Titel:
Kausalzusammenhang zwischen Unfall und Gesundheitsbeeinträchtigung; mitwirkende Krankheit
Normenketten:
ZPO § 286, § 287
AUB 2014 Ziff. 3
Leitsatz:
Zum Nachweis des adäquaten Kausalzusammenhangs zwischen Unfall und Gesundheitsbeeinträchtigung, wenn der Versicherte infolge eines Leitersturzes Prellungen erlitten hat und ihm später die Zehen am rechten Fuß und der linke Unterschenkel amputiert werden mussten (Mitursächlichkeit des Unfalles für die Invalidität hier bei einem Versicherten verneint, der bereits vor dem Unfall an einem neuropathischen diabetischen Fußsyndrom beidseits bei langjährigem Diabetes mellitus litt; ferner bei unterstellter Mitursächlichkeit Annahme einer Mitwirkung unfallfremder Krankheiten von 100%). (Rn. 15 – 37) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Unfallversicherung, Prellung, Amputation, Diabetes mellitus, Invalidität, mitwirkende Ursachen, Kausalität, Vorerkrankungen
Fundstellen:
LSK 2021, 42109
BeckRS 2021, 42109
r+s 2023, 1006
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 113.372,40 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Klägerin macht Ansprüche aus einer Unfallversicherung geltend.
2
Die Parteien sind über einen Vertrag über eine private Unfallversicherung mit der Versicherungsnummer 2.839.347/3/02 verbunden (vgl. Versicherungsschein, Anlage K1). Versicherte Personen sind sowohl die Klägerin selbst als auch ihr Ehemann Manfred Bauer, geboren 02.07.1945. Vereinbart ist eine Invaliditätsgrundsumme in Höhe von 118.784,00 €. Vertragliche Grundlagen sind die Allgemeinen Unfallversicherung-Bedingungen sowie die Besonderen Bedingungen für die Unfallversicherung mit erhöhter progressiver Invaliditätsstaffel und einer gesonderten Mehrleistung bei einem Invaliditätsgrad ab 90 % (PVAG AUB 94 sowie Progression über 20 % ML, Anlage K2).
3
Am 30.09.2017 erlitt der Ehemann der Klägerin einen Unfall. Er befand sich in einer Standhöhe von ca. 1,80 m auf einer Leiter, um eine Dachrinne zu reinigen. Dabei verlor er das Gleichgewicht, sprang von der Leiter ab und landete auf den Füßen in einem Gartenbeet.
4
Die Klägerin meldete den Unfall bei der Beklagten zunächst telefonisch. Die Beklagte trat daraufhin in die Leistungsprüfung ein und die Klägerin übersandte eine Vielzahl von Arztberichten (siehe auszugsweise Anlage B2) sowie eine ausgefüllte Schadensanzeige vom 25.02.2018 (Anlage B3). Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 26.03.2018 (Anlage K6) die Ansprüche der Klägerin ab. Mit anwaltlichem Schreiben vom 29.08.2018 (Anlage K7) ließ die Klägerin die Ansprüche gegenüber der Beklagten geltend machen. Die Beklagte blieb bei ihrer Leistungsablehnung (Schreiben vom 01.10.2018, Anlage B5).
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Die Klägerin behauptet, durch den Sturz ihres Ehemanns sei es zu Gewebseinrissen im rechten Vorfußbereich gekommen. In der Folgezeit seien Keime eingedrungen und es habe sich eine größere Blase im rechten Großzehengrundgelenk gebildet. Die Infektion habe sich im rechten Vorfuß ausgebreitet, wodurch schließlich nach vergeblicher Lokalbehandlung am 16.10.2017 im Klinikum Marktredwitz die Amputation der rechten Großzehe und am 05.01.2018 die Amputation der 2. Zehe rechts habe erfolgen müssen.
6
Im linken Sprunggelenk sei durch den Sturz eine Prellung entstanden. Innerhalb einer Zeit von vier Wochen habe sich im geschädigten linken Sprunggelenk ein Eiter-Empyem entwickelt, was nach mehrfachen vergeblichen Eingriffen und einer weiteren septischen Weichteilentzündung letztendlich zu einer am 23.02.2018 durchgeführten Unterschenkelamputation links geführt habe.
