft die Informationsmesse „Ausbildung & Beruf“ veranstalten und finanzieren.
§ 21 (Ausscheidende Verbandsmitglieder, Kündigung)
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1. Für die nächsten 10 Jahre ist das Ausscheiden eines Verbandsmitgliedes nicht möglich. Danach bedarf der Austritt einer Mehrheit von zwei Dritteln der satzungsmäßigen Stimmenzahl in der Verbandsversammlung.
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2. Ein Verbandsmitglied kann seine Mitgliedschaft nur zum 31.12. eines Kalenderjahres beenden. Die Austrittserklärung muss schriftlich erfolgen und dem Verbandsvorsitzenden bis zum 30.06. des Austrittsjahres vorliegen.
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3. Abweichend von Absatz 1 kann ein Verbandsmitglied seine Mitgliedschaft aus wichtigem Grund kündigen (außerordentliche Kündigung). Absatz 2 findet entsprechend Anwendung.
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4. Der Zweckverband kann ein Verbandsmitglied aus wichtigem Grund ausschließen. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn ein Verbandsmitglied wiederholt gegen die Verbandssatzung und den Verbandszielen zuwiderhandelt, sich verbandsschädigend verhält oder seinen Verpflichtungen nicht nachkommt. Ein Ausschluss nach Satz 1 ist nur möglich, wenn die schriftliche Mahnung dem Verbandsmitglied nachweislich drei Monate vorliegt. § 21 Ziff. 1 Satz 2 gilt entsprechend. Der Ausschluss erfolgt mit Wirkung zum 31.12. eines Kalenderjahres, wenn die schriftliche Erklärung des Ausschlusses bis spätestens 30.09. des gleichen Jahres dem auszuschließenden Verbandsmitglied vorliegt. Besteht der Zweckverband nur aus zwei Verbandsmitgliedern ist ein Ausschluss nicht möglich.
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5. Scheidet ein Verbandsmitglied aus dem Zweckverband aus oder wird ein Verbandsmitglied aus dem Zweckverband ausgeschlossen, findet eine Vermögensauseinandersetzung statt. Hierbei wird das ausscheidende Verbandsmitglied mit dem Betrag abgefunden bzw. hat den Betrag zu leisten, den es zu erhalten bzw. noch zu entrichten hätte, wenn der Zweckverband zum Zeitpunkt des Ausscheidens aufgelöst würde.
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Daneben haben die Standortgemeinden im Fall ihres Ausscheidens grundsätzlich die auf ihrem Gebiet belegenen Gegenstände des Anlagevermögens zum geschätzten Zeitwert abzüglich eventuell gewährter staatlicher Zuwendungen und sonstiger Leistungen zu übernehmen und die Unterhaltungslasten hierfür zu tragen. Das gilt nicht, sofern Gegenstände des Anlagevermögens weiterhin vom Zweckverband zur Erfüllung seiner weiteren Aufgaben benötigt werden. Sollten dem Zweckverband aufgrund des Ausscheidens Einnahmen aus der Umlage nach § 14 Abs. 4 entgehen, kann der Zweckverband zum Ausgleich längstens für einen Zeitraum von 3 Jahren eine Ausgleichszahlung bis zur Höhe des Betrages verlangen, den das ausscheidende Verbandsmitglied an den Zweckverband als Umlage nach § 14 Abs. 4 zu entrichten hätte, wenn es weiterhin dem Zweckverband angehören würde. Ergänzende Regelungen sind gegebenenfalls durch Vertrag, Zweckvereinbarung oder in sonst geeigneter Weise einvernehmlich vorzusehen.
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6. Der Austritt von Verbandsmitgliedern nach § 21 Ziff. 1 Satz 2, die außerordentliche Kündigung nach § 21 Ziff. 3 und der Ausschluss nach § 21 Ziff. 4 bedürfen der Genehmigung der Aufsichtsbehörde.
§ 23 (Schlichtung von Streitigkeiten)
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Bei Streitigkeiten zwischen dem Zweckverband und seinen Verbandsmitgliedern muss vor der Einleitung gerichtlicher Schritte das Landratsamt … zur Schlichtung angerufen werden.
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Am 13. April 2011 beschloss der Beklagte den Bebauungsplan Nr. …für das „Sondergebiet für Industrie- und Logistikbetriebe mit einem Mindestflächenbedarf“.
23
Mit Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28. Oktober 2014 (Az. 9 N 14.2326) wurde entschieden, dass der Bebauungsplan Nr. ... des Beklagten unwirksam ist. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Bebauungsplan bereits an einem formellen Mangel leide, weil es an einem Hinweis auf die Fundstelle der maßgeblichen DIN-Vorschrift fehle. Auch inhaltlich verstoße der Bebauungsplan gegen höherrangiges Recht, insbesondere sei nicht ersichtlich, dass sich das festgesetzte Sondergebiet von dem durch die allgemeine Zwecksetzung bestimmten typischen Erscheinungsbild eines Industriegebietes wesentlich abhebe. Die Festsetzung eines Mindestflächenbedarfs sei darüber hinaus nicht hinreichend bestimmt. Auch genügten die Abwägungen hinsichtlich des Verkehrslärmschutzes nicht den Anforderungen, es könne auch nicht von einer zutreffenden Ermittlung der Grundlagen ausgegangen werden.
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Am 21. April 2016 beschloss der Gemeinderat der Klägerin den Austritt aus dem Zweckverband. Die Erklärung wurde am 25. Mai 2016 gegenüber dem Vorsitzenden des Beklagten abgegeben und hat folgenden Wortlaut:
„hiermit erklärt die Gemeinde … in Vollziehung des Gemeinderatsbeschlusses vom 21.04.2016 form- und fristgerecht ihren Austritt aus dem Zweckverband …bzw. kündigt ihre dortige Mitgliedschaft zum 31.12.2016 (§ 21 der Verbandssatzung).
Die Gemeinde … bedankt sich ausdrücklich bei allen Verbandsmitgliedern, Institutionen und Beteiligten für die Zusammenarbeit.
Es handelt sich um eine mehrheitliche Entscheidung in einer konkreten Sachfrage. Daher wünscht sich die Gemeinde … und bietet dies auch umgekehrt an, dass die guten nachbarschaftlichen Beziehungen der Kommunen untereinander weiterhin bestehen und noch ausgebaut werden.“
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Am 22. Juni 2016 beschloss die Verbandsversammlung des Beklagten einstimmig unter Mitwirkung der Verbandsräte der Klägerin: „Die Geschäftsführerin Frau … sowie der Verbandsvorsitzende Herr … werden beauftragt, eine einvernehmliche Einigung mit der Gemeinde … vorzubereiten. Falls juristische Unterstützung notwendig werden sollte, soll eine Rechtsanwaltskanzlei beauftragt werden, den Zweckverband zu beraten.“
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In nachfolgenden Schriftwechseln stellte die Klägerin im Schreiben vom 15. Juli 2016 klar, dass der Beschluss des Gemeinderats vom 21. April 2016 nicht als wichtiger Grund zu werten sei.
27
Am 20. Dezember 2016 wurde über die Kündigung in der Verbandsversammlung beraten und der Beschluss, dem Austritt zuzustimmen, mit 2 zu 11 Stimmen abgelehnt. Aus der Niederschrift zum entsprechenden Tagesordnungspunkt ergibt sich, dass bei den bisherigen Verhandlungen keine Einigung erzielt wurde. Insbesondere sei keine Einigung erzielt worden, weil der Beklagte eine anteilige Kostenübernahme durch die Gemeinde erwarte.
28
Am 8. Juni 2017 fasste der Gemeinderat der Klägerin einen erneuten Austrittsbeschluss. Die entsprechende Erklärung gegenüber dem Vorsitzenden erfolgte am 22. Juni 2017.
29
Der Bürgermeisterausschuss des Beklagten beschloss am 14. Juli 2017 mit 7 zu 1 Stimmen, der Klägerin mitzuteilen, dass der Beklagte grundsätzlich an seinen der Klägerin bereits mitgeteilten Forderungen festhalte. Die vom Landratsamt geforderten Unterlagen würden vom Beklagten erst erarbeitet, wenn die Klägerin ihrerseits als ersten Schritt erklärte, mit einer vollständigen Kostenübernahme des Grundstücksgutachters einverstanden zu sein. Dies wurde der Klägerin am 18. August 2017 mitgeteilt.
30
Am 8. November 2017 erfolgte ein Vorschlag seitens des Landratsamts …, dass die Kosten geteilt werden könnten.
31
Die Verbandsversammlung des Beklagten lehnte am 20. Dezember 2017 den Beschluss mit 11 zu 2 Stimmen ab, dem Antrag der Klägerin auf Austritt aus dem Zweckverband zum 31. Dezember 2017 zuzustimmen.
