Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 21.12.2021 – AN 10 K 20.02251
Titel:

Rechtmäßigkeit von Versäumnisgebühren bei verspäteter Rückgabe entliehener Medien nach Schließung (Lockdown) und Leihfristverlängerung seitens der Bibliothek wegen COVID-Pandemie

Normenketten:
StGebS § 5 Abs. 3, § 6 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, § 7
2. BayIfSMV § 2
3. BayIfSMV § 4
Leitsätze:
1. Die Leihfristverlängerung seitens der Bibliothek hindert den Entleiher nicht, die entliehenen Medien jederzeit vor Ablauf der Leihfrist zurückzugeben; sie greift nicht in die Rechte des Klägers ein, sondern eröffnet ihm nur die Möglichkeit, die entliehenen Gegenstände länger zu behalten. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
2. Den Entleiher dagegen trifft grundsätzlich die Obliegenheit, das Leihfristende im Auge zu behalten. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Bibliotheks-Versäumnisgebühren nach Lockdown wegen verspäteter Rückgabe ausgeliehener Medien, Bibliothek, Versäumnisgebühren, Lockdown, verspätete Rückgabe, ausgeliehene Medien, Leihfrist, abgelaufene Leihfrist, Härtefall, unbillige Härte, COVID-19-Pandemie
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 20.04.2022 – 4 ZB 22.629
Fundstelle:
BeckRS 2021, 42910

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen den Bescheid der Beklagten vom 28. September 2020, in welchem die Beklagte die Zahlung von 50 Euro Gebühren im Zusammenhang mit der Ausleihe von Medien durch den Kläger bei der Stadtbibliothek verlangt.
2
Die Beklagte betreibt die Stadtbibliothek im Bildungscampus als öffentliche Einrichtung.
3
Für die Nutzung der Bibliothek gilt die Benutzungs- und Gebührensatzung der Stadtbibliothek.
4
In der aktuellen Satzung über die Benutzung der Stadtbibliothek im Bildungscampus (StBS) heißt es:
§ 5 Ausleihe, Verlängerung, Vormerkung, Reservierung, Präsenznutzung
5
(1) Gegen Vorlage der Bildungscampus-Card werden Medien bis zu vier Wochen zur privaten Nutzung ausgeliehen. In besonderen Fällen und bei bestimmten Medien kann die Ausleihfrist gesondert festgesetzt werden. Die Stadtbibliothek im Bildungscampus … hat die Möglichkeit, die Anzahl der auszuleihenden Medien zu beschränken.
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(2) Die Benutzer sind verpflichtet, die entliehenen Medien spätestens mit Ablauf der Ausleihfrist zurückzugeben.
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(3) Die Ausleihfrist kann auf Antrag verlängert werden, wenn keine Vormerkung vorliegt.
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(4) Ausleihbare Medien können in der Regel vorgemerkt oder reserviert werden.
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(5) Präsenzbestände, Handschriften und andere besonders schutzwürdige Bestände, wie zum Beispiel mehr als 100 Jahre alte Drucke werden nicht ausgeliehen.
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In der Gebührensatzung für die Stadtbibliothek im Bildungscampus (StBGebS) ist festgelegt:
§ 6 Versäumnisgebühr
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(1) Bei Überschreiten der Leihfrist werden auch ohne ausdrückliche schriftliche Erinnerung folgende Gebühren je entliehenem Medium und angefangener Versäumniswoche erhoben:
1. für Kindermedien 0,10 Euro;
2. für Jugendmedien 1,00 Euro;
3. für alle anderen Medien 2,00 Euro.
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(2) Die Gebührenpflicht nach Abs. 1 endet mit Rückgabe des Mediums, mit einer verspäteten Leihfristverlängerung des Mediums oder mit dem Tag, an welchem nicht zurückgegebene Medien gemäß § 9 Abs. 5 StBS als verloren gelten.
