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VG München, Gerichtsbescheid v. 22.01.2021 – M 7 K 20.432 511
Titel:

Widerruf waffenrechtlicher Erlaubnisse, Ungültigerklärung und Einziehung des Jagdscheins, Rechtskräftige Verurteilung wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr, Keine Ausnahme von der Regelvermutung

Normenketten:
WaffG § 45 Abs. 2 S. 1
WaffG § 4 Abs. 1 Nr. 2
WaffG § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b
WaffG § 46 Abs. 2
BJagdG § 18
Schlagworte:
Widerruf waffenrechtlicher Erlaubnisse, Ungültigerklärung und Einziehung des Jagdscheins, Rechtskräftige Verurteilung wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr, Keine Ausnahme von der Regelvermutung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 16.12.2021 – 24 ZB 21.626
Fundstelle:
BeckRS 2021, 42489

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner waffen- und jagdrechtlichen Erlaubnisse sowie gegen die hierzu ergangenen Folgeanordnungen mit Bescheid des Landratsamts … (im Folgenden: Landratsamt) vom 7. Januar 2020.
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Mit Strafbefehl des Amtsgerichts … (1 Cs 410 Js …) vom … Juli 2019 - rechtskräftig seit dem 7. August 2019 - wurde gegen den Kläger wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 Abs. 1 und 2, § 69, § 69a Strafgesetzbuch - StGB - eine Geldstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen verhängt. Laut Strafbefehl habe der Kläger am … Juni 2019 gegen 23:35 Uhr mit dem PKW …, amtliches Kennzeichen … … die J H1. Straße in … … befahren, obwohl er infolge vorangegangenen Alkoholgenusses fahruntüchtig gewesen sei. Eine bei ihm am … Juni 2019 um 00:09 Uhr entnommene Blutprobe habe eine Blutalkoholkonzentration von 1,73‰ ergeben.
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Der gegen den Strafbefehl mit Schriftsatz vom … Juli 2019 eingelegte Einspruch wurde mit Schriftsatz des im Strafverfahren Bevollmächtigten des Klägers vom ... August 2019 wieder zurückgenommen.
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Mit Schreiben vom 6. November 2019 teilte das Landratsamt dem Kläger mit, dass anlässlich einer Regelüberprüfung seiner waffenrechtlichen Zuverlässigkeit die oben genannte Verurteilung festgestellt worden sei. Nachdem es sich bei dem der Verurteilung zugrundeliegenden Delikt um eine fahrlässige gemeingefährliche Straftat handle, besitze er nicht mehr die waffenrechtlich erforderliche Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b WaffG. Die festgestellte waffenrechtliche Unzuverlässigkeit habe auch die Ungültigerklärung und Einziehung des Jagdscheins zur Folge. Es werde daher beabsichtigt, seine waffen- und jagdrechtlichen Erlaubnisse zu widerrufen. Der Kläger erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme.
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Mit Schriftsatz vom … Dezember 2019 erklärte daraufhin der Bevollmächtigte des Klägers, im Falle des Klägers, einem bis auf die streitgegenständliche Verfehlung unbescholtenen Jagdscheininhaber, sei eine Ausnahme von der Regelunzuverlässigkeit geboten. Es stelle eine absolute Härte dar, wenn der Kläger bei einer Verurteilung zu 59 Tagessätzen bezüglich Jagdschein und waffenrechtlicher Erlaubnisse unbehelligt geblieben wäre, ihm aber bei einer Verurteilung zu einem Tagessatz mehr ohne Wenn und Aber Jagdschein und waffenrechtliche Erlaubnisse entzogen würden. Im Strafverfahren habe der Kläger nichts von der Grenze von 60 Tagessätzen gewusst. Hätte er diese gekannt, hätte er ein Rechtsmittel einlegen können bzw. wäre zu erwarten gewesen, dass das Gericht die Zahl der Tagessätze reduziert, um dem Kläger den Jagdschein nicht zu nehmen. Dem Kläger sei die Verfehlung eine Lehre gewesen. Er werde in Zukunft sehr vorsichtig im Umgang mit Alkohol sein. Zur Glaubhaftmachung werde der Nachweis über eine verkehrstherapeutische Schulung und ein 3-monatiger Abstinenznachweis vorgelegt. Dem Schriftsatz beigefügt waren dementsprechend ein Zertifikat über die Teilnahme an einer verkehrstherapeutischen Schulung (Vorbereitung zur MPU) vom 31. Oktober 2019 sowie ein Gutachten über die Untersuchung von Haaren auf Ethylglucuronid im Rahmen der Fahreignungsdiagnostik der Forensisch Toxikologischen H2. GmbH vom 27. November 2019.
