Inhalt

VG Bayreuth, Gerichtsbescheid v. 12.04.2021 – B 2 K 19.442
Titel:

Erfolgreiche Nachbarklage gegen Vorbescheid für Reihenhäuser und Doppelhaushälften – Lärmschutz

Normenkette:
BauGB § 31 Abs. 2
Leitsätze:
1. Haben Festsetzungen eines Bebauungsplans zum Lärmschutz nachbarschützende Funktion, hat ein Nachbar einen Anspruch auf das Vorliegen aller Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung nach Maßgabe von § 31 Abs. 2 BauGB. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Mit den Grundzügen der Planung in § 31 Abs. 2 BauGB umschreibt das Gesetz die planerische Grundkonzeption, die den Festsetzungen eines Bebauungsplans zugrunde liegt und in ihnen zum Ausdruck kommt. Hierzu gehören die Planungsüberlegungen, die für die Verwirklichung der Hauptziele der Planung sowie den mit den Festsetzungen verfolgten Interessenausgleich und damit für das Abwägungsergebnis maßgeblich sind. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Wohnqualität in einem Gebiet definiert sich nicht nach der Einhaltung von Grenzwerten nach der TA-Lärm, sondern nach der tatsächlichen Belastung innerhalb der zulässigen Grenzwerte. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Befreiung, Grundzug der Planung, Lärmschutz, Nachbarrechte, Vorbescheid, Bebauungsplan, TA-Lärm, Wohnqualität
Fundstelle:
BeckRS 2021, 42597

Tenor

1. Der Vorbescheid der Beklagten vom 12.04.2019 betreffend die planungsrechtliche Genehmigungsfähigkeit von 6 Reihenhäusern und 2 Doppelhaushälften (davon 2 Gebäude gewerblich genutzt) und eines 3 m hohen Lärmschutzes wird aufgehoben. 
2. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 115 v.H. des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beigeladene vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 v.H. des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1
Gegenstand des Verfahrens ist eine Nachbarklage gegen einen baurechtlichen Vorbescheid vom 12.04.2019, mit welchem die Beklagte ein Vorhaben auf dem Grundstück Fl.-Nr. … der Gemarkung …, bestehend aus 6 Reihenhäusern und 2 Doppelhaushälften und eines 3 m hohen Lärmschutzes, für bauplanungsrechtlich zulässig erklärt hat.
2
Mit Anträgen vom 03.11.2016 bzw. 04.01.2017 beantragten die Beigeladenen als Erbengemeinschaft die Erteilung eines baurechtlichen Vorbescheides sowie darin die Erteilung von Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans … der Beklagten gemäß § 31 Abs. 2 BauGB über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit einer von den Festsetzungen in verschiedenen Bereichen abweichenden Bebauung. Zur Begründung für die beantragte Befreiung wurde ausgeführt, entsprechend dem rechtsgültigen Bebauungsplan solle der Lärmschutz gegenüber der benachbarten Brauerei über einen 8 m hohen Lärmschutz bestehend aus einer Garagenzeile und einer Lärmschutzwand erfolgen. In der eingereichten Planung solle kein separater Garagenhof errichtet werden, vielmehr sei vorgesehen, die Garagen im Kellergeschoss der jeweiligen Reihenhäuser anzuordnen. Bezüglich des Lärmschutzes würde dann eine Lärmschutzwand in einer Höhe von 3 m auf einen Erdwall mit 5 m Höhe aufgesetzt. In einem Lärmschutzgutachten aus dem Jahr 2016 sei festgestellt worden, dass ein Lärmschutz mit einer Höhe von 3 m ausreichend sei. Der Lärmschutzwall in einer Höhe von 8 m sei somit wesentlich überdimensioniert. Eine entsprechende Ausbildung des Lärmschutzes sei sehr aufwendig und durch die Breite des Böschungsfußes sehr flächenintensiv, weshalb eine wirtschaftliche Bebauung wesentlich erschwert werde. Aus den genannten Gründen werde deshalb eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans bezüglich Höhe und Ausbildung des Lärmschutzwalls beantragt. Entsprechend den beiliegenden Planzeichnungen solle zur Brauerei hin ein Lärmschutzwall in einer Höhe von 3 m über der Oberkante des Geländes errichtet werden. Eine Begründung für die weiteren Abweichungen von den Festsetzungen erfolgte nicht. Sie sind in einem internen Schreiben der Beklagten vom 09.02.2017 im Einzelnen aufgeführt.