§ 7 Bearbeitungsgebühr bei Erinnerung
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(1) Für eine zweite schriftliche Erinnerung durch die Stadtbibliothek im Bildungscampus … wird eine Bearbeitungsgebühr in Höhe von 5,00 Euro erhoben.
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(2) Ist für die Zusendung einer Erinnerung die Ermittlung einer geänderten Adresse bzw. eines geänderten Namens erforderlich, wird eine Bearbeitungsgebühr in Höhe von 5,00 Euro erhoben.
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Der Kläger ist seit dem 10. November 2018 bei der Stadtbibliothek unter einem Benutzerkonto registriert. Seine zum Zeitpunkt der Registrierung per Ausweisdokument nachgewiesene Anschrift wurde abgespeichert. Am 14. März 2020 lieh der Kläger über sein registriertes Benutzerkonto fünf Medien aus. Die Bibliothek wurde auf Grund von Infektionsschutzmaßnahmen vor Ablauf der ursprünglichen Ausleihfrist des Klägers bis einschließlich 18. Mai 2020 geschlossen. Ab dem 4. Mai 2020 gab es die Möglichkeit der Rückgabe von ausgeliehenen Medien über die automatische sogenannte 24-Stunden-Rückgabe. Die Leihfrist aller ausgeliehenen Medien wurde kostenlos verlängert, zuletzt bis zum 2. Juni 2020. Auch die Leihfrist der fünf ausgeliehenen Medien des Klägers wurde von der Bibliothek bis zum 2. Juni 2020 verlängert. Der Kläger gab die ausgeliehenen Medien bis zum 2. Juni 2020 nicht zurück und verlängerte auch die Ausleihfrist nicht.
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Mit Schreiben vom 19. Juni 2020 schickte die Beklagte eine erste Medienerinnerung, in der der Kläger zur Rückgabe aufgefordert wurde. Laut Vortrag der Beklagten konnte die erste Medienerinnerung an die im Konto des Klägers registrierte Adresse nicht zugestellt werden. Die Bibliothek ermittelte die aktuelle Anschrift des Klägers und sandte ihm unter handschriftlicher Ergänzung die erste Medienerinnerung unter seiner neuen Adresse zu.
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Der Kläger gab die ausgeliehenen Medien am 28. Juni 2020 über die 24-Stunden-Rückgabe zurück.
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Mit E-Mail vom 4. Juli 2020 gab der Kläger gegenüber der Beklagten an, die erste Medienerinnerung am 4. Juli 2020 erhalten zu haben und forderte die Beklagte auf, die Forderung gegen ihn fallen zu lassen. Die Beklagte antwortete mit E-Mail vom 15. Juli 2020 und gab an, dass alle Daten und Zusammenhänge mit der coronabedingten Schließung der Bibliothek immer über die Homepage aktuell kommuniziert worden seien und jeder Kunde jederzeit die Möglichkeit gehabt habe, sich über das eigene Benutzerkonto über Ausleihfristen- und Fälligkeiten zu informieren.
19
Die Gebühren zahlte der Kläger nicht.
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Die Beklagte übersandte dem Kläger am 31. August 2020 eine sogenannte „zweite Gebührenerinnerung“.
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Mit Schreiben vom 28. September 2020 erließ die Beklagte den streitgegenständlichen Gebührenbescheid. Darin wird der Kläger verpflichtet, insgesamt 50 EUR Gebühren an die Beklagte zu zahlen. Dies ergebe sich aus den §§ 2 bis 7 StBGebS.
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Gegen diesen Gebührenbescheid erhob der Kläger am 21. Oktober 2020 Klage.