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Mit Bescheid vom 7. Januar 2020 - zugestellt am 11. Januar 2020 - widerrief das Landratsamt die Waffenbesitzkarte Nr. …, ausgestellt am 6. November … und die damit erteilte Erlaubnis zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über die eingetragenen Waffen und Munition (Nr. 1.1). Zudem wurde der dem Kläger erteilte Jagdschein Nr. …, ausgestellt am 20. Juni …, für ungültig erklärt und eingezogen (Nr. 1.2). Der Kläger wurde verpflichtet, die Waffenbesitzkarte Nr. … und den Jagdschein Nr. … binnen einer Frist von einem Monat nach Bekanntgabe des Bescheids dem Landratsamt zurückzugeben bzw. zurückzusenden (Nr. 1.3). Zudem wurde der Kläger verpflichtet, die nachfolgend einzeln aufgeführten, in der Waffenbesitzkarte Nr. … eingetragenen Waffen und Munition binnen eines Monats ab Bekanntgabe des Bescheids einem Berechtigten zu überlassen oder dauerhaft unbrauchbar zu machen sowie Nachweise der Überlassung oder Unbrauchbarmachung dem Landratsamt unverzüglich, spätestens jedoch binnen einer Frist von einem Monat nach Bekanntgabe des Bescheids, vorzulegen (Nr. 1.4). Die sofortige Vollziehung der Nrn. 1.2, 1.3 und 1.4 wurde angeordnet (Nr. 2). Für den Fall, dass die in Nrn. 1.1 und 1.2 genannten Erlaubnisse nicht fristgemäß im Landratsamt zurückgegeben bzw. zurückgesandt würden, werde ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 EUR je Erlaubnisurkunde fällig (Nr. 3). Dem Kläger wurden die Kosten des Verfahrens auferlegt und es wurden Gebühren und Auslagen in Höhe von insgesamt 197,76 EUR festgesetzt (Nr. 4).
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Zur Begründung wurde ausgeführt, der Widerruf der Waffenbesitzkarten in Nr. 1.1 be ruhe auf § 45 Abs. 2, § 4 Abs. 1 Nr. 2 und § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b WaffG, die Erklärung der Ungültigkeit und Einziehung des Jagdscheins in Nr. 1.2 auf § 18 Satz 1, § 17 Abs. 1 Nr. 2 BJagdG. Eine die Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b WaffG entkräftende Ausnahme liege unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nicht vor. Nach eingehender Prüfung werde verneint, dass sich die verhängte Strafe im Bagatellbereich befinde oder die Umstände, die zur Verurteilung geführt hätten, die Verfehlung des Klägers in einem derart milden Licht erscheinen ließen, dass nach der Wertung des Gesetzes begründete Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit des Klägers durch die Straftat nicht gerechtfertigt seien. Die verhängte Strafe i.H.v. 60 Tagessätzen befinde sich nicht im Bagatellbereich. Zudem hätte der Kläger bei kritischer Würdigung erkennen können und müssen, dass er aufgrund der zu sich genommenen Alkoholmenge fahruntüchtig gewesen ist. Die im Rahmen der Verkehrskontrolle entnommene Blutprobe habe eine Blutalkoholkonzentration von 1,73‰ ergeben und habe somit weit über dem Wert der absoluten Fahruntüchtigkeit (1,1‰) gelegen. Außerdem sei aus der Gerichtsakte zu ersehen, dass der Kläger bereits im Strafverfahren anwaltlich vertreten gewesen sei. So sei gegen den Strafbefehl mit Schreiben vom … Juli 2019 Einspruch eingelegt worden, welcher mit Schreiben vom ... August 2019 wieder zurückgenommen worden sei. Dies widerspreche den Ausführungen des Bevollmächtigten des Klägers. Der Kläger habe vielmehr durchaus die Möglichkeit des Rechtsmittels gegen den Strafbefehl genutzt. Die Anordnung der Rückgabe der Erlaubnisse in Nr. 1.3 beruhe auf § 46 Abs. 1 WaffG bzw. § 18 BJagdG, die Verpflichtung zur Abgabe der Waffen und Munition in Nr. 1.4 auf § 46 Abs. 2 WaffG. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung in Nr. 2 stütze sich auf § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO. Es bestehe ein überragendes Interesse daran, das erhebliche Sicherheitsrisiko, das mit dem Besitz von Waffen und Munition verbunden sei, möglichst gering zu halten und nur bei Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen würden, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgingen. Dieses Vertrauen sei beim Kläger nicht mehr gerechtfertigt. Es überwiege das öffentliche Interesse, die Gefahr eines vorschriftswidrigen Umgangs mit Schusswaffen und Munition mit sofort wirksamen Mitteln zu unterbinden, das private Interesse des Klägers, von den Wirkungen des Widerrufs der waffenrechtlichen Erlaubnis bzw. der Ungültigerklärung des Jagdscheins bis zur Entscheidung in der Hauptsache verschont zu bleiben. Auch sein Interesse am vorläufigen Behalten-Dürfen sei rein privater Natur. Hinsichtlich Nr. 1.3 sei zusätzlich zu berücksichtigen, dass die im Besitz einer Person befindlichen waffen- und jagdrechtlichen Erlaubnisse gegenüber Dritten im Rechtsverkehr, zum Beispiel bei einem Waffenhändler, den Eindruck erwecken würden, dass der Inhaber der Dokumente zum Erwerb von Waffen und Munition berechtigt sei. Dieser Eindruck müsse im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vermieden werden. Der Kläger könnte sich sonst trotz Unzuverlässigkeit wieder neue Waffen und Munition beschaffen. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass der Kläger durch sein Verhalten selbst Zweifel an seiner waffen- bzw. jagdrechtlichen Zuverlässigkeit begründet habe und damit auch weniger schutzwürdig sei. Die Zwangsgeldandrohung stütze sich auf Art. 18 Abs. 1, Art. 29 Abs. 1, 2 Nr. 1, Art. 31 VwZVG. Die Kostenentscheidung beruhe auf den einschlägigen Regelungen des Kostenrechts.
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Gegen diesen Bescheid hat der Bevollmächtigte des Klägers am ... Februar 2020 Klage erhoben.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen das Vorbringen aus dem Schriftsatz vom … Dezember 2019 wiederholt.
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Der Kläger beantragt,
Der Bescheid des Landratsamts vom 7. Januar 2020, Az. … …, wird aufgehoben.
11
Der Beklagte beantragt (sinngemäß),
die Klage abzuweisen,
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und nimmt zur Begründung Bezug auf den Bescheid vom 7. Januar 2020. Ergänzend hierzu wird vorgetragen, dass im klägerischen Vortrag keine weiteren Gesichtspunkte erkennbar seien, die nicht bereits Berücksichtigung gefunden hätten. Eine die Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b WaffG entkräftende Ausnahme liege unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nicht vor.
13
Mit Schriftsatz vom … Februar 2020 hatte der Klägerbevollmächtigte zudem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt (M 7 S 20.623). Mit Beschluss vom 18. März 2020 hat die Kammer den Antrag im einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt. Die hiergegen erhobene Beschwerde hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 19. Mai 2020 (24 CS 20.766) zurückgewiesen.