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Am 19. Januar, 21. Juni und 13. September 2018 erfolgten unter Beteiligung des Landratsamts … Schlichtungsgespräche, die zu keiner Einigung führten. Aus der Ergebnisniederschrift vom 14. September 2018 ergibt sich das endgültige Scheitern. Über den Inhalt der Gespräche wurde Stillschweigen vereinbart.
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Am 21. Juni 2018 erklärte die Klägerin gegenüber dem Beklagten erneut den Austritt aus dem Zweckverband. In der Sitzung vom 27. November 2018 lehnte die Zweckverbandsversammlung den Antrag ab.
34
Am 11. Dezember 2018 fasste der Beklagte mit 11:2 Stimmen einen Beschluss über die Aufstellung eines neuen Bebauungsplans. Dem vorausgegangen waren neue gutachterliche Untersuchungen über das Verkehrsaufkommen und die Immissionsbelastung.
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Am 3. Mai 2019 erklärte die Klägerin gegenüber dem Beklagten erneut den Austrittswunsch. Die Verbandsversammlung des Beklagten lehnte am 19. Dezember 2019 den Beschluss mit 11 zu 2 Stimmen ab, dem Antrag der Klägerin auf Austritt aus dem Zweckverband zum 31. Dezember 2019 zuzustimmen.
36
Am 16. März 2020 erklärte die Klägerin gegenüber dem Beklagten die außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund mit folgendem Wortlaut:
„hiermit erklärt die Gemeinde … in Vollziehung des Gemeinderatsbeschlusses vom 04.04.2019 die außerordentliche Kündigung der Mitgliedschaft im Zweckverband …(§ 21 (3) der Verbandssatzung).
Es fehlt an einer vertrauensvollen Zusammenarbeit des Zweckverbandes mit der Gemeinde … Diese wird vom Zweckverband nicht angestrebt. Unter anderem wurde durch den Verbandsvorsitzenden in der Bürgermeisterausschuss-Sitzung vom 06.03.2020 deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die Gemeinde … als nicht vertrauensvoll eingestuft wird. Über die Gespräche und Verhandlungsstände mit Regierung von …, Ministerien, Mandatsträgern wurde die Gemeinde nicht vorab informiert. Über die Zusage der Bundesverkehrsministers eine Autobahnabfahrt planen zu lassen, erfuhr ich, als 1. Bürgermeisterin, aus dem Pressebericht vom 29.02.2020.
Zudem hat der Pressebericht am 14.03.2020, einen Tag vor der Kommunalwahl, massiv das Vertrauen zerstört. Der Verbandsvorsitzende forderte die Verantwortlichen der Gemeinde … - über das Medium Presse - zu einem Überdenken des Austrittes aufgrund der geänderten Sachlage auf. Ein persönliches Gespräch wurde nicht gesucht.
Dieses Vorgehen stellt überdies eine öffentliche Beeinflussung der Wähler der Gemeinde … dar.
Eine Verbandsarbeit der Gemeinde … ist von Seiten des Zweckverbandes weder gewünscht noch wird sie ermöglicht.
Ich bitte daher, den Eingang der außerordentlichen Kündigung zu bestätigen.“
37
Ausweislich des Eingangsvermerks erhielt der Beklagte das Schreiben per Fax am 17. März 2020.
38
Die Klägerin ließ mit einem am 18. März 2020 beim Verwaltungsgericht Ansbach eingegangenen Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom Vortag Klage erheben.
39
Zur Begründung wird ausgeführt, die Klägerin habe einen Anspruch auf Austritt aus dem beklagten Zweckverband. Zwar sei ein Austritt nicht unmittelbar gesetzlich vorgesehen, die Verbandsmitglieder hätten jedoch schon durch die Normierung in § 21 der Verbandssatzung deutlich gemacht, dass ein Ausscheiden möglich sein solle. Das Zustimmungserfordernis von zwei Dritteln dürfe nicht zu einer Bindung der Klägerin gegen ihren Willen führen. Der Austritt dürfe nur dann versagt werden, wenn die Erfüllung des Verbandszwecks gefährdet wäre, wovon man beim freiwilligen Verband hier nicht sprechen könne. Das Festhalten an der Mitgliedschaft der Klägerin sei insoweit rechtsmissbräuchlich, als der Austritt mit Forderungen verknüpft werde, die erst bei der nachgelagerten Vermögensauseinandersetzung zu berücksichtigen und auch nicht von der Klägerin zu tragen seien. Die Verknüpfung der finanziellen Forderungen mit der Entscheidung über den Austritt sei unzulässig, der Beklagte habe unabhängig von der Vermögensauseinandersetzung vorab über das Ausscheiden der Klägerin zu beschließen.
40
Zudem sei es grundsätzlich Sache des Zweckverbandes, die Wertermittlung vorzunehmen. Das Festhalten an den Forderungen vor der Austrittsentscheidung sei deshalb rechtswidrig, weil der Beklagte hierdurch letztlich finanzielle Forderungen zu erzwingen versuche, zumal auch von den übrigen Mitgliedsgemeinden ein Verbleib der Klägerin im Zweckverband nicht angestrebt werde. Außerdem seien 2019 keine Haushaltsvorstellung und 2020 keine vorherigen Informationen über Gespräche mit anderen Stellen über das weitere Vorgehen nach dem Aufstellungsbeschluss erfolgt.
41
Es bestehe zudem ein außerordentlicher Kündigungsgrund, weil die Klägerin den Verbleib im Zweckverband nicht mehr wünsche. Seit mehr als 20 Jahren sei der Verbandszweck noch immer nicht erreicht oder dessen Realisierung absehbar. Es gebe auch keine vorbereitenden Maßnahmen, durch die das erklärte Ziel erreichbar wäre. Überdies werde der Klägerin die Verbandsarbeit erschwert bzw. unmöglich gemacht, indem der Klägerin wesentliche Informationen vorenthalten würden. Stellungnahmen durch die erste Bürgermeisterin der Klägerin würden unterbunden und der Verbandsvorsitzende mache nur unkonkrete Ausführungen zu Sachstand und Gesprächsinhalten. Der Verbandsvorsitzende habe am 6. März 2020 über die Zusage des Bundesverkehrsministers berichtet, die erste Bürgermeisterin habe hiervon durch einen Pressebericht vom 29. Februar 2020 erfahren. Die Planung werde weitreichende Folgen für das Gemeindegebiet der Klägerin haben, insbesondere werde es zu unzumutbaren Lärmbelastungen der Gemeindebürger kommen und eine Einbeziehung der Klägerin in die diesbezüglichen Planungen unterbleibe. Deshalb sei eine vertrauensvolle Zusammenarbeit weder gewollt noch gegeben. Der außerordentlichen Kündigung könnten allenfalls Gründe des öffentlichen Wohls entgegengehalten werden, wenn die Voraussetzungen für einen Pflichtverband vorlägen, was hier nicht der Fall sei.
42
Mit weiterer Klagebegründung vom 8. Juni 2021 führt die Bevollmächtigte aus, der Beklagte habe dem Austritt der Klägerin jedenfalls bereits durch Zustimmung zur Durchführung eines Schlichtungsverfahrens zugestimmt. Zudem sei eine Ablehnung des Austrittsgesuchs vom 22. Juni 2017 nicht erfolgt. Nicht das Verhalten der Klägerin, sondern das des Beklagten sei unangemessen und rechtsmissbräuchlich gewesen. Die Entscheidung über den Austritt sei eine Ermessensentscheidung, diese sei aufgrund einer falschen Tatsachengrundlage und aufgrund sachfremder Erwägungen getroffen worden, weil die dargestellten finanziellen Auswirkungen auf den Beklagten so nicht zuträfen, zum anderen der Verbandszweck auch unter Berücksichtigung der hohen Kosten für den Bau der Autobahnausfahrt nicht erreichbar sei und auch rechtliche Hindernisse entgegenstünden, denen gegenüber politische Lösungsbemühungen nicht ausreichend seien. Schließlich führe die Planung des Beklagten zu einer enormen Steigerung der Immissionen durch Schwerlastverkehr, Lärm und Feinstaub. Die Klägerin unterstütze diese Bemühungen nicht, werde aber durch die Verbandstreue bei weiterem Verbleib im Zweckverband hierzu gezwungen. Dies wolle der Beklagte - insoweit rechtsmissbräuchlich - verhindern. Auch sei ein Ausscheiden der Klägerin für die übrigen Mitgliedsgemeinden und den Beklagten nicht unzumutbar. Hingegen werde die Klägerin gehindert, eigene Gewerbeflächen auszuweisen, was zu einer unzumutbaren finanziellen Belastung führe. Insgesamt sei von einer derartigen Zerrüttung auszugehen, dass ein außerordentlicher Kündigungsgrund vorliege.
