Titel:
Verkaufsflächenbegrenzung im festgesetzten Sondergebiet
Normenketten:
BauNVO § 11 Abs. 1, Abs. 2 S. 1
BauGB § 31 Abs. 2
Leitsatz:
Hat eine Gemeinde - insoweit ohne Rechtsgrundlage und damit unwirksam - in einem Sondergebiet die Anzahl von kern- bzw. sondergebietstypischen Einzelhandelsvorhaben beschränkt, hat sie diese Festsetzung aber mit einer Verkaufsflächenbegrenzung gekoppelt und besteht das als Sondergebiet ausgewiesene Areal nur aus einem vorhabengeeigneten Grundstück, bleibt die Festsetzung als grundstücksbezogene Verkaufsflächenbegrenzung aufrechterhalten, sofern nach den Grundsätzen der Teilunwirksamkeit bauplanungsrechtlicher Festsetzungen die verbleibende Regelung zur Gewährleistung einer sinnvollen städtebaulichen Ordnung geeignet ist und zudem davon auszugehen ist, dass die Gemeinde die so verbleibende „Rest-Festsetzung“ auch ohne die unwirksame zahlenmäßige Beschränkung erlassen hätte (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.2019 - 4 CN 8.18 - BVerwGE 166, 378 ff.). (Rn. 57)
Schlagworte:
Anspruch auf Bauvorbescheid (verneint), Bekanntmachung von Bebauungsplänen (DIN-Norm-Problematik), flächenbezogene Schallleistungspegel, Verkaufsflächenbegrenzung im festgesetzten Sondergebiet, widersprüchliches Verhalten des Bauherrn (offengelassen), Anspruch auf Befreiung von den Festsetzungen eines Bebauungsplans (verneint), Treu und Glauben, vorhabenbezogene Verkaufsflächenbegrenzung, gebietsbezogene Verkaufsflächenbegrenzung, Einzelhandelsbetrieb, Grundzüge der Planung
Vorinstanzen:
VGH München, Beschluss vom 15.09.2020 – 15 ZB 19.2405
VG Regensburg, Urteil vom 29.10.2019 – RN 6 K 18.556
Rechtsmittelinstanz:
BVerwG Leipzig, Beschluss vom 15.12.2021 – 4 B 12.21
Fundstellen:
LSK 2021, 4194
DÖV 2021, 601
BeckRS 2021, 4194
Tenor
I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Die Klägerin begehrt unter Beantragung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB die Erteilung eines vom Beklagten abgelehnten Bauvorbescheids für die Erweiterung der Verkaufsfläche eines bestehenden Lebensmitteldiscounters (* …Markt) auf dem Grundstück FlNr. …, Gemarkung V … (Baugrundstück), das im Geltungsbereich des mehrfach geänderten Bebauungsplans „G … West“ der beigeladenen Stadt liegt.
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Mit dem am 22. Februar 1999 als Satzung beschlossenen und am 11. November 1999 bekanntgemachten (sodann am 11. September 2019 erneut ausgefertigten sowie am 13. September 2019 erneut rückwirkend bekanntgemachten) ursprünglichen Bebauungsplan „G … West“ wurden im Westen des Stadtgebiets der Beigeladenen diverse Gewerbeflächen ausgewiesen. In einem östlichen Planareal (östlich der heutigen O**straße) wurden neben einem kleineren Mischgebiet ganz im Osten weite Bereiche als Gewerbegebiet („GE“) sowie ein Areal als „Gewerbegebiet mit Einschränkung“ („GEe“) festgesetzt, während im westlichen Teil des Plangebiets (westlich der heutigen O**straße) mit dem dort situierten Baugrundstück zunächst ein Industriegebiet („GI“) ausgewiesen wurde. Laut Nr. 1.5 Satz 1 der textlichen Festsetzungen sind im gesamten Geltungsbereich „isolierte Einzelhandelsbetriebe“ nicht zulässig; gem. Satz 2 der Festsetzung können isolierte Einzelhandelsbetriebe mit im Einzelnen aufgezählten nicht zentrumsrelevanten Sortimenten ausnahmsweise zugelassen werden. Sowohl das Gewerbegebiet als auch das Industriegebiet waren nach dem ursprünglichen Bebauungsplan über das „Perlschnur“-Zeichen Nr. 15.14 der Verordnung über die Ausarbeitung der Bauleitpläne und die Darstellung des Planinhalts (Planzeichenverordnung - PlanzV) in unterschiedliche Bereiche unterteilt, für die über Nutzungsschablonen (vgl. Nr. 15.19 der planlichen Festsetzungen) jeweils divergierende Festsetzungen u.a. zum Maß der baulichen Nutzung galten. Ferner waren über ein definiertes Planzeichen für die einzelnen abgetrennten Bereiche „Maximalwerte der flächenbezogenen Schallleistungspegel LWA‘‘ für die betreffende Teilfläche“ geregelt (vgl. Nr. 15.17 der „planlichen Festsetzungen“). Für die als „GE“ und als „GEe“ festgesetzten Bereiche sollte hiernach jeweils ein Tageswert von 60 dB(A) und ein nächtlicher Wert von 45 dB(A) sowie in den als „GI“ festgesetzten Bereichen jeweils ein Tageswert von 65 dB(A) und ein nächtlicher Wert von 50 dB(A) gelten. Hierzu heißt es unter Nr. 8.0 der textlichen Festsetzungen:
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„Für alle innerhalb des Gewerbegebiets zur Ausführung kommenden Nutzungen ist zum Bauantrag bzw. zum Antrag auf Nutzungsänderung ein schalltechnischer Nachweis vorzulegen, welcher entsprechend den geltenden Berechnungs- und Beurteilungsrichtlinien (DIN 8005 Schallschutz im Städtebau, Teil 1 und TA Lärm, 1998) die Einhaltung der für die entsprechende Teilfläche eingetragenen flächenbezogenen Schallleistungspegel LWA‘‘ bestätigt (siehe Planzeichen Ziff. 15.17).
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Die angegebenen Werte sind immer einzuhalten.
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Unabhängig von diesen Festsetzungen dürfen Geräuschimmissionen (Beurteilungspegel) eines Betriebes auf den benachbarten Grundstücken im Gewerbegebiet die diesbezüglich geltenden Immissionswerte der TA Lärm nicht überschreiten. Bei Bauanträgen für Betriebsleiterwohnungen ist eine schalltechnische Berechnung zu verlangen, welche die Einhaltung der Immissionsrichtwerte entsprechend der TA Lärm bestätigt. (…)“
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Mit einer ersten, am 12. März 2001 als Satzung beschlossenen und am 25. November 2004 bekannt gemachten (sodann am 11. September 2019 erneut ausgefertigten und am 13. September 2019 erneut rückwirkend bekannt gemachten) ersten Bebauungsplanänderung (Änderungsbebauungsplan „G … West Deckblatt 1“) erfolgte über neue „Perlschnur“-Abgrenzungen eine Änderung der unterteilten Bereiche der ausgewiesenen Gewerbeflächen mit angepassten Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung und zu Abgrabungen / Aufschüttungen. Die Industriegebietsfestsetzung im westlichen Plangebiet wurde aufgegeben und stattdessen überwiegend - so auch für das Baugrundstück - durch Gewerbegebietsausweisung („GE“) ersetzt; ein ca. 1,6 ha großer Teilbereich des westlichen Geltungsbereichs (südlich des Baugrundstücks der Klägerin) wurde als Sondergebiet festgesetzt. Laut Nr. 1.4 der textlichen Festsetzungen des Änderungsbebauungsplans erhielt dieses Sondergebiet gem. § 11 BauNVO die Zweckbestimmung „Fachmarkt für Einzelhandel“ mit Festsetzungen zur Verkaufsfläche für bestimmte Sortimente. Nr. 1.5 Satz 1 der textlichen Festsetzungen schließt für die Bereiche außerhalb des Sondergebiets isolierte Einzelhandelsbetriebe grundsätzlich aus; isolierte Einzelhandelsbetriebe mit im Einzelnen aufgezählten nicht zentrumsrelevanten Sortimenten können aber ausnahmsweise zugelassen werden. Nr. 8.0 der textlichen Festsetzungen des „Deckblatt 1“ übernimmt im Wesentlichen die Regelung der Nr. 8.0 der textlichen Festsetzung des Ursprungsbebauungsplans, wobei nach den hierauf bezogenen Festsetzungen in der Planzeichnung für die ausgewiesenen „GE-Flächen“ im westlichen Plangebiet (auf den früheren „GI-Flächen“) die bisherigen Tages- und Nachtwerte beibehalten wurden. Für das neue Sondergebiet wurde auf die Festsetzung von flächenbezogenen Schallleistungspegeln verzichtet. Eine zweite, am 15. September 2003 beschlossene und am 25. November 2004 bekannt gemachte (sodann am 11. September 2019 erneut ausgefertigte sowie am 13. September 2019 erneut rückwirkend bekannt gemachte) Bebauungsplanänderung (Änderungsbebauungsplan „G … West Deckblatt 2“) begrenzte sich auf Änderungen westlich der O**straße. Die ausgewiesenen „GE-Flächen“ erhielten unter Anpassung der Regelungen in den Nutzungsschablonen teilweise neue Zuschnitte, die immissionsschutzrechtlichen Festsetzungen (s.o.) wurden identisch übernommen. Im Übrigen wurde gem. Nr. 1.2 der textlichen Festsetzungen zu „Deckblatt 2“ für das Sondergebiet die branchenspezifische Aufteilung der Gesamtverkaufsfläche neu geregelt. In Nr. 1.3 der textlichen Festsetzungen wurde für die Bereiche außerhalb des Sondergebiets die Regelung des „Deckblatt 1“ zum Ausschluss und zur ausnahmsweisen Zulässigkeit von Einzelhandelsbetrieben übernommen. Die am 26. September 2005 und am 4. Oktober 2005 bekanntgemachte (sodann am 11. September 2019 erneut ausgefertigte und am 13. September 2019 erneut rückwirkend bekannt gemachte) dritte Änderung des Bebauungsplans („G … West Deckblatt 3“) regelte unter Änderung der Nr. 1.2 der textlichen Festsetzungen die Verkaufsflächen und deren Nutzung für das Sondergebiet südlich des Baugrundstücks sortimentsbezogen neu.