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Er trug mit Schreiben vom 16. Dezember 2020 vor, dass er versucht habe, die Medien rechtzeitig zurückzugeben, die Stadtbibliothek habe aber durch ihre Schließung die Annahme verweigert. Eine Pflicht, sich über die Internetseite oder das Online Benutzerkonto über eine Neueröffnung der öffentlichen Einrichtung zu informieren, gebe es nicht. Die Beklagte habe die Informationen nicht über das Amtsblatt veröffentlicht. Gemäß § 5 Abs. 3 der Nutzungssatzung sei eine Verlängerung der Leihfrist nur auf Antrag des Benutzers möglich. Die Beklagte hätte den Rückgabezeitpunkt nicht eigenmächtig verschieben dürfen. Relevant sei allein der 11. April 2020 (28 Tage nach der Ausleihe). Die Verlängerung der Leihfrist sei ein Eingriff in die Rechte des Klägers, da hiermit Aufbewahrungspflichten einhergingen und mit einem Eingriff in die Disposition des Klägers verbunden sei. Sie bedürfe daher einer Grundlage, die vorliegend nicht gegeben sei. Die Gebührensatzung biete keine Rechtsgrundlage für den Fall, dass eine Rückgabe auf Grund des Verschuldens des Beklagten erst bei einem weiteren Rückgabeversuch erfolgreich sei und diese zweite Rückgabe erst nach Leihfristende stattfinde. Für eine solche zweite Rückgabe fehle es schon an einem willentlichen Entschluss des Klägers als Anknüpfungspunkt für eine öffentlich-rechtliche Pflicht. Zustandsverantwortlich sei der Kläger ebenfalls nicht. Eine Verantwortung des Klägers für die einseitig vorgenommene Schließung könne auch nicht rechtmäßig festgelegt werden. Die Rechtsfolge, die die Beklagte für sich in Anspruch nehme, könne nicht rechtmäßig dem Kläger auferlegt werden. Nachdem die Benutzung der öffentlichen Einrichtung in Folge der Pandemie stark zurückgegangen sei, sei die Anwendung der Gebührensatzung auch schlicht unverhältnismäßig.
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Der Kläger beantragt,
Der Bescheid der Beklagten vom 28.09.2020 „Gebührenbescheid für …, Rechnungsnummer …, Kundennummer …“ wird aufgehoben.
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Die Beklagte beantragt,
Die Klage wird abgewiesen.
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Mit Schriftsatz vom 20. November 2020 erwiderte die Beklagte auf die Klage, dass diese unbegründet sei, da die Gebühren durch die verspätete Rückgabe der Medien dem Grunde nach entstanden seien und auch entsprechend der satzungsrechtlichen Bestimmungen der Höhe nach zutreffend festgesetzt worden seien. Die Forderung in Höhe von 50 EUR setze sich aus den folgenden Posten zusammen:
- Versäumnisgebühr von 8,00 Euro je verspätet abgegebenem Medium (Überschreitung der Leihfrist in der vierten angefangenen Versäumniswoche) nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 StBGebS
- Bearbeitungsgebühr für die Adressermittlung von 5,00 Euro nach § 7 Abs. 2 StBGebS und
- Bearbeitungsgebühr für eine zweite schriftliche Erinnerung von 5,00 Euro nach § 7 Abs. 1 StBGebS
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Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die Behördenakte und auf die Gerichtsakte sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig, jedoch in der Sache unbegründet.
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Der Gebührenbescheid der Beklagten vom 28. September 2020 erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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1. Die Versäumnisgebühren in Höhe von 40 EUR wurden auf Grundlage des § 6 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 StGebS rechtmäßig festgesetzt. Der Tatbestand ist erfüllt, da der Kläger die fünf ausgeliehenen Medien, nach Ablauf der Leihfrist am 2. Juni 2020, am 28. Juni 2020 verspätet zurückgegeben hatte. Damit war die vierte Woche seit Leihfristende angebrochen, wofür 8 EUR Versäumnisgebühren pro Medium angefallen sind.
