Inhalt

VGH München, Urteil v. 24.11.2021 – 16a D 20.183
Titel:

Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung wegen Manipulationen an Abschlussprüfung 

Normenketten:
BayDG Art. 14, Art. 25, Art. 55, Art. 63
StGB § 267
BeamtStG § 47
Leitsätze:
1. Eine Klassenarbeit ist eine Urkunde. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Begeht ein Beamter innerdienstlich eine Straftat, für die das Strafgesetz als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vorsieht, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Studienrat im Realschuldienst, Manipulationen an Arbeiten der Abschlussprüfung, Urkundenfälschung, Zurückstufung, Disziplinarklage, Entfernung aus dem Beamtenverhältnis, Manipulation, Abschlussprüfung, Verbesserung von Fehlern, Vertrauensschaden, Dienstpflichtverletzung
Vorinstanz:
VG Ansbach, Urteil vom 12.12.2019 – AN 13b D 19.637
Fundstelle:
BeckRS 2021, 42492

Tatbestand

1
Auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung wird Bezug genommen, weil sich der Senat die Feststellungen des Verwaltungsgerichts in vollem Umfang zu eigen macht (§ 130b Satz 1 VwGO).
2
1. Der am 22. März 2019 erhobenen, auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis gerichteten Disziplinarklage der Landesanwaltschaft Bayern hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 12. Dezember 2019 (BeckRS 2019, 34323) entsprochen. Der dem Beklagten in der Disziplinarklage zur Last gelegte Sachverhalt stehe fest aufgrund der tatsächlichen Feststellungen in dem seit dem 10. Oktober 2018 rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts Wunsiedel vom 30. August 2018 - 1 Ds 28 Js 8349/17. In diesem sei der Beklagte wegen Urkundenfälschung in 56 Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 110 Tagessätzen zu je 165,00 EUR verurteilt worden. Die tatsächlichen Feststellungen des Urteils seien für das Disziplinarklageverfahren bindend. Der Beklagte habe den ihm zur Last gelegten Sachverhalt auch vollumfänglich eingeräumt. Der Beklagte habe demnach in den Jahren 2015, 2016 und 2017 an insgesamt 56 Prüfungsarbeiten in der Abschlussprüfung im Fach Englisch an der Staatlichen Realschule Selb Manipulationen vorgenommen und Fehler der Schüler verbessert. Hierdurch erhielten die betroffenen Schüler in 53 der betroffenen Prüfungsarbeiten eine höhere Anzahl an Bewertungspunkten und in 15 Fällen hiervon eine bessere Note als sie sie ohne die Manipulationen bekommen hätten. Durch das strafrechtlich geahndete Verhalten habe der Beklagte gegen die ihm obliegenden Dienstpflichten verstoßen und dadurch ein einheitliches innerdienstliches Dienstvergehen begangen. Der Beklagte habe vorsätzlich und schuldhaft gehandelt. Das Fehlverhalten des Beklagten wiege schwer. Es habe zur Folge, dass der Beklagte das Vertrauen seines Dienstherrn endgültig verloren habe und deshalb auf die Höchstmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu erkennen sei. Die Zuordnung eines Dienstvergehens zu einer der Disziplinarmaßnahmen im Sinne von Art. 6 Abs. 1 BayDG richte sich auch bei innerdienstlich begangenen Dienstvergehen am gesetzlich bestimmten Strafrahmen aus. Vorliegend reiche der Strafrahmen bei einer Straftat der Urkundenfälschung bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe, so dass der Orientierungsrahmen vorliegend bis zur Entfernung aus dem Dienst reiche. Es komme deshalb nicht darauf an, ob sich der Beklagte, wie von Kläger angenommen, sogar wegen Urkundenfälschung in einem besonders schweren Fall (§ 267 Absatz 3 Satz 2 Nr. 4 StGB) strafbar gemacht habe. In diesem Falle würde der Strafrahmen bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe reichen. Das Strafgericht habe vorliegend zwar nur auf eine Geldstrafe erkannt. Anders als bei außerdienstlich begangenen Straftaten komme dem ausgeurteilten Strafmaß bei einem innerdienstlichen Dienstvergehen bei der Bestimmung der konkreten Disziplinarmaßnahme jedoch keine „indizielle“ oder „präjudizielle“ Bedeutung zu. Die volle Ausschöpfung des Orientierungsrahmens sei vorliegend geboten, weil der Beklagte durch sein Dienstvergehen das Vertrauen seines Dienstherrn endgültig verloren habe. Der Beklagte habe als Erstkorrektor der Abschlussprüfungen im Kernbereich seiner Aufgaben versagt. In 53 Fällen hätten die Manipulationen der Prüfungsarbeiten zu einer höheren Anzahl an Bewertungspunkten geführt und in 15 Fällen hätten die Verbesserungen Auswirkungen auf die Note gehabt. Hierdurch seien andere Prüflinge benachteiligt worden. Zu Lasten des Beklagten sei zu werten, dass es sich nicht um einmaliges Versagen anlässlich der Korrektur der Arbeiten im Jahr 2017 gehandelt habe, sondern der Beklagte Manipulationen bereits in den Abschlussprüfungen in den Jahren 2015 und 2016 vorgenommen hatte, die damals bei der Zweitkorrektur nicht entdeckt worden seien. Erschwerend komme hinzu, dass der Beklagte nach der Entdeckung von Ungereimtheiten bei der Erstkorrektur der Prüfungsaufgaben im Fach Englisch im Jahr 2017 durch Frau G. zunächst noch versucht habe, die notwendigen Unterschriften bei der Zweitkorrektur durch einen weiteren Kollegen und eine weitere Kollegin zu erhalten. Nachdem sich Frau G. geweigert hatte, die Prüfungsarbeiten zu unterschreiben, habe der Beklagte zunächst Herrn V. gebeten, die Zweitkorrektur zu übernehmen. Er habe gegenüber Herrn V. geäußert, dass es mit Frau G. schwierig sei. Nachdem auch Herr V. Unstimmigkeiten bei der Korrektur bemerkt und sich ebenfalls geweigert hatte, die Zweitkorrektur zu übernehmen, habe der Beklagte nunmehr Frau L. angesprochen, die ebenfalls die Verantwortung für die Zweitkorrektur ablehnte. Erst danach habe der Beklagte in einem gemeinsamen Gespräch mit G., V. und L., das von Frau L. initiiert worden sei, die Manipulationen eingeräumt und sich anschließend auch dem Schulleiter offenbart. Zu Gunsten des Beklagten könne berücksichtigt werden, dass er sich schuldeinsichtig gezeigt und bei den betroffenen Kollegen entschuldigt habe. Die vom Beklagten für sein Handeln genannten Beweggründe könnten diesen nicht entlasten. Ausweislich des Gedächtnisprotokolls des damaligen Schulleiters der Realschule vom 30. Juni 2017 habe der Beklagte als Grund seines Handelns angegeben, er habe sich abzeichnende Nachteile für Schüler wie z.B. das Nichterreichen des Zulassungsabschnittes für die Aufnahme in die FOS, das Scheitern eines Lehrverhältnisses wegen Nichterhalt des Realschulabschlusses, oder den möglichen Wegfall einer Notenausgleichsmöglichkeit verhindern wollen. Der Wunsch des Beklagten, auf diese Weise Schülern zu helfen, von denen er angenommen habe, diesen wären außerhalb der Prüfungssituation die von ihnen gemachten Fehler nicht unterlaufen, vermöge die Manipulationen an den Prüfungsarbeiten durch den Beklagten weder zu rechtfertigen noch zu entschuldigen. Jeder Schüler habe sich im Laufe seiner Schulausbildung Prüfungen zu stellen und sich auch in Prüfungssituationen zu bewähren. Es gehe nicht an, dass ein Prüfer in der vermeintlichen Annahme, er kenne seine Schüler „in- und auswendig“, aus seiner Sicht vermeidbare Fehler bei bestimmten Prüflingen korrigiere und damit in das Bewertungssystem eingreife. Hierdurch würden einzelne Schüler bevorzugt und gegen den Grundsatz der Chancengleichheit verstoßen.