3
Der Bebauungsplan … der Beklagten vom 08.11.2000 überplant einen Teil des Brauereigeländes und unmittelbar daran anschließende Bauflächen. Auf dem Brauereigelände sind in einem eingeschränkten Gewerbegebiet parallel zu den Grundstücksgrenzen unterschiedliche Baukörper geplant, die im rechten Winkel zueinander stehen und ein unterschiedliches Maß der baulichen Nutzung aufweisen sollen. Im derart umschlossenen westlichen Teil des Planungsbereichs schließt ein Mischgebiet an, in dem eine von Norden nach Süden ausgerichtete Hausgruppe sowie mit gleicher Ausrichtung zwei zueinander versetzte Doppelhaushälften vorgesehen sind; als Maß der baulichen Nutzung sind Baukörper mit einem Erdgeschoss und einem Dachgeschoss unter einem Satteldach vorgesehen. Als Abschirmung zur Umgebung dienen zwei rechtwinklig angeordnete, zweigeschossige Garagengebäude mit Satteldach bei einer Dachneigung von 26°. Die Erschließung erfolgt über eine 3 m breite, an dem Mischgebiet im Bogen entlang verlaufende Straße, auf deren gegenüberliegender Seite ein allgemeines Wohngebiet anschließt. In Nr. 2.4 der Begründung ist zum Immissionsschutz ausgeführt, dass aus dem Ergebnis des Lärmschutzgutachtens vom 12.01.1996 und dessen Überarbeitung vom 09.10.1997 deutlich werde, dass für das Wohngebiet keine ideale Wohnlage entstehe, da die zulässigen Immissionsrichtwerte besonders nachts überschritten würden (besonders in Spitzenzeiten mit erhöhter Ladetätigkeit). Da die Ausfahrt der Brauerei unmittelbar an das Neubaugebiet grenze, könne der Lärm (überwiegend Verkehrslärm) des Gewerbegebietes nicht reduziert werden. Somit werde im Bebauungsplan das südwestliche Neubaugebiet bis zur Erschließungsstraße als Mischgebiet mit Wohnen und nicht störendem Gewerbe als Übergangszone vom Gewerbegebiet zum allgemeinen Wohngebiet ausgewiesen. Zusätzlich erfolgten aktive Lärmschutzmaßnahmen in Form einer Lärmschutzbebauung mit Garagen- und Nebengebäuden (mit einer erforderlichen Firsthöhe von ca. 8 m) entlang der südlichen und westlichen Grundstücksgrenze zur Brauerei und einer daran anschließenden inneren Bebauung mit einer geschlossenen Reihenhauszeile. Außerdem werde zwischen dem südlichen und westlichen Gewerbebau eine Ausbaumöglichkeit vorgesehen, um durch die Lückenschließung die Lärmsituation zusätzlich zu verbessern.
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Das Stadtplanungsamt nahm mit Schreiben vom 24.11.2016 Stellung und führte aus, der Befreiung könne vorbehaltlich einer fachlichen Prüfung und Bestätigung durch das Amt für Umwelt-, Brand-, und Katastrophenschutz zugestimmt werden. Die Grundzüge der Planung seien nicht berührt und das Vorhaben sei städtebaulich vertretbar.
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In einer immissionsschutzrechtlichen Stellungnahme des Umweltamtes vom 08.12.2016 ist ausgeführt, der Bebauungsplan stamme aus dem Jahr 2000. Mit den ersten Planungen sei im Jahr 1994 begonnen und im Jahr 1996 ein externes Schallschutzgutachten erstellt worden. Die Ergebnisse seien in der Planung weitestgehend berücksichtigt worden. In der Folgezeit sei die Planung mehrmals überarbeitet worden und am 08.11.2000 in Kraft getreten. Mittlerweile seien aufgrund eines Bauantrags der Brauerei zur Errichtung einer Lagerhalle, von Bauvoranfragen im Planbereich … und im Aufstellungsverfahren für den Bebauungsplan … die Emissionen des Brauereibetriebs auf der Grundlage des derzeitigen Umfangs und unter Berücksichtigung von Erweiterungsmöglichkeiten schalltechnisch erfasst und beurteilt worden. Diese Beurteilung werde zugrunde gelegt. Aufgabe des Gutachtens sei die Prüfung einer möglichen Änderung der Festsetzung des Lärmschutzbauwerks hinsichtlich einer Reduzierung der Höhe und der räumlichen Ausdehnung gewesen. Im Ergebnis ergäben sich zusätzliche Anforderungen an Außenbauteile einschließlich der Fenster sowie die Gewährleistung einer ausreichenden Lüftungsmöglichkeit.
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Mit Schreiben vom 07.03.2017 erhob die Klägerin gegen das Vorhaben Einwendungen und verwies auf die Bebauungsplanfestsetzungen zum Lärmschutz sowie den Umstand, dass man einer Kombination aus einem 5 m hohen Erdwall und einer 3 m hohen Glaswand zugestimmt habe. Mit der beabsichtigten Lösung durch einen 3 m hohen Erdwall sei man nicht einverstanden, nachdem es zu Lärmüberschreitungen kommen werde.