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Sowohl die Amputation der Zehen rechts als auch die Amputation des linken Unterschenkels seien kausal auf den Unfall vom 30.09.2017 zurückzuführen. Beim Ehemann der Klägerin liege deshalb eine unfallbedingte Invalidität vor. Aufgrund der Amputation des linken Beines sei von einer Invalidität von 50 % auszugehen. Für die Amputation des Großzehen rechts mit Resektion des MD I-Köpfchens seien weitere 12 % anzusetzen, für den Verlust der 2. Zehe rechts weitere 2 %. Insgesamt ergebe sich eine unfallbedingte Invalidität des Ehemannes der Klägerin unter Berücksichtigung der vereinbarten Progression von 94 %, was ausgehend von der vereinbarten Versicherungssumme von 118.784,00 € einen Betrag von 111.656,96 € ergebe. Da der Ehemann der Klägerin zum Zeitpunkt des Unfalls das 65. Lebensjahr bereits vollendet hatte, seien nach § 7 I (1) und § 14 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen Rentenleistungen zu erbringen. Für das 3. Quartal 2017 bis einschließlich zum 01.07.2020 habe die Beklagte einen Betrag von 49.810,72 € zu erbringen. Ab dem 02.07.2020 habe die Beklagte jährliche Beträge von 18.160,48 € zu erbringen, wobei die Zahlung quartalsweise in Höhe von jeweils 4.540,12 € bis längstens zum Tod der versicherten Person zu erfolgen habe. Schließlich habe die Beklagte auch die Kosten für die Einschaltung eines Rechtsanwalts zur Geltendmachung der Ansprüche in Höhe von 3.803,24 € zu ersetzen.
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Die Klägerin beantragt:
- 1.
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Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 49.810,72 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 32.462,61 € seit dem 20.09.2018 bis Rechtshängigkeit und ab Rechtshängigkeit aus 49.810,72 € zu bezahlen.
- 2.
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Die Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, an die Klägerin eine Invaliditätsrente ab dem 02.07.2020 in Höhe von jährlich 18.160,48 €, zahlbar vierteljährlich im Voraus, beginnend mit dem 01.07.2020 und sodann jeweils zum 01.10., 01.01., 01.04., 01.07. eines jeden Jahres in Höhe von jeweils 4.540,12 € bis zum Ende des Quartals, in dem Herr M1. B2. versterben wird, zu bezahlen.
- 3.
-
Die Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, der Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 3.803,24 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 32.462,61 € seit Rechtshängigkeit zu erstatten.
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Die Beklagte beantragt,
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Die Beklagte wendet ein, die Amputationen der 1. und 2. rechten Zehe sowie des linken Unterschenkels beim Ehemann der Klägerin seien nicht auf das streitgegenständliche Unfallereignis, sondern auf dessen Diabeteserkrankung zurückzuführen. Schon das Vorhandensein unfallbedingter Gewebseinrisse sei nicht nachweisbar. Gleiches gelte für die Behauptung der Klägerin, durch derartige Gewebseinrisse seien Keime eingedrungen, welche sich im Vorfuß entzündlich ausgebreitet hätten. Der entzündliche und nicht mehr ausheilende Zustand an den Zehen und am linken Bein des Ehemannes der Klägerin sei allein auf dessen Diabetes mellitus zurückzuführen. Der Ehemann der Klägerin habe bereits vor dem Unfallereignis beidseitig unter einem Charcot-Fuß gelitten. Ohne die diabetesbedingten Vorschäden an den Füßen des Klägers wären etwaig nachweisbare unfallbedingt erlittene Verletzungen folgenlos ausgeheilt. Es sei daher von einem unfallfremden Mitwirkungsanteil von 100 % auszugehen.
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Die Beklagte meint, dem Kläger würden deshalb schon dem Grunde nach keine Ansprüche aus der Invaliditätsversicherung zustehen. Im Übrigen seien die Berechnungen des Klägers übersetzt. Die Progressionsregelung greife nur ein, wenn der Unfall vor Vollendung des 65. Lebensjahres zu einer Invalidität des Versicherungsnehmers oder der versicherten Person geführt habe. Ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten bestehe nicht, jedenfalls nicht in der geltend gemachten Höhe.