43
Die Klägerin beantragt zuletzt,
1. Es wird festgestellt, dass die Klägerin durch Schreiben vom 22.06.2017 wirksam aus dem Zweckverband …ausgetreten ist und die Klägerin mit Ablauf des 31.12.2017,
hilfsweise: zum nächstmöglichen Zeitpunkt,
weiter hilfsweise: vorbehaltlich der Genehmigung durch das Landratsamt nicht mehr Mitglied des Beklagten ist.
2. Hilfsweise zu 1.:
Der Beklagte wird verpflichtet, unter Aufhebung der Entscheidung der Verbandsversammlung vom 20.12.2017 dem Austritt der Klägerin aus dem Zweckverband* …zum Ablauf des 31.12.2017,
hilfsweise: zum nächstmöglichen Zeitpunkt zuzustimmen.
3. Hilfsweise zu 2.:
Der Beklagte wird verpflichtet, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts über die Austrittserklärung der Klägerin aus dem Zweckverband … mit Wirkung zum 31.12.2017,
hilfsweise: zum nächstmöglichen Zeitpunkt erneut zu entscheiden.
4. Hilfsweise zu 3.:
Es wird festgestellt, dass die Kündigungserklärung der Klägerin vom 16.03.2020 aus wichtigem Grund erfolgt ist.
44
Der Beklagte beantragt mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 4. Mai 2020,
die Klage abzuweisen.
45
Zur Begründung wird ausgeführt, alle Mängel des im Jahre 2014 für unwirksam erklärten Bebauungsplans könnten noch beseitigt werden, es gebe keine in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht unlösbaren Umsetzungsprobleme. Insbesondere seien umfangreche gutachterliche Untersuchungen unternommen worden, vor allem zur Immissionsbelastung bei den betroffenen Ortsdurchfahrten. Dabei sei der Nachweis erbracht worden, dass eine Bewältigung der Verkehrslärmproblematik aufwändig, aber grundsätzlich möglich sei. Auch sei inzwischen grundsätzlich geklärt, dass eine Autobahnanschlussstelle realisiert werden könne. Hinsichtlich der raumordnungsrechtlichen Hürden werde eine politische Lösung angestrebt, die auch realistisch erscheine. Festzustellen sei, dass der Beklagte zu keinem Zeitpunkt dem Austritt zugestimmt habe und dass auch eine Genehmigung der Aufsichtsbehörde nicht erfolgt sei.
46
Der Beklagte vertrete die Auffassung, die Voraussetzungen für den Austritt hätten zu keinem Zeitpunkt vorgelegen, auch ein Recht zur außerordentlichen Kündigung bestehe nicht. Die Kündigungen seien jeweils als Anträge auf Austritt zu verstehen, diese hätten in keinem Jahr die erforderliche Mehrheit erreicht. Insbesondere habe keine Pflicht bestanden, dem Austritt zuzustimmen, bzw. sei das Ermessen nicht reduziert gewesen. Der Gesetzgeber habe sich bewusst für die starke Bindung bei den Zweckverbänden entschieden. Die übrigen Zweckverbandsmitglieder hätten auch zu berücksichtigende Interessen, die für das weitere Festhalten an der Mitgliedschaft sprächen. Für diese sei es auch wichtig, dass sich die Klägerin verbandstreu verhalte und gerade nicht das gemeinsame Vorhaben rechtlich und politisch bekämpfe. Dass sich der Beklagte auf Verhandlungen und eine Schlichtung eingelassen habe, zeige nur seinen guten Willen, begründe aber kein diesbezügliches Recht der Klägerin. Nachdem es um eine Verhandlungslösung gegangen sei, habe die Frage der finanziellen Konsequenzen auch so diskutiert und zu Grunde gelegt werden dürfen.
47
Auch liege kein außerordentlicher Kündigungsgrund vor. Dies komme nur dann in Betracht, wenn die Änderungen in der Sphäre des einzelnen Mitglieds lägen, dadurch dessen Existenz oder Aufgabenerfüllung gefährdet wären und zusätzlich alle Möglichkeiten ausgeschöpft wären, beispielsweise über die Verbandsversammlung. Eine Pflichtverletzung durch Nichtinformation könne nicht angenommen werden, weil ein solches Vorgehen politisch geboten und deshalb vertretbar gewesen sei.
48
Die Kammer hat am 2. Juli 2021 von Amts wegen die einfache Beiladung des Freistaats Bayern wegen der in der vorliegenden Konstellation zweckdienlichen Rechtskrafterstreckung beschlossen.
49
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen, wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung auf die Sitzungsniederschrift.

Entscheidungsgründe

50
Die Klage ist mit ihren in der mündlichen Verhandlung konkretisierten Anträgen zulässig (A.), aber nicht begründet (B.).
51
A. Die Klage ist mit den in der mündlichen Verhandlung konkretisierten Anträgen zulässig.
52
1. Die Klage ist im Antrag zu 1. als Feststellungsklage i.S.d. § 43 Abs. 1 VwGO statthaft und auch die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen liegen vor. Streitgegenständlich ist insoweit das Bestehen oder Nichtbestehen der Mitgliedschaft der Klägerin im beklagten Zweckverband. Hierbei handelt es sich auch um ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis. Die Kammer geht auch vorliegend nicht von der Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber der Gestaltungs- und Leistungsklage (§ 43 Abs. 2 VwGO) aus, unabhängig von einem denkbaren Vorgehen gegen eine Entscheidung der Rechtsaufsichtsbehörde. Zum einen bleibt der Konzentrationszweck des § 43 Abs. 2 VwGO (hierzu Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, VwGO § 43 Rn. 41 unter Verweis auf BVerwGE 111, 306 (308 f.)), jedenfalls nach der Beiladung des Freistaats Bayern, gewahrt und zum anderen erfordert § 43 Abs. 2 VwGO nicht, dass ein Vorgehen gegen einen anderen Beteiligten vorrangig durchgeführt werden muss (vgl. auch im Ergebnis VG Karlsruhe, U.v. 18.02.2021, Az. 9 K 1777/20, Rn. 58, juris).
53
2. Der Beschluss der Verbandsversammlung des Beklagten über das Austrittsgesuch der Klägerin stellt dabei keinen Verwaltungsakt i.S.d. Art. 35 Satz 1 BayVwVfG dar, weil es sich insoweit nicht um eine hoheitliche Maßnahme des beklagten Zweckverbandes handelt. Vielmehr stehen sich Gemeinde und Zweckverband insoweit gleichrangig gegenüber, weshalb es an einem Fall der Über- und Unterordnung fehlt (Hauth/Hillermeier/Bonengel/Kitzeder, Verwaltungsgemeinschaft und Zweckverbände, 575.52, Art. 44 KommZG, Abschnitt 20.44, Rn. 2). Folglich sind die Klageanträge zu 2. und 3. als zulässige allgemeine Leistungsklagen anzusehen.
54
3. Der hilfsweise gestellte Klageantrag zu 4. ist als Feststellungsklage i.S.d. § 43 Abs. 1 VwGO zulässig. Auch insoweit steht der Zulässigkeit nicht entgegen, dass ein Vorgehen gegen eine spätere möglicherweise versagte Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde zumindest denkbar gewesen wäre, weil bei Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Art. 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 und 3 i.V.m. Art. 20 KommZG von einem Rechtsanspruch ausgegangen werden könnte (VG Regensburg, U.v. 16.03.2005, Az. RN 3 K 04.00617, Rn. 30, juris; Hauth/Hillermeier/Bonengel/Kitzeder, Verwaltungsgemeinschaft und Zweckverbände, 575.40, Art. 20 KommZG, Abschnitt 20.20 Rn. 3). Auch hat die Klägerin den Antrag sachdienlich dahingehend konkretisiert, dass nicht allein das Vorliegen eines wichtigen Grundes festgestellt werden soll, sondern konkret die Feststellung begehrt wird, dass der konkreten Erklärung der früheren ersten Bürgermeisterin ein wichtiger Grund zugrunde lag. B. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die Voraussetzungen für einen Austritt aus dem Zweckverband (hierzu nachfolgend I.) liegen im konkreten Fall nicht vor (nachfolgend II.).
55
I. Der Gesetzgeber hat für Zweckverbände mit den Regelungen des KommZG ein besonderes Rechtsregime geschaffen, das grundsätzlich von einer Beständigkeit solcher Verbände ausgeht. Nach diesem besteht die Möglichkeit zur Kündigung der Zweckverbandsvereinbarung nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes.