14
Die Parteien wurden mit Schreiben vom 26. August 2020 zu einer Entscheidung mittels Gerichtsbescheid angehört. Die Parteien haben mit Schreiben vom 7. September 2020 bzw. 11. September 2020 ihr Einverständnis zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid erklärt. Seinem Schreiben fügte der Klägerbevollmächtigte noch den beruflichen und jagdlichen Werdegang des Klägers bei und reichte mit Schreiben vom … September 2020 eine auf die labortechnische Untersuchung von Haaren des Klägers auf Ethylglucunorid gestützte ärztliche Bestätigung über eine Alkoholabstinenz des Klägers im Zeitraum 14. August 2019 bis 24. August 2020 nach.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakte im Verfahren M 7 S 20.623, die beigezogene Strafakte 410 Js … sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

16
Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid ergehen, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist, § 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Parteien wurden gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO angehört.
17
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
18
Der Bescheid des Landratsamts vom 7. Januar 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist nicht der Zeitpunkt der letztinstanzlichen strafgerichtlichen Entscheidung, sondern der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, vorliegend des Bescheidserlasses (vgl. BVerwG, U.v. 16.5.2007 - 6 C 24.06 - juris Rn. 35).
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Der in Nr. 1.1 angeordnete Widerruf der Waffenbesitzkarte gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 i. V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 i.V.m. § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b WaffG ist rechtmäßig.
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Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist eine waffenrechtliche Erlaubnis, vorliegend die Waffenbesitzkarte nach § 10 Abs. 1 WaffG, zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Eine waffenrechtliche Erlaubnis ist nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG zu versagen, wenn der Antragsteller nicht die erforderliche Zuverlässigkeit i.S.v. § 5 WaffG besitzt.
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Nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b WaffG besitzen die erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel Personen nicht, die wegen einer fahrlässigen gemeingefährlichen Straftat zu einer Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen verurteilt worden sind, wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung fünf Jahre noch nicht verstrichen sind.
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Das Gesetz stellt für die in der Regel anzunehmende Unzuverlässigkeit in § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG auf die rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung wegen bestimmter Straftaten ab. Nach Sinn und Zweck des § 5 Abs. 2 WaffG soll das mit jedem Waffenbesitz vorhandene Sicherheitsrisiko möglichst gering gehalten werden. Es soll nur bei Personen hingenommen werden, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit der Waffe jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen (vgl. BT-Drs. 14/7758, S. 54). Die Behörde darf dabei grundsätzlich von der Richtigkeit der strafgerichtlichen Verurteilung ausgehen und sich auf die Prüfung beschränken, ob das die Verurteilung begründende Verhalten im Zusammenhang mit den sonstigen Umständen die Annahme waffenrechtlicher Unzuverlässigkeit rechtfertigt oder ob die Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG aufgrund besonderer Umstände ausnahmsweise ausgeräumt ist. Sinn und Zweck des Gesetzes ergeben danach, dass die Behörde allenfalls in Sonderfällen die strafgerichtlichen Feststellungen ihrer Entscheidung nicht oder nicht ohne weitere Ermittlungen zugrunde legen darf, etwa dann, wenn für sie ohne weiteres erkennbar ist, dass die Verurteilung auf einem Irrtum beruht oder wenn sie ausnahmsweise in der Lage ist, den Vorfall besser als die Strafverfolgungsorgane aufzuklären (vgl. BVerwG, B.v. 22.4.1992 - 1 B 61/92 - juris Rn. 6). Dabei ist bereits eine einzige Verurteilung wegen einer gemeingefährlichen Straftat im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b WaffG ausreichend, die Regelvermutung zu begründen. Diese ist demnach grundsätzlich nicht schon dann entkräftet, wenn der Betroffene sonst strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist. Die Vermutungsregelung setzt zudem nicht voraus, dass außer der Verurteilung weitere nachteilige Umstände über den Waffenbesitzer bekannt geworden sind (vgl. BVerwG, B.v. 19.9.1991 - 1 CB 24/91 - juris Rn. 7 m.w.N.). Ebenso wenig kommt es auf einen Bezug zum Umgang mit Waffen an. Wann die Regelvermutung der Unzuverlässigkeit eingreift, wird nicht vorrangig nach der Art der begangenen Straftat bestimmt, sondern es wird allgemein auf die Rechtsfolgenseite, nämlich auf die Höhe der verhängten Strafe, abgestellt (vgl. BVerwG, B.v. 21.7.2008 - 3 B 12/08 - juris Rn. 5 unter Verweis auf BTDrs 14/7758 S. 128).
