Titel:
Kein Asylanspruch wegen nicht glaubhaften Vorbringens
Normenketten:
AsylG § 3, § 4, § 77 Abs. 2
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
Leitsatz:
Auch unter Berücksichtigung seines Herkommens, Bildungsstands und Alters muss ein Asylsuchender im Wesentlichen gleichbleibende, möglichst detaillierte und konkrete Angaben zu den behaupteten persönlichen Umständen seiner Verfolgung und seiner Furcht vor einer Rückkehr hinreichend substantiiert, detailliert und widerspruchsfrei vortragen. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Asyl Tansania, Tansania, Glaubhaftmachung, substantiiertes Vorbringen
Fundstelle:
BeckRS 2021, 41755
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der Kläger ist Staatsangehöriger Tansanias, 1993 in D* … geboren, dem Volke der Ndengereko zugehörig und islamischen Glaubens. Er reiste nach eigenen Angaben im Juni 2016 aus und gelangte über Mosambik, Südafrika, Italien und die Niederlande in die Bundesrepublik Deutschland und stellte hier am 29. Mai 2019 einen Asylantrag.
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Bei seiner Anhörung am 2. Juli 2019 vor dem Bundesamt für .... (Bundesamt) gab der Kläger im Wesentlichen an, er habe seine Heimat erstens wegen eines Streites mit seinem Onkel um das elterliche Erbe verlassen. Auch habe er seine Schwester in Schutz nehmen wollen, die wegen einer Affäre mit einer verheirateten Frau von deren Mann und anderen Männern nach islamischem Recht bestraft werden sollten. Dabei sei es zu einem tätlichen Angriff auf ihn gekommen.
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Mit Bescheid vom 5. Oktober 2010, zugestellt am 8. Oktober 2020, lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1) und auf Asylanerkennung (Ziffer 2) sowie auf Zuerkennung subsidiären Schutzes (Ziffer 3) ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 4). Der Kläger wurde aufgefordert, die Bundesrepublik innerhalb von dreißig Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung bzw. nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde die Abschiebung nach Tansania oder in einen anderen Staat angedroht, in den der Kläger einreisen darf oder der zu seiner Rücknahme verpflichtet ist (Ziffer 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf dreißig Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 6).
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Am 13. Oktober 2020 erhob der Kläger Klage zur Niederschrift zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erheben und beantragte,
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den Bescheid der Beklagten vom 5. Oktober 2020 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Kläger als Flüchtling anzuerkennen, hilfsweise dem Kläger den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen, sowie hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz AufenthG vorliegen.
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Die Beklagte hat die Behördenakten elektronisch übersandt.
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Mit Beschluss vom 6. Oktober 2021 wurde der Rechtsstreit auf den Einzelrichter übertragen.
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Am 3. November 2021 wurde mündlich verhandelt, der Kläger wurde informatorisch gehört.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung, die vorgelegte Behördenakte und die Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Das Gericht konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten über die Sache verhandeln und entscheiden, da die Beklagte ordnungsgemäß geladen und in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war (§ 102 Abs. 2 VwGO).
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Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 5. Oktober 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Das Gericht folgt den zutreffenden Feststellungen und der zutreffenden Begründung des streitigen Bescheids, sieht daher von einer eigenständigen Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG), und ergänzt lediglich wie folgt:
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„1. Flüchtlingsschutz nach § 3 AsylG steht dem Kläger nicht zu. Aus seinem Vortrag, dessen Wahrheit einmal unterstellt, ergeben sich keine Verfolgungshandlungen und Verfolgungsgründe, die die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begründen können.“
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2. Zutreffend und rechtsfehlerfrei wurde von der Beklagten dargelegt, dass im Hinblick auf die begehrte Gewährung von subsidiärem Schutz nach § 4 AsylG dem Kläger in Tansania kein ernsthafter Schaden droht. Auch in der mündlichen Verhandlung haben sich keine Tatsachen ergeben, die eine andere Bewertung erheischen würden. Das Vorbringen des Klägers ist nämlich insoweit nicht glaubhaft.
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Das Gericht muss sowohl von der Wahrheit - und nicht nur von der Wahrscheinlichkeit - des vom Asylsuchenden behaupteten individuellen Schicksals als auch von der Richtigkeit der Prognose drohender Verfolgung bzw. Gefährdung die volle Überzeugung gewinnen. Auf die Glaubhaftigkeit seiner Schilderung und Glaubwürdigkeit seiner Person kommt es entscheidend an. Seinem persönlichen Vorbringen und dessen Würdigung ist daher gesteigerte Bedeutung beizumessen. Der Asylbewerber muss die persönlichen Umstände seiner Verfolgung und Furcht vor einer Rückkehr hinreichend substantiiert, detailliert und widerspruchsfrei vortragen, er muss kohärente und plausible wirklichkeitsnahe Angaben machen (vgl. nunmehr auch Art. 4 RL 2011/95 EU sowie bereits bislang BVerfG (Kammer), B.v. 7.4.1998 - 2 BvR 253/96 - juris). Auch unter Berücksichtigung des Herkommens, Bildungsstands und Alters muss der Asylbewerber im Wesentlichen gleichbleibende möglichst detaillierte und konkrete Angaben zu seinem behaupteten Verfolgungsschicksal machen.
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Diese Voraussetzungen liegen im Falle des Klägers nicht vor. Die Angaben gegenüber dem Bundesamt zu einer religiös begründeten Verfolgung durch Sheiks im Namen der Scharia sind oberflächlich und unsubstantiiert. Das Kerngeschehen, der Angriff aus seine Schwester und sein angebliches Dazwischentreten, ist nicht glaubhaft, weil viel zu vage und oberflächlich, geschildert. Den Zeitpunkt, zu dem diese Geschehnisse stattfanden, hat der Kläger zunächst nicht angegeben, dann auf Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung auf das Jahr 2012 datiert, womit er sich dann noch immerhin vier Jahre nach dem geschilderten Überfall in Tansania aufgehalten hätte. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger eine Erklärung vom … Oktober 2021 vorgelegt, die ebenfalls oberflächlich und unsubstantiiert von Verfolgung durch Sheiks spricht, ohne ins Detail zu gehen. Insgesamt konnte das Gericht auch aufgrund der mündlichen Verhandlung nicht die Überzeugung vom Drohen einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung für den Kläger weder durch staatliche noch durch private Akteure im Sinne des allein in Betracht kommenden § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG gewinnen.
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3. Abschiebungsverbote liegen nicht vor. Der Kläger ist jung, gesund, alleinstehend bzw. um sein Kind kümmert sich nach seinen Angaben seine Schwester und arbeitsfähig. Er hat in Tansania als Gelsammler für ein Sammeltaxi gearbeitet. In Deutschland arbeitet er seit Ende 2020 als Reinigungskraft.
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Gesundheitliche Einschränkungen, die ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG rechtfertigen würden, sind weder vorgetragen noch ersichtlich und insbesondere auch nicht durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung nachgewiesen.
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4. Die Abschiebungsandrohung begegnet ebenso wie die Befristung der Wiedereinreisesperre keinerlei Bedenken; insoweit wird auf den Bescheid Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
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Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).