56
1. Nach dem durch Art. 44 Abs. 1 und 3 KommZG geschaffenen Regelungsregime hat grundsätzlich das öffentliche Interesse an der Erhaltung eines Zweckverbandes den Vorrang vor den Interessen der einzelnen Mitglieder, was sich letztlich auch daraus rechtfertigt, dass zwischen den Mitgliedern eines Zweckverbandes nicht lediglich vertragsrechtliche Beziehungen bestehen, sondern körperschaftsrechtliche bzw. statusrechtliche Bindungen. Eine ausnahmsweise Aufkündigung der Mitgliedschaft aus wichtigem Grund ist nur dann gerechtfertigt, wenn das Einzelinteresse des austrittswilligen Mitgliedes unter Beachtung des Interesses an einer Dauererledigung der vom Zweckverband übernommenen Aufgaben mehr Gewicht hat als die Pflicht zur Verbandstreue. Anders als bei der Arbeitsgemeinschaft und bei der Zweckvereinbarung (vgl. Art. 6, 14 KommZG) hat der Gesetzgeber bewusst auf die Regelung einer ordentlichen Kündigungsmöglichkeit verzichtet, weil dadurch die Beständigkeit der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe zu stark gefährdet wäre (VG Ansbach, U.v. 07.07.2005, Az. AN 4 K 05.00349, Rn. 24, juris).
57
Die bayerische Rechtslage sieht eine Kündigung aus wichtigem Grund in Art. 44 Abs. 3 KommZG ausdrücklich vor. Allenfalls können allgemeine Rechtsgrundsätze als Auslegungshilfe bei der Bestimmung des wichtigen Grundes nach Art. 44 Abs. 3 KommZG herangezogen werden (VG Regensburg, U.v. 16.03.2005, Az. RN 3 K 04.00617, Rn. 44, juris).
58
2. Aus Art. 44 Abs. 1 Satz 1 KommZG ergibt sich kein Anspruch eines Zweckverbandsmitglieds auf Zustimmung zum begehrten Austritt durch die Verbandsversammlung.
59
Aus dem Wortlaut des Art. 44 Abs. 1 Satz 1 KommZG ergeben sich hierbei keine an die abstimmenden Verbandsmitglieder gerichteten Einschränkungen für die Stimmabgabe, vielmehr spricht diese Vorschrift allein von einer erforderlichen Mehrheit von zwei Dritteln der satzungsmäßigen Stimmenzahl in der Verbandsversammlung. Unter Berücksichtigung der Systematik des KommZG und der insoweit deutlichen Schutzrichtung zugunsten der Stabilität der Zweckverbände lässt sich insoweit auch nicht erschließen, dass hierdurch ein Rechtsanspruch einer Gemeinde auf Zustimmung enthalten sein sollte. Vielmehr zeigen teleologische Erwägungen, dass der Gesetzgeber mit diesem verhältnismäßig hohen Zustimmungserfordernis die Entscheidung über den Austritt - und damit notwendigerweise verbunden auch die Prognose der hieraus resultierenden Konsequenzen - nicht dem austrittswilligen Mitglied überlassen wollte, sondern der Verbandsversammlung, die insoweit (auch) die Interessen der den Zweckverband tragenden Mitglieder repräsentiert.
60
Damit kann sich aus Sicht des entscheidenden Gerichts allenfalls aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen eine Einschränkung der Abstimmungsoptionen ergeben, etwa im Falle einer missbräuchlichen Rechtsausübung. Eine derartige Ausnahme kann jedoch bereits dann nicht mehr angenommen werden, wenn für den Zweckverband und die übrigen Zweckverbandsmitglieder nicht allein völlig untergeordnete wirtschaftliche, politische oder rechtliche Gründe gegen den Austritt sprechen.
61
3. Die Beschränkung der Austrittsmöglichkeiten eines austrittswilligen Zweckverbandsmitglieds ist auch verfassungsgemäß.
62
a. In Bezug auf die Bindung einer Mitgliedsgemeinde an den Zweckverband ist von einer Eröffnung des Schutzbereichs des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts aus Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV und des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG auszugehen. Zur insoweit vergleichbaren Gesetzeslage in Thüringen (vgl. zur Bezugnahme des dortigen Gesetzgebers beim ThürKGG auf die Bayerische Rechtslage auch ohne expliziten Verweis in der Gesetzesbegründung bei OVG Weimar, U.v. 12.03.2015, Az. 4 KO 758/14, Rn. 28, juris), sieht der Thüringer Verfassungsgerichtshof (B.v. 31.01.2018, Az. 26/15, Rn. 57, juris) die Entscheidung einer Gemeinde, Mitglied in einem solchen Zweckverband zu werden, als Ausfluss der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie in Gestalt der Organisationshoheit an, welche den Gemeinden das Recht gebe, über die innere Verwaltungsorganisation einschließlich der bei der Aufgabenwahrnehmung notwendigen Abläufe und Zuständigkeiten eigenverantwortlich zu entscheiden. Dies schließt die Befugnis ein, selbst darüber zu befinden, ob eine bestimmte Aufgabe eigenständig oder gemeinsam mit anderen Verwaltungsträgern wahrgenommen wird (sog. Kooperationshoheit; vgl. BVerfG, U.v. 21.11.2017, Az. 2 BvR 2177/16, Rn. 74, juris, m.w.N.). Das Recht, solche Kooperationen zu beenden, stellt hierzu die Kehrseite dar und unterfällt ebenfalls der Organisationshoheit (ThürVerfGH a.a.O.). Dabei unterliegt die eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG (und auch Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV) dem Gesetzesvorbehalt („im Rahmen der Gesetze“), deshalb wird die Frage der äußeren Grundstrukturen der Gemeinde in allen Ländern stets als Sache des Gesetzgebers angesehen. Allerdings verbietet der Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung Regelungen, die eine eigenständige organisatorische Gestaltungsfähigkeit der Kommunen im Ergebnis ersticken würden (BVerfG, B.v. 26.10.1994, Az. 2 BvR 445/91, BVerfGE 91, 228, Rn. 32 f.). Die Übertragung der verwaltungsmäßigen Besorgung gemeindlicher Aufgaben auf einen anderen Träger begründet für sich genommen wegen der Berechtigung des Gesetzgebers, den Gemeinden Organisationsvorgaben zu machen, noch keine Verletzung des Kernbereichs eigenverantwortlicher Aufgabenerledigung (BVerfG, U.v. 20.12.2007, Az. 2 BvR 2433/04, BVerfGE 119, 331, Rn. 147; ThürVerfGH a.a.O., Rn. 58, juris).
63
b. Die durch das Zwei-Drittel-Mehrheitserfordernis bedingte, starke Bindung einer Mitgliedsgemeinde an den Zweckverband stellt einen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG dar, weil durch die gesetzgeberische Entscheidung in Art. 44 Abs. 3 KommZG das (einseitige) Kündigungsrecht auf den Fall des Vorliegens eines wichtigen Grundes beschränkt ist. Allerdings stellt sich die Bindung einer Gemeinde an einen Zweckverband nur als Eingriff in den Randbereich und nicht in den Kernbereich kommunaler Selbstverwaltung dar. Dies ist dadurch begründet, dass nicht von einer erstickenden Wirkung durch die hohen Kündigungshürden ausgegangen werden kann (ThürVerfGH, a.a.O., Rn. 59, juris - dort in Bezug auf einen Zweckverband für Gewässerunterhaltung).
64
c. Der Eingriff ist jedoch gerechtfertigt, weil und soweit der Gesetzgeber ein Austrittsrecht bei Vorliegen eines wichtigen Grundes vorgesehen hat.
65
Der Eingriff dient dabei dem legitimen Zweck, dass ein Zweckverband die ihm von den Zweckverbandsmitgliedern übertragenen Aufgaben dauerhaft und zu möglichst gleichbleibenden rechtlichen Rahmenbedingungen ausüben kann. Auch ist die Beschränkung geeignet, diesen Zweck zu fördern. Denkbare, für ein austrittswilliges Mitglied mildere Mittel wären nicht gleichermaßen wirksam, weil sie immer mit stärkeren Auswirkungen auf die Beständigkeit des Zweckverbands verbunden wären. Ein milderes Mittel ist unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Einschätzungsprärogative insbesondere nicht in einem Verzicht auf das Erfordernis eines wichtigen Grundes zu sehen, weil zwar die Eingriffsintensität für die austrittswillige Gemeinde geringer wäre, das Ziel (gleichbleibende rechtliche Rahmenbedingungen für den Zweckverband) jedoch auch dann nicht gleichermaßen erreicht würde, wenn man derartige Überlegungen bei der Prüfung entgegenstehender Gründe des öffentlichen Wohls beim Genehmigungsverfahren (Art. 48 Abs. 1 Satz 3 KommZG) berücksichtigte (zum wortlautähnlichen § 42 Abs. 1 ThürKGG: ThürVerfGH, a.a.O., Rn. 71, juris). Der Eingriff ist damit als verhältnismäßig anzusehen. Ein darüber hinaus gehendes einseitiges Kündigungsrecht ist nicht erforderlich. Der Eingriff ist somit nicht nur dann gerechtfertigt, wenn es weitergehende Loslösungsmöglichkeiten gibt.