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In dem Sondergebiet südlich des Baugrundstücks wurde auf Basis einer Baugenehmigung vom 26. März 2002, zu der in den Folgejahren wiederholt Tekturgenehmigungen erteilt wurden, ein Fachmarktzentrum u.a. mit Verbraucher- und Getränkemarkt errichtet. Laut Tekturgenehmigung vom 16. Januar 2006 umfasst der dort heute noch bestehende (* … Lebensmittelmarkt eine Verkaufsfläche (mit Getränkebereich) von 1.773,94 m².
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Nachdem die Klägerin einen Bauantrag für die Errichtung eines Lebensmittelmarkts auf dem Baugrundstück mit Schreiben vom 29. August 2005 zurückgenommen hatte und das diesbezügliche Baugenehmigungsverfahren mit Bescheid vom 8. September 2005 eingestellt worden war, beschloss der Stadtrat der Beigeladenen am 26. September 2005 die 4. Änderung des Bebauungsplans. Mit diesem (Änderungs-) Bebauungsplan „G … West Deckblatt 4“ wurde für den Bereich des Baugrundstücks auf einer Fläche von insgesamt ca. 0,9 ha, die nach einem über Baugrenzen weitgesteckten Baufenster fast vollständig bebaubar ist, ein „Sondergebiet nach § 11 BauNVO“ festgesetzt. In der Nutzungsschablone für das neue Sondergebiet mit Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung wurde auf die Regelung von flächenbezogenen Schallleistungspegeln verzichtet. Zur Art der baulichen Nutzung enthält Nr. 1.2 der textlichen Festsetzungen für das neue Sondergebiet folgende Regelung:
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„1.2 Sondergebiet gem. § 11 BauNVO
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Zweckbestimmung Lebensmitteldiscounter
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Lebensmittelmarkt bis 900 m² Verkaufsfläche zulässig.“
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Ausnahmsweise können zugelassen werden Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie Betriebsinhaber und Betriebsleiter, die dem Sondergebiet zugeordnet und ihm gegenüber in Grundfläche und Baumasse untergeordnet sind.“
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Laut Planbegründung (Seiten 3, 5) soll die Änderung des Bebauungsplans die veränderten Gegebenheiten aufgrund des Ansiedlungswunsches eines Lebensmitteldiscountmarktes planerisch umsetzen. Der Änderungsbebauungsplan „G … West Deckblatt 4“ wurde am 20. Dezember ausgefertigt und am 22. Dezember 2005 bekannt gemacht. Bereits unter dem 10. Oktober 2005 hatte das Landratsamt mit gemeindlichem Einvernehmen der Beigeladenen die Baugenehmigung für das Vorhaben „Neubau eines Einzelhandelsgeschäfts für Lebensmittel sowie Errichtung einer Werbeanlage“ auf dem Baugrundstück erteilt. Mit Bescheid vom 22. März 2006 erging hierzu eine Tekturgenehmigung (Verkaufsfläche laut den genehmigten Bauvorlagen: 899,87 m²).
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Mit der am 28. Juli 2006 bekanntgemachten 5. Änderung des Bebauungsplans („Bebauungsplan G … West Deckblatt 5“) regelte die Beigeladene die Zulässigkeit isolierter Einzelhandelsbetriebe außerhalb der Sondergebiete bezogen auf bestimmte nicht zentrumsrelevante Sortimente neu.
15
Am 9. September 2013 beschloss die Beigeladene den („Änderungs-) Bebauungsplan „G … West Deckblatt 6“ als Satzung. Dieser enthält für das Sondergebiet mit dem Baugrundstück folgende textliche Festsetzung:
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„1.2 Sondergebiet gem. § 11 BauNVO
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Zweckbestimmung Lebensmitteldiscounter
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Lebensmittelmarkt bis 1.020 m² Verkaufsfläche zulässig.
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Ausnahmsweise können zugelassen werden Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie Betriebsinhaber und Betriebsleiter, die dem Sondergebiet zugeordnet und ihm gegenüber in Grundfläche und Baumasse untergeordnet sind.“
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In der Begründung zum „Deckblatt 6“ heißt es, dass die Planänderung „auf Antrag des Betreibers“ erfolgt sei (Seite 5). Gegenstand der Änderung sei die Anpassung der textlichen Festsetzung bezüglich der maximalen Verkaufsfläche des …Marktes im bestehenden Sondergebiet von derzeit 900 m² auf 1.020 m². Der Satzungsbeschluss zum Änderungsbebauungsplan „Deckblatt 6“ wurde erstmals am 20. September 2013 bekannt gemacht und erst im Anschluss unter dem 2. Oktober 2013 vom 1. Bürgermeister der Beigeladenen ausgefertigt.
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Bereits mit Bescheid vom 26. September 2013 hatte das Landratsamt der Klägerin eine Baugenehmigung für das Vorhaben „Umbau Lager zur Erweiterung der Verkaufsfläche sowie Einbau eines Sonderlagers“ mit einer Verkaufsraumerweiterung laut Bauvorlagen um 124,10 m² erteilt. In einer Anlage zum Bauantrag vom 17. April 2013 hatte die Klägerin die entstehende Gesamtverkaufsfläche unter Abzug eines Anteils von Putz und Verkleidung mit 1.013,96 m² angegeben.
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Unter dem 17. August 2017 beantragte die Klägerin die Erteilung eines Bauvorbescheids zur Feststellung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit eines (Anbau-) Vorhabens „Umbau der …Filiale mit Erweiterung der Verkaufsfläche sowie Umbau Parkplatz“ (Erweiterung der Verkaufsfläche von 1.024 m² auf - nach den im Behördenakt erfolgten Berechnungen - 1.269 m²) unter Erteilung einer Befreiung gem. § 31 Abs. 2 BauGB. In einem beigefügten Vordruckformular mit Unterschrift vom 27. Juli 2017 konkretisierte die Klägerin ihre Fragen zum Vorbescheidantrag wie folgt:
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"Ist die geplante Erweiterung der Verkaufsfläche bauplanungsrechtlich zulässig?
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Die Prüfung, ob zu Lasten der in der Nähe befindlichen Wohnbebauung das Gebot der nachbarlichen Rücksichtnahme verletzt ist, soll nicht Gegenstand des Verfahrens sein, sondern dem Baugenehmigungsverfahren vorbehalten bleiben.“
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Im Antrag vom 17. August 2017 führte die Klägerin ferner aus:
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„Hiermit erbitten wir eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans (Verkaufsflächenobergrenze).“
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Sinn und Zweck der Festsetzung des Sondergebiets war / ist die Errichtung eines Lebensmitteldiscountmarktes. Die geplante Erweiterung dient dazu, den Standort der Bestandsfiliale der zwischenzeitlich eingetretenen Entwicklung anzupassen. Insbesondere die Back- und Pfandräume führen zu einem erhöhten Flächenbedarf. Ebenso sind - wie Sie festgestellt haben dürften - die Gänge breiter und die Regale niedriger geworden. Zur Optimierung der Betriebsabläufe (Anbieten von ‚schnell verkäuflichen‘ Produkten auf Euro-Paletten) ist ebenso ein erhöhter Flächenbedarf eingetreten. Eine Sortimentserweiterung ist anlässlich der Erweiterung nicht beabsichtigt. Wie Sie wissen, wird bundesweit in sämtlichen …-Filialen - bis auf regionale Unterschiede - das identische Sortiment veräußert.
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Aufgrund der letztgenannten Aspekte sind auch negative Auswirkungen auf die Schutzgüter des § 11 Abs. 3 BauNVO nicht zu befürchten. Die Befreiung wäre somit nicht nur städtebaulich vertretbar, sondern auch mit öffentlichen Belangen vereinbar im Sinne von § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB.“
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Nachdem die Beigeladene das gemeindliche Einvernehmen verweigert und mit E-Mail vom 13. Februar 2018 gegenüber dem Landratsamt mitgeteilt hatte, ein Verfahren der Bauleitplanung zur bauplanungsrechtlichen Ermöglichung des Erweiterungsvorhabens nicht einleiten zu wollen, lehnte das Landratsamt mit Bescheid vom 20. März 2018 den beantragten Vorbescheid mit der Feststellung, dass das geplante „Bauvorhaben nicht zulässig ist“, der Sache nach ab. Zur Begründung heißt es im Bescheid, das beantragte Vorhaben mit einer auf 1.269 m² zu erweiternden Verkaufsfläche widerspreche der bauplanungsrechtlichen Festsetzung, wonach die Verkaufsfläche maximal 1.020 m² betragen dürfe. Ausnahmen hierzu sehe der Bebauungsplan nicht vor. Eine weitere Verkaufsflächenerhöhung widerspreche auch einem Grundzug der Planung, sodass eine Befreiung gem. § 31 Abs. 2 BauGB ausgeschlossen sei.
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Am 13. April 2018 erhob die Klägerin beim Verwaltungsgericht Regensburg Klage mit dem Antrag, den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids des Landratsamts vom 20. März 2018 zu verpflichten, den beantragten Bauvorbescheid zu erteilen. Während des erstinstanzlichen Gerichtsverfahrens fertigte der 1. Bürgermeister der Beigeladenen den Änderungsbebauungsplan „Deckblatt 6“ am 11. September 2019 erneut aus; am 13. September 2019 erfolgte durch Amtstafelaushang eine erneute Bekanntmachung unter der Erklärung eines rückwirkenden Inkrafttretens zum 20. September 2013.
