Inhalt

VG München, Gerichtsbescheid v. 22.02.2021 – M 9 K 20.2606
Titel:

Erfolglose Klage gegen zweckentfremdungsrechtliche Anordnung

Normenkette:
BayZwEWG Art. 1 S. 2 Nr. 4
Leitsätze:
1. Die Notwendigkeit zur Renovierung eines Wohnraums ändert im Zweckentfremdungsrecht nichts an der objektiven Eignung zu Wohnzwecken. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Tatsache, dass eine Renovierung eines Wohnraums noch nicht abgeschlossen ist, stellt keinen schweren Mangel bzw. Missstand des Wohnraums dar, da maßgeblich der Zustand vor der Renovierung ist. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine siebenjährige Renovierung stellt keinen zügigen Umbau, Instandsetzung oder Modernisierung eines Wohnraums dar, welche eine Zweckentfremdung entfallen lässt. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Zweckentfremdung, Leerstand (München), Renovierung seit 7 Jahren, Leerstand, Renovierung, Wohnraum, Wohnzweck, Mangel, Missstand
Fundstelle:
BeckRS 2021, 4178

Tenor

I.Die Klage wird abgewiesen.
II.Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
III.Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.  

Tatbestand

1
Die Kläger wenden sich gegen zweckentfremdungsrechtliche, jeweils an den Einzelnen adressierte, Bescheide.
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Die Kläger sind Miteigentümer des Reihenmittelhauses …Str. 67, das ausweislich der Baugenehmigungen vom 16. Oktober 1956 und 18. Juli 2013 als Wohnraum ausgewiesen und bis 2012 so genutzt wurde. Seit dem Auszug des letzten Mieters steht das Haus seit etwa November 2012 leer und ist aktuell wegen nicht abgeschlossener Renovierungsarbeiten nicht bewohnbar. Nach den genehmigten Plänen von 1956 befinden sich im Erdgeschoss Küche, Wohn- und Esszimmer mit Terrasse sowie WC und im 1. Obergeschoss Bad sowie zwei Schlafzimmer und ein Balkon. Das Dachgeschoss war ursprünglich nicht ausgebaut. Der Ausbau des Dachgeschosses mit Dusche und zwei Zimmern sowie der Einbau von zwei Gauben wurde mit Bescheid vom 18. Juli 2013 baurechtlich genehmigt.
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Die Beklagte hat die Kläger mehrfach angehört und Unterlagen angefordert. Ausweislich der von ihrem Bevollmächtigten vorgelegten Nachweise und der Stellungnahmen im Verwaltungsverfahren haben seit Beginn der Bauarbeiten drei Architektenwechsel stattgefunden und die Kläger haben verschiedene Gerichtsverfahren mit dem Vormieter, Architekten und Handwerker geführt. Der Bevollmächtigte der Kläger hat dazu vorgetragen, dass die begonnenen Bauarbeiten deshalb zum Stillstand gekommen seien und es wegen dieser Vorgeschichte Schwierigkeiten damit gäbe, jemanden zu finden, der die Bauarbeiten beende.
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Mit Schreiben vom 7. November 2019 teilte der Bevollmächtigte der Kläger mit, dass im November 2019 die Bauarbeiten wieder aufgenommen werden sollten.
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Am 15. Januar 2020 wurde eine Ortseinsicht mit einem Vertreter des Fachbereichs Technik der Beklagten durchgeführt. Es sei lediglich eine Begehung möglich gewesen. Die Anfertigung von Fotografien sei untersagt worden. Ausweislich der fachlichen Stellungnahme vom 18. März 2020 ist das Haus eine Baustelle. Mit der Modernisierung der Elektroinstallation sei begonnen worden. Die Heizung sei 2014 erneuert worden; Rohre und Heizkörper seien - mit Ausnahme des Dachgeschosses, in dem sich keine Heizung befände - neu verbaut worden. Die Sanitäranlagen seien nicht fertig; Wasserrohre etc. im Erd- und Obergeschoss für Küche und Bad seien verlegt worden. Das Dach sei 2014 erneuert worden und der Zustand sei gut. Leitungsschlitze in den Wänden seien noch nicht verschlossen. Die Decken seien relativ gut erhalten. Im Erdgeschoss benötige der Fußboden einen neuen Estrich. Fußboden und Wände benötigten einen neuen Belag und Fliesen. Innentüren, Fenster und Treppe seien relativ gut erhalten und stammten aus der Zeit des Neubaus. Mit dem Dachgeschossausbau sei begonnen worden. Insgesamt sei eine Fertigstellung bis Ende Oktober 2020 möglich.