66
4. Der „wichtige Grund“ i.S.d. Art. 44 Abs. 3 KommZG stellt dabei einen unbestimmten Rechtsbegriff dar, was zur Folge hat, dass dessen Vorliegen als Rechtsfrage voll gerichtlich überprüfbar ist (vgl. VG Ansbach, U.v. 07.07.2005, Az. AN 4 K 05.00349 -, Rn. 24, juris).
67
Für diesen wichtigen Grund i.S.d. Art. 44 KommZG ist jedenfalls keine Parallele zu jenem des Zivilrechts zu ziehen, weil es hierbei schon an einer vergleichbaren Interessenlage mangelt. Anders als bei typischen zivilrechtlichen Verträgen führt die öffentlich-rechtliche Gründungsvereinbarung zur Schaffung einer neuen juristischen Person des öffentlichen Rechts, für die andere Rechtsmaßstäbe als die den zivilrechtlichen Regelungen zugrundeliegende Selbstbestimmung gelten (VGH Mannheim, U.v. 20.03.1989, Az. 1 S 247/87, Rn. 23, juris; VG Regensburg, U.v. 16.03.2005, Az. RN 3 K 04.00617, Rn. 37, juris; VG Karlsruhe, U.v. 18.02.2021, Az. 9 K 1777/20, Rn. 66 juris).
68
Dabei stellt zunächst der Begriff des wichtigen Grundes im Sinne von Art. 44 Abs. 3 KommZG, § 21 Abs. 3 Satz 1 Zweckverbandssatzung offensichtlich auf objektive Gegebenheiten ab, nicht auf subjektive Entscheidungen einzelner Mitgliedsgemeinden eines Zweckverbandes (VG Ansbach, U.v. 07.07.2005, Az. AN 4 K 05.00349, Rn. 30 juris). Derartige objektive Gegebenheiten können aber auch als Änderungen in der Sphäre nur eines Mitglieds eintreten, die seine Existenz oder Aufgabenerfüllung gefährden, wenn alle Möglichkeiten des Interessensausgleichs ausgeschöpft sind (VGH Mannheim, U.v. 20.03.1989, Az. 1 S 247/87, Rn. 25 juris). Hierzu sind allerdings bloße finanzielle Belastungen typischerweise nicht zu zählen, weil sie regelmäßig keine Existenzgefährdung bewirken; der finanziellen Schieflage einer Gemeinde ist dabei vorrangig mit den Mitteln der Kommunalaufsicht oder des Finanzausgleichsrechts zu begegnen (ThürVerfGH, B.v. 31.01.2018, Az. 26/15, Rn. 65 juris).
69
Auch Änderungen in der Sphäre des Zweckverbandes können einen wichtigen Grund darstellen, wenn beispielsweise eine völlige Zweckvereitelung des Verbandszwecks gegeben ist. Daraus müssen sich neue unvorhergesehene und unvorhersehbare Umstände entwickeln, die so wesentlich sind, dass sie zu einer Unzumutbarkeit der weiteren Mitgliedschaft führen. Die Erfüllung des ursprünglichen Verbandszwecks muss damit nahezu unmöglich geworden sein. Nicht ausreichend für einen wichtigen Grund i.S.d. Art. 44 Abs. 3 KommZG hingegen ist die Enttäuschung über die Entwicklung eines Zweckverbandes, wozu insbesondere Erwartungen über einen finanziell günstigeren Ausgang gegenüber der alleinigen Aufgabenerledigung gehören (VG Regensburg, U.v. 16.03.2005, Az. RN 3 K 04.00617, Rn. 39 f., juris, unter Verweis auf OVG Bautzen, B.v. 06.07.1995, Az. 3 S 156/94, LKV 1997, 420, 421; OVG Magdeburg, B.v. 06.03.2000, Az. A 2 S 364/98, Rn. 5 juris; VGH Mannheim, U.v. 20.03.1989, Az. 1 S 247/87).
70
Auch Umstände, die sich aus der Rechtsbeziehung zwischen Zweckverband und eines seiner Mitglieder ergeben, können als Vorliegen eines wichtigen Grundes i.S.d. Art. 44 Abs. 3 KommZG angesehen werden. Dies setzt aber voraus, dass es sich beispielsweise um schwerwiegende oder anhaltende Pflichtverletzung durch den Zweckverband gegenüber dem Mitglied handelt und gleichzeitig rechtsaufsichtliche Maßnahmen gegenüber dem Zweckverband entweder erfolglos oder von vornherein nicht erfolgsversprechend gewesen sind (ThürVerfGH, B.v. 31.01.2018, Az. 26/15, Rn. 65, juris).
71
5. Aus Art. 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KommZG ergibt sich, dass die Kündigung der Mitgliedschaft im Zweckverband aus wichtigem Grund der Genehmigung der Aufsichtsbehörde bedarf. Diese Genehmigung ist damit Wirksamkeitsvoraussetzung für den Austritt, der auch erst nach der amtlichen Bekanntmachung am Folgetag bzw. am hiervon abweichend festgelegten Tag erfolgt (Art. 48 Abs. 3 Satz 1 und 2 KommZG).
72
II. Gemessen hieran ist die Klage nicht begründet.
73
1. Der Klageantrag zu 1. bleibt schon deshalb ohne Erfolg, weil ein wirksamer Austritt der Klägerin aus dem beklagten Zweckverband nach Art. 48 Abs. 3 Satz 1 und 2 KommZG die Veröffentlichung der Maßnahme (hier: Austritt eines Verbandsmitglieds) einschließlich der nach Art. 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KommZG erforderlichen Genehmigung erfordert. Nachdem es vorliegend aber bereits sowohl an der Genehmigung, als auch an der nachfolgenden Veröffentlichung fehlt, ist die von der Klägerin begehrte Feststellung, mit Ablauf des 31.12.2017 nicht mehr Mitglied des Beklagten zu sein, bereits ausgeschlossen. Nichts anderes ergibt sich für den insoweit hilfsweise dahingehend erweiterten Antrag, dass die Klägerin „zum nächstmöglichen Zeitpunkt“ nicht mehr Mitglied des Beklagten sein soll.
74
Auch der weiter hilfsweise gestellte Teilantrag hat keinen Erfolg. Dabei kommt es schon nicht mehr auf die erheblichen Zweifel an der Zulässigkeit eines solchen Antrags an, weil insoweit eine bedingte Feststellung begehrt wird, zugleich aber - in gewisser Weise tautologisch - die Voraussetzungen für den Bedingungseintritt mit der begehrten Antragstellung erst erreicht werden sollen. Denn selbst wenn die Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde erteilt würde, fehlte es noch darüber hinaus an der entsprechenden Veröffentlichung.
75
Selbst eine äußerst wohlwollende Auslegung des insoweit von der anwaltlich vertretenen Klägerin hilfsweise gestellten Antrags über den Wortlaut hinaus, dass dieser zusätzlich vorbehaltlich der Bekanntmachung erfolgen soll, würde nicht zum Erfolg führen, weil insoweit nicht von einer Bedingung vergleichbar mit Art. 36 Abs. 2 Nr. 2 BayVwVfG ausgegangen werden kann und selbst rechtlich gebundene Entscheidungen eine rechtliche Würdigung voraussetzen (BVerwG, B.v. 31.07.2017, Az. 10 B 26.16, BeckRS 2017, 124194 Rn. 6, beck-online). Folglich scheidet eine Feststellung vorbehaltlich der rechtlichen Würdigung durch die Aufsichtsbehörde aus.
76
2. Die Klägerin kann vom Beklagten nicht die Zustimmung zum Austritt verlangen, weil sich aus Art. 44 Abs. 1 Satz 1 KommZG wie auch aus § 21 Abs. 1 Satz 2 Verbandssatzung kein dementsprechender Anspruch ergibt.
77
a. Insoweit ergeben sich schon keinerlei Anhaltspunkte aus der Verbandssatzung (dort insbesondere § 21 Abs. 1 bis 3), dass mit dieser Regelung - vorbehaltlich der inzwischen obsolet gewordenen, zehnjährigen Bindung und der Formulierung einer Austrittsfrist - von Art. 44 KommZG abweichende oder ergänzende Regelungen geschaffen werden sollten. Vielmehr handelt es sich im Wesentlichen um eine Wiedergabe der gesetzlichen Voraussetzungen.