3
Die Kammer sei überzeugt, dass die späteren Äußerungen des Beklagten, es sei um „sein verdammtes Ego“ gegangen und er habe den besten Schnitt erzielen wollen, die eigentliche Motivation des Beklagten wiedergäben. Nachdem die Manipulationen der Abschlussarbeiten in den Jahren 2015 und 2016 nicht entdeckt worden seien, sei sich der Beklagte seiner Sache anscheinend bereits so sicher gewesen, dass er sich bei den Manipulationen im Jahr 2017 keine besondere Mühe mehr gegeben habe, weshalb diese anschließend sogar drei Kolleginnen bzw. Kollegen aufgefallen seien.
4
Der Milderungsgrund der „Entgleisung während einer negativen, inzwischen überwundenen Lebensphase“ liege nicht vor. Es sei zwar ohne weiteres nachvollziehbar, dass die schwere Erkrankung der Ehefrau des Beklagten ab Oktober 2016 diesen erheblich belastet habe. Der Beklagte habe jedoch bereits davor Manipulationen an Abschlussarbeiten vorgenommen. Zudem sei das (sonstige) dienstliche Verhalten des Beklagten auch zum Tatzeitpunkt im Jahr 2017 in keiner Hinsicht auffällig, womit keine Anhaltspunkte für die Annahme bestünden, der Beklagte sei aufgrund von außergewöhnlichen Umständen zum Zeitpunkt der Manipulationen der Abschlussarbeiten im Jahr 2017 „zeitweilig aus der Bahn geworfen worden“. Es liege auch kein persönlichkeitsfremdes, einmaliges Versagen des Beklagten vor.
5
Zu Gunsten des Beklagten könne berücksichtigt werden, dass dieser bis auf das vorliegende Strafurteil weder straf- noch disziplinarrechtlich vorbelastet sei. Auch die bisher insgesamt recht guten dienstlichen Leistungen sprächen zu Gunsten des Beklagten, führten jedoch nicht zu einem anderen Abwägungsergebnis. Dieser Gesichtspunkt falle jedenfalls bei gravierenden Dienstpflichtverletzungen, wie sie hier in Rede stehen, neben der Schwere des Dienstvergehens in aller Regel nicht durchgreifend mildernd ins Gewicht. Die Persönlichkeitsbilder, erstellt vom ehemaligen Schulleiter am 4. Juli 2017 und von der derzeitigen Schulleiterin am 17. Januar 2019 und am 11. Februar 2019, seien zwar wohlwollend, könnten den Beklagten aber nicht durchgreifend entlasten.
6
Die Tatsache, dass der Dienstherr den Beklagten auf seinem bisherigen Dienstposten weiterbeschäftigt habe, nachdem ihm dessen Fehlverhalten bekannt geworden sei, rechtfertige keine mildere Disziplinarmaßnahme. Nach Art. 58 Abs. 2 Satz 2 BayDG sei es bei einer Disziplinarklage Sache der Verwaltungsgerichte, die angemessene Disziplinarmaßnahme nach Maßgabe des Art. 14 BayDG zu bestimmen. Dabei seien die Gerichte weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht an die Wertungen des Dienstherrn gebunden. Dementsprechend komme dem Entschluss des Dienstherrn, den Beamten nach dem Aufdecken seines Fehlverhaltens unverändert oder anderweitig zu beschäftigen, für die von den Verwaltungsgerichten zu treffende Entscheidung über die angemessene Disziplinarmaßnahme grundsätzlich keine Bedeutung zu. Besondere Umstände, die die ausnahmsweise eine andere Beurteilung rechtfertigten, lägen nicht vor.