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Mit Urteil vom 29. Oktober 2019 wies das Verwaltungsgericht die Versagungsgegenklage ab. In den Entscheidungsgründen wird hierzu ausgeführt, ein Rechtsanspruch der Klägerin auf die Erteilung des beantragten Bauvorbescheids bestehe nicht, weil das streitgegenständliche, gem. Art. 55 Abs. 1 BayBO baugenehmigungspflichtige Vorhaben der Verkaufsflächenbegrenzung des Bebauungsplans in der Fassung der 6. Änderung widerspreche. Ein ursprünglicher formeller Mangel des Änderungsbebauungsplans sei im Nachhinein über ein ergänzendes Verfahren geheilt worden. Die festgesetzte Kontingentierung der Verkaufsfläche für das betroffene Sondergebiet sei, obwohl es sich an sich um eine gebietsbezogene Regelung handele, ausnahmsweise gültig, weil in dem betroffenen Sondergebiet nur ein einziger Handelsbetrieb zulässig sei. Dies habe zur Folge, dass die gebietsbezogene mit der vorhabenbezogenen Verkaufsflächenbeschränkung identisch sei, sodass diese ausnahmsweise auf § 11 Abs. 1 i.V. mit Abs. 2 Satz 1 BauNVO gestützt werden könne. Nach Sinn und Zweck des Bebauungsplans „G … West / Deckblatt 6“, eine angemessene Entwicklungsmöglichkeit nur für einen einzigen Markt abzusichern, sowie nach der in der textlichen Festsetzung enthaltenen Singularformulierung „Lebensmitteldiscountmarkt“ habe der Bebauungsplan vorliegend implizit und denknotwendigerweise nur die Zulässigkeit eines einzigen Handelsbetriebs festgesetzt. Eine eventuelle Unwirksamkeit von Festsetzungen flächenbezogener Schallleistungspegel im ursprünglichen Bebauungsplan sowie in vorangegangenen Bebauungsplanänderungen sei für den hiervon nicht betroffenen jüngsten Änderungsbebauungsplan („Deckblatt 6“) irrelevant. Darüber hinaus folge aus einer möglichen Teilunwirksamkeit des ursprünglichen, nicht funktionslos gewordenen Bebauungsplans bzw. dessen Änderungen in Bezug auf die Festsetzung flächenbezogener Schallleistungspegel keine Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans. Schließlich scheide die Erteilung der beantragten Befreiung aus. Das beantragte Änderungsvorhaben berühre Grundzüge der Planung. Sinn und Zweck der Änderungsplanung zu „Deckblatt 6“ sei es laut der Planbegründung gewesen, im Rahmen des von der Beigeladenen erlassenen Einzelhandelsentwicklungskonzepts eine baurechtlich geordnete Nutzung im Hinblick darauf festzusetzen, dass der zulässige Lebensmitteldiscounter unter Berücksichtigung von Vorgaben der Landesplanung eine gewisse Größe nicht überschreite. Diesem Ziel, das dauerhaft gesichert werde solle, stehe das Vorhaben entgegen. Bei Erteilung einer Befreiung wäre darüber hinaus zu befürchten, dass erneut Erweiterungen stattfänden.
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Mit ihrer vom Senat mit Beschluss vom 15. September 2020 zugelassenen Berufung verfolgt die Klägerin ihr Rechtsschutzbegehren weiter. Die Prüfung der Vereinbarkeit mit dem bauplanungsrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme habe im Vorbescheidantrag ausgeklammert werden können, zumal ein Immissionskonflikt, der der Umsetzung des Vorhabens grundsätzlich - d.h. abgesehen von erst im Baugenehmigungsverfahren zu prüfenden Modalitäten - entgegenstehen könnte, nicht gegeben sei. Hinsichtlich der Beurteilung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit ihres Vorhabens sei von der Unwirksamkeit sämtlicher Bebauungspläne zum G … West auszugehen. Weder die Festsetzungen zu Verkaufsflächenbegrenzungen in Nr. 1.2 des Änderungsbebauungsplans „Deckblatt 6“ und des Änderungsbebauungsplans „Deckblatt 4“ noch die fortgeltenden Festsetzungen von Schallleistungspegeln im (restlichen) Plangebiet seien von einer Regelungsermächtigung gedeckt. Sofern die Nr. 1.2 der textlichen Festsetzung des „Deckblatt 6“ trotz der Singularformulierung und entgegen der Auslegung des Verwaltungsgerichts nicht als beschränkende Festsetzung auf einen einzigen Lebensmittelmarkt bis 1.020 m² Verkaufsfläche ausgelegt werde, sei die Festsetzung als unzulässige gebietsbezogene Begrenzung der Verkaufsfläche zu qualifizieren. Für den Fall der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Auslegung, wonach hiernach nur ein einziger Lebensmittelmarkt im Sondergebiet zulässig sein sollte, werde auf die aktuelle Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verwiesen, wonach für eine nummerische Beschränkung von Einzelhandelszentren - dasselbe gelte für großflächige Einzelhandelsbetriebe - in der BauNVO keine Rechtsgrundlage bestehe. Eine planerhaltende Auslegung sei ausgeschlossen. Es sei nicht davon auszugehen, dass in dem Sondergebiet nur ein vorhabengeeignetes Baugrundstück und per se nur die Möglichkeit der Errichtung eines einzigen großflächigen Einzelhandelsbetriebs bestehe. Anders als bei den in der Rechtsprechung entschiedenen Fällen, bei denen es um Einkaufszentren gegangen sei, bedürfe es für großflächige Einzelhandelsbetriebe keiner vergleichbar großen Grundstücksfläche, zumal auch mehrgeschossige Gebäude und Tiefgaragen den Flächenbedarf noch weiter reduzieren könnten. Aufgrund sehr großzügiger Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung lasse der vorliegende Bebauungsplan für das betroffene Sondergebiet und damit für das Baugrundstück die Möglichkeit mehrerer Gebäude für großflächige Einzelhandelsbetriebe offen. Im Übrigen seien die in dem Ursprungsbebauungsplan sowie in den ersten Änderungsbebauungsplänen zum Immissionsschutz festgesetzten Schallleistungspegel rechtsfehlerhaft, was nicht nur die (Gesamt-) Unwirksamkeit der älteren Bebauungspläne, sondern auch des Änderungsbebauungsplans „Deckblatt 6“ zur Folge habe. Denn Letzterer habe die bisher bestehenden Festsetzungen nachrichtlich übernommen, ohne diese erneut in die Abwägung einzubeziehen. Die Festsetzungen zu den Schallleistungspegeln erfüllten nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Gliederung des Baugebiets i.S. von § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO. Die festgesetzten Schallleistungspegel seien auch inhaltlich zu unbestimmt. Hinweise zur Einsichtnahme in technische Regelwerke als Berechnungsgrundlagen seien weder den Plänen selbst noch deren der Bekanntmachung zu entnehmen. Die festgesetzten Schallleistungspegel stellten zudem in der Sache unzulässige Summenpegel dar, die sich auf das Emissionsverhalten mehrerer Betriebe bezögen. Die festgesetzten Emissionswerte im westlichen Teil des Geltungsbereichs des Bebauungsplans entsprächen den Immissionswerten der TA Lärm, sodass die Zweckbestimmung eines Gewerbegebiets nicht gewahrt sei. Die Planbetroffenen würden verpflichtet, bereits am Emissionsort den Wert einzuhalten, der nach der TA Lärm erst an dem Ort mit der höchsten Schutzbedürftigkeit innerhalb des Plangebiets als Immissionswert eingehalten werden müsste. Diese Diskrepanz gelte für den Ursprungsbebauungsplan umso mehr, als dort - mit denselben Pegelfestsetzungen - entsprechende Beschränkungen sogar für ein ausgewiesenes Industriegebiet getroffen worden seien, wo an sich ganztags Immissionswerte von 70 dB(A) gälten. Auch soweit die textlichen Festsetzungen vom Planbetroffenen die Vorlage schalltechnischer Nachweise zur Einhaltung der festgesetzten Pegel im Genehmigungsverfahren verlangten, gebe es hierfür keine Festsetzungsermächtigung. Der Ursprungsbebauungsplan sei zudem funktionslos geworden, weil ein klassischer Industriebetrieb mit besonders störenden Anlagen i.S. von § 9 Abs. 1 BauNVO dort tatsächlich nicht vorhanden sei. Ihr - der Klägerin - sei es nach Treu und Glauben nicht verwehrt, sich auf die Unwirksamkeit der Nr. 1.2 des Änderungsbebauungsplans „Deckblatt 6“ zu berufen. Entgegen der Begründung des Bebauungsplans habe sie keinen „Antrag“ zur Planänderung gestellt, um ihren Betrieb erweitern zu können. Nachdem die Beigeladene kurz zuvor einen Bebauungsplan für die Ansiedlung eines Lebensmitteldiscountmarkts einer Konkurrenzfirma mit 1.200 m² Verkaufsfläche ausgelegt habe, habe sie bei der Beigeladenen im Dezember 2012 lediglich eine formlose Anfrage zur Erweiterung der Verkaufsfläche gestellt sowie nach deren Ablehnung ihr Anliegen nochmals erläutert. Zudem sehe das öffentliche Baurecht - anders als bei einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan gem. § 12 BauGB - für einen Angebotsbebauungsplan einen Antrag nicht vor, zumal kein Anspruch auf Aufstellung oder Änderung von Bauleitplänen existiere. Der konkrete Umfang der Erweiterung sei auch nicht in einem Vertrag vereinbart worden. Inhaltliche habe die Planung vollständig in der Hand der Beigeladenen gelegen. Aus einer formlosen Anregung, entgegenstehende Festsetzungen für ein konkretes Vorhaben durch ein Planungsverfahren zu ändern, könne ein widersprüchliches Verhalten noch nicht abgeleitet werden. Ein rechtserhebliches Verhalten, zu dem sie sich in Widerspruch setzen könnte, könne ihr nicht vorgeworfen werden. Selbst wenn es ihr als Bauherrin verwehrt wäre, die Unwirksamkeit des Änderungsbebauungsplans „Deckblatt 6“ zu rügen, ergebe sich dessen Unwirksamkeit aus rechtsfehlerhaften Festsetzungen früherer Fassungen. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des streitgegenständlichen Erweiterungsvorhabens richte sich daher ausschließlich nach § 34 BauGB. Hiernach füge sich das streitgegenständliche Vorhaben in die Eigenart der näheren Umgebung ein, die aufgrund des südlich des Baugrundstücks existierenden Einkaufszentrums bzw. großflächigen Lebensmitteleinzelhandelsbetriebs als Gemengelage einzustufen sei. Es sei nicht ersichtlich, dass die moderate Erweiterung einen relevanten zusätzlichen Kaufkraftabfluss verursachen würde, durch den schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche begründet würden.
