Titel:
Internationale Zuständigkeit der deutschen Arbeitsgerichte
Normenketten:
Brüssel Ia-VO Art. 21 Abs. 1 lit. b
MiLoG § 22 Abs. 1
BGB § 611a
Leitsätze:
1. Für die auf Art. 21 Abs. 1 Brüssel Ia-VO gestützte internationale Zuständigkeit der deutschen Arbeitsgerichte genügt im Anwendungsbereich dieser VO, soweit umstrittene Tatsachen doppelrelevant sind, ein schlüssiger Vortrag der klagenden Partei hinsichtlich der Behauptung ihrer Arbeitnehmerstellung aus (vgl. LAG Bremen BeckRS 2018, 43211; s. auch LAG Niedersachsen BeckRS 2021, 26119; LAG Rheinland-Pfalz BeckRS 2019, 39431). (Rn. 23 – 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Demgemäß ist die internationale Zuständigkeit der deutschen Arbeitsgerichte (schon) gegeben, wenn eine ausländische ambulante Pflegekraft, die ihren Vertragspartner auf Zahlung des Mindestlohns in Anspruch nimmt, substanziiert vorträgt, dass ihr sowohl der Arbeitsort als auch die Arbeitszeit wie auch die Verweildauer an einem Arbeitsort vorgegeben wurden und sie nach ihrer Behauptung in keiner Weise darauf Einfluss nehmen konnte, wo sie als nächstes oder für wie lange sie an einem Ort arbeiten möchte, sie vielmehr im freien Belieben des Vertragspartners an verschiedenen Orten im Inland eingesetzt worden sei und man ihr zudem Vorgaben hinsichtlich Umgangsformen und Hygiene gemacht habe. Dass die Pflegekraft in der täglichen Arbeit keinen konkreten Weisungen durch ihren Vertragspartner unterlag, ist demgegenüber nicht hinderlich, sondern vielmehr typisch in Fallkonstellationen, in denen ein Arbeitnehmer im Außendienst tätig ist und nicht der ständigen Kontrolle durch den Arbeitgeber unterliegt. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Mindestlohn, ambulante Pflegekraft, internationale Zuständigkeit, Arbeitnehmereigenschaft, gewöhnlicher Arbeitsort, Zwischenurteil, doppelrelevante Tatsache
Rechtsmittelinstanz:
LArbG München, Urteil vom 25.11.2021 – 3 Sa 466/21
Fundstelle:
BeckRS 2021, 41705
Tenor
1. Das Arbeitsgericht Regensburg - Kammer Landshut - ist international zuständig.
2. Der Streitwert für dieses Zwischenurteil wird auf 11.262 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten um Ansprüche der Klägerin auf Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns und dabei zunächst um die internationale Zuständigkeit des von der Klägerin angerufenen Arbeitsgerichts Regensburg - Kammer Landshut.
2
Die Klägerin ist rumänische Staatsangehörige. Die Beklagte hat ihren Sitz in Warschau, Polen und unterhält in Deutschland keine Niederlassungen, Filialen oder Ähnliches.
3
Am 12.05.2020, 13.05.2020 und 15.05.2020 absolvierte die Klägerin Schulungen in Rumänien, durch die ihr Grundlagen in der Pflege und rudimentäre Deutschkenntnisse vermittelt wurden. Im Anschluss reiste die Klägerin nach München. Nach ihrer Ankunft am Hauptbahnhof wurde die Klägerin durch einen polnischen Fahrer in einem Kleinbus nach gefahren. Im Zeitraum vom 22.05.2020 bis zum 10.07.2020 arbeitete die Klägerin dann als ambulante Pflegekraft bei einer Familie i^ …| …|. Am 09.07.2020 wurde die Klägerin telefonisch darüber informiert, dass sie am 10.07.2020 morgens abgeholt werden und zu ihrem nächsten Einsatzort gebracht werde.
4
Vom 10.07.2020 bis 11.07.2020 arbeitete die Klägerin bei einer Familie in^ … … Aufgrund eines Zwischenfalls bei der Familie in musste sich die Klägerin vom 11.07.2020 bis zum 14.07.2020 stationär behandeln lassen. Vom 14.07.2020 bis zum 26.07.2020 wohnte die Klägerin in der Pension am^ …| in Landshut. Nachdem sie erneut telefonisch informiert und durch einen polnischen Fahrer abgeholt worden war, arbeitete die Klägerin vom 25.07.2020 bis zum 26.07.2020 bei einer Familie in …u. Nach dem 26.07.2020 kam es zu keinen weiteren Einsätzen der Klägerin.