7
In der Gesamtschau wögen die zu Gunsten des Beklagten zu berücksichtigenden Aspekte nicht so schwer, dass durch das schwere Dienstvergehen nicht ein vollständiger Vertrauensverlust eingetreten wäre, sondern noch ein Restvertrauen dem Beklagten gegenüber verbliebe. Unter Abwägung aller be- und entlastenden Umständen sei daher festzustellen, dass ein endgültiger und unwiederbringlicher Vertrauensverlust eingetreten sei. Im Hinblick auf die Schwere des Dienstvergehens, seine Auswirkungen auf den Schulbetrieb und auch aus generalpräventiven Erwägungen heraus sei die Verhängung der Höchstmaßnahme geboten und nicht unverhältnismäßig.
8
2. Der Beklagte hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt. Die Schlussfolgerung des Verwaltungsgerichts, der Beklagte sei sich nach den unentdeckten Manipulationen der Abschlussarbeiten in den Jahren 2015 und 2016 anscheinend bereits so sicher gewesen, dass er sich bei den Manipulationen im Jahr 2017 keine besondere Mühe mehr gegeben habe, sei nicht zwingend und damit rechtsfehlerhaft. Das erstinstanzliche Gericht setze sich nicht mit den objektiven Umständen der Tatbegehung auseinander. Einerseits seien die Manipulationen so offensichtlich und dilettantisch ausgeführt. Darüber hinaus habe der Beklagte keinen einheitlichen, einfachen Bewertungsmaßstab für alle von ihm zu korrigierenden Arbeiten angelegt, sondern punktuell Fehler von Schülern allein dort verbessert, wo er gemeint habe, dass die jeweilige Schülerin/der jeweilige Schüler diesen Fehler sonst nicht mache. Nur etwa 25% der vom Beklagten durchgeführten Manipulationen hätten zu Notenverbesserungen geführt, wodurch eine Anhebung des Notendurchschnitts erreicht werden könne. Insofern widerspreche die konkrete Tatausführung der vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellung, wonach die eigentliche Motivation des Beklagten gewesen sei, den besten Schnitt in den Prüfungsarbeiten zu erzielen. Zudem habe sich das Gericht nicht mit den Ausführungen des Beklagten in der mündlichen Verhandlung auseinandergesetzt, in der der Beklagte ausführlich dargestellt habe, warum die von ihm vorgenommenen Manipulationen nicht aus Gründen des Prestiges oder der Eitelkeit vorgenommen worden seien. Die Formulierung, „es sei um sein verdammtes Ego gegangen“, habe verdeutlichen sollen, dass er sich fälschlicherweise als letzte pädagogische Instanz innerhalb des Prüfungsverfahrens gesehen habe. Es müsse bei der Bewertung der Schwere des Dienstvergehens Berücksichtigung finden, dass sich die vom Beklagten begangene Manipulationshandlung von sonstigen Prüfungsmanipulationen abhebe und die Beweggründe atypisch seien.
9
Des Weiteren wendet sich der Beklagte gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Tatsache, dass er vom Dienstherrn auf seinem bisherigen Dienstposten weiterbeschäftigt werde, rechtfertige keine mildere Disziplinarmaßnahme, weil besondere Umstände fehlten, die ausnahmsweise eine andere Beurteilung rechtfertigten. Damit übersehe das Verwaltungsgericht, dass der Beklagte nach wie vor an der gleichen Schule tätig sei und hierbei zwar keine Abschlussarbeiten jedoch jegliche sonst anfallenden Prüfungsarbeiten korrigiere. Des Weiteren sei den Stellungnahmen/Persönlichkeitsbildern sowohl des vorherigen Schulleiters als auch der neuen Schulleiterin zu entnehmen, dass diese gerade nicht von einer völligen Zerstörung des Vertrauensverhältnisses ausgingen.