31
Soweit der Kläger vorträgt, dass § 6 StGebS keinen Ausnahmetatbestand für ein Verschulden der Beklagten im Sinne einer Nichtannahme oder für einen sonstigen Härtefall vorsieht, kommt es darauf vorliegend nicht an, da konkret jedenfalls kein Härtefall vorlag. Zumal kann, wie die Beklagte auch ausführte, ein Absehen von der Festsetzung von Gebühren oder ein Erlass eines Kostenanspruchs aus Billigkeitsgründen im Einzelfall jederzeit nach §§ 226, 227 AO bzw. Art. 16 Abs. 4 BayKostG vorgenommen werden. Die Erhebung der Versäumnisgebühren im vorliegenden Fall war allerdings nicht unverhältnismäßig und bedeutete keine unbillige Härte für den Kläger. Entscheidend ist letztlich, ob es dem Kläger möglich und zumutbar gewesen ist, seiner Rückgabepflicht rechtzeitig nachzukommen und die ausgeliehenen Medien nach der Öffnung der Bibliothek bis zum 2. Juni 2020 zurückzugeben.
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Auf Grund der Covid-19-Pandemie und den staatlich angeordneten Infektionsschutzmaßnahmen, ergab sich für die Bibliothek wie für deren Benutzer eine besondere Situation, die von der Benutzungssatzung nicht vorgesehen oder erfasst wird. Allerdings lassen sich aus dem öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnis zwischen Bibliothek und Benutzern, das in §§ 1 ff. StBS konkretisiert wird, gewisse Obliegenheiten der Beteiligten ableiten.
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a. Auf Grund der staatlich angeordneten Schließung der Bibliotheken in § 2 der 2. BayIfSMV und § 4 der 3. BayIfSMV war es nur billig, dass die Beklagte das Leihfristende verlängerte, sodass es zu keiner Leihfristüberschreitung kam, solange eine Rückgabe ausgeliehener Medien wegen der Schließung der Bibliothek nicht möglich war. Zu der einseitigen Leihfristverlängerung war die Beklagte - entgegen der Ansicht des Klägers - berechtigt. Aus der Möglichkeit des Entleihers, gemäß § 5 Abs. 3 StBS eine Fristverlängerung beantragen zu können, ergibt sich nicht im Umkehrschluss, dass die Bibliothek selbständig keine Leihfristverlängerung vornehmen kann. § 5 Abs. 1 Satz 2 StBS sieht außerdem vor, dass in besonderen Fällen eine gesonderte Ausleihfrist festgesetzt werden kann.
34
Die Leihfristverlängerung seitens der Bibliothek greift nicht in die Rechte des Klägers ein. Soweit der Kläger vorträgt, dass ihm durch die Leihfristverlängerung die Aufbewahrung der Medien und die damit einhergehenden Sorgfaltspflichten und Risiken von der Beklagten einseitig aufgedrängt wurden, verkennt er, dass die Leihfristverlängerung nicht mit einer Aufbewahrungspflicht einhergeht. Denn die Leihfristverlängerung hindert den Entleiher nicht, die entliehenen Medien jederzeit vor Ablauf der Leihfrist zurückzugeben. Sie greift nicht in die Rechte des Klägers ein, sondern eröffnet ihm nur die Möglichkeit, die entliehenen Gegenstände länger zu behalten. Die Rückgabe der Medien war im vorliegenden Fall allein wegen der Schließung der Bibliothek nicht möglich. Streitgegenstand ist im vorliegenden Fall aber der Versäumnisgebührenbescheid. Die Verlängerung der Leihfrist führte jedoch nicht zur Festsetzung der Versäumnisgebühren, sondern verhinderte gerade das Anfallen von Versäumnisgebühren bis zum 2. Juni 2020. Die Versäumnisgebühren fielen auch nicht wegen einer Verletzung der Aufbewahrungspflicht, sondern wegen der verspäteten Rückgabe nach Ablauf der verlängerten Leihfrist und nach Wiedereröffnung der Bibliothek an.