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Gegen den Kläger wurde mit rechtskräftigem Strafbefehl des Amtsgerichts … vom … Juli 2019 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 Abs. 1 und 2, § 69, § 69a StGB eine Geldstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen verhängt, so dass der Tatbestand der Regelunzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b WaffG erfüllt ist. Der Strafbefehl steht dabei nach § 410 Abs. 3 StPO einem rechtskräftigem Strafurteil gleich, so dass vorliegend auf den im Strafbefehl erfolgten Strafausspruch abzustellen ist (vgl. BayVGH, B.v. 12.2.2007 - 19 CS 06.2210 - juris Rn. 25). Bei dem Delikt der Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 316 StGB handelt es sich um eine gemeingefährliche Straftat, wie bereits aus der Stellung im 28. Abschnitt „Gemeingefährliche Straftaten“ des Strafgesetzbuches (§§ 306 bis 323c StGB) folgt. Da der Kläger zu einer Geldstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen verurteilt wurde, ist auch die die Regelvermutung der Unzuverlässigkeit begründende Tagessatzanzahl nach § 5 Abs. 2 WaffG erreicht.
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Ein Ausnahmefall, der vorliegend ein Absehen von der Regelvermutung rechtfertigen könnte, ist nicht gegeben.
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Zunächst ist bei einer rechtskräftigen Verurteilung ohnehin von der Richtigkeit der Verurteilung auszugehen und die Prüfung dahingehend zu beschränken, ob die Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG aufgrund besonderer Umstände im Einzelfall ausgeräumt ist (vgl. BayVGH, B.v. 8.2.2007 - 21 ZB 06.2540 - Rn. 5 mit Verweis auf BVerwG, B.v. 22.4.1992 - 1 B 61/92 - zum früheren § 5 Abs. 2 Satz 1 WaffG 1976). Dies betrifft nicht nur die materiellrechtliche Richtigkeit des Urteils bzw. Strafbefehls, sondern auch die Strafzumessung. Nur in besonderen Ausnahmefällen, wenn ohne weiteres erkennbar ist, dass die strafrechtliche Beurteilung auf einem Irrtum beruht oder die Verwaltungsbehörde und das Verwaltungsgericht im Stande sind, den Vorfall ausnahmsweise besser und richtiger zu beurteilen, kommt eine Abweichung von einem rechtskräftigen Urteil bzw. Strafbefehl in Betracht (vgl. BVerwG, B.v. 22.4.1992 - 1 B 61/92 - juris Rn. 6). Vorliegend besteht kein Anlass, an der Richtigkeit des Strafbefehls, insbesondere an der festgesetzten Tagessätzhöhe, zu zweifeln. Insbesondere vermag das Vorbringen des Bevollmächtigten des Klägers keinen Ausnahmefall zu begründen, dieser habe die Grenze von 60 Tagessätzen im Strafverfahren nicht gekannt und aufgrund dessen kein Rechtsmittel eingelegt, welches zu einer Reduzierung der Tagessatzanzahl hätte führen können. Denn der Kläger hat durch seinen Bevollmächtigten im Strafverfahren durchaus zunächst mit Schriftsatz vom … Juli 2019 Einspruch gegen den Strafbefehl einlegen lassen. Dass er diesen mit Schriftsatz vom ... August 2019 wieder hat zurücknehmen lassen, liegt somit alleinig im Verantwortungsbereich des Klägers. Vielmehr wäre es diesem ohne weiteres frei gestanden, den Einspruch aufrecht zu erhalten, um auf diesem Wege eine Reduzierung der Tagessatzanzahl zu erwirken.