5
Der Vertrag wurde durch die Beklagte per Kündigungsschreiben vom 20.08.2020 gekündigt.
6
Die Klägerin hat am 12.10.2020 über die Rechtsantragstelle des Arbeitsgerichts Regensburg - Kammer Landshut - Klage über Zahlung von 12.342,00 € brutto abzüglich 1.080,00 € netto nebst einem allgemeinen Feststellungsantrag hinsichtlich des Arbeitsverhältnisses erhoben.
7
Das Gericht hat die Verhandlung gemäß § 280 ZPO, § 46 Abs. 2 ArbGG durch Beschluss zunächst auf die Zulässigkeit der Klage hinsichtlich der internationalen Zuständigkeit beschränkt.
8
In der mündlichen Verhandlung vom 22.06.2021 hat die Klägerin den Feststellungsantrag hinsichtlich des Bestandes des Arbeitsverhältnisses zurückgenommen.
9
Die Klägerin ist der Auffassung, dass ihr der gesetzliche Mindestlohn für den Zeitraum 22.05.2020 bis zum 26.07.2020 zustehe und das Arbeitsgericht Regensburg - Kammer Landshut - international zuständig sei. Die Beklagte habe sie täglich im Umfang von 22 Stunden bei den zu Pflegenden eingesetzt. Von anderen Firmen sei sie nicht eingesetzt worden. Es seien von ihr auch keinerlei Verträge unterschrieben worden.
10
Sie ist der Auffassung, dass sie Arbeitnehmerin der Beklagten gewesen sei.
11
Dies ergebe sich vor allem daraus, dass sie keinerlei Einfluss darauf gehabt habe, an welchem Ort sie für wie lange eingesetzt werde. Sie sei immer durch einen Disponenten der Beklagten angerufen worden, der ihr mitteilte, dass sie zu einem anderen Einsatzort gebracht werden soll. Ihr sei nie gesagt worden, wohin sie gebracht werde bzw. wie lange sie dort arbeiten werde. Ferner habe die Beklagte sie darauf hingewiesen, dass größter Wert auf Höflichkeit, Sauberkeit und Hilfsbereitschaft gelegt werde, denn sie müsse rund um die Uhr bei der Familie leben.
12
Die Klägerin b e a n t r a g t zuletzt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 12.342,00 € brutto abzüglich 1.080,00 € netto sowie Jahreszinsen hieraus in Höhe von Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.
13
Die Beklagte b e a n t r a g t,
14
Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Klage als unzulässig abzuweisen sei, weil es an der internationalen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts fehle. Am 19.06.2020 hätten die Parteien eine Rahmenvereinbarung über die Zusammenarbeit im Bereich Haushaltshilfe und Betreuungsdienstleistungen innerhalb Deutschlands geschlossen. In Ziffer 9.8 des Vertrags sei der ausschließliche Gerichtsstand am Sitz der Beklagten vereinbart worden. Diese Gerichtsstandsvereinbarung sei auch zulässig, denn die Klägerin sei keine Arbeitnehmerin, sondern vielmehr eine selbstständige Subunternehmerin. Selbst wenn man aufgrund eines sic-non-Falles die schlüssige Behauptung der Arbeitnehmereigenschaft durch die Klägerin genügen lassen würde, wäre das Arbeitsgericht Regensburg - Kammer Landshut - dennoch nicht zuständig, weil die Klägerin ihre Tätigkeit nicht ausschließlich im Zuständigkeitsbereich dieses Gerichts erbracht habe. Insbesondere die Tätigkeit in Dingolfing habe die Klägerin zudem nicht für die Beklagte, sondern für ein anderes Unternehmen, die …B^H^, erbracht. Diesbezüglich sei eine Beweisaufnahme vonnöten.