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Hinsichtlich der Einzelheiten des Vortrags der Parteien wird auf deren Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dr. med. M2. E2., welches dieser im Termin am 18.03.2021 ergänzend erläutert hat. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das am 07.10.2020 bei Gericht eingegangen Gutachten (Bl. 99 ff. d.A.) sowie auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 18.03.2021 (Bl. 174 ff. d.A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch aus dem Unfallversicherungsvertrag.
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1. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Klägerin der Nachweis eines kausalen Zusammenhanges zwischen dem Unfallereignis ihres Ehemannes am 30.9.2017 und den Amputationen der Zehen am rechten Fuß sowie des linken Unterschenkels nicht gelungen.
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a) Die Klägerin muss die adäquate Ursächlichkeit des Unfallereignisses vom 30.9.2017 für die Gesundheitsbeeinträchtigungen ihres Ehemannes durch die Amputationen beweisen, wobei Mitursächlichkeit genügt (vgl. BGH, Urteil vom 19.10.2016 - IV ZR 521/14; OLG Saarbrücken, Urteil vom 16.3.2011 - 5 U 464/08). Dieser Vollbeweis ist aber nur für das Unfallereignis und die dadurch entstandene Gesundheitsbeschädigung zu führen. Ob die Amputationen und die Invalidität auf dieses Geschehen zurückzuführen sind, ist dagegen gemäß § 287 Abs. 1 ZPO zu beurteilen (BGH, Urteil vom 23.9.1992 - IV ZR 157/91). Für die tatrichterliche Überzeugungsbildung reicht dann eine überwiegende, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit gegenüber anderen Geschehensabläufen aus, dass die behauptete Unfallfolge in kausalem Zusammenhang mit dem Unfallereignis steht (BGH, Urteil vom 17.10.2001 - IV ZR 205/00).
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b) Nach der Beweisaufnahme ist der Klägerin lediglich der Beweis dafür gelungen, dass ihr Ehemann am 30.9.2017, als er auf einer Leiter das Gleichgewicht verlor, deshalb absprang und auf den Füßen in einem Gartenbeet landete, Prellungen beider Sprunggelenke erlitten hat.
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Zu diesem Ergebnis gelangte der Sachverständige Dr. E2. in seinem schriftlichen Gutachten nach sorgfältiger Auswertung der ihm zur Verfügung stehenden Behandlungsunterlagen (GA S. 32, 36). An diesen auch für einen medizinischen Laien nachvollziehbaren Schlussfolgerungen des Sachverständigen, der dem Gericht aus einer Vielzahl von Verfahren als zuverlässig und kompetent bekannt ist, bestehen keine vernünftigen Zweifel. Ergänzende Fragen konnte der Sachverständige in der Verhandlung am 18.03.2021 schlüssig und nachvollziehbar beantworten.
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Das Gutachten des Sachverständigen ist daher umfassend verwertbar. Der Einholung eines weiteren Gutachtens gemäß § 412 Abs. 1 ZPO bedarf es nicht.
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Zu äußeren Verletzungen unmittelbar nach dem Sturzereignis vom 30.9.2017 ist es bei dem Ehemann der Klägerin nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht gekommen.
21
Der Sachverständige hat bereits in seinem schriftlichen Gutachten nachvollziehbar und sorgfältig herausgearbeitet, dass in den Unterlagen nicht dokumentiert sei, dass der Ehemann der Klägerin bei dem Vorfall am 30.9.2017 Hautverletzungen, wie z.B. Risse im rechten Vorfußbereich, erlitten habe. Der Hausarzt des Klägers, Herr Dr. S., habe lediglich in einem einzigen Attest vom 12.3.2019 einmalig von „kleinen Gewebeeinrissen im Vorfußbereich“ geschrieben. Auch habe der Ehemann der Klägerin dem Sachverständigen selbst gegenüber Wunden infolge des Sturzes verneint (GA S. 35/36). In der Verhandlung am 18.3.2021 hat der Sachverständige schließlich auch schlüssig erläutert, dass die Behauptung der Klägerin, es seien durch Wunden im rechten Vorfußbereich Bakterien eingedrungen, die eine Entzündung ausgelöst hätten, auch pathophysiologisch nicht nachvollziehbar sei. So setze die Blasenbildung zunächst eine intakte Haut voraus, so dass sich Flüssigkeit unter der Haut ansammeln könne. Irgendwann komme es dann zum Aufbrechen der Blase, also zum Aufreißen der Haut. Wenn bereits Gewebeeinrisse vorhanden gewesen wären, dann hätte die Flüssigkeit austreten können und es hätte sich keine Blase bilden können (Protokoll S. 4/5).