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Nach einer Behandlung im Bau- und Werksenat der Beklagten am 08.03.2017 wurde die Lärmsituation mit den beteiligten Fachbüros erörtert und es wurden zusätzliche bautechnische Anforderungen formuliert. Außerdem wurde eine weitere schriftliche Stellungnahme eines Lärmgutachters vom 22.03.2017 eingeholt. In deren Nummer 5.1 wird ausgeführt, dass damit im Plangebiet teils erstmalig und teils weitergehend Überschreitungen des Immissionsrichtwerts zur Nachtzeit einhergingen. Deshalb müsse ausgeschlossen werden, dass von späteren Bewohnern auf die Einhaltung von Richtwerten eines Mischgebiets oder eines allgemeinen Wohngebiets bestanden werden könne. Die von der Beklagten vorgesehenen Kompensationsmaßnahmen seien fachlich unzutreffend. Insbesondere könne die Vorgabe eines Schalldämmmaßes für die Außenbauteile von Gebäuden nicht für den Schutz gegen Gewerbelärm herangezogen werden. Weiterhin dürfe im Rahmen von Planungen nicht der Messsicherheitsabschlag der TA Lärm bereits mit eingerechnet werden. Laut Nummer 5.2 müsse erkenn- und nachvollziehbar klargestellt werden, dass es mit dem nur 3 m hohen Wall im Plangebiet in mehreren Bereichen nachts zu Überschreitungen des jeweiligen Richtwertes komme und dass diese als hinnehmbar zu bewerten seien. In der Begründung könnten gegebenenfalls die Regelungen der TA Lärm zu Gemengelagen angeführt werden. Es werde empfohlen, auf die aus der Schallemissionskartierung des Bebauungsplans … resultierenden Emissionskontingente an relevanten Einwirkorten der Bebauung im Bebauungsplan … hinzuweisen, damit auch für den Fall späterer Beschwerden klargestellt sei, welche Beurteilungspegel durch die Brauerei künftig verursacht werden dürften. Die Aufnahme von negativen Grunddienstbarkeiten im Grundbuch werde empfohlen.
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In seiner Sitzung vom 03.05.2017 stimmte der Bau- und Werksenat der Beklagten den Befreiungen unter Auflagen zu.
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Mit Bescheid vom 12.04.2019 erteilte die Beklagte den beantragten Vorbescheid mit Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans bezüglich einer Reduzierung des Lärmschutzwalls von 8 m auf 3 m, diverse Überschreitungen der Baugrenzen und teilweiser Herausdrehung der Baukörper entgegen der vorgegebenen Ausrichtung der Baufelder, der Abweichungen von der festgesetzten Dachform, der Unterbringung der Stellplätze im Garagenhof, der Verbreiterung der privaten Stichstraße von 3,5 m auf 4,5 m sowie der festgesetzten Geschossigkeit von I+D auf II unter Auflagen zum passiven Lärmschutz. Der Bescheid wurde der Klägerin zugestellt; ein Zustellungsnachweis liegt in der Akte nicht vor.
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Mit elektronisch signiertem Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 14.05.2019, beim Verwaltungsgericht digital eingegangen am selben Tag, hat die Klägerin gegen den Bescheid Klage erhoben und zur Begründung mit Schriftsatz vom 15.10.2019 vortragen lassen, die Klägerin sei als Eigentümerin des unmittelbar angrenzenden Brauereibetriebs klagebefugt. Der angefochtene Vorbescheid betreffe eine Befreiung von nachbarschützenden Vorschriften zum Lärmschutz und sei deshalb geeignet, geschützte Rechte der Klägerin zu verletzen. Folglich führe jeglicher Fehler bei der Anwendung des § 31 Abs. 2 BauGB zu einer Verletzung nachbarlicher Rechte. Die festgesetzte Lärmschutzeinrichtung solle von 8 m auf 3 m reduziert und die geplante Garagenzeile durch einen einfachen Erdwall ersetzt werden.
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Die Klägerin sei Eigentümerin des an das bisher unbebaute Vorhabengebiet angrenzenden, als eingeschränktes Gewerbegebiet festgesetzten Areals, auf dem sie seit 1967 eine Brauerei betreibe, welche im Jahr 2015 einen Getränkeausstoß von 298.000 hl, einen Containerumschlag von 981 Containern und einen daraus resultierenden betrieblichen Umsatz von 24 Millionen EUR verzeichnet habe. Im Vergleich zum Jahr 2010 habe die Absatzmenge um 60%, der Containerumschlag um 358% und das betriebliche Ergebnis um 82% gesteigert werden können. Im Jahr 2015 seien in 3796 Betriebsstunden 721 Sude produziert worden, was einer Steigerung um 53% bzw. 83% entspreche. Das Sudhaus laufe rund um die Uhr im Dreischichtbetrieb und die Kessel hätten 1.520 Betriebsstunden geleistet. Bereits im Jahr 2013 seien auf dem Betriebsgelände 2,9 Millionen Getränkekisten umgeschlagen sowie 4500 Lkw`s abgefertigt worden. Der Brauereibetrieb umfasse einen umfangreichen Fertigungsbetrieb mit allen Produktions- und Versandstufen sowie die Abfüllung und Verpackung samt Transportvorbereitung von Getränken Dritter. Es sei eine industrielle Anlage zur Abfüllung und Verpackung von zumeist per Tankwagen angelieferten Biersorten vorhanden. Die logistischen Aktivitäten, die zum Teil unter freiem Himmel durchgeführt würden, erzeugten erhebliche Lärmemissionen auf den dafür vorgesehenen Freiflächen.