35
b. Weiterhin musste die Beklagte wegen der Unvorhersehbarkeit der weiteren Entwicklung der Pandemie und der staatlichen Maßnahmen im Frühjahr und Sommer 2020, über eine Wiedereröffnung der Bibliothek und über das Ende der verlängerten Leihfrist angemessen und rechtzeitig informieren. Den Entleiher dagegen trifft grundsätzlich die Obliegenheit, das Leihfristende im Auge zu behalten (vgl. VG Köln, U.v. 13.11.2008 - 6 K 5669/08 - juris Rn. 24). Das erfasst im vorliegenden Fall die Obliegenheit des Klägers, die zur Verfügung gestellten Informationen auch abzurufen, um seiner Rückgabepflicht rechtzeitig nachkommen zu können.
36
Die Beklagte ist ihrer Informationspflicht nachgekommen, indem sie auf der Homepage der Bibliothek über die Schließung der Bibliothek und die Verlängerung der Leihfrist, sowie über das Leihfristende informiert hatte. Die Informationen wurden regelmäßig aktualisiert. Auch über das digitale persönliche Nutzerkonto konnte jeder Benutzer das Leihfristende seiner Medien nachprüfen. Die Beklagte hat dadurch die notwendigen Informationen in geeigneter, leicht zugänglicher Form für die Allgemeinheit und die Benutzer verfügbar gemacht. Es war für den Kläger persönlich auch zumutbar, die angebotenen Informationskanäle zu nutzen. Der Kläger trug hierzu lediglich vor, dass er sich nicht digital informiert habe und das auch nicht gewollt habe. Gründe, weshalb es ihm nicht möglich gewesen sein soll, auf die Informationen zuzugreifen oder weshalb er diesen Informationskanal nicht nutzen wollte, hat der Kläger nicht substantiiert vorgetragen und haben sich für das Gericht auch sonst nicht aus den Umständen ergeben (beispielsweise mangelnde Erfahrung oder Befähigung mit digitalen Medien). Der Kläger hat auch nicht versucht, auf anderem Wege an die Informationen zu gelangen, z.B., indem er telefonisch, schriftlich oder per E-Mail die Beklagte kontaktiert hätte. Die Bibliothek andererseits war nicht verpflichtet, den Aufwand zu betreiben, jeden einzelnen Benutzer - der für jedermann kostenfrei zugänglichen Bibliothek - schriftlich über das Leihfristende zu informieren.
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c. Zwischen der Wiederöffnung einer Rückgabemöglichkeit und dem Ablauf der verlängerten Leihfrist lag - entgegen der Ansicht des Klägers - eine angemessene Zeitspanne. Die Rückgabe der Medien war bereits 14 Tage vor Öffnung der Präsenzbibliothek, also ab 4. Mai 2020 über die 24-Stunden-Rückgabe möglich. Die Räumlichkeiten wurden am 18. Mai 2020 geöffnet. Die Leihfrist endete am 2. Juni 2020.
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Der Kläger hatte demnach einen knappen Monat Zeit, die ausgeliehenen Medien innerhalb der Leihfrist zurückzugeben. Es war ihm auch möglich und zumutbar innerhalb dieses Zeitraums Kenntnis von der Rückgabemöglichkeit und dem Leihfristende zu erlangen und die Medien tatsächlich zurückzubringen. Natürlich kann vom Entleiher nicht verlangt werden, dass er täglich die Homepage der Bibliothek aufruft oder sich vor Ort informiert. Es ist aber grundsätzlich zumutbar, etwa einmal pro Monat die zur Verfügung gestellten Informationen abzurufen, zumal für die entliehenen Medien weiterhin eine Rückgabepflicht bestand. Erwähnt sei, dass im Mai 2020 erstmals die Infektionsschutzmaßnahmen gelockert wurden und in ganz Bayern Bibliotheken und andere öffentliche Einrichtungen ab dem 11. Mai 2020 wieder öffnen durften, vgl. § 19 der 4. BaylfSMV. Das heißt, der Öffnung der Bibliothek ging ein aktuelles, medienpräsentes Geschehen voraus, das als zusätzlicher Hinweis, sich über die Rückgabemöglichkeiten bzw. das Leihfristende zu informieren, hätte dienen können.