27
Des Weiteren kommt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. zuletzt BVerwG, B.v. 21.7.2008 - 3 B 12/08 - juris Rn. 5 m.w.N.; vgl. auch BayVGH in st. Rspr., z.B. B.v. 4.3.2016 - 21 CS 15.2718 - juris Rn. 13) eine Abweichung von der Vermutung nur dann in Betracht, wenn die Umstände der abgeurteilten Tat die Verfehlung ausnahmsweise derart in einem milden Licht erscheinen lassen, dass die nach der Wertung des Gesetzgebers in der Regel durch eine solche Straftat begründeten Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit des Betroffenen bezüglich des Umgangs mit Waffen und Munition nicht gerechtfertigt sind. Maßstab für das Vorliegen eines Ausnahmefalls, der die Verfehlung des Betroffenen in einem milderen, von der waffenrechtlichen Regelwertung abweichenden Licht erscheinen lassen kann, ist allein die Würdigung der Schwere der konkreten Verfehlung und der Persönlichkeit des Betroffenen wie sie in seinem damaligen Verhalten zum Ausdruck kommt (vgl. BVerwG, B.v. 18.9.1991 - 1 CB 24.91 - juris Rn. 5).
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Zwar entspricht die Strafe von 60 Tagessätzen gerade noch dem Rahmen, den § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG insoweit fordert. Allein, dass die Strafe in diesem „Mindestbereich“ angesiedelt ist, rechtfertigt aber ausweislich der Gesetzessystematik nicht ohne weiteres eine Abweichung. Entsprechend den dargelegten Grundsätzen sind bei der Prüfung, ob die Regelvermutung entkräftet werden könnte, jedoch nur tatbezogene Umstände zu berücksichtigen, so sie die abgeurteilten Verfehlungen ausnahmsweise in einem derart milden Licht erscheinen lassen könnten, dass die nach der Wertung des Gesetzgebers im Regelfall begründeten Zweifel an der Zuverlässigkeit im konkreten Fall nicht gerechtfertigt sind. Dabei ist die Schwere der konkreten Verfehlung zu würdigen, zum Beispiel dahin, ob sie lediglich Bagatellcharakter hat sowie die Persönlichkeit des Betroffenen, wie sie in seinem Verhalten zum Ausdruck kommt (vgl. BayVGH, B.v. 11.5.2009 - 21 CS 09.520 juris - Rn. 4 m.w.N.). Vorliegend hat die Tat jedoch weder Bagatellcharakter noch erscheint sie aufgrund von Besonderheiten im Verhalten des Klägers in einem milderen Licht. Der Kläger hat vielmehr dadurch, dass er am … Juni 2019 gegen 23:35 Uhr mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,73‰ - und damit deutlich im Bereich der absoluten Fahruntüchtigkeit (vgl. hierzu Hecker in Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 30. Aufl. 2019, § 316 Rn. 8) - mit einem Pkw am öffentlichen Straßenverkehr teilgenommen hat, deutlich aufgezeigt, dass er mit Gefahren, die von seinem Verhalten für Leben, Gesundheit oder Eigentum Dritter ausgehen, zu sorglos umgeht. Die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden sind, sind aber nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen. Dass der Kläger in der Vergangenheit straf- oder waffenrechtlich nicht auffällig wurde, ändert daran nichts, da die Prüfung des Ausnahmefalls in erster Linie tatbezogen erfolgt und bereits eine einzige Verurteilung die Regelvermutung begründet (vgl. dazu BayVGH, B.v. 11.5.2009 - 21 CS 09.520 - juris Rn. 6). Auch aus dem vom Klägerbevollmächtigten vorgelegten beruflichen Werdegang oder dem jagdlichen Lebenslauf des Klägers lässt sich nichts ableiten, das die konkret abgeurteilte Verfehlung des Klägers seinem Verhalten oder seiner Persönlichkeit nach in einem besonders milden Licht erscheinen lassen könnte. Nichts anderes ergibt sich schließlich auch aus dem