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Der angefochtene Vorbescheid sei rechtswidrig, weil die Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB für eine Befreiung von den nachbarschützenden Festsetzungen zum Lärmschutz nicht vorlägen und weil sich die geplante Errichtung des Lärmschutzwalls in einer Entfernung von lediglich 1,5 m zur Grundstücksgrenze einen Verstoß gegen das Abstandsflächenrecht darstelle. Der Bebauungsplan Nr. … setze zur Abschirmung ein Lärmschutzbauwerk mit einer Höhe von 8 m, bestehend aus einer Garagenzeile und einer Lärmschutzwand, fest. Es diene dem Schutz der Wohnnutzung vor den vom Brauereibetrieb ausgehenden Emissionen. In Nr. 2.4 der Bebauungsplanbegründung werde festgestellt, dass ausweislich des Ergebnisses des Lärmschutzgutachtens für das Wohngebiet keine ideale Wohnlage entstehe und das südwestliche Neubaugebiet als Mischgebiet aus Wohnen und nicht störendem Gewerbe als Übergangszone zum allgemeinen Wohngebiet ausgewiesen werde. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Befreiung lägen nicht vor. Ob die Grundzüge der Planung berührt würden, hänge von der jeweiligen Planungssituation ab. Entscheidend sei, ob die Abweichung dem planerischen Grundkonzept zuwiderlaufe. Je tiefer die Befreiung in das Interessengeflecht der Planung eingreife, desto eher liege der Schluss auf eine Änderung der Planungskonzeption nahe, die nur im Wege der (Um-) Planung möglich sei. Eine Befreiung könne nicht als Vehikel dafür herhalten, die getroffene planerische Regelung beiseite zu schieben. Ob eine Abweichung die Grundzüge der Planung berühre, beurteile sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls. Mit der Abweichung von den festgesetzten Lärmschutzmaßnahmen werde in tiefgreifender Weise in das Interessengeflecht eingegriffen, das sowohl in den Festsetzungen des Bebauungsplans als auch in der zugehörigen Planbegründung zum Ausdruck komme. Dem Lärmschutz komme entscheidende Bedeutung für die gesamte Planung zu. Das der Planung zugrundeliegende Lärmschutzgutachten komme zu dem Ergebnis, dass die zulässigen Immissionsrichtwerte für ein Wohngebiet insbesondere nachts überschritten würden. Aus diesem Grund sei das zu bebauende Areal als Mischgebiet ausgewiesen worden, um eine Einhaltung der Immissionsrichtwerte nach der TA Lärm überhaupt zu ermöglichen und schädliche Umwelteinwirkungen zu vermeiden. Die Abschirmung der geplanten Wohnbebauung von den Lärmeinwirkungen der Brauerei sei wesentlicher Bestandteil der Bauleitplanung gewesen, sie sei für die Aufstellung essenziell. Das planerische Grundkonzept werde durch die Befreiung tangiert. Die Beklagte habe hierzu lediglich festgestellt, dass die Grundzüge der Planung nicht berührt würden und das Vorhaben städtebaulich vertretbar sei. Die Aussage werde von der Feststellung getragen, die Immissionsrichtwerte zur Tagzeit würden eingehalten und zur Nachtzeit komme es nur an 3 relevanten Immissionsorten im Obergeschoss ohne Abschirmung zu Überschreitungen zwischen 1,1 dB (A) und 2,8 dB (A). Diese Überschreitungen könnten durch zusätzliche Anforderungen kompensiert werden. Bereits diese Ausführungen belegten, dass der veränderte Lärmschutzwall nicht geeignet sei, die angrenzende Bebauung ausreichend zu schützen, sondern dass zusätzliche passive Schallschutzmaßnahmen erforderlich seien. Es könne nicht nachvollzogen werden, warum die Überschreitungen geringfügig oder vernachlässigbar sein sollten. Der Messabschlag nach Nummer 6.9 der TA Lärm helfe insoweit nicht weiter. Folglich handle es sich nicht um eine vom Plangeber nicht bedachte, absolut gleichwertige Variante, sondern um ein dahinter zurückbleibendes Aliud. Wenn die Grundzüge der Planung berührt würden, komme es auf die Gleichwertigkeit der gefundenen Lösungen ohnehin nicht an.