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Die Klägerin beantragt,
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unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 29. Oktober 2019 den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 20. März 2018 zu verpflichten, den beantragten Bauvorbescheid zu erteilen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen,
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und trägt hierzu vor, aufgrund der Ausklammerung des Rücksichtnahmegebots aus dem Prüfprogramm fehle dem Vorbescheidantrag die Prüffähigkeit. Der Änderungsbebauungsplan „G … West Deckblatt 6“ sei wirksam. Die Verkaufsflächenbeschränkung in Nr. 1.2 der textlichen Festsetzungen lasse sich als zulässige grundstücksbezogene Verkaufsflächenbegrenzung auslegen und aufrechterhalten, weil das betroffene Sondergebiet nur aus einem einzigen Grundstück bestehe. Etwaigen Möglichkeiten der Grundstücksteilung komme keine rechtliche Bedeutung zu. Sollten die Festsetzungen zu den Schallleistungspegeln unwirksam sein, führe dies nicht zur Unwirksamkeit des festgesetzten Sondergebiets, für das sowohl nach dem älteren Änderungsbebauungsplan „Deckblatt 4“ als auch nach dem aktuellen Änderungsbebauungsplan „Deckblatt 6“ - wie beim südlich angrenzenden weiteren Sondergebiet - gerade keine Schallleistungspegel festgesetzt worden seien. Es sei davon auszugehen, dass die Beigeladene an der hier relevanten Sondergebietsfläche auch für den Fall, dass ihr eine etwaige Unwirksamkeit der vorgenannten umliegenden Gewerbegebietsfestsetzungen bewusst gewesen wäre, festgehalten hätte. Insbesondere habe die Beigeladene in der Begründung zur Planänderung „Deckblatt 4“ deutlich gemacht, die Bauleitplanung zur Ermöglichung der Standortverlegung des …-Markts der Klägerin durchgeführt zu haben. Sie habe damit einen gesonderten Planungswillen zum Ausdruck gebracht und mit den Festsetzungen zu „Deckblatt 4“ und hierauf aufbauend zu „Deckblatt 6“ eine selbständige Änderung des Bebauungsplans vorgenommen und zugleich eine entsprechende Abwägungsentscheidung getroffen. Der Klägerin sei es aufgrund der Umstände des vorliegenden Einzelfalls jedenfalls nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf eine etwaige Unwirksamkeit des Bebauungsplans zu berufen. Soweit sich aus der Begründung zum Änderungsbebauungsplan „Deckblatt 6“ ergebe, dass die Planänderung „auf Antrag“ der Klägerin erfolgt sei, sei dies nicht im Sinne eines gesetzlich erforderlichen Antrags zu verstehen, sondern im Sinne eines „Betreibens“. Die Klägerin habe in einem Schreiben an die Beigeladene vom 8. März 2013 die Erhöhung der maximal zulässigen Verkaufsfläche um 120 m² von 900 m² auf maximal 1.020 m² als ihr Anliegen bezeichnet. Im Genehmigungsverfahren habe die Klägerin die zukünftigen Festsetzungen mit der neu festgesetzten Verkaufsfläche schriftlich anerkannt. Aus der Begründung zur 4. Änderung des Bebauungsplans gehe hervor, dass bereits diese Änderung auf Wunsch der Klägerin, ihren Betriebsstandort zu verlegen, erfolgt sei. Sowohl hinsichtlich „Deckblatt 4“ als auch hinsichtlich „Deckblatt 6“ habe die Klägerin die Planungskosten übernommen und selbst das Planungsbüro beauftragt. Diese Bebauungsplanlage habe sie ausgenutzt. Damit seien nach der Gesamtwürdigung des konkreten Einzelfalls hinreichende Umstände für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Klägerin gegeben, wenn sie sich nunmehr auf eine Unwirksamkeit des Bebauungsplans berufe.
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Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten und die Behördenakten des Beklagten, auf die vom Senat beigezogene Planungsakten der Beigeladenen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung des Senats vom 2. März 2021 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Verpflichtungsklage zu Recht abgewiesen.
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1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung des begehrten Bauvorbescheids gem. Art. 71 Satz 1 und 4, Art. 68 Abs. 1 Satz 1, Art. 60 Satz 1 Nr. 1, Art. 2 Abs. 4 Nr. 4 BayBO i.V. mit § 34 BauGB. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin ist nicht wegen Unwirksamkeit sämtlicher auf das Baugrundstück bezogener Bebauungspläne auf § 34 BauGB als Maßstab für die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des streitgegenständlichen Erweiterungsvorhabens der Klägerin abzustellen. Mit ihren Einwendungen gegen die Wirksamkeit der Nr. 1.2 der textlichen Festsetzungen des Änderungsbebauungsplans „Deckblatt 6“ vermag die Klägerin dem vom Verwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht angenommenen Anspruchsausschluss in Anwendung von § 30, § 31 Abs. 1 BauGB als einschlägigem bauplanungsrechtlichem Zulässigkeitsmaßstab (s.u. 2.) nicht mit Erfolg entgegenzutreten.
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a) Der Senat lässt es offen, ob der Klägerin die Berufung auf eine eventuelle Unwirksamkeit der Nr. 1.2 der textlichen Festsetzungen des Änderungsbebauungsplans „Deckblatt 6“ nach den auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsätzen von Treu und Glauben verwehrt ist, weil sie sich hiermit womöglich in einen mit Treu und Glauben unvereinbaren Widerspruch zu ihrem eigenen Verhalten setzt.
42
Allerdings gibt der vorliegende Sachverhalt Anlass, dies zu hinterfragen, weil einerseits die Beigeladene die Änderungsbebauungspläne „Deckblatt 4“ und „Deckblatt 6“ nach Maßgabe der jeweiligen Umsetzungsvorstellungen der Klägerin sowie in Abstimmung mit ihr erlassen hat und weil andererseits die Klägerin jeweils nach Erlass der Änderungsbebauungspläne unter Ausnutzung der dort getroffenen Festsetzungen Baugenehmigungen erhalten und umgesetzt hat, die ihr aus ihrer damaligen Sicht auf Basis der bis dato geltenden Festsetzungen des Bebauungsplans nicht hätten erteilt werden können (vgl. BVerwG, B.v. 19.12.2018 - 4 B 6.18 - ZfBR 2019, 275 = juris Rn. 6, 11; B.v. 11.2.2019 - 4 B 28.18 - juris Rn. 13; VGH BW, U.v. 8.3.2018 - 8 S 1464/15 - ZfBR 2018, 385 = juris Rn. 89 ff.; auf Ebene der Zulässigkeit eines Rechtsmittels vgl. auch BVerwG, U.v. 23.12.1998 - 26 N 98.1675 - NVwZ-RR 2000, 79 = juris Rn. 29 ff.: BayVGH, B.v. 12.2.2021 - 1 ZB 20.1186 - noch unveröffentlicht m.w.N.; VGH BW, U.v. 10.10.2017 - 3 S 153/17 - ZfBR 2018, 174 = juris Rn. 43 ff.; VG Düsseldorf, U.v. 15.11.2018 - 9 K 8569/16 - Rn. 41). Der Senat geht grundsätzlich davon aus, dass einem Bauherrn nach Verwirklichung der ihm erteilten Baugenehmigung nicht generell die Möglichkeit abgeschnitten sein kann, seine weitergehenden Interessen später mit Einwänden gegen die Wirksamkeit des Bebauungsplans durchzusetzen, etwa wenn er erst später einen Mangel des Bebauungsplans entdeckt (ebenso VGH BW, U.v. 8.3.2018 a.a.O. juris Rn. 93; U.v. 26.5.2020 - 8 S 1081/19 - BauR 2020, 1428 = juris Rn. 42; OVG RhPf, U.v. 26.8.2020 - 8 A 11749/19 - juris Rn. 52). Entscheidend kommt es auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an, insbesondere darauf, mit welchen Einwänden der Bauherr gegen den Plan vorgeht und in welchem Verhältnis diese Einwände zu seinem vorangegangenen Tun stehen (BVerwG, B.v. 11.2.2019 a.a.O. juris Rn. 11; BayVGH, B.v. 12.2.2021 a.a.O.; VGH BW, U.v. 8.3.2018 a.a.O. juris Rn. 93) bzw. ob der Bauherr durch sein Verhalten einen besonderen Vertrauenstatbestand dahingehend geschaffen hat, die Festsetzungen eines Bebauungsplans gegen sich gelten zu lassen (BVerwG, U.v. 18.4.1996 - 4 C 22.94 - BVerwGE 101, 58 = juris Rn. 17).
