Inhalt

OLG München, Beschluss v. 19.07.2021 – 28 U 1262/21 Bau
Titel:

Keine Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung bei beharrlicher Weigerung des Unternehmers

Normenkette:
BGB § 631 Abs. 1, § 633, § 635 Abs. 1, Abs. 3
Leitsatz:
Ein Werkunternehmer kann nicht geltend machen, die vom Besteller zur Beseitigung eines Mangels (hier: KfW 40-Standard eines Einfamilienhauses) gewählte Art der Nachbesserung (Einbau einer Pelletheizung) sei unverhältnismäßig, wenn er den vorhandenen Mangel viele Jahre lang bestritten und eine Mängelbeseitigung verweigert hat und zwischenzeitlich eine günstigere Art der Mängelbeseitigung möglich geworden ist (Errichtung einer Photovoltaikanlage). (Rn. 12 – 18) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Mängelbeseitigung, Mangel, Unverhältnismäßigkeit, Pelletheizung, Photovoltaikanlage, Weigerung, Nachbesserung, günstiger
Vorinstanzen:
OLG München, Hinweisbeschluss vom 15.06.2021 – 28 U 1262/21 Bau
LG Traunstein, Endurteil vom 08.02.2021 – 3 O 5050/11
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe vom -- – VII ZR 810/21 - ANH
Fundstelle:
BeckRS 2021, 42726