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Mit Bescheiden vom 11. Mai 2020 verpflichtete die Beklagte die Kläger dazu, den Wohnraum unverzüglich wieder Wohnzwecken zuzuführen (Ziff. 1) und drohte für den Fall, dass der Anordnung in Ziff. 1 des Bescheides nicht innerhalb einer Frist von 8 Monaten nachgekommen werde, ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,- EUR an (Ziff. 2). Die Kosten des Verfahrens seien als Gesamtschuldner zu tragen (Ziff. 3). Eine Zweckentfremdung von Wohnraum liege vor (Art. 2 Satz 2 Nr. 4 ZwEWG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 ZeS). Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 Nr. 2 ZeS lägen nicht vor, da keine nachvollziehbaren Nachweise vorgelegt worden seien, die für die umfangreichen Instandsetzungs-, Instandhaltungs- und Modernisierungsarbeiten einen Zeitraum von über 7 Jahren rechtfertigten. Sonstige Gründe, die einen Leerstand rechtfertigten, seien nicht ersichtlich. Der Leerstand stelle eine Ordnungswidrigkeit dar.
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Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe des Bescheides Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).
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Der Bevollmächtigte der Kläger hat mit Schriftsatz vom 15. Juni 2020 Klage gegen die Bescheide erhoben und beantragt,
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Der Bescheid der Beklagten vom 11. Mai 2020 gegen den Kläger zu 1) wird aufgehoben.
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Der Bescheid der Beklagten vom 11. Mai 2020 gegen die Klägerin zu 2) wird aufgehoben.
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Zur Begründung wurde mit Schriftsatz vom 28. August 2020 und 20. November 2020 vorgetragen, dass das Reihenhaus stark renovierungsbedürftig sei. Es seien bereits drei Architekten tätig gewesen und die Kläger seien bereits über 70 Jahre alt. Die Klägerin zu 2), die für die Renovierung in Absprache mit dem Kläger zu 1) innerhalb der Familie zuständig sei, könne sich aus gesundheitlichen Gründen nur eingeschränkt um die Renovierung kümmern. Der Bescheid sei zu Unrecht auf eine Ordnungswidrigkeit nach dem LStVG gestützt worden. Die Bescheide seien nichtig (Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG), da sie gegen das Bestimmtheitsgebot (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG) verstießen. Die Ziff. I und II hätten unterschiedliche Fristen, weshalb nicht klar sei, was gelte. Da es sich um zwei getrennte Bescheide ohne gegenseitige Duldungspflichten handele, werde etwas rechtlich Unmögliches verlangt. Die Wohnraumeigenschaft sei nicht ermittelt worden, weshalb ein Ermessensfehler vorläge. Die Wohnraumeignung fehle wegen der dafür erforderlichen betriebsbereiten Heizung, da der ursprüngliche alte Brennkessel keine Betriebserlaubnis mehr habe. Die Beweislast für die objektive Eignung zu Wohnzwecken habe die Beklagte. Gegen Art. 14 Abs. 1, 6 Abs. 1 und 12 Abs. 2 GG werde verstoßen. Die Voraussetzungen für eine zügige Instandsetzung im Sinne des § 4 Abs. 2 Nr. 2 ZeS lägen vor, da die Kläger die Verzögerungen nicht zu vertreten hätten. Es läge auch ein Fall des § 3 Abs. 3 Nr. 5 ZeS vor, da das Reihenhaus schwere Mängel habe und die nach dem Mietspiegel zu erwartende monatliche Miete in Höhe von 1.667,86 EUR (maximale Miete nach Ausbau des Dachgeschosses) hochgerechnet auf 10 Jahre 200.143,20 EUR betrage und damit geringer sei als die von dem dritten Architekten veranschlagten Gesamtkosten in Höhe von 232.456,46 EUR. Wegen der Unmöglichkeit, die Verpflichtungen in Ziff. I einzeln zu erfüllen, sei auch das Zwangsgeld rechtswidrig.
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Einen Antrag des Bevollmächtigten auf Aussetzung des Verfahrens bis zum Abschluss des Bußgeldverfahrens hat das Gericht wegen fehlender Vorgreiflichkeit abgelehnt.
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Die Beklagte beantragte mit Schreiben vom 14. Oktober 2020,
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die Klage abzuweisen.