43
Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Planungsakten der Beigeladenen, dass sowohl die Klägerin als auch die Beigeladene bei der Einleitung der Verfahren zur Aufstellung der Änderungsbebauungspläne „Deckblatt 4“ und Deckblatt 6“ übereinstimmend davon ausgingen, dass die für das Baugrundstück jeweils vorher geltenden Festsetzungen der von der Klägerin zunächst gewünschten Lebensmittelmarkterrichtung und sodann der von ihr verfolgten Verkaufsflächenerweiterung entgegenstanden. Ziel beider Verfahren der Bauleitplanung, die zum Erlass der Änderungsbebauungspläne geführt hatten, war es mithin, durch eine Änderung der planungsrechtlichen Lage der Klägerin die Umsetzung ihrer jeweiligen Planungsvorstellungen zum damaligen Zeitpunkt zu ermöglichen. Auf den Inhalt der Änderungsbebauungspläne hatte die Klägerin während des Aufstellungsverfahrens in der Sache Einfluss genommen, weil sie jeweils von Anfang an auf eine Planungsumsetzung zugeschnitten auf ihr Ansiedlungs- bzw. Erweiterungsvorhaben gedrängt und hierfür sogar selbst die Planungsfirma beauftragt und bezahlt hatte. Ob diese Umstände für die Annahme eines Verstoßes gegen Treu und Glauben ausreichen oder ob es hierfür einer noch engeren - etwa gem. § 11 oder § 12 BauGB vertraglichen - Abstimmung und einer aktiveren Rolle der Klägerin als Bauherrin bedarf (im Fall eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans vgl. z.B. die Fallgestaltungen bei BayVGH, B.v. 12.2.2021 a.a.O.; VGH BW, U.v. 10.10.2017 a.a.O.; U.v. 8.3.2018 a.a.O.), kann vorliegend dahingestellt bleiben, weil die Nr. 1.2 des Änderungsbebauungsplans „Deckblatt 6“ jedenfalls hinsichtlich der Verkaufsflächenbeschränkung für das mit dem festgesetzten Sondergebiet identische Baugrundstück wirksam ist, s.u. c).
44
b) Die Wirksamkeit des ursprünglichen Bebauungsplans „G … West“ und der ersten beiden Änderungsbebauungspläne „Deckblatt 1“ und „Deckblatt 2“ erscheint insbesondere bezüglich der Fragen,
45
- ob die Regelungen zu den flächenbezogenen Schallleistungspegeln hinsichtlich des anzuwendenden Berechnungsverfahrens den Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes entsprechen (vgl. BayVGH, U.v. 14.7.2009 - 1 N 07.2977 - NVwZ-RR 2010, 50 = juris Rn. 39 ff. m.w.N.),
46
- ob die festgesetzten flächenbezogenen Schallleistungspegel hinsichtlich einer gebotenen „Gliederung“ von § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 oder Satz 2 BauNVO als Regelungsermächtigung gedeckt sind (vgl. BVerwG, U.v. 7.12.2017 - 4 CN 7.16 - BVerwGE 161, 53 = juris Rn. 15 ff.; B.v. 7.3.2019 - 4 BN 45.18 - NVwZ 2019, 655 = juris Rn. 4; BayVGH, U.v. 12.8.2019 - 9 N 17.1046 - juris Rn. 26 ff.; B.v. 29.6.2020 - 1 NE 20.493 u.a. - juris Rn. 20; OVG NW, U.v. 30.1.2018 - 2 D 102.14.NE - juris Rn. 160 ff.; U.v. 11.10.2018 - 7 D 99/17.NE - BauR 2019, 53 = juris Rn. 42 ff.; U.v. 29.10.2018 - 10 A 1403/16 - juris Rn. 52 ff.; U.v. 2.3.2020 - 10 A 1136/18 - juris Rn. 47 ff.; U.v. 17.8.2020 - 2 D 25/18.NE - juris Rn. 43 ff.; VGH BW, U.v. 6.6.2019 - 3 S 2350/15 - ZfBR 2019, 699 = juris Rn. 90 ff.; OVG MV, U.v. 11.9.2019 - 3 K 149/15 - juris Rn. 34 ff.; Kuchler, jurisPR-UmwR 3/2018 Anm. 1; Heilshorn/Kohnen, UPR 2019, 81 ff.; vgl. auch das beim BVerwG anhängige Revisionsverfahren 4 CN 5.19),
47
- ob die Anforderungen an die Bekanntmachung hinsichtlich der DIN 8005 Teil 1 (Stand Mai 1987) als Berechnungsgrundlage der festgesetzten Schallleistungspegel eingehalten worden sind (vgl. BVerwG, B.v. 18.8.2016 - 4 BN 24.16 - NVwZ 2017, 166 = juris Rn. 7; U.v. 25.6.2020 - 4 CN 5.18 - NVwZ 2020, 1686 = juris Rn. 37 f.; BayVGH, U.v. 19.10.2020 - 9 N 15.2158 - juris Rn. 31; U.v. 20.11.2020 - 15 N 20.220 - juris Rn. 11) sowie
48
- ob sich die Festsetzungen der Pflicht zur Vorlage schalltechnischer Nachweise auf eine gesetzliche Regelungsbefugnis stützen können (vgl. BayVGH, U.v. 8.7.2004 - 1 N 01.590 - juris Rn. 41 f.; U.v. 28.7.2016 - 1 N 13.2678 - BRS 84 Nr. 47 = juris Rn. 40; B.v. 21.7.2020 - 15 NE 20.1222 - juris Rn. 19),
49
nicht unproblematisch. Der Senat lässt offen, ob der ursprüngliche Bebauungsplan „G … West“ und die beiden ersten Änderungsbebauungspläne (ebenso wie die hierzu lediglich ergänzenden bzw. korrigierenden Festsetzungen in den Änderungsbebauungsplänen „Deckblatt 3“ und „Deckblatt 5“) aufgrund der angesprochenen Fragen ganz oder teilweise unwirksam sind. Denn sollte dies der Fall sein, hätte dies keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit der für das Baugrundstück erfolgten Sondergebietsausweisung mit der Zweckbestimmung „Lebensmitteldiscounter“. Für den - neben Grünflächen und den Anschluss an die bereits vorhandene O**straße (vgl. Seite 3 der Begründung von „Deckblatt 4“) - auf die 0,9 ha große Fläche des Sondergebiets sowie die 0,13 ha große Fläche des „GE 3“ begrenzten räumlichen Geltungsbereich des Änderungsbebauungsplans „Deckblatt 4“, der mit dem Geltungsbereich des Änderungsbebauungsplans „Deckblatt 6“ mit angepassten Detailregelungen (Verkaufsfläche für das Sondergebiet, Ausnahmeregelungen für das Gewerbegebiet zu nicht zentrumsrelevanten Sortimenten) identisch ist, sind mit den Deckblättern 4 und 6 sämtliche Festsetzungen des Ursprungsplans durch neue Festsetzungen ersetzt worden, sodass letztlich in einem Teilareal von etwas über 1 ha in der Sache ein eigenständiger, selbständiger Bebauungsplan entstanden ist, bei dem ein „Fortwirken“ alter Fehler des Ursprungsplans und der älteren Änderungsbebauungspläne nicht mehr sachgerecht erscheint (vgl. BVerwG, B.v. 30.9.1992 - 4 NB 22/92 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 70 = juris Rn. 18; B.v. 26.7.2011 - 4 B 23.11 - BauR 2012, 53 = juris Rn. 5). Die teilweise aus den vorhergehenden Bebauungsplänen übernommenen Festsetzungen zur Grünordnung sind im Änderungsbebauungsplan „Deckblatt 4“ auf Basis eines eigens angefertigten Umweltberichts neu begründet und folglich neu abgewogen worden. Insbesondere wurden für den gesamten Geltungsbereich des „Deckblatt 4“ (einschließlich des verbleibenden Gewerbegebiets „GE 3“ mit 0,13 ha) und damit auch des „Deckblatt 6“ keine flächenbezogenen Schallleistungspegel festgesetzt, sodass auch insofern der Bebauungsplan nicht auf dem Immissionsschutzkonzept der vorangegangenen Bebauungspläne aufbaute. Eine Anknüpfung an einzuhaltende flächenbezogene Schallleistungspegel findet sich unter der jeweiligen Nr. 10.7 in der Planzeichnung der verselbständigten Änderungsbebauungspläne „Deckblatt 4“ und „Deckblatt 6“ nur noch unter der Überschrift „Textliche Hinweise“, also als (nicht rechtssatzmäßig festgelegte) Empfehlung für das Genehmigungsverfahren. Dasselbe gilt für die einzuhaltenden Immissionsrichtwerte der TA Lärm sowie vorzulegende schalltechnische Nachweise.
50
c) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist Nr. 1.2 der textlichen Festsetzungen des Änderungsbebauungsplans „Deckblatt 6“ jedenfalls hinsichtlich der für das Baugrundstück geregelten Verkaufsflächenbegrenzung auf 1.020 m² wirksam. Insoweit kann sich die Festsetzung (ebenso wie die Vorgängerregelung mit einer Verkaufsflächenbegrenzung auf 900 m² im Änderungsbebauungsplan „Deckblatt 4“) auf § 11 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 BauNVO als Regelungsermächtigung stützen.
51
Für bauplanungsrechtliche Festsetzungen besteht ein Typenzwang. Durch den Bebauungsplan bestimmt der Plangeber Inhalt und Schranken des Eigentums der im Planbereich gelegenen Grundstücke. Hierfür bedarf er gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG einer gesetzlichen Grundlage. Solche finden sich in § 9 BauGB, in Art. 81 BayBO sowie in den Vorschriften der in Ergänzung zu § 9 BauGB und auf gesetzlicher Basis (vgl. § 9a BauGB) erlassenen Baunutzungsverordnung (BauNVO). Dort sind die planerischen Festsetzungsmöglichkeiten im Bebauungsplan jeweils abschließend geregelt. Ein darüberhinausgehendes Festsetzungsfindungsrecht steht dem Plangeber - abgesehen vom hier nicht einschlägigen Fall des § 12 Abs. 3 Satz 2 BauGB - nicht zu. Festsetzungen im Bebauungsplan, zu denen weder § 9 BauGB i.V. mit den Regelungen der BauNVO noch Art. 81 BayBO ermächtigt, sind der planenden Gemeinde daher verwehrt und mithin von vornherein unwirksam; §§ 214, 215 BauGB finden diesbezüglich keine Anwendung (vgl. BayVGH, U.v. 6.12.2019 - 15 N 18.636 - juris Rn. 29 m.w.N.; U.v. 19.10.2020 - 9 N 15.2158 - juris Rn. 35).