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Obwohl die auf das Plangebiet einwirkenden Immissionen die nachbarlichen Interessen der Klägerin berührten, seien diese nicht gewürdigt worden. Die Beschlussvorlage vom 08.03.2017 beschränkte sich auf die Behauptung, die Entwicklungsmöglichkeiten der benachbarten Brauerei würden nicht weiter eingeschränkt. Es liege auf der Hand, dass sich die Situation der benachbarten Brauerei verschlechtere, wenn infolge der geänderten Lärmschutzmaßnahmen nunmehr Überschreitungen der zulässigen Richtwerte zu beklagen seien, die es bei Einhaltung der bauplanungsrechtlichen Festsetzungen nicht geben würde. Die Klägerin müsse fürchten, von der benachbarten Wohnbebauung auf Einhaltung der Immissionsrichtwerte in Anspruch genommen zu werden. Naturgemäß würden dadurch künftige betriebliche Erweiterungen wesentlich erschwert oder ausgeschlossen. Dies belege die im Vorbescheid ausgesprochene Empfehlung, für die betroffenen Grundstücke negative Grunddienstbarkeiten zum Immissionsschutz im Grundbuch eintragen zu lassen. Die im Rahmen einer Befreiung erforderliche Interessenabwägung zur Feststellung der wechselseitigen Zumutbarkeit sei nicht erfolgt. Die Interessen der Bauherren seien ausschließlich praktischer und wirtschaftlicher Natur und bezögen sich weder auf die Belange der künftigen Bewohner noch auf die der bestehenden Brauerei. Angesichts zusätzlicher Rücksichtnahmepflichten erweise sich die Abweichung vom Bebauungsplan als städtebaulich rücksichtslos. Sowohl Belange der Wirtschaft als auch spezifische Belange eines einzelnen Gewerbebetriebs seien bauleitplanerisch abzuwägen. Infolge der beabsichtigten Änderungen seien die betroffenen Belange neu zu würdigen. Der Vorbescheid sei rechtswidrig und verletze die Klägerin in ihren Rechten, weil die Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB nicht vorlägen. Zusätzlich macht die Klägerin geltend, das Vorhaben verstoße gegen Abstandsflächenrecht.
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Die Klägerin beantragt,
den Vorbescheid vom 12.04.2019 aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Aus Sicht der Beklagten werde durch die Reduzierung des Lärmschutzwalles nicht in die tragenden Grundzüge der Planung eingegriffen. Zu den Grundzügen der Planung gehörten solche Festsetzungen, die die Grundkonzeption des Bebauungsplans berührten, also vor allem den Gebietscharakter nach der Art der baulichen Nutzung und - in bestimmter Weise - auch nach dem Maß der baulichen Nutzung sowie den Festsetzungen zur Baudichte. Durch die Reduzierung der Höhe des Lärmschutzwalles werde dem immissionsschutzrechtlichen Anspruch an den Bebauungsplan weiterhin Rechnung getragen. Die drittschützende Wirkung sei nicht außer Acht gelassen worden, was sich aus den schallschutztechnischen Kompensationsmaßnahmen ergebe, die als Auflagen aufgenommen worden seien. Dadurch ergäben sich für die Klägerin keine Nachteile gegenüber der Einhaltung des Bebauungsplans. Die Grundzüge der Planung seien nicht berührt. Wie die Klägerin selbst anmerke, könne man den Akten eine Würdigung der nachbarlichen Interessen entnehmen. In der zugrundeliegenden schalltechnischen Untersuchung seien die Emissionen des Brauereibetriebs auf der Basis des derzeitigen Umfangs und unter Berücksichtigung weiterer Entwicklungsmöglichkeiten erfasst worden. Es dürfe darauf hingewiesen werden, dass die Überschreitungen der Immissionsrichtwerte nach der TA Lärm von ehedem bis zu 2,8 dB (A) mit entsprechenden Auflagen reduziert worden seien. Aus diesem Grund sei seitens der Klägerin auch nicht mit künftigen Betriebsbeschränkungen zu rechnen. Ein Verstoß gegen Vorschriften des Abstandsflächenrechts sei nicht gegeben.
17
Das Gericht hat mit Beschluss vom 24.07.2019 die Mitglieder der Erbengemeinschaft als Bauherrn zum Verfahren beigeladen. Diese haben sich nicht näher geäußert und auch keinen Antrag gestellt.
18
Mit Schreiben vom 26.02.2021 wurden die Beteiligten zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid gehört. Die Klägerin und die Beklagte sind mit dieser Entscheidungsform einverstanden.
19
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der vorgelegten Behördenakten sowie den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen (vgl. § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).

Entscheidungsgründe

20
Das Gericht kann gem. § 84 Abs. 1 VwGO ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten wurden zuvor gehört.
21
Die zulässige Klage hat Erfolg.
22
Der angefochtene Vorbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in ihren baurechtlichen Nachbarrechten.