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Unabhängig von den durch die Klägerseite geschilderten Vorgängen seit dem Jahre 2012 sei nicht ersichtlich, warum das Wohnhaus seit dem Abschluss des Gerichtsverfahrens, nach den vorgelegten Schriftstücken im Mai 2016, nicht mittlerweile wieder Wohnzwecken zugeführt wurde. In diesen knapp 4 Jahren hätten sämtliche Arbeiten erledigt werden können und Verzögerungen bei Bauarbeiten gehörten regelmäßig zum Risiko der Eigentümer. Soweit der Bevollmächtigte die im Bescheid genannte, veraltete Rechtsgrundlage rüge, werde hiermit erklärt, dass es sich um ein Schreibversehen handle, ohne dass dies Einfluss auf die Rechtmäßigkeit habe, da sich durch einen Wechsel die Ermächtigungsgrundlage die rechtlichen Voraussetzungen nicht änderten. Ein Mangel hinsichtlich der Bestimmtheit läge nicht vor, da die Androhung eines Zwangsgeldes unter Fristsetzung von 8 Monaten nichts an der unverzüglich angeordneten Verpflichtung ändere. Eine gegenseitige Duldungsverfügung sei wegen des parallelen Vorgehens gegen beide Eigentümer nicht erforderlich und stehe in Bezug auf die Vollstreckung einer Duldungsanordnung gleich. Der Ausnahmetatbestand des § 3 Abs. 3 Nr. 5 ZeS sei von den dafür beweisbelasteten Klägern nicht dargelegt und aus den vorgelegten Unterlagen nicht beurteilbar.
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Die Beteiligten wurden zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.
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Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Über die Klage konnte nach Anhörung der Beteiligten durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Die beiden identischen verfahrensgegenständlichen Bescheide verletzen die Kläger nicht in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das im Miteigentum der Kläger stehende Reihenmittelhaus ist Wohnraum im Sinne von § 3 Abs. 1, 2 der Satzung der Landeshauptstadt München über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum i.d.F. vom 4. November 2019 (MüABl. S. 452). Diese Wohnraumeigenschaft ist nicht entfallen und der seit 2012 anhaltende Leerstand erfüllt den zweckentfremdungsrechtlichen Tatbestand (Art. 1 Satz 2 Nr. 4 Zweckentfremdungsgesetz - ZwEWG - v. 10.12.2017 (GVBl. 2007, 864), zuletzt geändert mit G. v. 19.6.2017 i.V.m. §§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4, Abs. 2 Nr. 2, § 3 Abs. 3 Nr. 5 ZeS).
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Zweifel daran, dass es sich bei dem Reihenmittelhaus nach wie vor objektiv und subjektiv um Wohnraum im Sinne von § 3 Abs. 1 und 2 ZeS handelt, bestehen keine. Das Haus wurde als Wohnraum baurechtlich genehmigt und bis zum Auszug der letzten Mieter im Jahr 2012 zu Wohnzwecken genutzt. Auch die aktuelle Baugenehmigung - insbesondere zum Ausbau des Dachgeschosses - aus dem Jahre 2013 genehmigt den Ausbau zu Wohnzwecken. Soweit der Bevollmächtigte der Kläger vorträgt, die objektive Eignung zu Wohnzwecken fehle, da die alte Heizung nicht mehr betrieben werden durfte, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Ausweislich der Akten ist die alte Heizung längst erneuert. Im Übrigen ändert die Notwendigkeit zur Renovierung, wozu auch der Austausch von Verschleißteilen - wie veralteten Geräten - gehört, nichts an der objektiven Eignung zu Wohnzwecken.
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Die Wohnraumeigenschaft ist nicht wegen schwerer Mängel entfallen, § 3 Abs. 3 Nr. 5 ZeS. Danach liegt kein Wohnraum vor, wenn ein dauerndes Bewohnen unzulässig oder unzumutbar ist, weil der Raum einen schweren Mangel bzw. Missstand aufweist oder unerträglichen Umwelteinflüssen ausgesetzt ist und die Wiederbewohnbarkeit nicht mit einem objektiv-wirtschaftlichen und zumutbaren Aufwand hergestellt werden kann.