78
Nachdem gemessen am Maßstab des Art. 44 Abs. 1 GG hinsichtlich der einseitigen Lösung vom Zweckverband eine Beschränkung auf den Fall eines wichtigen Grunds zulässig ist (s.o.), bedarf es auch aus höherem Recht nicht einer weiteren einschränkenden Auslegung hinsichtlich des Zustimmungserfordernisses zugunsten austrittswilliger Mitglieder.
79
b. Die Ablehnung des Austritts unter Berufung auf die nicht erfolgte finanzielle Einigung war bereits nicht rechtsmissbräuchlich. Deshalb kommt es bereits nicht mehr auf die Frage an, ob in einem solchen Fall ein Anspruch anzunehmen wäre. Dabei kann explizit offenbleiben, wie die Kostenaufteilung zwischen der Klägerin und dem Beklagten im Falle eines Austritts erfolgen müsste. Denn die Verbandsversammlung durfte eine freiwillige (überobligatorische) Zustimmung zum Austritt der Klägerin aus dem Zweckverband davon abhängig machen, dass eine einvernehmliche Lösung herbeigeführt wird.
80
i. Auch wenn sich ausweislich der Regelungen des KommZG und der Verbandssatzung die Frage der Modalitäten der Vermögensauseinandersetzung erst nach dem Beschluss über die Zustimmung der Verbandsversammlung zum Austrittswunsch stellt, durften die zur Entscheidung berufenen Verbandsräte bei ihrer Entscheidung berücksichtigen, dass vorab keine Einigkeit über die noch offenen vermögensrechtlichen Fragen erzielt wurde. Nachdem das Erfordernis einer Zweidrittelmehrheit vor dem Hintergrund der Funktionsfähigkeit des Zweckverbandes zu sehen ist, erscheint der Kammer auch gut nachvollziehbar, dass der Frage eine maßgebliche Bedeutung zukommt, ob mit dem austrittswilligen Mitglied vorab eine Einigung zustande gekommen ist. Jedenfalls für den Fall einer vorherigen Einigung zwischen dem austrittswilligen und den verbleibenden Zweckverbandsmitgliedern ist weitgehend konkret absehbar, welche Konsequenzen sich für die verbleibenden Mitglieder ergeben, nicht zuletzt unter Berücksichtigung der zu erwartenden höheren Verbandsumlage und sonstiger, zu erwartender Kostensteigerungen. Schließlich darf auch von den Verbandsräten das Risiko, einen Rechtsstreit mit dem früheren Mitglied nach dessen Ausscheiden führen zu müssen, als Motivation herangezogen werden, dem Austrittsgesuch nicht zuzustimmen.
81
ii. Ebenso wenig ergibt sich etwas Anderes unter Berücksichtigung der konkret von der Klägerin und dem Beklagten geführten Verhandlungen über eine Austrittsvereinbarung. Selbst unter Zugrundelegung, dass im Falle einer Auseinandersetzung nach erfolgtem Austritt gesetzliche Regelungen anderer Art bestünden, bedeutet dies keine Pflichtverletzung gegenüber der Klägerin, wenn der Beklagte Forderungen wie insbesondere Beratungs- und Gutachterkosten nach einem dem Verursacherprinzip angelehnten Rechtsgedanken in den Raum stellt.
82
iii. Anders als von der Klägerin angenommen ist auch keine Koppelung der Verhandlungen an sachfremde Forderungen seitens des beklagten Zweckverbandes zu erkennen. Nachdem insoweit von einem weiten Handlungsspielraum auszugehen ist, sind Forderungen im Rahmen der Austrittsverhandlung jedenfalls dann nicht von vornherein ausgeschlossen, wenn die konkreten Posten kausal durch den Austrittswunsch der Klägerin entstanden sind. Dass darüber hinausgehende Forderungen gestellt wurden, die auch ohne ein Austrittsbegehren der Klägerin entstanden wären, ist nicht dargelegt und auch sonst nicht ersichtlich. Selbst die Annahme, dass die Klägerin im Falle eines Austritts nicht sämtliche Rechtsberatungskosten des beklagten Zweckverbandes und notwendige Gutachterkosten wird allein tragen müssen, führt nicht zur Rechtsmissbräuchlichkeit der Einigungsforderung.
83
iv. Nachdem aus Sicht der Kammer nicht erkennbar ist, dass der Zweckverband im Rahmen der Verhandlungen über den Austritt unzulässige - weil sachfremde - Forderungen gestellt hätte oder dass wesentlich falsche oder unvollständige Informationen über die rechtlichen Ausgangsbedingungen eines Austritts aus dem Zweckverband gegeben wurden, kann die klägerseits behauptete Irreführung der Verbandsräte schon nicht angenommen werden. Gleiches gilt für die finanziellen Auswirkungen, die sich durch einen Austritt der Klägerin aus dem beklagten Zweckverband ergeben, nachdem hierüber denknotwendig nur Prognosen angestellt werden können. Dass die vom Zweckverbandsvorsitzenden skizzierten finanziellen Folgen eines Austritts für den Zweckverband oder die verbleibenden Zweckverbandsmitglieder im Wesentlichen unzutreffend sein sollen, erschließt sich der Kammer nicht. Auf die Rechtsfolge einer solchen Irreführung kommt es damit nicht an.
84
Hinzu kommt, dass den übrigen stimmberechtigten Verbandsräten - auch nach teils intensiven Verhandlungen vor den jeweiligen Beschlüssen über den Austritt der Klägerin - unzweifelhaft bekannt gewesen sein dürfte, dass und auf welcher rechtlichen Grundlage die Klägerin diese Einschätzung des Beklagten und dessen Vorsitzenden nicht teilt.
85
c. Keine Einschränkung der Entscheidungsoptionen seitens der Verbandsräte ergibt sich aus der Entscheidung des Zweckverbands, am vom Landratsamt … geleiteten Schlichtungsverfahren teilzunehmen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass aus § 23 Verbandssatzung eine Pflicht zur Durchführung folgt. Daneben widerspräche es aber auch dem allgemeinen Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben, derartige Einigungsbemühungen auch seitens des Beklagten zu einer für ihn ungewünschten Rechtsfolge umzudeuten.
86
3. Nachdem schon der Klageantrag zu 2. deshalb keinen Erfolg hat, weil keine gebundene Entscheidung bzw. weitergehende Rechtsbindung bei der Entscheidung (vergleichbar einer Ermessenseinschränkung) hierüber anzunehmen ist, kommt aus den gleichen Gründen auch ein Anspruch auf erneute Entscheidung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts als wesensgleiches Minus nicht in Betracht.
87
4. Die Voraussetzung für eine Kündigung der Verbandsmitgliedschaft aus wichtigem Grund liegen nicht vor. Dabei ist - wie auch insbesondere im vom ThürVerfGH entschiedenen Fall (a.a.O., Rn. 59, juris) - hinsichtlich der Eingriffstiefe nur von der Notwendigkeit der Rechtfertigung eines Eingriffs in den Randbereich kommunaler Selbstverwaltung auszugehen. Maßgeblich hierfür sind insbesondere die finanzielle Bedeutung bei aktuell nur knapp über 40.000 EUR jährlicher Verbandsumlage für die Klägerin und hinsichtlich der Einschränkung der Klägerin die Beschränkung der Ausweisung von neuen eigenen Gewerbegebieten nur im Falle eines Flächenverbrauchs von voraussichtlich über 5 ha (vgl. § 4 Abs. 1 Verbandssatzung).
88
Von einem Eingriff in den Kernbereich kommunaler Selbstverwaltung kann auch nicht vor dem Hintergrund ausgegangen werden, dass sich die durch das geplante, auf dem Gemeindegebiet eines anderen Verbandsmitglieds liegende Gewerbegebiet bedingte Verkehrs(lärm) problematik politisch in der gemeindlichen Diskussion der Klägerin offenbar zu einem zentralen Streitthema entwickelt hat, denn dieser Kernbereich kann sich naturgemäß nur durch objektive Merkmale bestimmen. Andernfalls könnte jeder noch so unbedeutenden Auswirkung eines Zweckverbandes das Potential für eine solche Kernbereichsrelevanz innewohnen und es läge in der Hand eines jeden Zweckverbandsmitglieds, hierdurch die eigenen Austritts- bzw. Kündigungsmaßstäbe zu modifizieren.
89
a. Ein wichtiger Grund ergibt sich nicht daraus, dass der Verbandszweck nicht mehr erreichbar wäre. Dieses ist bereits nicht genügend dargelegt. Jedenfalls ist davon auszugehen, dass die Realisierung als offen anzusehen ist. Aufgrund des Vortrags der Beteiligten sieht die Kammer die für die noch bestehende Realisierbarkeit des Verbandszwecks sprechenden Gründe sogar als nachvollziehbar an.