23
Der ursprünglich als Bauantrag eingereichte Antrag der Beigeladenen wurde in Verlauf des Verfahrens einvernehmlich in einen Antrag auf Vorbescheid umgewandelt (Bl.45 Behördenakte; nachfolgend BA). Gemäß Art. 74 Satz 1 BayBO ist vor Einreichung des Bauantrags auf Antrag des Bauherrn zu einzelnen Fragen des Bauvorhabens ein Vorbescheid zu erteilen. Obwohl sich der Antrag der Beigeladenen vom 03.11.2016 zumindest der Begründung nach nur auf den Lärmschutz bezog, hat offensichtlich die Beklagte sämtliche Abweichungen des Projekts von den Festsetzungen des Bebauungsplans ermittelt und im Zuge des Vorbescheidsverfahrens inhaltlich behandelt; es wurden insgesamt sechs Befreiungen vom Bebauungsplan für erforderlich erachtet und sämtlich positiv beurteilt. Sie mündeten zusammengefasst in die einheitliche bauplanungsrechtliche Beurteilung, „dass das geplante Vorhaben bauplanungsrechtlich genehmigungsfähig ist“. Die von der Beklagten rechtsverbindlich erteilte Antwort auf die einheitliche Frage nach der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens kann folglich keinen Bestand haben, wenn sie sich in einem Punkt als rechtswidrig erweist und baurechtliche Nachbarrechte der Klägerin verletzt; dies ist vorliegend der Fall.
24
Deshalb kann dahinstehen, ob das unterbreitete Vorhaben der Beigeladenen tatsächlich das festgesetzte Mischgebiet zur Entstehung bringt, denn die rechtlichen Voraussetzungen für eine Abweichung von den Festsetzungen zum Lärmschutz gemäß § 31 Abs. 2 BauGB liegen nicht vor. Nachdem Teile der Brauerei der Klägerin im Geltungsbereich des Bebauungsplans liegen, begründet das planerische Konzept der Beklagten für den Bereich des Lärmschutzes wohl auch einen Anspruch der Klägerin auf Gebietserhaltung im Mischgebiet; sollte dieses wegen eines zu geringen Anteils gewerblicher Nutzungen in ein Wohngebiet kippen, wäre der Gebietserhaltungsanspruch der Klägerin verletzt. Der Vorbescheid kann vorliegend aber auch deshalb keinen Bestand haben, weil die Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB für die Abweichung von den Festsetzungen des Bebauungsplans zur Ausgestaltung des aktiven Lärmschutzes nicht vorliegen. Fragen des Abstandsflächenrechts sind hingegen weder Gegenstand der Prüfung noch der behördlichen Entscheidung.
25
Nach der Begründung des Bebauungsplans … erfolgen aktive Lärmschutzmaßnahmen in Form einer Lärmschutzbebauung mit Garagen- und Nebengebäuden (mit einer erforderlichen Firsthöhe von 8 m) entlang der südlichen und westlichen Grundstücksgrenze zur Brauerei und einer daran anschließenden inneren Bebauung mit einer geschlossenen Reihenhauszeile. Von dieser Planung wollen die Beigeladenen zugunsten eines lediglich 3 m hohen Lärmschutzwalls abweichen, doch liegen die Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB hierfür nicht vor.
26
Dabei steht für das Gericht außer Frage, dass die Festsetzungen des Bebauungsplans … zum Lärmschutz nachbarschützende Wirkung entfalten. Denn die Begründung zum Bebauungsplan benennt als Instrumente der Konfliktbewältigung zwischen der Brauerei und dem neuen Baugebiet ausdrücklich sowohl die Ausweisung des Mischgebietes als auch die Festsetzung der Lärmschutzbebauung mit Garagen- und Nebengebäuden. Nach Nr. 7 des Bebauungsplans … sind zudem im Mischgebiet nur solche Anlagen bzw. Betriebe zulässig, bei denen sichergestellt ist, dass in ihrem Einwirkungsbereich die zulässigen Grenzwerte (Lärm und Abgase) nicht überschritten werden.
27
Angesichts der eindeutig nachbarschützenden Funktion der Festsetzungen zum aktiven Lärmschutz hat die Klägerin nicht nur einen Anspruch auf eine Würdigung ihrer nachbarlichen Interessen, sondern auf das Vorliegen aller Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung nach Maßgabe von § 31 Abs. 2 BauGB (vgl. Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 14. Aufl. 2019, Vorbem zu §§ 29 bis 38 BauGB, Rn. 63, 64; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand 10.2020, § 31 Rn. 69a; jeweils m.w.N.). Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann nach dieser Vorschrift nur befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, die Befreiung erfordern oder die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
28
Diese Voraussetzungen liegen nach Überzeugung des Gerichts nicht vor, denn die Ersetzung der 8 m hohen Lärmschutzbebauung durch einen nur 3 m hohen Lärmschutzwalls berührt erkennbar die Grundzüge der Planung.