15
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 23.03.2021 (Bl. 50/51 d.A.) und 22.06.2021 (Bl. 100/102 d. A.) sowie auf die Schriftsätze der Klägerin vom 12.10.2020 (Bl. 1/ 4 d. A.), 09.02.2021 (Bl. 43/45 d. A.) und vom 03.06.2021 (Bl. 86/94) sowie die Schriftsätze der Beklagten vom 08.01.2021 (Bl. 25/35 d. A.), 13.05.2021 (Bl. 58/85 d. A.) und 13.06.2021 (Bl. 95/99 d. A.) jeweils nebst Anlagen.
Entscheidungsgründe
16
Das Arbeitsgericht Regensburg - Kammer Landshut - ist für den vorliegenden Rechtsstreit international zuständig. Dies war durch Zwischenurteil auszusprechen, nachdem das Gericht die Verhandlung gemäß § 280 ZPO, § 46 Abs. 2 ArbGG auf die Zulässigkeit der Klage hinsichtlich der internationalen Zuständigkeit beschränkt hat.
17
1. Die internationale Zuständigkeit für das vorliegende Verfahren bestimmt sich nach der EuGVVO (Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen).
18
2. Die EuGVVO ist seit ihrem Inkrafttreten in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat der EU (Art. 288 Abs. 2 AEUV). Nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1 EuGVVO ist diese sachlich anzuwenden, da die Parteien eine zivilrechtliche Streitigkeit führen, wozu auch arbeitsrechtliche Streitigkeiten gehören. Ferner handelt es sich auch um eine Streitigkeit mit Auslandsbezug, weil die Beklagte ihren Sitz in Polen hat.
19
3. Die internationale Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Regensburg - Kammer Landshut - richtet sich vorliegend nach Abschnitt 5 der EuGVVO (Art. 20 bis 23) und folgt in diesem Fall aus Art. 21 Abs. 1 lit. b (i) EuGVVO.
20
a) Ein ausschließlicher Gerichtsstand gemäß Art. 24 EuGVVO ist nicht gegeben.
21
b) Nach Art. 21 Abs. 1 lit. b (i) EuGVVO kann ein Arbeitgeber, der seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, in einem anderen Mitgliedstaat vor dem Gericht des Ortes, an dem oder von dem aus der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet oder zuletzt gewöhnlich verrichtet hat, verklagt werden.
22
aa) Der Anwendungsbereich von Art. 20 bis 23 EuGVVO ist vorliegend eröffnet. Ob zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestand ist zwar streitig. Im Rahmen der Bestimmung der internationalen Zuständigkeit genügt jedoch im vorliegenden Fall der schlüssige Vortrag der Klägerin, es habe ein Arbeitsverhältnis zur Beklagten bestanden.
23
(1) Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH v. 28.01.2015 - C- 375/13 -, Rn. 65, juris) ist es im Rahmen der Prüfung der Zuständigkeit nach der EuGVVO nicht erforderlich, zu strittigen Tatsachen, die sowohl für die Frage der Zuständigkeit als auch für das Bestehen des geltend gemachten Anspruchs von Relevanz sind, ein umfassendes Beweisverfahren durchzuführen. Dem angerufenen Gericht steht jedoch frei, seine internationale Zuständigkeit im Licht aller ihm vorliegenden Informationen zu prüfen, wozu gegebenenfalls auch die Einwände des Beklagten gehören. Diese Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist vergleichbar mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, die hinsichtlich der Rechtswegzuständigkeit zwischen drei Fallgruppen (sicnon, et-et und aut-aut) unterscheidet (vgl. BAG v. 21.01.2019 - 9 AZB 23/18 -, BAGE 165, 61-73, Rn. 20; BAG v. 08.09.2015 - 9 AZB 21/15 -, Rn. 18, juris). Es ist daher naheliegend, die drei vorgenannten Fallgruppen vorliegend auch im Rahmen der Bestimmung der internationalen Zuständigkeit heranzuziehen (LAG Bremen v. 30.10.2018 - 1 Sa 157/17 -, Rn. 59, juris).
24
(2) Vorliegend begehrt die Klägerin nur noch die Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns. Hierbei handelt es sich um eine sic-non-Fallgestaltung, weil der gesetzliche Mindestlohn nur Arbeitnehmern (§ 22 Abs. 1 Satz 1 MiLoG; sowie unter Umständen auch Praktikanten, § 22 Abs. 1 Satz 2 MiLoG) zusteht, somit das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses Voraussetzung für die Begründetheit der Klage und damit die Arbeitnehmereigenschaft eine doppelrelevante Tatsache ist (vgl. LAG Köln v. 30.09.2020 - 9 Ta 117/20 -, Rn. 22, juris; LAG Berlin-Brandenburg v. 13.12.2019 - 12 Ta 2007/19 -, Rn. 16, juris).