52
aa) Für die Festsetzung von Verkaufsflächenbegrenzungen gelten nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der der Senat folgt, folgende Grundsätze:
53
Einer Gemeinde ist es gestattet, in einem Bebauungsplan, mit dem sie gemäß § 11 Abs. 2 BauNVO ein Sondergebiet für einen großflächigen Handelsbetrieb festsetzt, v o r h a b e n b e z o g e n nach Quadratmetergrenzen bestimmte Regelungen über die höchstzulässige Verkaufsfläche zu treffen. Somit wäre die Festsetzung einer maximalen Verkaufsflächengröße im Verhältnis zur Größe des jeweiligen Baugrundstücks durch eine Verhältniszahl (z.B. 0,3/0,5 etc.) oder eine Regelung mit dem Inhalt, dass alle Einzelhandelsvorhaben, die grundsätzlich der festgesetzten Zweckbestimmung des Sondergebiets entsprechen, im Sondergebiet nur eine bestimmte Verkaufsflächengröße haben dürfen, grundsätzlich auf Basis von § 11 BauNVO möglich. Bereits der Verordnungsgeber hat mit der Bestimmung über Sondergebiete für großflächige Einzelhandelsbetriebe (§ 11 Abs. 2 und 3 BauNVO) ein Baugebiet besonderer Art mit einem bestimmten Typ der baulichen Nutzung festgelegt. Diese Nutzungsart bestimmt sich nach der Größe der Verkaufsfläche. Hieran knüpft der Ortsgesetzgeber an, wenn er in einem Bebauungsplan für ein Sondergebiet Verkaufsflächengrenzen für Einzelhandelsgroßbetriebe festsetzt (vgl. BVerwG, B.v. 7.5.2020 - 4 BN 44.19 - ZfBR 2020, 675 = juris Rn. 6 ff.). Mit solchen Regelungen über höchstzulässige Verkaufsflächen fächert er in Fortführung des vom Verordnungsgeber geschaffenen Konzepts einer nach der Betriebsgröße abgegrenzten besonderen Nutzungsart „großflächiger Einzelhandel“ diese Art der Nutzung weiter auf (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.1990 - 4 C 36.87 - NVwZ 1990, 1071 = juris Rn. 29 f.; U.v. 3.4.2008 - 4 CN 3.07 - BVerwGE 131, 86 = juris Rn. 14 ff.; U.v. 17.10.2019 - 4 CN 8.18 - BVerwGE 166, 378 = juris Rn. 10, 33).
54
Anderes gilt aber für eine vorhabenunabhängige g e b i e t s b e z o g e n e Verkaufsflächenbeschränkung, also eine Regelung, wonach alle Einzelhandelsvorhaben, die grundsätzlich hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung der festgesetzten Zweckbestimmung des Sondergebiets entsprechen, zusammen (also in der Summe) nur eine bestimmte maximale Verkaufsflächengröße haben dürfen. Eine solche Festsetzung ist weder als Bestimmung des Maßes der baulichen Nutzung zulässig, weil sie nicht mit Hilfe eines der von § 16 Abs. 2 BauNVO zugelassenen Parameter (Grundfläche, Geschossfläche) vorgenommen worden ist, noch ist sie eine nach § 11 Abs. 2 Satz 1 BauNVO in sonstigen Sondergebieten zulässige Festsetzung der Art der baulichen Nutzung. Dort, wo die Verordnung die Festlegung von Nutzungsanteilen (Quoten) oder die Quantifizierung einer Nutzungsart zulässt, wie in § 4a Abs. 4 Nr. 2 und § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO und in Gestalt der Beschränkung freiberuflicher Berufsausübung auf „Räume“ in den Baugebieten der §§ 2 bis 4 BauNVO (vgl. § 13 BauNVO), wird dies ausdrücklich geregelt. Eine Kontingentierung der Verkaufsflächen, die auf das Sondergebiet insgesamt bezogen ist, öffnet das Tor für sog. „Windhundrennen“ potentieller Investoren und Bauantragsteller und schließt die Möglichkeit ein, dass Grundeigentümer im Fall der Erschöpfung des Kontingents von der kontingentierten Nutzung ausgeschlossen sind. Dieses Ergebnis widerspricht dem der Baugebietstypologie (§§ 2 bis 9 BauNVO) zugrundeliegenden Regelungsansatz, wonach im Geltungsbereich eines Bebauungsplans im Grunde jedes Baugrundstück für jede nach dem Nutzungskatalog der jeweiligen Baugebietsvorschrift zulässige Nutzung in Betracht kommen können soll. Einer Fehlentwicklung zu Lasten der einen oder anderen Nutzung kann durch § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO entgegengewirkt werden (zum Ganzen: BVerwG, U.v. 3.4.2008 a.a.O. juris Rn.14, 17 f.; U.v. 24.3.2010 - 4 CN 3.09 - NVwZ 2010, 782 = juris Rn. 22 ff.; B.v. 9.2.2011 - 4 BN 43.10 - ZfBR 2011, 374 = juris Rn. 6 f.; U.v. 17.10.2019 a.a.O. juris Rn. 31; BayVGH, B.v. 26.3.2013 - 15 ZB 12.2674 - juris Rn. 4; OVG RHPf, U.v. 1.7.2020 - 8 C 11841/19 - ZfBR 2020, 871 = juris Rn. 35; Giesecke/Krupp, NVwZ 2020, 403; Fricke, DVBl. 2020, 1209).
55
Ausnahmsweise ist eine gebietsbezogene Verkaufsflächenbegrenzung unbedenklich, wenn in dem in Rede stehenden Sondergebiet nur ein einziger Handelsbetrieb zulässig ist bzw. tatsächlich umsetzbar ist; denn dann ist die gebietsbezogene mit der vorhabenbezogenen Verkaufsflächenbeschränkung identisch (BVerwG, U.v. 3.4.2008 a.a.O. juris Rn. 18; B.v. 9.2.2011 a.a.O. juris Rn. 7; U.v. 11.11.2009 - 4 BN 63.09 - ZfBR 2010, 138 = juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 26.3.2013 a.a.O. - juris Rn. 8). Der Gemeinde ist es dabei aber - entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts - verwehrt, die Identität von gebietsbezogener und vorhabenbezogener Verkaufsflächenbegrenzung dadurch „herzustellen“, dass sie die Zulässigkeit von Einzelhandel auf einem ausgewiesenen Sondergebiet zahlenmäßig auf e i n Einzelhandelsvorhaben - also etwa auf ein Einkaufszentrum oder auf einen großflächigen Handelsbetrieb (z.B. Lebensmitteldiscounter) - begrenzt. Weder in § 9 BauGB noch in der BauNVO existiert eine Ermächtigungsgrundlage, in einem Bebauungsplan die Zahl der zulässigen Einkaufszentren oder Einzelhandelsvorhaben zu beschränken: § 11 Abs. 2 Satz 1 BauNVO greift mit der Vorgabe, dass die Zweckbestimmung und die Art der Nutzung darzustellen und festzusetzen sind, das Regelungsmuster der §§ 2 bis 10 BauNVO auf. Die Beschränkung der Zahl zulässiger Vorhaben lässt sich nicht als Festsetzung der Zweckbestimmung verstehen. Die Anzahl der in einem Gebiet zulässigen Vorhaben spielt für den Gebietszweck keine Rolle. Die Beschränkung der Zahl zulässiger Vorhaben ist auch nicht als Bestimmung der Art der Nutzung eines sonstigen Sondergebiets möglich. Die Gemeinde muss bei der Bestimmung der zulassungsfähigen Anlagen die vorhabenbezogene Typisierung beachten, die den §§ 2 bis 10 BauNVO zugrunde liegt. Die nummerische Beschränkung zulässiger Anlagen trägt zur Kennzeichnung der Art der zulässigen Nutzung indes nichts bei. Sie qualifiziert nicht den Anlagentyp - also etwa den Typ eines Einkaufszentrums oder eines (großflächigen) Einzelhandelsbetriebs -, sondern quantifiziert Nutzungsoptionen. Solche Kontingentierungen von Nutzungsmöglichkeiten lässt die Baunutzungsverordnung nur in wenigen, ausdrücklich geregelten und hier nicht einschlägigen Ausnahmefällen zu. Schließlich kann die Beschränkung der Zahl der zulässigen Vorhaben auch nicht als Bestimmung des Maßes der zulässigen Nutzung festgesetzt werden; denn dies ist nur mit Hilfe einer der von § 16 Abs. 2 BauNVO zugelassenen Parameter, etwa der Grundfläche oder der Geschossfläche, zulässig (grundlegend BVerwG, U.v. 17.10.2019 - 4 CN 8.18 - BVerwGE 166, 378 = juris Rn. 12 ff.; im Anschluss: OVG RhPf, U.v. 1.7.2020 - 8 C 11841/19 - ZfBR 2020, 871 = juris Rn. 31; OVG NW, U.v. 26.10.2020 - 10 D 66/18.NE - BauR 2021, 181 = juris Rn. 75 ff.; U.v. 28.10.2020 - 10 D 43/17.NE - BauR 2021, 182 = juris Rn. 68 ff.; Fricke, DVBl. 2020, 1209 f.)