29
Nach der Rechtsprechung des für Oberfranken zuständigen Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs umschreibt des Gesetz mit den Grundzügen der Planung in § 31 Abs. 2 BauGB „die planerische Grundkonzeption, die den Festsetzungen eines Bebauungsplans zu Grunde liegt und in ihnen zum Ausdruck kommt (vgl. BVerwG, B.v. 19.05.2004 - 4 B 35/04 - juris). Hierzu gehören die Planungsüberlegungen, die für die Verwirklichung der Hauptziele der Planung sowie den mit den Festsetzungen insoweit verfolgten Interessenausgleich und damit für das Abwägungsergebnis maßgeblich sind (vgl. BayVGH, U.v. 30.03.2009 - 1 B 05.616 - juris). Je tiefer die Befreiung in das Interessengeflecht der Planung eingreift, desto eher liegt der Schluss auf eine Veränderung der Planungskonzeption nahe, die nur im Weg der (Um-)Planung möglich ist. Ob eine Befreiung die Grundzüge der Planung berührt oder von minderem Gewicht ist, beurteilt sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls, nämlich dem im Bebauungsplan zum Ausdruck gebrachten planerischen Wollen“ (vgl. BayVGH, U.v. 14.12.2016 - 2 B 16.1574 - juris).
30
Nach Auswertung der Akten über das Bebauungsplanverfahren hat das Gericht keine Zweifel, dass es sich bei der Bewältigung des Nutzungskonflikts zwischen der Brauerei und dem Neubaugebiet um einen Grundzug der Planung handelt und dass dessen tragende Säulen einerseits die Festsetzung eines Mischgebietes und andererseits das Konzept der Lärmschutzbebauung als Maßnahme des aktiven Lärmschutzes sind. Insbesondere die Problematik des Lärmschutzes zieht sich - neben der umstrittenen Frage der Erschließung - gestützt auf entsprechende Fachgutachten wie ein roter Faden durch den gesamten Planungsvorgang und mit den Festsetzungen zum aktiven Lärmschutz hat die Beklagte als Trägerin der Planungshoheit den erforderlichen Ausgleich zwischen den betroffenen Interessen geschaffen. Dabei ist in die Bewältigung des Immissionsschutzkonflikts bereits der Umstand eingeflossen, dass aufgrund eines früheren Nachtragsbaubescheides über die Errichtung der Brauerei vom 08.12.1971 das westlich angrenzende Gewerbegebiet der Brauerei insofern eingeschränkt ist, als die Lärmimmission gegenüber einem benachbarten Wohnhaus an der … 40 dB(A) zur Nachtzeit nicht überschreiten darf.
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In die Begründung des Bebauungsplans … in seiner endgültigen Fassung wurde unter Nummer 2.4 Immissionsschutz aufgenommen, dass für die Erstellung des Bebauungsplanentwurfs ein Lärmschutzgutachten erforderlich war, da das neu geplante Wohngebiet unmittelbar im Süden und Westen des Geltungsbereichs an das Gewerbegebiet der Klägerin angrenzt. Im Ergebnis des Lärmschutzgutachtens der Firma S. vom 12.01.1996 und dessen Überarbeitung vom 09.10.1997 werde deutlich, dass für das Wohngebiet keine ideale Wohnlage entsteht, da die zulässigen Immissionswerte besonders nachts überschritten werden (besonders in Spitzenzeiten mit erhöhter Ladetätigkeit). Da die Ausfahrt der Brauerei unmittelbar an das Neubaugebiet angrenze, könne der Lärm (überwiegend Verkehrslärm) des Gewerbegebietes nicht reduziert werden. Somit werde im Bebauungsplanentwurf das südwestliche Neubaugebiet bis zur Erschließungsstraße als Mischgebiet mit Wohnen und nicht störendem Gewerbe als Übergangszone vom Gewerbe zum allgemeinen Wohngebiet ausgewiesen. Zusätzlich erfolgten aktive Lärmschutzmaßnahmen in Form einer Lärmschutzbebauung mit Garagenund Nebengebäuden (mit einer erforderlichen Firsthöhe von ca. 8 m) entlang der südlichen und westlichen Grundstücksgrenze zur Brauerei und einer daran anschließenden inneren Bebauung mit einer geschlossenen Reihenhauszeile. Außerdem würde zwischen dem südlichen und westlichen Gewerbebau eine Ausbaumöglichkeit vorgesehen, um durch die Lückenschließung die Lärmsituation zusätzlich zu verbessern“.
32
Im zugehörigen Lärmschutzgutachten vom 09.10.1997 ist hierzu ausgeführt, „die Ergebnisse der Berechnung hätten gezeigt, dass die Variante mit einem Mischgebiet und einer aktiven Lärmschutzmaßnahme als Übergangszone vom Gewerbegebiet zum allgemeinen Wohngebiet die sinnvollere Alternative darstellen würde“.