25
(a) In sic-non-Fällen, also wenn die Klage nur dann Erfolg haben kann, wenn der Kläger Arbeitnehmer ist, reicht die bloße Rechtsbehauptung des Klägers, er sei Arbeitnehmer, in bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten zur Begründung der arbeitsgerichtlichen Zuständigkeit aus (BAG v. 24.04.1996 - 5 AZB 25/95 -, Rn. 42, juris). Hierzu bedarf es eines schlüssigen Vortrags des Klägers (a.a.O., Rn. 39). Diesen hat die Klägerin im vorliegenden Verfahren erbracht.
26
(aa) Nach § 611a Abs. 1 BGB wird ein Arbeitnehmer durch den Arbeitsvertrag im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet (S. 1). Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen (S. 2). Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmten kann (S. 3). Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab (S. 4). Für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen (S. 5). Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an (S. 6).
27
(bb) In der Gesamtschau kann, selbst wenn ein freier Dienstvertrag abgeschlossen worden sein sollte, auf Basis des klägerischen Vortrags hinsichtlich der tatsächlichen Vertragsdurchführung nur ein Arbeitsverhältnis angenommen werden. Die Klägerin hat substantiiert vorgetragen, dass ihr seitens der Beklagten sowohl der Arbeitsort als auch die Arbeitszeit wie auch die Verweildauer an einem Arbeitsort vorgegeben wurden. Die Klägerin konnte nach ihrem eigenen Vortrag in keiner Weise Einfluss darauf nehmen, wo sie als nächstes oder für wie lange sie an einem Ort arbeiten möchte. Nach ihrem Vortrag wurde die Klägerin vielmehr im freien Belieben der Beklagten an verschiedenen Orten im Freistaat Bayern eingesetzt. Ferner trägt die Klägerin vor, dass ihr seitens der Beklagten Vorgaben hinsichtlich Umgangsformen und Hygiene gemacht wurden, sodass die Arbeitsleistung im Allgemeinen auch inhaltliche Konkretisierungen erfuhr. Dass die Klägerin in der täglichen Arbeit keinen konkreten Weisungen durch die Beklagte unterlag, solche wurden jedenfalls nicht vorgetragen, ist nicht hinderlich, sondern vielmehr typisch in Fallkonstellationen, in denen der Arbeitnehmer im Außendienst tätig ist und nicht der ständigen Kontrolle durch den Arbeitgeber unterliegt.
28
bb) Die Klägerin hat zudem im Sinne von Art. 21 Abs. 1 lit. b (i) EuGVVO ihre Arbeit zuletzt gewöhnlich an einem Ort verrichtet, der im Zuständigkeitsbereich des Arbeitsgerichts Regensburg - Kammer Landshut - liegt, nämlich …
29
(1) Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs dienen die Vorschriften des 5. Abschnitts der EuGVVO dazu, es dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, seinen Arbeitgeber vor dem Gericht zu verklagen, das ihm seiner Ansicht nach am nächsten steht, indem sie ihm die Befugnis einräumen, vor einem Gericht des Ortes eines Mitgliedstaats zu klagen, an dem er z. B. die Arbeit gewöhnlicher Weise verrichtet oder zuletzt gewöhnlich verrichtet hat (EuGH v. 14.09.2017 - C-168/16 und C-169/16 -, Rn. 50, juris). Dabei hat der Europäische Gerichtshof ausgeführt, dass das vorgenannte Kriterium weit auszulegen ist (a.a.O., Rn. 57). Bei einem Arbeitsvertrag, der im Hoheitsgebiet mehrerer Vertragsstaaten erfüllt wurde, ist es dabei notwendig, den Ort zu bestimmen, mit dem der Rechtsstreit die engste Verknüpfung aufweist, um so das zur Entscheidung des Rechtsstreits aufgrund seiner Lage am besten geeignete Gericht zu bezeichnen und dem Arbeitnehmer als