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Der Beklagte beantragt,
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unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts gegen den Beklagten eine Disziplinarmaßnahme unterhalb der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis auszusprechen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
14
Er verteidigt das angefochtene Urteil. Die darin enthaltenen Ausführungen zur Motivation des Beklagten lägen im Rahmen der richterlichen Überzeugungsbildung. Lege man den Vortrag der Berufungsbegründung zugrunde, der Beklagte habe sich fälschlicherweise als „letzte pädagogische Instanz“ innerhalb des Prüfungsverfahrens gesehen, und nehme zu seinen Gunsten an, es sei ihm bei den Manipulationen auch darum gegangen, den Schülern zu helfen, führte dies nicht zu einer anderen Bewertung. Nach dem Ermittlungsergebnis könne jedenfalls nicht von einem rein uneigennützigen Verhalten des Beklagten ausgegangen werden.
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Der Weiterbeschäftigung des Beklagten komme nach der ständigen Rechtsprechung bei der Entscheidung über die angemessene Disziplinarmaßnahme grundsätzlich keine Bedeutung zu. Dass von vorläufigen Maßnahmen nach Art. 39 BayDG abgesehen worden sei, rechtfertige nicht den Schluss, dass noch ein Restvertrauen in die Amtsführung des Beklagten vorhanden wäre. Dafür sei maßgebend gewesen, dass das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus mit Schreiben vom 1. März 2019 mitgeteilt habe, der Beklagte werde nach Auskunft der Schulleiterin nicht mehr bei der Korrektur der Abschlussprüfungsarbeiten eingesetzt und unterrichte auch nicht mehr in der 10. Jahrgangsstufe. Nach der Mitteilung des Ministeriums vom 7. April 2020 werde der Beklagte nach wie vor lediglich in den Klassen 5-8 eingesetzt. Nur aufgrund der getroffenen Sicherungsmaßnahmen werde derzeit von einer vorläufigen Dienstenthebung des Beklagten abgesehen. Es lägen keine besonderen Umstände vor, aufgrund derer die Weiterbeschäftigung des Beamten nach Aufdeckung des Dienstvergehens sich ausnahmsweise maßnahmemildernd auswirke. Die in der Berufungsbegründung zitierte Entscheidung (BVerwG, U.v. 19.5.1998 - 1 D 37.97 - juris Rn. 20) sei vorliegend nicht einschlägig. Durch die Weiterbeschäftigung des Beamten sei gerade nicht bestätigt worden, dass nicht von einer völligen Zerstörung des Vertrauensverhältnisses ausgegangen werde. Dies gehe allein schon daraus hervor, dass Disziplinarklage auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erhoben worden sei. Dass Dienstvorgesetzte des Beklagten die Zusammenarbeit mit ihm als vertrauensvoll bezeichneten, sei insoweit unerheblich. Denn über die Frage des Verbleibs im Beamtenverhältnis hätten die Disziplinargerichte unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu entscheiden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen. Dem Senat haben auch die behördliche Disziplinarakte, die Personal- und Strafakten sowie die Prüfungsarbeiten vorgelegen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Wegen des begangenen Dienstvergehens war nicht auf die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu erkennen, sondern die Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung auszusprechen.
18
1. Der Senat legt seiner Entscheidung die in der Disziplinarklage geschilderten Vorwürfe zugrunde, die Gegenstand der rechtskräftigen Verurteilung durch das Amtsgericht Wunsiedel vom 30. August 2018 waren. Dessen tatsächliche Feststellungen sind für den Senat nach Art. 63 Abs. 1, Art. 55, Art. 25 Abs. 1 BayDG bindend. Die diesbezüglichen Vorwürfe hat der Beklagte im disziplinarrechtlichen Verfahren eingeräumt.