22
Im Ergebnis hat die Beweisaufnahme somit eindeutig ergeben, dass der Ehemann der Klägerin infolge des Unfalls am 30.9.2017 keine äußeren Verletzungen an den Füßen erlitten hat. Die Vernehmung des Hausarztes Dr. S. war angesichts der überzeugenden und eindeutigen Ausführungen des Sachverständigen Dr. E2. nicht erforderlich.
23
c) Es steht jedoch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme - auch unter Anwendung des reduzierten Beweismaßes gemäß § 287 Abs. 1 ZPO - nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass ein Kausalzusammenhang zwischen den unfallbedingten erlittenen Prellungen der Sprunggelenke und den in der Folgezeit durchgeführten Amputationen der beiden Zehen am rechten Fuß und des linken Unterschenkels besteht.
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Bei der Beurteilung der Kausalitätsfrage muss berücksichtigt werden, dass nach den Feststellungen des Sachverständigen beim Ehemann der Klägerin zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Unfalls am 30.9.2017 bereits gut dokumentiert ein neuropathisches diabetisches Fußsyndrom (DFS) beidseits bei langjährigem Diabetes mellitus vorgelegen habe. Dieses sei zum Unfallzeitpunkt bereits so stark fortgeschritten und derart leicht ansprechbar gewesen, dass jedes alltägliches Bagatelltrauma den vom Ehemann der Klägerin erlittenen Krankheitsverlauf in einem vergleichbaren Zeitraum hätte auslösen können (GA S. 33/34, 36/37).
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Zwar ist zu beachten, dass in der privaten Unfallversicherung für einen adäquaten Kausalzusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsbeeinträchtigung genügt, dass das Unfallereignis an der eingetretenen Funktionsbeeinträchtigung mitgewirkt hat, wenn diese Mitwirkung nicht gänzlich außerhalb aller Wahrscheinlichkeit liegt; eine wesentliche oder richtungsgebende Mitwirkung ist - anders als im Sozialversicherungsrecht - nicht zu verlangen (vgl. BGH, Urteil vom 19.10.2016 - IV ZR 521/14).
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Dennoch kann hier ein Kausalzusammenhang nicht festgestellt werden. Der Sachverständige E2. führte aus, dass nicht nur das streitgegenständliche Unfallereignis vom 30.9.2017, sondern jedes Bagatelltrauma theoretisch geeignet gewesen sei, den Entzündungsprozess, der letztendlich in den Amputationen gipfelte, auszulösen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Prellung bzw. die Stauchung der Fußgelenke Auslöser für die Folgeerscheinungen beim Ehemann der Klägerin gewesen ist, schätzte der Sachverständige auf unter 50 % ein (Protokoll S. 3). Dies begründete der Sachverständige für das Gericht nachvollziehbar wie folgt:
„Hinsichtlich der Blasenbildung im Bereich des Großzehen rechts sei es bereits zuvor zweimal zu einer Blasenbildung gekommen, ohne dass dort ein Trauma als Auslöser festzustellen gewesen sei. Vielmehr habe sich dies aufgrund schlechten Schuhwerkes entwickelt (Protokoll S. 3; GA S. 36 und GA S. 7-9, wo der Sachverständige die Behandlungsunterlagen, auf denen seine Feststellungen beruhen, zitiert).“
27
Hinsichtlich des Empyems, das sich im linken Sprunggelenk entwickelt hatte, stellte der Sachverständige fest, dass sich eine ausgeprägte Arthropathie des Sprunggelenkes nicht unmittelbar nach dem Unfall, sondern erst einen Monat später entwickelt habe. Wie der Sachverständige in seinem Gutachten herausarbeitete, erfolgte die stationäre Aufnahme des Ehemannes der Klägerin wegen dem Sprunggelenksemblem links erst am 31.10.2017 und damit ca. 1 Monat nach dem Unfallereignis vom 30.9.2017. Eine solche Arthropatie des Sprunggelenkes entstehe nicht aufgrund eines Bagatelltraumas, sie könne auch durch anderweitige Belastungen, wie zum Beispiel längeres Herumlaufen, bei einem diabetisch vorgeschädigten Fuß ausgelöst werden. Genauso gut sei es möglich, dass die Aktivierung der Osteopathie bei einem Diabetespatienten ohne feststellbare Ursache ausgelöst werde, also spontan auftrete. Wie es im vorliegenden Fall bei Herrn B2. gewesen sei, sei nicht feststellbar (Protokoll S. 3/4).