22
Im vorliegenden Fall ist bereits nicht dargelegt, dass schwere Mängel bzw. Missstände vorliegen. Nach Aktenlage sind Heizung und Dach bereits erneuert und mit der Renovierung der Sanitäranlagen wurde begonnen. Die Tatsache, dass eine Renovierung noch nicht abgeschlossen ist, stellt keinen schweren Mangel bzw. Missstand des Wohnraums dar, da maßgeblich der Zustand vor der Renovierung ist. Nach den hier vorgelegten Unterlagen und der Stellungnahme des Fachbereichs Technik vom 18. März 2020 über das Ergebnis der Begehung betrifft und betraf der Renovierungsbedarf die Dacheindeckung, Heizung und Sanitär, Erneuerung der elektrischen Leitungen, Erneuerung von Bad, Toiletten, Küche sowie den Fußboden im Erdgeschoss.
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In welchem Ausmaß diese umfangreichen Renovierungsarbeiten auf einem schweren Mangel zurückzuführen sind, lässt sich den von der Klägerseite vorgelegten Unterlagen nicht entnehmen. Zugunsten der Kläger wird davon ausgegangen, dass es sich im Hinblick auf das Alter des Hauses zumindest in Teilen um einen schweren Mangel gehandelt hat, weil durch Abnutzung, Alter oder Witterungseinflüsse die bestimmungsgemäße Nutzung der baulichen Anlage nicht nur unerheblich beeinträchtigt wurde (§ 177 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB). Zu berücksichtigen ist dabei allerdings, dass das Wohnhaus bis 2012 vermietet war, so dass bis zu diesem Zeitpunkt nicht von einer Unbewohnbarkeit wegen eines schweren Mangels oder Misssstands ausgegangen werden kann.
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Im vorliegenden Fall ist ungeachtet dessen die Wiederbewohnbarkeit mit einem objektiv-wirtschaftlichen und zumutbaren Aufwand herstellbar mit der Folge, dass ungeachtet eines vor der Renovierung möglicherweise vorliegenden Missstandes oder Mangels nach der Renovierung zweifelsfrei Wohnraum im Sinne des § 3 Abs. 1, 2 ZeS vorliegt, der ohne weiteres wiederbewohnbar ist. Die Auffassung der Klägerseite, dass die Renovierungskosten nicht innerhalb eines Zeitraums von 10 Jahren durch entsprechende Erträge ausgeglichen werden können, § 3 Abs. 3 Nr. 5, S.2, erster Spiegelstrich ZeS, trifft offensichtlich nicht zu. Dies hat folgende Gründe:
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Die von dem dritten Architekten erstellten Baukosten - einschließlich der Nebenkosten - in Höhe von 232.456,46 EUR beruhen auch auf den Kosten für den Ausbau des Dachgeschosses mit Bad, 2 Zimmern und zwei Dachgauben. Eine Kostenkalkulation, in der die erforderlichen baulichen Instandsetzungs- und Instandhaltungsmaßnahmen im Einzelnen mit konkreten Positionen der Gewerke aufgeschlüsselt werden, wurde nicht vorgelegt. Unter Berücksichtigung dessen, dass nur die Kosten für die Herstellung der Bewohnbarkeit anzusetzen sind, können die über die Bestandserhaltung hinausgehenden Kosten für den erstmaligen Dachgeschoßausbau bei der Ermittlung der Erträge nicht berücksichtigt werden. Die Darlegung geht insoweit von falschen rechtlichen Voraussetzungen aus (VG München v. 29.3.2017 - M 9 K 15.3795 - m.w.N.).
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Die Annahme der Kläger einer monatlichen Nettomiete von 1.667,86 EUR nach Renovierung ist unter Berücksichtigung dessen, dass es sich um ein Reihenmittelhaus mit Garten handelt, mit und ohne ausgebautem Dachgeschoss zu niedrig angesetzt. Es entspricht nicht der Realität der Neuvermietung eines renovierten Reihenmittelhauses in N. … mit Garten, dass eine Quadratmeter-Miete von unter 14,- EUR bei Neuvermietung zugrunde gelegt wird. Es erübrigt sich, auf die Einzelheiten der Mietspiegelberechnung des Klägers einzugehen, da bereits Etagenwohnungen in vergleichbarer Lage zu einer Quadratmeter-Miete von deutlich über 20,- EUR angeboten werden (Quelle: ImmoScout24).