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 08.02.2021, Aktenzeichen 3 O 5050/11, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagten haben samtverbindlich die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Traunstein sowie dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 95.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Das Landgericht verurteilte die Beklagten unter anderem zur Zahlung eines Kostenvorschusses in Höhe von etwa 70.000 Euro für Mangelbeseitigungen, an dem von der Beklagten zu 1) errichteten Einfamilienhaus.
2
Das Landgericht kam sachverständig beraten zu dem Ergebnis, dass die von den Klägern behaupteten Mängeln teilweise vorliegen. Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts Traunstein vom 08.02.2021 Bezug genommen.
3
Die Beklagten sind der Ansicht, dass die Voraussetzungen für einen Vorschussanspruch nicht vorlägen, da ihnen noch das Recht zur Nachbesserung zustünde. Im Übrigen bestünden die Mängel auch nicht.
4
Im Berufungsverfahren wird beantragt.
5
Die Beklagten beantragen,
1.
Das Endurteil des LG Traunstein v. 08.02.2021, AZ: 3 O 5050/11, wird aufgehoben.
2.
Die Klage wird abgewiesen.
6
Die Kläger stellen keinen konkreten Antrag.
7
Der Senat hat mit Verfügung vom 15.6.2021 einen umfangreichen Hinweis gem. § 522 Abs. 2 ZPO erteilt. Auf den Hinweis und die insoweit abgegebene Gegenerklärung der Beklagten vom 14.07.2021 wird Bezug genommen.
II.
8
Die Berufung gegen das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 08.02.2021, Aktenzeichen 3 O 5050/11, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
9
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats Bezug genommen. Die Ausführungen in der Gegenerklärung geben zu einer Änderung der Senatsauffassung keinen Anlass; insoweit gilt ergänzend:
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1. Die Beklagten rügen in der Gegenerklärung, die gewählte Form der Nacherfüllung durch eine Pelletheizung sei unverhältnismäßig i.S.d. § 635 Abs. 3 BGB.
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Der Senat folgt dieser Ansicht nicht.
12
a. Für die Beurteilung der Unverhältnismäßigkeit sind sämtliche Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, wie beispielsweise ein mögliches Verschulden des Unternehmers, der wirtschaftliche Vorteil der Nacherfüllung für den Besteller, das Interesse des Bestellers an der Nacherfüllung u.w.
13
Die Beklagten stellen in der Gegenerklärung allein und isoliert auf die Interessenlage der Unternehmerseite ab und argumentieren - teilweise in der Gegenerklärung neu -, eine Photovoltaikanlage sei wirtschaftlich günstiger. Die avisierten Kosten für die Pelletheizung beliefen sich auf gut 40.000 Euro, während für die Photovoltaikanlage etwa 10.000 Euro anzusetzen seien. Auch sei der Einspareffekt nicht erheblich.
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b. Der Senat folgt dieser Argumentation nicht. Im konkret zu beurteilenden Fall ist für den Unverhältnismäßigkeitseinwand kein Raum.
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(1) Die Beklagten haben sich bis hin zur Berufungsbegründung fragwürdig verteidigt und zunächst jede Form der Nacherfüllung dem Grunde nach unberechtigt über einen Zeitraum von nunmehr zwölf Jahren verweigert. So wurde der maßgebliche Werkvertrag über die Errichtung eines Fertighauses bereits im Jahr 2008 geschlossen und das Haus wurde im September 2009 abgenommen. Die Kläger haben sodann der Beklagten zu 1) gegenüber berechtigt gerügt, dass das errichtete Haus nicht der vereinbarten Beschaffenheit „KfW40“ entspreche, ein Umstand, den die Beklagten noch in der Berufungsbegründung in Abrede gestellt haben und auch in der Gegenerklärung immer noch in Zweifel ziehen. Trotz Erholung diverser Privatgutachten haben die Beklagten zunächst einen Anspruch auf Erfüllung dieses Standards in Abrede gestellt, trotz der Negierung der Ansprüche noch in der Berufung argumentiert, es sei noch keine ausreichende Frist zur Nacherfüllung gesetzt worden und es bestünde hilfsweise die Bereitschaft zur Nacherfüllung - was auch immer das bedeuten mag -, aber nur wenn die Kläger ihrerseits geeignete Dämmmaßnahmen ergriffen.
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(2) Die Geschehnisse um die Mängelbeseitigung sind geprägt von einem ungewöhnlichen Verschulden der Beklagten, die zunächst mit einem fragwürdigen Angebot - den Klägern wurde einerseits vertraglich ein KfW40 Haus versprochen, die Details im Hausbauvertrag standen aber hierzu im Widerspruch (auf den Hinweis des Senats wird Bezug genommen) - die Kläger zum Vertragsschluss bewegt. Sodann wurde ein unzutreffender Energieausweis erstellt und trotz Vorlage entsprechender Privatgutachten wurden die Leistungsbeschreibung „KfW40 Haus“ als nicht weiter beachtlich negiert und Nachbesserungsarbeiten verweigert. Diese Blockadehaltung mündete in einen langwierigen Rechtsstreit, in dem die Beklagten ihre Leistungsverweigerung immer neu ausgerichtet haben. So seien die Kläger verantwortlich, weil die Dämmung nicht durchgeführt worden sei; die Kläger hätten keine ausreichende Frist zur Nacherfüllung gesetzt; die Begebenheiten hätten sich geändert und nun sei auch eine Photovoltaikanlage vertragsmäßig; die Kläger hätten eine unverhältnismäßige Art der Nacherfüllung gewählt und bei den Kosten sei als erheblicher Faktor die fehlende Dämmung des Kellers abzuziehen.
17
(3) Der einzige Aspekt, der im Wege der Unverhältnismäßigkeit zum Tragen käme, wäre, dass durch Veränderung der politischen Einschätzung nach dem heutigen Stand eine Photovoltaikanlage zum Erreichen des KfW40 Standards zulässig ist (auf den Senatshinweis wird Bezug genommen).
18
Stellt man auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses bzw. der Abnahme ab, ist allein die von den Klägern gewählte Pelletheizung maßgeblich. Die Beklagten können nicht ernsthaft der Auffassung sein, dass sie durch ihre beharrliche Verweigerungshaltung, mit der den Klägern die geschuldete Leistung über zwölf Jahre erfolgreich vorenthalten wurde, sich nunmehr aufgrund der geänderten Bewertung der Photovoltaikanlagen auf eine erst durch den Zeitablauf vermeintlich nun neu entstandene Unverhältnismäßigkeit berufen können. Ein solches Verhalten ist treuwidrig und es ist deshalb nicht zu beanstanden, dass die Kläger den - zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses / der Abnahme - vertragsmäßigen Zustand herbeiführen wollen; auch ist die von den Beklagten angebotene Maßnahme ein Aliud, das vertraglich nicht geschuldet war und das die Kläger so eben nicht wollen. Die Mehrkosten über etwa 30.000 Euro stehen angesichts des Gesamtpreises und angesichts des Verhaltens der Beklagten auch nicht außer Verhältnis.
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2. Soweit die Beklagten meinen, ein Schmutzfilter sei nicht erforderlich, wird der funktionale Leistungsbegriff für das Werk des Unternehmers im Werkvertragsrecht verkannt.
20
Der Sachverständige hat in seinem Gutachten ermittelt, welche Maßnahmen erforderlich sind, damit das Werk der Beklagten den anerkannten Regeln der Technik entspricht. Insoweit können sich die Beklagten nicht damit verteidigen, dass es nach der Leistungsbeschreibung nicht geschuldet war.
21
3. Soweit die Beklagten in der Gegenerklärung rügen, die Kläger hätten in Richtung der Schimmelproblematik eine abweichende Rüge erhoben, bleibt auch diese Rüge ohne Erfolg.
22
Ausreichend ist nach der Symptomrechtsprechung, dass ein Symptom eines Mangels ausreichend identifiziert wird. Wie der Sachverständige nachvollziehbar dargelegt hat, wurde der Schimmel, gerade was die visuelle Erkennbarkeit angeht, nicht vollständig beseitigt. Die Erwägungen im Hinweis des Senats werden insgesamt nicht aufgegriffen und die Gegenerklärung beschränkt sich insoweit auf Wiederholungen aus der Berufungsbegründung.
23
4. Soweit die Beklagten in der Gegenerklärung rügen, sie hafteten nicht für die Problematik des Gästezimmers, folgt der Senat auch dem nicht.
24
Die Beklagten meinen, die Kläger müssten sich die Fehlplanung des Architekten zurechnen lassen. Ausgangspunkt der rechtlichen Bewertung ist § 315 Abs. 1 BGB und das Konkretisierungsrecht der Kläger einerseits, verbunden mit der Obliegenheit der Beklagten,
das Konkretisierungsverlangen zu prüfen und gegebenenfalls zurückzuweisen. Dies ist vorliegend nicht erfolgt. Hiermit befasst sich die Gegenerklärung insgesamt nicht.
25
Im Übrigen hält der Senat an seinem Hinweis fest. Die Architektenleistung war im Pauschalvertrag - ein Detailpreisvertrag liegt nicht vor - enthalten und daher ist ein mögliches Mitverschulden den Klägern nicht zuzurechnen.
26
Die Berufung ist daher zurückzuweisen.
III.
27
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO.
28
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgt gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
29
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG i.V.m. §§ 3 ff. ZPO bestimmt.