vom Bevollmächtigten des Klägers vorgelegten Zertifikat über die Teilnahme an einer verkehrstherapeutischen Schulung (Vorbereitung zur MPU) vom 31. Oktober 2019, dem Gutachten über die Untersuchung von Haaren auf Ethylglucuronid im Rahmen der Fahreignungsdiagnostik der Forensisch Toxikologischen H2. GmbH vom 27. November 2019 oder der ebenfalls auf eine labortechnische Untersuchung von Haaren des Klägers auf Ethylglucunorid gestützten ärztlichen Bestätigung über eine Alkoholabstinenz im Zeitraum 14. August 2019 bis 24. August 2020. Denn dem Kläger wurden seine waffen- und jagdrechtlichen Erlaubnisse vorliegend nicht aufgrund Eignungszweifeln oder Ungeeignetheit i.S.v. § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2, § 6 WaffG, sondern aufgrund fehlender Zuverlässigkeit i.S.v. § 4 Nr. 2 Alt. 1, § 5 WaffG entzogen (s.o.). Soweit der Bevollmächtigte des Klägers in diesem Zusammenhang zudem vorbringt, dass die vorgelegten Bescheinigungen Beleg dafür seien, dass die Verfehlung dem Kläger eine Lehre gewesen sei und er in Zukunft vorsichtig im Umgang mit Alkohol sein werde, ist dies nicht geeignet, das der Verurteilung des Klägers zugrundeliegende Verhalten in einem besonders milden Licht erscheinen zu lassen. Denn diese stellen lediglich eine Reaktion auf die bereits erfolgte Verfehlung dar und sind daher erst im Rahmen eines etwaigen Verfahrens auf Neuerteilung der waffen- und jagdrechtlichen Erlaubnisse nach Ablauf der Sperrfrist des § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG zu berücksichtigen.
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Dementsprechend ist auch die Ungültigerklärung und Einziehung des Jagscheins § 18 Satz 1 BJagdG gemäß § 18 Satz 1 BJagdG i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 BJagdG i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG in Nr. 1.2 des Bescheids rechtmäßig. Denn nach § 18 Satz 1 BJagdG ist die zuständige Behörde in Fällen des § 17 Abs. 1 BJagdG verpflichtet, den Jagdschein für ungültig zu erklären, wenn Tatsachen, welche die Versagung des Jagdscheins begründen, erst nach Erteilung des Jagdscheins eintreten oder der Behörde, die den Jagdschein erteilt hat, bekannt werden. Nach § 17 Abs. 1 Satz 2 BJagdG darf nur ein Jagdschein nach § 15 Abs. 7 BJagdG (Falknerjagdschein) erteilt werden, wenn die Zuverlässigkeit oder die persönliche Eignung im Sinne der §§ 5 und 6 des Waffengesetzes fehlen. Entsprechend den obigen Ausführungen verfügt der Kläger jedoch nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a WaffG nicht über die erforderliche Zuverlässigkeit.
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Schließlich bestehen auch gegen die mit dem Widerruf der waffen- und jagdrechtlichen Erlaubnisse verbundenen notwendigen Anordnungen in Nr. 1.3 (Verpflichtung zur Rückgabe der Erlaubnisse im Original), Nr. 1.4 (Verpflichtung zur Überlassung bzw. Unbrauchbarmachung der Waffen und Munition) und Nr. 3 (Zwangsgeldandrohung) keine rechtlichen Bedenken. Die Folgeentscheidungen dienen der Umsetzung des Widerrufs der waffen- und jagdrechtlichen Erlaubnisse und stellen die tatsächliche Umsetzung des Entzugs der formellen Erlaubnisberechtigung durch sofortige Abgabe der Erlaubnisurkunden sicher. Soweit dem Landratsamt dabei Ermessen eingeräumt ist, sind Ermessensfehler nicht ersichtlich. Auch gegen die Kostenentscheidung (Nr. 4) sind rechtliche Bedenken weder vorgetragen noch ersichtlich.
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Daher war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.