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Der Einholung eines Sachverständigen-Gutachtens bedarf es nicht. Zum einen ist der Kläger dafür beweispflichtig, dass eine Ausnahme von der Eignung zu Wohnzwecken vorliegt. Die Ausführungen zur Beweislast der Beklagten gehen bereits deshalb fehl, da keinerlei Unterlagen über den tatsächlichen Renovierungsbedarf und die einzelnen Gewerke vorgelegt wurden, anhand derer eine Prüfung möglich wäre. Zum anderen ist die Berechnung durch die Kläger unter Einbeziehung der Kosten für den Dachgeschossausbau erfolgt und unter Zugrundelegung einer außerordentlich geringen Quadratmeter-Miete, sodass auch ohne detaillierte Begutachtung nicht ansatzweise dargelegt ist, dass die bestandserhaltenden Renovierungskosten nicht durch entsprechende Erträge ausgeglichen werden können.
28
Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 Nr. 2 ZeS, wonach eine Zweckentfremdung nicht vorliegt, wenn der Wohnraum nachweislich zügig umgebaut, instandgesetzt oder modernisiert wird, liegen nicht vor. 7 Jahre sind keine zügige Renovierung. Die Wechsel der Architekten und die Prozesse gegen Architekten, Vormieter und Handwerker waren nach den vorgelegten Unterlagen bereits im Jahre 2016 beendet. Die Kläger hatten seitdem 3 Jahre Zeit, die Renovierung zu beenden. Auf die Frage, ob während der Gerichtsprozesse eine Unterbrechung der Renovierungsarbeiten zum Zwecke der Beweissicherung erforderlich war, kommt es im Hinblick auf diesen Zeitablauf daher nicht an.
29
Sonstige entscheidungserhebliche Gründe für eine Rechtswidrigkeit der Bescheide liegen nicht vor. Beide Bescheide genügen dem Bestimmtheitsgrundsatz, da inhaltlich identisch von jedem Miteigentümer verlangt wird, das Reihenhaus wieder Wohnzwecken zuzuführen. Es verstößt nicht gegen den Bestimmtheitsgrundsatz, sondern berücksichtigt den zivilrechtlichen freien Gestaltungsspielraum des Eigentümers, wenn diesem überlassen bleibt, in welcher Form er dies tut.
30
Soweit vorgetragen wird, dass die Unbestimmtheit auf unterschiedlichen Fristen in Ziff. 1 und Ziff. 2 des Bescheides beruht, erschließt sich dies wegen der unterschiedlichen Regelungsgegenstände nicht. Die Verpflichtung besteht unverzüglich und diese Formulierung ist für den Laien und den Juristen unmissverständlich. Das Zwangsgeld wird fällig, wenn diese Verpflichtung 8 Monate lang nicht erfüllt wird, wobei die Einräumung einer angemessenen Frist zur Erfüllung gesetzliche Voraussetzung nach dem Vollstreckungsrecht ist; der Wortlaut ist auch für den Laien eindeutig.
31
Hinsichtlich des Vortrags zu Grundrechtsverstößen wird darauf hingewiesen, dass das Zweckentfremdungsrecht nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung ein Ausfluss der Sozialpflichtigkeit des Eigentums ist (Art. 14 GG). Inwieweit gegen das Recht auf Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) oder das Verbot von Dienstleistungspflichten (Art. 12 Abs. 2 GG) verstoßen sein könnte, ist nicht erkennbar. Von den Klägern wird keine höchstpersönliche Tätigkeit erwartet, zumal der Bevollmächtigte selber vorgetragen hat, dass ab Ende 2019 die Renovierung fortgeführt wird; das Gericht geht davon aus, dass dies durch Handwerker erfolgt.
32
Von den Klägern wird auch nichts Unmögliches verlangt, da sie Miteigentümer sind, die Verpflichtungen inhaltsgleich sind und korrekt an den jeweiligen Eigentümer als eigener Bescheid adressiert wurden. Da beide Miteigentümer unmittelbar als Störer in Anspruch genommen wurden, bedarf es für die Vollstreckung keiner wechselseitigen Duldungsanordnungen.
33
Soweit der Bevollmächtigte der Kläger vorträgt, dass der Bescheid im Hinblick auf die Ordnungswidrigkeit zu Unrecht auf Vorschriften des LStVG gestützt wurde trifft dies zu, führt rechtlich jedoch zu keinem anderen Ergebnis. Die in der Bescheidsbegründung genannte Ermächtigungsgrundlage ist veraltet. Dies ist ohne Einfluss auf die Rechtmäßigkeit, da sich die rechtlichen Voraussetzungen nicht geändert haben (VG München, B.v. 20.8.2019 - M 9 S 18.3233).
34
Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.