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Die essenzielle Bedeutung des Lärmschutzes indizieren letztlich auch die Ausführungen im Sitzungsvortrag für den Bausenat der Beklagten vom 01.12.1999, wonach vor Aufstellung des Bebauungsplans in einem städtebaulichen Vertrag mit den Eigentümern festzulegen ist, dass die Lärmschutzgebäude entlang der westlichen und südwestlichen Grundstücksgrenze zur Brauerei hin in der Reihenfolge zuerst zu errichten sind, dass im südwestlichen Bereich ein Mischgebiet entsteht (somit nicht nur Wohngebäude, sondern auch anteilig Gebäude mit einer gewerblichen Nutzung zu erstellen sind), für das die für Mischgebiete zulässigen Lärmwerte von nachts 45 dB(A) zulässig sind und dass an Gebäuden passiver Lärmschutz vorzunehmen ist.
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Dieser vom Plangeber im Wege der Abwägung der Belange geschaffene Interessenausgleich stellt einen Grundzug der Planung dar, welcher nicht im Wege einer Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB, sondern nur im Wege einer Planänderung umgestaltet werden kann.
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Maßgeblich für dieses Verständnis ist aus Sicht des Gerichts die Überlegung, dass die Umgestaltung des Lärmschutzes hier maßgeblichen Einfluss auf die Wohnqualität im Planungsgebiet hat. Diese wird nicht allein durch die Frage bestimmt, ob die Immissionsrichtwerte für ein Mischgebiet bzw. ein Allgemeines Wohngebiet zur Tagzeit und zur Nachtzeit eingehalten werden, sondern wie laut es dort im Allgemeinen ist. Das Lärmgutachten vom 09.10.1997 und die Sitzungsvorlagen der Beklagten im Bebauungsplanverfahren sprechen bereits von keiner idealen Wohnlage und aus den im gegenständlichen Vorbescheidsverfahren gefertigten Vergleichstabellen ist eine deutliche Tendenz hin zu einem Anstieg der Lärmbelastung im neuen Baugebiet ablesbar (vgl. Bl. 37 ff, 58 ff und 106 ff BA). Hierzu wird immissionsschutzfachlich ausgeführt, dass die Immissionsrichtwerte zur Tagzeit sowohl mit als auch ohne aktive Schallschutzmaßnahme stets eingehalten werden. Zur Nachtzeit komme es hingegen an 3 im Gutachten ausgewählten, relevanten Immissionsorten im 1. Obergeschoss ohne Abschirmung zu Überschreitungen zwischen 1,1 und 2,8 dB(A). Dabei würden mit Abschirmung an 2 exponierten Immissionsorten die Richtwerte nach der TA-Lärm überschritten. Pegelreduzierungen von mehr als 2 dB(A) ließen sich nur in Räumen unmittelbar hinter dem 8 m hohen Lärmschutzbauwerk erreichen. Angesichts der geringfügigen Pegelüberschreitungen, die zwischen 1,1 und 2,8 dB(A) lägen, könnte unter immissionsschutzrechtlichen Gesichtspunkten die Errichtung des ursprünglich geforderten Lärmschutzbauwerks (Garagenzeile mit aufgesetztem Dach - Höhe 8 m) kompensiert werden, sofern bestimmte immissionsschutzrechtliche Anforderungen gestellt werden. Die Wohnqualität hinsichtlich der Gewährleistung eines gesunden Schlafes könne durch bestimmte Maßnahmen zusätzlich verbessert werden.
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Aus den Akten der Beklagten geht folglich hervor, dass es durch die Änderung des Lärmschutzes allgemein zu einer weiteren Erhöhung der Verlärmung des Plangebietes kommt und dass punktuell auch aktiver Lärmschutz durch passiven Lärmschutz ausgetauscht bzw. ergänzt wird bzw. werden muss. Selbst wenn im Ergebnis eine Einhaltung der Immissionsrichtwerte tatsächlich gewährleistet sein sollte, berührt die Umgestaltung des Lärmschutzes die Grundzüge der Planung, denn die planerische Abwägung ist nicht auf eine ausschließliche Grenzwertbetrachtung reduziert. Die Wohnqualität in einem Gebiet definiert sich nicht nach der Einhaltung von Grenzwerten nach der TA-Lärm, sondern nach der tatsächlichen Belastung innerhalb der zulässigen Grenzwerte. Die fachliche Empfehlung zur Eintragung von negativen Grunddienstbarkeiten deutet an, wie sehr vorliegend das Nebeneinander von Wohnen und Gewerbe „auf Kante genäht ist“. Dies gilt vor allem dann, wenn sich durch die Befreiung der im Wege der Abwägung gelöste Lärmkonflikt an einzelnen Punkten tendenziell verschärft.
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Nachdem die Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans über den Lärmschutz aus den genannten Gründen die Grundzüge der Planung berührt, verstößt der Vorbescheid gegen § 31 Abs. 2 BauGB und verletzt schutzwürdige Rechte der Klägerin.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Nachdem die Beigeladenen mangels Antragstellung kein Kostenrisiko eingegangen sind, tragen sie aus Gründen der Billigkeit ihre außergerichtlichen Kosten selbst (§§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.