19
Der Beklagte hat demnach in den Jahren 2015, 2016 und 2017 an insgesamt 56 Prüfungsarbeiten in der Abschlussprüfung im Fach Englisch Manipulationen vorgenommen und Fehler der Schülerinnen und Schüler verbessert. Dadurch erhielten die Betroffenen in 53 Fällen eine höhere Anzahl von Bewertungspunkten und in 15 Fällen hiervon eine bessere Note als sie sie ohne die Manipulationen bekommen hätten. Es ist in der Rechtsprechung unstrittig, dass eine Klassenarbeit eine Urkunde ist (BGH, U.v. 5.6.1962 - 5 StR 143/62 - BGHSt 17, 297; Weidemann in BeckOK StGB, Stand Nov. 2021, § 267 Rn. 6.1). Damit erfüllt das Verändern schulischer Prüfungsarbeiten den Straftatbestand der Urkundenfälschung (§ 267 StGB).
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2. Durch sein Verhalten hat der Beklagte gegen die ihm obliegenden Dienstpflichten verstoßen (§ 47 Abs. 1 BeamtStG) und schuldhaft die Pflicht verletzt, die Gesetze zu beachten (§ 267 StGB) und sich achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG). Die Urkundenfälschungen hat der Beklagte innerdienstlich begangen, weil sein pflichtwidriges Verhalten in sein Amt und in seine dienstlichen Pflichten eingebunden war (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 - 2 C 6.14 - juris Rn. 11 m.w.N.).
21
3. Nach Art. 14 Abs. 1 BayDG und der dieser Vorschrift inhaltlich entsprechenden Bemessungsregelung des Disziplinargesetzes des Bundes ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens und unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten sowie des Umfangs der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 a.a.O. Rn. 12 m.w.N.).
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3.1 Da die Schwere des Dienstvergehens nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, muss das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des Art. 6 Abs. 1 BayDG aufgeführten Disziplinarmaßnahme zugeordnet werden. Bei der Auslegung des Begriffs „Schwere des Dienstvergehens“ ist maßgebend auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, z.B. Kern- oder Nebenpflichtverletzungen, sowie besondere Umstände der Tatbegehung, z.B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für seine Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 a.a.O. Rn. 16).
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Zur Bestimmung des Ausmaßes des Vertrauensschadens, der durch eine vom Beamten vorsätzlich begangene Straftat hervorgerufen worden ist, greift der Senat auch bei innerdienstlich begangenen Straftaten auf den Strafrahmen zurück (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 a.a.O.; B.v. 5.7.2016 - 2 B 24/16 - juris Rn. 14).
24
Vorliegend stellen die dienstpflichtverletzenden Handlungen, welche auch dem Urteil des Amtsgerichts Wunsiedel zugrunde lagen, schwere Dienstpflichtverletzungen dar. Dies ergibt sich schon daraus, dass für die Straftat der Urkundenfälschung nach § 267 Abs. 1 StGB ein Strafrahmen von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe besteht. Entgegen der Auffassung des Klägers besteht keine Veranlassung, im vorliegenden Fall von besonders schweren Fällen der Urkundenfälschung auszugehen. Bei § 267 Abs. 3 StGB handelt es sich nicht um einen Qualifikationstatbestand, sondern um eine bloße Strafzumessungsregel. Die dort genannten Regelbeispiele - also auch Nr. 4 Tatbegehung unter Missbrauch der Befugnisse oder der Stellung als Amtsträger - sind weder abschließend noch zwingend, so dass die Indizwirkung der Regelbeispiele kompensiert und trotz deren Vorliegen auf den Regelstrafrahmen zurückgegriffen werden kann, wenn in der Tat unrechtsmildernde Faktoren zum Ausdruck kommen (Heine/Schuster in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. 2019, § 267 Rn. 101). Dies ist hier in straf- und, wie unten näher ausgeführt werden wird, disziplinarrechtlicher Hinsicht der Fall. Begeht ein Beamter innerdienstlich eine Straftat, für die das Strafgesetz als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vorsieht (hier sind es bis zu fünf Jahre), reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 - 2 C 6.14 - juris Rn. 20).