28
Der Sachverständige führte in seinem schriftlichen Gutachten deshalb aus, dass das streitgegenständliche Unfallereignis vom 30.9.2017 ohne Probleme hinweggedacht werden könne, ohne dass gleichzeitig der Krankheitsverlauf mit Entzündungen und Amputationen entfiele. Der in den Arztberichten dokumentierte Krankheitsverlauf sei aus medizinischer Sicht schlüssig und plausibel allein basierend auf der Grunderkrankung des Diabetes mellitus mit diabetischen Fußsyndrom erklärbar (vgl. GA S. 33).
29
Soweit der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten (dort S. 37 unter Punkt 8.) geschrieben hat, dass das Unfallereignis selber als Bagatelltrauma die Aktivierung der zu diesem Zeitpunkt leicht ansprechbaren Grunderkrankung „getriggert“ habe, so hat der Sachverständige in seiner mündlichen Anhörung klargestellt, dass dies nur eine Möglichkeit darstelle. Einen positiven Kausalzusammenhang konnte der Sachverständige nicht feststellen und wollte er in mit seinen Ausführungen auch nicht zum Ausdruck bringen (Protokoll S. 4).
30
Unter Berücksichtigung all dieser Umstände ist der Kausalitätszusammenhang zwischen den nachweislich erlittenen Prellungen und den weiteren gesundheitlichen Folgen nicht geführt. Der Sachverständige konnte eine Kausalität positiv nicht feststellen und taxierte die Wahrscheinlichkeit eines Kausalzusammenhanges mit nachvollziehbarer Begründung auf unter 50 %. Zugleich führte der Sachverständige aus, dass nicht nur das Unfallereignis, sondern jedes alltägliche Bagatelltrauma geeignet war, die vom Ehemann der Klägerin erlittenen gesundheitlichen Folgeerscheinungen zu verursachen. Der Sachverständige erklärte, dass selbst ein spontanes Auftreten von Entzündungszeichen bei einem diabetischen Fuß ohne erkennbaren äußeren Anlass auftreten könne. Es fehlt daher an einer überwiegenden, auf gesicherter Grundlage beruhenden Wahrscheinlichkeit dafür, dass die von der Klägerin behaupteten Unfallfolgen im kausalen Zusammenhang mit dem Unfallereignis stehen.
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Da es am rechten Fuß des Ehemannes der Klägerin bereits zuvor an gleicher Stelle zur Blasenbildung gekommen war, ohne dass ein feststellbares Trauma Auslöser hierfür gewesen ist und weil hinsichtlich des linken Sprunggelenkes ein deutlicher zeitlicher Versatz zwischen dem Unfallereignis und dem aufgetretenen Empyem festzustellen ist, fehlt es auch an einer hinreichenden Grundlage für eine Vermutung der Kausalität.
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Es ist daher nachgewiesen, das der Ehemann der Klägerin infolge des Unfallereignisses am 30.9.2017 Prellungen beider Sprunggelenke erlitten hat. Die Kausalität zwischen den Prellungen und der in der Folgezeit aufgetretenen Entzündungsproblematik, die letztendlich in die Amputationen mündete, ist jedoch nicht erwiesen.