90
i. Dabei reicht es vor allem nicht, die Annahmen des Beklagten mit Nichtwissen zu bestreiten. Vielmehr müsste wegen der materiellen Darlegungslast der Klägerin zum Vorliegen eines wichtigen Grundes von ihr substantiiert werden, dass der Verbandszweck nicht mehr erreichbar ist. Der Vortrag der Klägerin beschränkte sich jedoch darauf, die vom Beklagten vorgebrachten Planungsgesichtspunkte pauschal in Frage zu stellen. Aus der bloßen Tatsache, dass in der Vergangenheit einzelne Planungsoptionen aufgrund der hohen Lärmbelastungen und unzureichender Möglichkeiten der Lärmminderung gescheitert sind, folgt nicht notwendigerweise die Unmöglichkeit. Mangels konkreter Anhaltspunkte kann die Klägerin auch keine weiteren Nachforschungspflichten auslösen.
91
Daneben erweisen sich insbesondere die Ausführungen zum weit überproportional zunehmenden Schwerlastverkehr wegen angeblich übermäßiger, ursprünglich nicht geplanter Logistiknutzung als obsolet, nicht zuletzt vor dem Hintergrund des inzwischen neuen Bebauungsplans und der kurz vor Klageerhebung bekannt gewordenen Möglichkeit der Errichtung einer neuen Autobahnanschlussstelle.
92
ii. Die bloße Tatsache, dass zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht alle rechtlichen Voraussetzungen bezüglich der geplanten Autobahnausfahrt und des Anbindegebotes vorliegen, ist deshalb unschädlich, weil es für diese Planungskomponente allein auf eine Betrachtung tatsächlicher Wahrscheinlichkeiten der Realisierung ankommt und in Anbetracht der Vielzahl möglicher kreativer Lösungsmöglichkeiten keineswegs auf die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer konkreten Teilfrage gemessen allein aufgrund der aktuellen Rechtslage abgestellt werden kann. Schließlich liegt es in der Natur der Sache, dass bei einer Planung der Exekutive wie in der vorliegenden Dimension (anders als bei einer retrospektiven rechtlichen Würdigung einer konkreten rechtlichen Maßnahme) auch die Möglichkeit der Einwirkung auf verschiedene Stellen zur Veränderung der rechtlichen Rahmenbedingungen nicht nur möglich, sondern auch rechtlich zulässig erscheint.
93
b. Ebenso wenig ergibt sich ein wichtiger Grund für die Klägerin aus der Tatsache, dass der Verbandszweck zwar noch realisierbar ist, der geplante Industrie- und Gewerbepark aber bisher noch nicht realisiert ist. Denn auch unter Berücksichtigung der gemessen an früheren Planungen langen Zeit steht der Klägerin nicht schon alleine deswegen ein Recht auf anderweitige Planung zu. Gerade bei einem solch großen Unterfangen kann jedenfalls nicht von einer hindernisfreien Realisierung ausgegangen werden, vielmehr erscheint die Dauer bei nüchterner Betrachtung erklärbar. Weder das Hinziehen des Gründungsprozesses bis zum Ende des Jahres 2004, noch die Zeit bis zum ersten Bebauungsplan im Jahr 2011 oder das Scheitern dieses Plans beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof sind für sich genommen Aspekte, die bei einer Projektplanung dieser Größenordnung außerhalb des Erwartbaren liegen. Gleiches gilt naturgemäß dann auch für die resultierende Dauer des Verfahrens, für die hierfür maßgeblichen Punkte eine anderweitige Lösung zu finden.
94
c. Kein wichtiger Grund i.S.d. Art. 44 Abs. 3 KommZG ist darin zu sehen, dass die fortbestehende Treuepflicht der Klägerin dem Zweckverband gegenüber für sie unzumutbar wäre. Insbesondere besteht außerhalb des Verbandsgebiets nach § 3 Zweckverbandssatzung keine Pflicht zur Hinnahme sämtlicher Planungen des Beklagten, wie letzterer auch besonders in der mündlichen Verhandlung hervorhob. Soweit die Klägerin sich insoweit auf eine Unzumutbarkeit einer Lärmbelastung durch die geplante Kreisstraße … als U. straße oder durch eine stärker in Anspruch genommene Ortsdurchfahrt … bezieht, ist sie diesbezüglich gerade nicht an die Planungen des Zweckverbandes gebunden. Dass die Realisierung des geplanten Gewerbeparks allerdings augenscheinlich dazu führen wird, dass sich die Klägerin für eine von mehreren Varianten wird entscheiden müssen, stellt nur eine mittelbare logische Folge des ursprünglich von ihr mit dem Beitritt zum Zweckverband mitgetragenen Willensentschlusses dar und ist insoweit nicht unmittelbar dem Beklagten zuzurechnen. Ebenso führt die Treuepflicht nicht dazu, dass der Klägerin oder ihren Gemeindebürgern eventuelle Klagerechte abgeschnitten würden, die ihnen ansonsten wegen Verletzung eigener subjektiver Rechte zustünden, wenn beispielsweise die Planungen des Beklagten dazu führten, dass - wie behauptet - die Lärmbelastungen im rechtlichen Sinne unzumutbar wären.
95
d. Weiterhin liegt für die Klägerin kein wichtiger, zur Kündigung berechtigender Grund i.S.d. Art. 44 Abs. 3 KommZG aus dem Grunde vor, dass der Beklagte seine Pflichten gegenüber der Klägerin erheblich verletzt hätte.
96
i. Die Klägerin hat hier neben der bloßen Behauptung, ihr sei die Verbandsarbeit erschwert oder unmöglich gemacht worden, keine konkreten Belege hierfür nennen können, die über pauschale Verweise auf eine fehlende Information über Haushalts- und Planungsinformationen oder die Einmischung in den Kommunalwahlkampf hinausgingen. Hierbei ist bereits keine Pflichtverletzung zu sehen (aa), darüber hinaus hat die Klägerin sich nicht um eine Behebung dieser Problematik bemüht (bb). Damit kann offen bleiben, ob die genannten Pflichtverletzungen überhaupt der Kündigung zu Grunde gelegt hätten werden können (cc). Auf eine allein aus Sicht der Klägerin fehlende Basis vertrauensvoller Zusammenarbeit kann es nicht ankommen (dd).
97
aa. Soweit die Klägerin als Verbandsmitglied in Anspruch nimmt, über Planungen des beklagten Zweckverbandes hinsichtlich des Haushaltes und der baulichen Planungen zu Lärmschutzmaßnahmen und der Autobahnanschlussstelle informiert werden zu müssen, übersieht sie bereits die körperschaftliche Zweckverbandssstruktur. Dabei liegt auf der Hand, dass ein juristisch eigenständiger Zweckverband auch die Möglichkeit eigenständigen Handelns (im Rahmen der Vorgaben der Verbandsräte) haben muss. Wie auch der Vergleich zu juristischen Personen des Privatrechts mit der Unterscheidung zwischen Aufsichtsorganen und einer Geschäftsführung zeigt, sind derartige Konstellationen stets mit einem Wissensgefälle verbunden, dem über Frage- und Auskunftsrechte begegnet wird. Hierbei ist es regelmäßig - vor allem ohne eine entsprechende Aufforderung durch die Klägerin - auch nicht zwingend erforderlich, dass sämtliche zur Verfügung stehende Informationen und Gutachten zur Verfügung gestellt werden, sondern dass für den Informationszweck geeignete Unterlagen bereitgestellt werden. Vorliegend kann auch die Bemängelung im gerichtlichen Verfahren, die Informationen lägen der Klägerin nicht vor, keine entsprechende vorherige Anfrage ersetzen.
98
Wenn und soweit das Verbandsmitglied durch seine Verbandsräte nicht auf eine Vorlage derartiger Informationen hinwirkt, ist eine Berufung hierauf schon notwendig ausgeschlossen. Vorliegend bezieht sich dies insbesondere auf die Haushaltsplanungen. Auch wenn es oftmals der Verwaltungspraxis verschiedener Körperschaften entspricht, dass vor einem Beschluss über den Haushalt und die Jahresrechnung eine Haushaltsvorberatung erfolgt, ist diese - erst recht bei später zustimmendem Beschluss - nicht zwingend notwendig. Dass die Klägerin mit diesem Vorgehen zum Zeitpunkt des Beschlusses nicht einverstanden gewesen sein soll, ist weder dargelegt, noch finden sich konkrete Belege hierüber in der Akte.
99
Auch hinsichtlich der Lärmschutzplanungen könnte von einer Pflichtverletzung allenfalls dann ausgegangen werden, wenn die Klägerin diese konkreten Unterlagen überhaupt angefordert hätte. Unabhängig von der Frage, ob und zu welchem Zeitpunkt der Beklagte dieses Gutachten zur Verfügung hätte stellen müssen, ergibt sich die Bemängelung der fehlenden Information erst aus dem gerichtlichen Vorbringen der Klägerseite.