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Wenn aber § 11 Abs. 2 Satz 1 BauNVO die Möglichkeit eröffnet, die höchstzulässige Verkaufsfläche für das jeweilige Grundstück im Bebauungsplan als Art der Nutzung in der Form festzusetzen, dass die maximale Verkaufsflächengröße im Verhältnis zur Grundstücksgröße durch eine Verhältniszahl (z.B. 0,3/0,5 etc.) festgelegt wird, soweit dadurch die Ansiedlung bestimmter Einzelhandelstypen und damit die Art der baulichen Nutzung im Sondergebiet geregelt werden soll (s.o.), macht es für die Art der Nutzung keinen Unterschied, ob die Gemeinde für einzelne Baugrundstücke im Plangebiet eine Verhältniszahl oder eine absolute Zahl festsetzt, die sich ihrerseits durch den Bezug auf die Grundstücksgröße auch als Verhältniszahl ausdrücken ließe. § 11 Abs. 2 Satz 1 BauNVO lässt es deshalb auch zu, die höchstzulässige Verkaufsfläche g r u n d s t ü c k s b e z o g e n im Bebauungsplan in der Form festzusetzen, dass die maximale Verkaufsfläche für jeweils einzelne Grundstücke festgelegt wird, sofern dadurch die Ansiedlung bestimmter Einzelhandelsbetriebstypen und damit die Art der Nutzung im Sondergebiet geregelt werden soll (BVerwG, U.v. 17.10.2019 a.a.O. juris Rn. 33). Denn besteht das Plangebiet nur aus einem vorhabengeeigneten Baugrundstück im grundbuchrechtlichen Sinn (vgl. OVG RhPf, U.v. 1.7.2020 a.a.O. juris Rn. 40 f.), kann der Eigentümer das Grundstück in den Grenzen der Verkaufsflächenbeschränkungen nutzen und muss nicht befürchten, durch andere Eigentümer Abstriche an seinen Nutzungsmöglichkeiten hinnehmen zu müssen. Zu einem mit § 11 BauNVO unvereinbaren „Windhundrennen“ kommt es dann nicht. Der theoretischen Möglichkeit einer späteren Grundstücksteilung durch den Eigentümer - sollte diese überhaupt am Maßstab des § 19 Abs. 2 BauGB zulässig sein (vgl. die Überlegungen bei OVG RhPf, U.v. 1.7.2020 a.a.O. juris Rn. 42) - kommt dann planungsrechtlich keine Bedeutung zu (BVerwG, U.v. 17.10.2019 a.a.O. juris Rn. 34; vgl. auch BVerwG, B.v. 11.11.2009 - 4 BN 63.09 - ZfBR 2010, 138 = juris Rn. 3; VGH BW, B.v. 12.8.2020 - 3 S 1113/20 - ZfBR 2021, 70 = juris Rn. 17 ff.; Külpmann, jurisPR-BVerwG 4/2020 Anm. 6; a.A. OVG NW, U.v. 26.10.2020 - 10 D 66/18.NE - BauR 2021, 181 = juris Rn. 104 ff.; U.v. 28.10.2020 - 10 D 43/17.NE - BauR 2021, 182 = juris Rn. 97 ff.).
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Hat eine Gemeinde - insoweit ohne Rechtsgrundlage und damit unwirksam - in einem Sondergebiet die Anzahl von kern- bzw. sondergebietstypischen Einzelhandelsvorhaben (vgl. § 11 Abs. 3 Satz 1 BauNVO) beschränkt, hat sie diese Festsetzung aber mit einer Verkaufsflächenbegrenzung gekoppelt und besteht das als Sondergebiet ausgewiesene Areal nur aus einem vorhabengeeigneten Grundstück, bleibt die Festsetzung als grundstücksbezogene Verkaufsflächenbegrenzung aufrechterhalten, sofern nach den Grundsätzen der Teilunwirksamkeit bauplanungsrechtlicher Festsetzungen (vgl. BayVGH, U.v. 4.8.2017 - 15 N 15.1713 - NVwZ-RR 2017, 953 = juris Rn. 40 m.w.N.) die verbleibende Regelung zur Gewährleistung einer sinnvollen städtebaulichen Ordnung geeignet ist und zudem davon auszugehen ist, dass die Gemeinde die so verbleibende „Rest-Festsetzung“ auch ohne die unwirksame zahlenmäßige Beschränkung erlassen hätte (BVerwG, U.v. 17.10.2019 a.a.O. juris Rn. 33 ff.; OVG RHPf, U.v. 1.7.2020 a.a.O. juris Rn. 33 ff.; VGH BW, B.v. 12.8.2020 a.a.O. juris Rn. 17 ff.; vgl. auch Fricke, DVBl. 2020, 1209/1210). Diese in der Rechtsprechung zunächst für Einkaufszentren (§ 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauNVO) entwickelten Grundsätze sind auf vergleichbare Festsetzungen, wonach in einem bestimmten Sondergebiet lediglich ein einziger (großflächiger) Einzelhandelsbetrieb mit einer näher geregelten Verkaufsflächenbegrenzung zulässig ist, zu übertragen (vgl. VGH BW, B.v. 12.8.2020 a.a.O.; Arndt/Heyn, UPR 2020, 281/287). Eine planerhaltende Auslegung im vorgenannten Sinn setzt auch dann voraus, dass es dem Willen der planenden Gemeinde entspricht, dass auf dem (mit dem Geltungsbereich der Sondergebietsfestsetzung identischen) Baugrundstück auch mehrere Einzelhandelsbetriebe bis zum Erreichen der festgesetzten maximalen Gesamtverkaufsfläche (in der Summe) errichtet werden dürfen, wenn sie gewusst hätte, das die nummerische Beschränkung der Zahl zulässiger Vorhaben unwirksam ist.
58
bb) Nach diesen Grundsätzen kann sich die Festsetzung Nr. 1.2 des Änderungsbebauungsplans „Deckblatt 6“ (ebenso wie die Vorgängerregelung gem. „Deckblatt 4“) jedenfalls hinsichtlich der Verkaufsflächenbegrenzung für das Baugrundstück, das sich mit der Fläche des ausgewiesenen Sondergebiets deckt, auf § 11 BauNVO als Rechtsgrundlage stützen.
59
Das Verwaltungsgericht geht zu Recht davon aus, dass durch Nr. 1.2 der textlichen Festsetzung des Änderungsbebauungsplans „Deckblatt 6“ ebenso wie durch die Vorgängerregelung im „Deckblatt 4“ nur ein einziger Lebensmitteldiscountmarkt als zulässig festgesetzt wurde. Das ergibt sich neben der Singularformulierung „Lebensmitteldiscountmarkt“ eindeutig aus der Entstehungsgeschichte und den Begründungen zu diesen Änderungsbebauungsplänen, wonach es ausschließlich darum ging, der Klägerin nach ihren konkreten Entwicklungskonzepten ein Baurecht zunächst für die Ansiedlung e i n e s Lebensmittelmarkts mit 900 m² Verkaufsfläche und sodann ausschließlich für dessen Erweiterung auf 1.020 m² zu ermöglichen. Diese nummerische Begrenzung auf einen einzigen Lebensmitteldiscountmarkt ist von § 11 BauNVO nicht gedeckt und daher unwirksam.