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2. Ein Anspruch der Klägerin auf Versicherungsleistungen würde jedoch selbst dann scheitern, wenn man trotz der obigen Ausführungen von einer (Mit-)Ursächlichkeit der unfallbedingten Prellungen für die Amputationen der beiden Zehen rechts und des linken Unterschenkels ausgehen würde. Denn das Gericht ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, dass in diesem Fall nach § 8 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen von einem Mitwirkungsanteil der Diabeteserkrankung des Ehemannes der Klägerin von 100 % auszugehen ist, so dass dies zum vollständigen Ausschluss des Anspruchs führt.
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Der Sachverständige hat schon im schriftlichen Gutachten ausgeführt, dass er von einer „überragenden ursächlichen Bedeutung“ des neuropathischen DFS für den Krankheitsverlauf ausgehe (GA S. 37). Im Rahmen seiner mündlichen Anhörung führte der Sachverständige ergänzend aus, dass er die Mitwirkungsquote der Diabeteserkrankung mit deutlich über 90 % einschätze. Dies konkretisierte er dahingehend, dass auch eine Mitwirkungsquote von 95 % ohne Weiteres angenommen werden könne (Protokoll S. 4).
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Das Gericht geht aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Falles davon aus, dass die Diabeteserkrankung vorliegend einen Mitwirkungsanteil von 100 % hatte. Das Maß der Berücksichtigung der Krankheit bzw. der Gebrechen ergibt sich aus einer Abwägung, die bestimmt wird von der Schwere des Unfalls einerseits und der Schwere des Vorschadens andererseits. Insoweit ist zu fragen, welche funktionellen Einbußen zu erwarten gewesen wären, wenn allein das Unfallereignis zu gesundheitlichen Folgen geführt hätte und welche aufgrund des Hinzutretens von bereits davor vorhandenen Krankheiten oder Gebrechen eingetreten sind.
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Hier liegt infolge des Unfallereignisses vom 30.9.2017 ein Bagatelltrauma vor. Wie der Sachverständige bestätigte, hat der Ehemann der Klägerin geringfügige Verletzungen erlitten, die bei einem nicht an Diabetes erkrankten Patienten mit Kühlung wahrscheinlich innerhalb von 2 bis 3 Tagen ausgeheilt gewesen wären (Protokoll S. 3). Diese Angaben des Sachverständigen sind vor dem Hintergrund des Unfallereignisses vom 30.9.2017, bei dem der Ehemann der Klägerin aus einer Höhe von 1,5 bis 1,8 m von einer Leiter absprang und auf den Füßen landete, ohne Weiteres nachzuvollziehen. Gleichfalls führte der Sachverständige überzeugend aus, dass ohne die Diabeteserkrankung des Ehemannes der Klägerin ein solcher Verlauf nicht denkbar gewesen wäre (Protokoll S. 4).
37
Es handelte sich demnach um einen Bagatellunfall, der ohne die Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe folgenlos ausgeheilt wäre und keinem Fall bei einem gesunden Menschen zu einer Amputation geführt hätte. Unter Zugrundlegung dessen erscheint nur die Annahme einer 100 %-igen Mitwirkung als gerechtfertigt. Der schicksalshafte Verlauf der Entzündung war im vorliegenden Fall im Wesentlichen durch die Vorerkrankung an Diabetes mellitus geprägt, nicht dagegen durch das Unfallereignis.
38
3. Da die Klägerin in der Hauptsache keinen Anspruch auf Versicherungsleistungen hat, steht ihr gegen die Beklagte auch kein Anspruch auf Ersatz aufgewendeter Rechtsanwaltskosten zu.
39
Die Klage war aus diesen Gründen insgesamt abzuweisen.
40
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 Satz 1 ZPO.
41
Die Streitwerfestsetzung erfolgte nach Maßgaben von §§ 63 Abs. 2 S. 1, 39, 40, 43 Abs. 1, 48 Abs. 1 S. 1 GKG i.V.m. § 9 ZPO.