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3.2 Die in Ausfüllung dieses Rahmens zu treffende Bemessungsentscheidung nach Maßgabe des Art. 14 BayDG führt zur Versetzung des Beklagten in das Amt eines Studienrats im Realschuldienst (BesGr. A 13 ohne Amtszulage). Eine Regeleinstufung von Urkundenfälschungen, die nicht als Begleittat zu Vermögensdelikten begangen worden sind, ist in der disziplinarrechtlichen Rechtsprechung nicht ersichtlich. Der von Baunack aufgestellte Rechtssatz, eine dienstliche Urkundenfälschung führe regelmäßig zur Entfernung (Köhler/Baunack, BDG, 7. Aufl. 2020, § 10 Rn. 2j) findet sich in der zum Beleg angegebenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht (B.v. 28.1.2015 - 2 B 104.13 - juris). Weder nach geltendem Recht (vgl. VG Ansbach, U.v. 9.5.2011 - AN 12b D 10.01796) noch nach altem Recht ging die Rechtsprechung bei durch Urkundenfälschungen ins Werk gesetzten Prüfungsmanipulationen von einer Regeleinstufung der Entfernung aus (vgl. BayVGH, U.v. 18.9.1991 - 16 D 91.446 - BeckRS 1991, 9452). Auch wenn schwerwiegende Vorsatzstraftaten einen Vertrauensverlust bewirken können, der unabhängig vom jeweiligen Amt zu einer Untragbarkeit der Weiterverwendung als Beamter führen kann (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 a.a.O. Rn. 12, 13), war vorliegend zu berücksichtigen, dass die Taten nicht eigennützig und ohne Bedacht ausgeführt worden sind. Das Gewicht der Pflichtverletzung und die Schwere des Dienstvergehens sind bei den hier begangenen Urkundenfälschungen, die in ihrer deutlich überwiegenden Zahl ohne Auswirkung auf die Notengebung geblieben sind, nicht so gravierend, dass von einem endgültigen Vertrauensverlust ausgegangen werden müsste. Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen ist deshalb hier nicht die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis, sondern die Zurückstufung (Art. 10 BayDG). Dabei bleibt bei dem innerdienstlich begangenen Dienstvergehen der Umstand, dass das Strafgericht nur auf eine Geldstrafe erkannt hat, außer Betracht.
26
3.3 Erschwerend war im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass der Beklagte im Kernbereich seiner Dienstpflichten versagt hat. Die nicht leistungsgerechte Bewertung und die bewusst fehlerhafte Begünstigung von Schülerinnen und Schülern, die der Beklagte bereits seit längerem kannte, begründet erhebliche Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit des Beamten. Korrekturen haben nach bestem Wissen und Gewissen zur Ermittlung des wahren Leistungsstands zu erfolgen. Dies gilt umso mehr bei Abschlussarbeiten, die vom landesweiten Wettbewerbscharakter der Prüfung geprägt sind. Das willkürliche Handeln des Beklagten kann nicht gerechtfertigt oder entschuldigt werden; der Beklagte hat mit seinen Erklärungsversuchen für sein Verhalten auch eine ausreichende Reflexion, dass in seinem Verhalten gleichzeitig eine Benachteiligung der anderen Schülerinnen und Schüler lag, vermissen lassen. „Pädagogische Motive“ für die Taten gibt es schlichtweg nicht. Zu berücksichtigen war des Weiteren, dass drei Prüfungsjahrgänge von den Manipulationen des Beklagten betroffen waren. Zudem hat er 2017 mehrmals versucht, einen anderen Zweitkorrektor zu finden, der seine verfehlten Bewertungen mittragen sollte.