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Die Festsetzung ist aber mit ihrem „restlichen“ Regelungsgehalt nach dem mutmaßlichen Willen der Beigeladenen und nach den Grundsätzen der Teilunwirksamkeit von Bebauungsplänen und bauplanungsrechtlichen Festsetzungen als auf Basis der Regelungsermächtigung des § 11 BauNVO beruhende - und insofern zulässige - grundstücksbezogene Verkaufsflächenbegrenzung aufrechtzuerhalten. Ohne die rechtswidrige zahlenmäßige Beschränkung auf einen einzigen Lebensmitteldiscounter ist die Festsetzung über die Verkaufsflächenbegrenzung so zu interpretieren, dass in dem allein aus dem Baugrundstück bestehenden Sondergebiet Lebensmitteldiscountmärkte mit einer Verkaufsflächenobergrenze von insgesamt 1.020 m² („Deckblatt 6“) zulässig sind [bzw. vormals von insgesamt 900 m² („Deckblatt 4“) zulässig waren]. Diese (verbleibende) Festsetzung der Verkaufsflächenbegrenzung in Nr. 1.2 der textlichen Festsetzung des Änderungsbebauungsplans „Deckblatt 6“ beschränkt sich - ebenso wie bereits die Vorgängerregelung zu „Deckblatt 4“ - auf das Baugrundstück FlNr. … der Gemarkung V … und ist mit diesem verbleibenden Inhalt auch ohne die unwirksame nummerische Beschränkung (auf einen Lebensmitteldiscounter) als grundstücksbezogene Verkaufsflächenbegrenzung zur Gewährleistung einer sinnvollen städtebaulichen Ordnung innerhalb des ausgewiesenen Sondergebiets mit der Zweckbestimmung „Lebensmitteldiscounter“ geeignet. Denn die sowohl mit dem Änderungsbebauungsplan „Deckblatt 4“ (vgl. Seite 5 der diesbezüglichen Planbegründung) als auch mit dem „Deckblatt 6“ “ (vgl. Seite 6 der Planbegründung dieses Änderungsbebauungsplans) mit der Limitierung jeweils verfolgte Begrenzung der Abschöpfungsquote bzw. des Kaufkraftabflusses unter Berücksichtigung der Ziele des (vormaligen) städtischen Einzelhandelsentwicklungskonzepts sowie landesplanerischer Vorgaben wird auch durch eine grundstücksbezogene Verkaufsflächenbegrenzung ohne die zahlenmäßige Begrenzung auf einen Lebensmitteldiscountmarkt erreicht. Zudem wäre nach dem mutmaßlichen Planungswillen davon auszugehen, dass die Beigeladene diese bauplanerische Festsetzung auch ohne die nummerische Beschränkung auf jeweils einen Lebensmitteldiscounter erlassen hätte, wenn sie dessen Unwirksamkeit gekannt hätte. Denn für die Beigeladene ging es wesentlich darum, für das Baugrundstück einerseits das Vorhaben nach den damaligen Wünschen der Klägerin realisierbar zu machen, andererseits aber - gerade mit Blick auf das vormals geltende Einzelhandelskonzept sowie landesplanerischer Vorgaben - die Verkaufsfläche hierauf zukunftsgerichtet zu begrenzen. Insoweit spricht dann aber alles dafür, dass die Beigeladene lediglich auf die Festlegung der nummerischen Beschränkung auf einen Lebensmitteldiscountmarkt verzichtet hätte, wenn sie deren Rechtsfehlerhaftigkeit erkannt hätte, da es ihr vornehmlich darauf ankam, eine Regelung der Verkaufsflächen auf die jeweiligen Sondergebiete bezogen auf den dort jeweils bestehenden Einzelhandelsbestand zu treffen. Für ein Festhalten an der Planungskonzeption unter Verzicht auf die nummerische Beschränkung auf einen Lebensmitteldiscountmarkt spricht insbesondere auch, dass durch diese geltungserhaltende Auslegung eine Gleichsetzung von Gebietsbezogenheit und Grundstücksbezogenheit erreicht wird, sodass dem ursprünglichen Anliegen der Beigeladenen in vollem Umfang Rechnung getragen werden kann. Hinzukommt, dass bei dieser verbleibenden Restregelung (grundstücksbezogene Gesamt-Verkaufsflächenbegrenzung auf 1.020 m² für Lebensmitteldiscountmarktvorhaben auf dem mit dem Sondergebiet identischen Baugrundstück) die Möglichkeit der Errichtung von mehr als einem Lebensmitteldiscountmarkt allenfalls theoretisch, aber kaum praktisch realistisch erscheint. Denn zum einen dürfte es dem Interesse eines jeden künftigen Vorhabenträgers - wie auch hier der Klägerin - entsprechen, die Verkaufsfläche bei einer Limitierung auf 1.020 m² („Deckblatt 6“) insbesondere bei einem autokundenorientierten Standort für einen einzigen Lebensmitteldiscountmarkt auszuschöpfen. Zudem wird für einen großflächigen - und deshalb sonder- oder kerngebietstypischen - Einzelhandelsbetrieb, der in einem Gewerbegebiet nicht bauplanungsrechtlich zulässig wäre, schon grundsätzlich eine Mindestverkaufsfläche von 800 m² benötigt, sodass bezogen auf Nr. 1.2 der textlichen Festsetzung im Änderungsbebauungsplan „Deckblatt 6“ für einen weiteren Einzelhandelsbetrieb auf demselben Grundstück bei Inanspruchnahme dieser (grundsätzlichen) Mindestverkaufsfläche gerade einmal ein Restkontingent von 220 m² Verkaufsfläche verbliebe. Lebensmitteldiscounter mit dieser geringen (ohne Weiteres in einem herkömmlichen Gewerbegebiet zulässigen) Größenordnung erscheinen aber - zumal an autokundenorientierten Standorten und in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem größeren Lebensmitteldiscounter auf demselben Baugrundstück - kaum überlebensfähig.
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2. Unter Berücksichtigung der - wirksamen - Vorgaben der Nr. 1.2 der textlichen Festsetzung des Änderungsbebauungsplans „Deckblatt 6“ hat der Beklagte den Antrag auf Bauvorbescheid in Anwendung von Art. 71 Satz 1, Art. 68 Abs. 1 Satz 1, Art. 60 Satz 1 Nr. 1, Art. 2 Abs. 4 Nr. 4 BayBO i.V. mit § 30, § 31 Abs. 2 BauGB zu Recht abgelehnt.
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a) Das streitgegenständliche Vorhaben ist am Maßstab der Festsetzungen des einschlägigen Änderungsbebauungsplans „Deckblatt 6“ nicht bauplanungsrechtlich zulässig, § 30 BauGB. Das Vorhaben mit einer auf 1.269 m² erweiterten Verkaufsfläche widerspricht Nr. 1.2 der textlichen Festsetzungen des vorgenannten (Änderungs-) Bebauungsplans, weil die dort auf 1.020 m² limitierte Verkaufsfläche um 249 m² überschritten wird. Da kein Ausnahmetatbestand des Bebauungsplans eingreift, kommt auch eine Anspruchsposition aus § 31 Abs. 1 BauGB nicht in Betracht.
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b) Die Klägerin hat auch über § 31 Abs. 2 BauGB weder einen Anspruch auf Erteilung des begehrten Bauvorbescheids noch auf erneute, ermessensgerechte Entscheidung über den Befreiungsantrag. Eine Befreiung von der Festsetzung zur Verkaufsflächenbegrenzung ist gem. § 31 Abs. 2 BauGB tatbestandlich ausgeschlossen, weil hierdurch Grundzüge der Planung berührt würden.
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Ob eine Befreiung von den Festsetzungen eines Bebauungsplans nach § 31 Abs. 2 BauGB in Betracht kommt, weil die Grundzüge der Planung nicht berührt werden, hängt von der jeweiligen Planungssituation ab. Die Befreiung kann nicht als Vehikel dafür herhalten, die von der Gemeinde getroffene planerische Regelung beiseite zu schieben. Was den Bebauungsplan in seinen „Grundzügen“, was seine „Planungskonzeption“ verändert, lässt sich nur durch (Um-) Planung ermöglichen und darf nicht durch einen einzelfallbezogenen Verwaltungsakt der Baugenehmigungsbehörde zugelassen werden. Denn die Änderung eines Bebauungsplans obliegt nach § 2 BauGB der Gemeinde und nicht der Bauaufsichtsbehörde. Beim Bebauungsplan manifestieren sich die Grundzüge in den seine Hauptziele umsetzenden Festsetzungen. Die Beantwortung der Frage, ob Grundzüge der Planung berührt werden, setzt einerseits die Feststellung voraus, was zum planerischen Grundkonzept gehört - was sich nach dem im Bebauungsplan zum Ausdruck kommenden Planungswillen der Gemeinde beurteilt - und andererseits die Feststellung, ob dieses planerische Grundkonzept gerade durch die in Frage stehende Befreiung berührt wird. Je tiefer die Befreiung in den mit der Planung gefundenen Interessenausgleich eingreift, desto eher liegt es nahe, dass das Planungskonzept in einem Maße berührt wird, das eine (Um-) Planung erforderlich macht (vgl. BVerwG, B.v. 5.3.1999 - 4 B 5.99 - NVwZ 1999, 1110 = juris Rn. 6; B.v. 19.5.2004 - 4 B 35.04 - BRS 67 Nr. 83 = juris Rn. 3; U.v. 18.11.2010 - 4 C 10.09 - BVerwGE 138, 166 = juris Rn. 37; U.v. 2.2.2012 - 4 C 14.10 - BVerwGE 142, 1 = juris Rn. 22; BayVGH, B.v. 18.8.2017 - 15 ZB 16.940 - juris Rn. 10 m.w.N.).
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Nach diesen Maßstäben berührt das streitgegenständliche Erweiterungsvorhaben der Klägerin Grundzüge der Planung des Änderungsbebauungsplans „Deckblatt 6“. Die Erweiterung der Verkaufsfläche war einerseits Ziel der Bebauungsplanänderung zu „Deckblatt 6“, hierdurch sollte aber andererseits gleichzeitig eine strikte Limitierung gesetzt werden. Das ergibt sich zum einen aus dem Zweck des Änderungsverfahrens. Denn einerseits sollte die bis dahin geltende strengere Regelung des Änderungsbebauungsplans „Deckblatt 4“ mit einer Begrenzung auf 900 m² Verkaufsfläche an den Erweiterungswunsch der Klägerin angepasst, andererseits aber auch zukunftsgerichtet hierauf begrenzt werden (vgl. Planbegründung Seite 3). Hätte die Beigeladene die Verkaufsflächenbegrenzung auf 1.020 m² nicht als Grundzug der Planung gewollt, hätte die quadratmetergenaue Regelung im Zuschnitt auf das damals konkrete Erweiterungsvorhaben der Klägerin keinen Sinn gemacht; die Beigeladene hätte stattdessen - wenn mit eventuellen künftigen Erweiterungswünschen ohne erneute Änderung des Bebauungsplans grundsätzlich Einverständnis bestanden hätte - schon damals eine großzügigere Regelung treffen können. Letzteres unterblieb aber bewusst, zumal die - begrenzte - Erweiterungsentscheidung unter Abwägung des mit der Erweiterung verbundenen Kaufkraftabzugs unter Berücksichtigung des damals geltenden „Einzelhandels-Entwicklungskonzepts“ der Beigeladenen sowie landesplanerischer Anforderungen erfolgte (vgl. Planbegründung Seiten 5 f.).
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3. Auf die im Berufungsverfahren aufgeworfene Frage, ob es der Prüffähigkeit des Vorbescheidantrag der Klägerin entgegensteht, dass die Frage, ob zu Lasten der in der Nähe befindlichen Wohnbebauung das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme verletzt ist, von der Prüfung ausgeklammert sein sollte (vgl. einerseits BayVGH, U.v. 9.9.1999 - 1 B 96.3475 - juris; B.v. 16.8.2016 - 15 B 14.1625 - juris Rn. 14 m.w.N.; andererseits BayVGH, B.v. 16.8.2016 a.a.O. juris Rn. 15; B.v. 7.1.2019 - 15 ZB 18.947 - juris Rn. 8; B.v. 17.2.2020 - 9 ZB 17.1283 - juris Rn. 9; B.v. 18.2.2020 - 9 ZB 17.1284 - juris Rn. 9), kommt es daher nicht mehr entscheidungserheblich an.
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4. Die Berufung war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Beigeladene trägt billigerweise ihre außergerichtlichen Kosten selbst, weil sie keinen Antrag gestellt und sich damit auch keinem Prozesskostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO). Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO i.V. mit § 708 ff. ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.