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Der Kläger führte zwar aus, dass er sich durch die Schließung der Bibliothek und der Verlängerung der Leihfrist beeinträchtigt fühle, weil er seine Dispositionen entsprechend dem ursprünglichen Leihfristende am 11. April 2020 getroffen hatte oder hätte treffen wollen. Der Kläger hat aber nicht vorgetragen, dass ihm die Rückgabe der Bücher oder eine Verlängerung der Leihfrist tatsächlich nicht möglich gewesen wäre, (z.B. wegen eines Auslandaufenthaltes o.Ä.). Die Rückgabe der Medien oder eine Verlängerung der Leihfrist erfolgte nur deshalb nicht, weil der Kläger keine Kenntnis von der Rückgabemöglichkeit und dem Leihfristende erlangt hat. Dieser Umstand ist nach dem oben Dargestellten aber dem Verantwortungsbereich des Klägers zuzurechnen, da die Bibliothek ihrer Informationspflicht im ausreichenden Maße nachgekommen war. Weshalb es ihm nicht möglich oder zumutbar war, die Informationen rechtzeitig abzurufen, hat der Kläger nicht substantiiert vorgetragen.
40
2. Die Bearbeitungsgebühr in Höhe von 5 EUR für eine zweite Erinnerung erging rechtmäßig auf Grundlage des § 7 Abs. 1 StGebS. Zwar wurde an den Kläger zuerst eine Medienerinnerung geschickt, danach mit Schreiben vom 31. August 2020 eine Gebührenerinnerung. Dies wirft die Frage auf, ob eine zweite schriftliche Erinnerung i.S.d. § 7 Abs. 1 StGebS auch dann vorliegt, wenn sich die Erinnerungen auf unterschiedliche Handlungsaufforderungen beziehen, einmal auf die Rückgabe der Medien und einmal auf die Zahlung der ausstehenden Gebühren. Allerdings betreffen beide Erinnerungen den einheitlichen Lebenssachverhalt der verspäteten Rückgabe bestimmter Medien und dasselbe Leihverhältnis. Bedenkt man den Sinn und Zweck des § 7 Abs. 1 StGebS und die Höhe der Bearbeitungsgebühr von 5 EUR, geht es nicht um eine Sanktion des Säumigen, sondern um eine pauschalierte Abrechnung eines Verwaltungsaufwands. Dieser fällt an, wenn bei einem Entleihvorgang mehrfach schriftlich auf die Pflichten des Entleihers hingewiesen werden muss, ob es nun zwei Medienerinnerungen oder eine Medien- und eine Gebührenerinnerung erfordert, ändert letztlich nichts am Vorliegen eines gesteigerten Verwaltungsaufwands. Dementsprechend unterscheidet § 7 Abs. 1 StGebS auch nicht zwischen den verschiedenen Erinnerungstypen, sondern spricht generell von „Erinnerung“.
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Die Voraussetzung des § 7 Abs. 1StGebS, die Versendung einer zweiten Erinnerung, wurde daher mit Versendung der Gebührenerinnerung erfüllt.
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3. Die Festsetzung einer Bearbeitungsgebühr für die Adressermittlung von 5 Euro gemäß § 7 Abs. 2 StBGebS, § 4 Abs. 2 Satz 2 StBS war rechtmäßig. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Kläger seine letzte Adressänderung nicht mitgeteilt hat. Die Beklagte konnte die Adresse des Klägers auch nicht bei dessen Rückgabe der entliehenen Medien am 28. Juni 2020 erfragen, da die Medien über die automatische 24-Stunden-Rückgabe zurückgegeben wurden.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.