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3.4 Zu Gunsten des bislang straf- und disziplinarrechtlich nicht vorbelasteten Beklagten konnte in die Zumessung der Disziplinarmaßnahme einfließen, dass er sich bei den Kollegen für sein Verhalten entschuldigt hat und bislang gute dienstliche Leistungen erbracht hat. Das Persönlichkeitsbild der Schulleiterin vom 11. Februar 2019 (Bl. 136 DA) zeigt, dass der Beklagte trotz der disziplinarisch zu ahndenden Taten weiterhin wertgeschätzt wird. Seine Motivation, einerseits den Schülern etwas Gutes zu tun und ihnen dabei vielleicht etwas beim Übertritt in das Berufsleben zu helfen und andererseits mit den besten Durchschnitten im Kollegenkreis gut dazustehen, überschritt nicht die Grenze zum verpönten Eigennutz. Die Stellung als Seminarlehrer hatte er bereits ohne die mit der Disziplinarklage verfolgten Manipulationen erreicht; dass er diese Manipulationen auch nach seiner Beförderung zum Studienrat im Realschuldienst mit Amtszulage zum 1. Dezember 2015 fortführte, zeigt, dass er diese nicht in einem Zusammenhang mit dem eigenen beruflichen Fortkommen gesehen hatte. Die wenig bedachte Tatausführung zeigt sich zum einen daran, dass auch Verbesserungen in Prüfungsteilen vorgenommen wurden, in denen die Rechtschreibung nicht bewertungsrelevant war. Zum anderen kann dem Beklagten zu Gute gehalten werden, dass die Tatausführung nicht darauf berechnet war, mit den Manipulationen stets einen bewertungsrelevanten Erfolg zu erzielen. Denn mit seiner Erfahrung und Kenntnis über in früheren Jahrgängen angelegte Bewertungsmaßstäbe, die nach Auffassung des früheren Schulleiters den zum Zeitpunkt der Bewertung nicht vorliegenden Punkteschlüssel relativ treffsicher vorhersehbar machte (Bl. 4 DA), wären in der Regel notenrelevante Manipulationen ins Werk zu setzen gewesen.
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3.5 Nach Abwägung aller für und gegen den Beklagten sprechenden Umstände kommt der Senat zu der Überzeugung, dass der Beklagte das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit noch nicht vollständig verloren hat. Das Gewicht der Pflichtverletzung und die Schwere des Dienstvergehens sind mit einer Zurückstufung in verhältnismäßiger Weise geahndet. Der Entscheidung des Dienstherrn, den Beamten nach dem Aufdecken seines Fehlverhaltens unverändert oder anderweitig weiter zu beschäftigen, kommt dabei für die Auswahl der angemessenen Disziplinarmaßnahme grundsätzlich keine Bedeutung zu. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kann allenfalls beim Vorliegen besonderer Umstände des Einzelfalls in Betracht kommen (BVerwG, B.v. 27.5.2015 - 2 B 16.15 - juris Rn. 8 m.w.N.). Ob die Weiterverwendung des Beklagten auf dem gleichen Dienstposten auf ein Restvertrauen des Dienstherrn hindeutet, oder ob dieser seine Vorbehalte gegen den Beklagten dadurch hinreichend zum Ausdruck gebracht hat, dass er ihn nicht mehr mit der Unterrichtung von Abschlussklassen und der Bewertung von Abschlussarbeiten betraute, kann offenbleiben. Denn der Beklagte hat sich in Bezug auf sein Fehlverhalten einsichtig gezeigt, so dass eine erzieherische Maßnahme ausreichend erscheint. Wegen der fortgesetzten Tatausführung in vielen Fällen bedurfte es indes zwingend einer statusberührenden Maßnahme.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 BayDG. Da gegen den Beklagten im Verfahren der Disziplinarklage auf eine Disziplinarmaßnahme erkannt worden ist, trägt er die Kosten des Berufungsverfahrens, obwohl er mit seinem Antrag, eine mildere als die vom Verwaltungsgericht verhängte Disziplinarmaßnahme auszusprechen, obsiegt hat.
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Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig geworden (Art. 64 Abs. 2 BayDG).