100
Ebenso wenig führt die konkrete Information über den Planungsstand hinsichtlich der inzwischen vom Bundesverkehrsminister unterstützten Autobahnausfahrt zu einer Pflichtverletzung. Insbesondere nachdem die Klägerin selbst in früheren Jahren auf die Notwendigkeit eines neuen Autobahnanschlusses nördlich des Autobahnkreuzes hingewiesen hat, erscheinen die Bemühungen in diese Richtung keinesfalls unzulässig. Auch bezüglich des Zeitpunktes ergeben sich hier keine Bedenken, nachdem der Bundesminister in einem an MdB … gerichteten Schreiben vom 28. Februar 2020 seine grundsätzliche Zustimmung zur Anschlussstelle mitgeteilt hat und der damalige Verbandsvorsitzende des Beklagten in der Bürgermeisterausschusssitzung vom 6. März 2020 die Mitglieder hierüber informierte. Unter Berücksichtigung von hierfür üblichen Ladungsfristen ist die Information noch hinreichend zeitnah erfolgt, auch wenn man die Presseberichterstattung vom 29. Februar 2020 in der …zeitung bedenkt. Dass hier keine unmittelbare Information der Verbandsmitglieder nach Zugang des Schreibens erfolgte, bedeutet jedenfalls keine Pflichtverletzung.
101
Schließlich führt auch die in einem Pressebericht wiedergegebene Stellungnahme des damaligen Zweckverbandsvorsitzenden und zugleich Bürgermeisters der weiteren Mitgliedsgemeinde …, er fordere die Verantwortlichen der Klägerin auf, den Austrittswunsch aufgrund der geänderten Sachlage zu überdenken, jedenfalls nicht zu einer erheblichen Pflichtverletzung. Hier ist auch in Anbetracht der Nähe zur Kommunalwahl zugunsten dieser Äußerung zu berücksichtigen, dass der Vorsitzende zu diesem Zeitpunkt noch selbst politisch aktiv war und als Bürgermeister der Nachbargemeinde naturgemäß dieses Interesse wiedergeben durfte. Dies gilt vor allem, nachdem seine Position den interessierten Gemeindebürgern ohnehin bekannt gewesen sein dürfte und im Pressebericht lediglich eine als solche erkennbare Meinung wiedergegeben wurde.
102
Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung beantragt hat, zum Beweis der Tatsache, dass die Klägerin an den politischen und konkreten Planungen zur Umsetzung der Zwecke des Zweckverbandes in den Jahren 2014 bis 2020 nicht, jedenfalls nicht ausreichend beteiligt war, die frühere Bürgermeisterin der Klägerin als Zeugin zu vernehmen, fehlt es diesbezüglich bereits an ein einer konkreten Anknüpfungstatsache. Hinsichtlich der zuvor im Verfahren thematisierten Entwicklungen über die Autobahnanschlussstelle ergibt sich keine Pflichtverletzung, woraus notwendig zu folgern ist, dass eine genügende Information erfolgt ist. Im Übrigen wurden keine konkreten, angeblich vorenthaltenen Informationen bemängelt.
103
bb. Daneben ergeben sich keinerlei Hinweise, dass die behaupteten Pflichtverletzungen des Beklagten gegenüber der Klägerin von dieser auch hinreichend gerügt worden seien oder die Klägerin sich - beispielsweise über die Aufsichtsbehörde - um eine Verbesserung bemüht hätte. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass sich der Eindruck eines zumindest später sehr schwierigen Verhältnisses zwischen der früheren ersten Bürgermeisterin der Klägerin und dem Vorsitzenden ergibt. Dies befreit jedoch die Klägerin gerade nicht davon, sich dennoch aus Gründen der Verbandstreue um eine Verbesserung zu bemühen.
104
cc. Nachdem schon nicht von erheblichen Pflichtverletzungen des Beklagten gegenüber der Klägerin auszugehen ist und auch keine dahingehenden formalen Verbesserungsbestrebungen von der Klägerin unternommen wurden, kommt es schon nicht mehr darauf an, ob insbesondere die Vorwürfe der fehlenden Information über die Bemühungen zur neuen Autobahnanschlussstelle und zur Einmischung in den Kommunalwahlkampf überhaupt der Kündigung zu Grunde gelegt hätten werden können.
105
Jedoch bestehen aus Sicht der Kammer gewisse Bedenken an der Kausalität dieser Erwägungen für die Kündigungserklärung, nachdem die erste Bürgermeisterin in der Kündigungserklärung vom 16. März 2020, welche erstmalig eine Kündigung aus wichtigem Grunde beanspruchte, Bezug auf den zugrundeliegenden Gemeinderatsbeschluss vom 4. April 2019 nahm. Denn sämtliche Ereignisse nach diesem Gemeinderatsbeschluss, insbesondere solche, die dem Grunde nach noch nicht vorher angelegt waren, wie die vorgetragene Einmischung in den Kommunalwahlkampf oder die Verhandlungen um die Errichtung einer neuen Autobahnausfahrt, können dem Gemeinderat zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt gewesen sein.
106
dd. Nachdem das Gericht keine erhebliche Pflichtverletzung seitens des beklagten Zweckverbandes gegenüber der Klägerin erkennen konnte, kann ein wichtiger Grund auch nicht in einem zerrütteten Vertrauensverhältnis zwischen Klägerin und Beklagtem zu sehen sein. Jedenfalls sind keine Aspekte zu erkennen, die über die oben behaupteten Pflichtverletzungen und die Auseinandersetzungen über zukünftige Planungen des Zweckverbandes sowie um Modalitäten eines eventuellen Austritts der Klägerin hinausgehen. Abgesehen davon, dass für das Gericht die tiefgehende Zerrüttung fraglich erscheint, kann auch ohne objektiven Anhaltspunkt durch Handeln des Beklagten eine solche nicht angenommen werden. Ansonsten hätte es die Klägerin in der Hand, die vom Gesetz nicht vorgesehenen Austrittsmöglichkeiten selbst zu schaffen.
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ii. Daneben ergibt sich keine für die Klägerin unzumutbare Belastung dadurch, dass der Beklagte eine massive Belastung der Gemeindebürger der Klägerin bewirken würde. Insbesondere ist hier schon nicht dargelegt, weshalb sich hier eine wesentliche Änderung der Sachlage seit Gründung des Beklagten ergeben haben sollte, zumal die Dimension und Konsequenzen des geplanten Gewerbeparks von Gründung des beklagten Zweckverbandes an absehbar gewesen sein müssen. Eine bloße Neubewertung der damit verbundenen Folgen durch die Klägerin kann hierfür nicht ausreichen. Weiterhin ist hier zu sehen, dass sich der Beklagte aus Sicht der Kammer um ausgleichende Lösungen bemüht hat, beispielsweise mit Planungen einer U. straße, dies aber letztlich auf Wunsch der Klägerin nicht fortgeführt wurde. Auch die Planung der Autobahnanschlussstelle ist hier als Lösungsversuch des Beklagten bezüglich des für die Klägerin und deren Gemeindebürger problematischen passiven Schallschutzes zu sehen.
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e. Keinesfalls ist bei der fortdauernden Mitgliedschaft der Klägerin im beklagten Zweckverband von ihrer Existenzgefährdung bzw. einer Gefährdung der eigenen Aufgabenerfüllung auszugehen. Dies ergibt sich zum einen aus den finanziellen Auswirkungen der Mitgliedschaft, die mit einer Verbandsumlage von aktuell knapp über 40.000 EUR für die Klägerin realisierbar erscheinen. Zum anderen ist - auch unter eventueller Berücksichtigung eines realisierten Gewerbeparks zu späterem Zeitpunkt - der Klägerin auch nicht die Möglichkeit versperrt, eigene Gewerbegebiete auszuweisen (§ 4 Abs. 1 Satz 4 Verbandssatzung). Soweit die Klägerin befürchtet, durch prognostizierte Kosten der Autobahnanschlussstelle in Höhe von 10 Mio. EUR existenzgefährdend belastet zu werden, ist dies bereits nicht belegt, erscheint aber auch aus dem Grund sogar als unwahrscheinlich, dass zum einen diese Kosten durch Verkauf der Grundstücke refinanziert werden können, zum anderen aber höhere Belastungen auch durch die übrigen Verbandsmitglieder, hierunter ähnlich große Gemeinden wie die Klägerin, getragen werden müssten und es hierfür eines entsprechenden Beschlusses der Verbandsversammlung bedürfte.
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C. Die Klägerin trägt als unterliegender Teil nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens.
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D. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 709 Satz 1 ZPO.