der sozial schwächeren Partei einen angemessenen Schutz zu gewährleisten sowie eine Häufung von Gerichtsständen zu vermeiden (a. a. O., Rn. 58). Es gehe dabei um den Ort, an dem oder von dem aus der Arbeitnehmer den wesentlichen Teil seiner Verpflichtungen gegenüber seinem Arbeitgeber tatsächlich erfülle. Denn an diesem Ort könne der Arbeitnehmer mit dem geringsten Kostenaufwand Klage gegen seinen Arbeitgeber erheben und das Gericht dieses Ortes ist am besten zur Entscheidung eines Rechtsstreits befähigt, der den Arbeitsvertrag betrifft (a. a. O., Rn. 58). Bei kurzen Arbeitsverhältnissen mit wechselndem Arbeitseinsatz an verschiedenen Orten ist es zur Bestimmung des zuständigen Gerichts dabei zweckdienlich, auf den Ort abzustellen, an welchem der Arbeitnehmer während des Bestands des Arbeitsverhältnisses überwiegend eingesetzt war (vgl. BAG v. 29.05.2002 - 5 AZR 141/01 -, BAGE 101, 244-246, Rn. 14; EuGH v. 27.02.2002 - C- 37/00 -, juris). Dabei wird in der Literatur vertreten, dass der Arbeitnehmer wenigstens 60% seiner Arbeit an diesem Ort verrichten muss (Makridou ZZPInt 15 (2010), 199 (206 f.) zit. nach MüKoZPO/Gottwald, 5. Aufl. 2017, Brüssel Ia-VO Art. 21 Rn. 6). Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses besteht die Zuständigkeit am letzten gewöhnlichen Arbeitsort (MüKoZPO/Gottwald, 5. Aufl. 2017, Brüssel Ia-VO Art. 21 Rn. 10).
30
(2) Unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen war festzustellen, dass …, das sich im Zuständigkeitsbereich des Arbeitsgerichts Regensburg - Kammer Landshut - befindet, als der Ort zu bestimmen war, an dem die Klägerin zuletzt für gewöhnlich ihre Tätigkeit ausgeübt hat, Art. 21 Abs. 1 lit. b (i) EuGVVO.
31
(a) Zunächst ist festzustellen, dass die Klägerin ihre Arbeitsleistung (abgesehen von der kurzen Schulung in Rumänien) ausschließlich in Deutschland erbracht hat. Ferner war die Klägerin unstreitig den weit überwiegenden Teil des Arbeitsverhältnisses in …eingesetzt.
32
Dort arbeitete sie an 50 von den insgesamt 66 Tagen, die das Vertragsverhältnis tatsächlich gelebt wurde. Somit auch mehr als 60% der Arbeitsleistung, sodass es dahinstehen kann, ob diese Grenze tatsächlich heranzuziehen ist. Ein anderer Ort, zu dem die Klägerin einen engeren Bindungsort aufweisen könnte, ist nicht ersichtlich. Insbesondere weist die Tätigkeit der Klägerin auch keinen engeren Bezug zu Polen auf. Zwar ist der Sitz der Beklagten in Polen und es mögen auch die Telefonate mit der Klägerin aus Polen geführt worden sein, diese stellen jedoch nur einen vernachlässigbaren Zeitanteil dar. Gleiches gilt für die Schulung der Klägerin in Rumänien, die auch nur wenige Tage gedauert hat.
33
(b) Für die Frage der internationalen Zuständigkeit war es ferner nicht von Belang, dass die Beklagte vortragen ließ, dass die Tätigkeit in D^ … nicht gegenüber der Beklagten, sondern der erbracht worden sei. Auch hier genügt der schlüssige Vortrag der Klägerin. Oenn die Frage, für wen die Klägerin die Tätigkeiten erbracht hat, ist genauso eine Frage der internationalen Zuständigkeit wie der Begründetheit. Wenn die Klägerin die behaupteten Tätigkeiten entgegen ihres eigenen Vortrags nicht in Gänze in Erfüllung ihrer arbeitsvertraglichen Pflichten gegenüber der Beklagten erbracht haben sollte, wird sie insoweit unterliegen, weil jedenfalls die Beklagte dann nicht zur Lohnzahlung verpflichtet wäre. Es ist vor diesem Hintergrund nicht angezeigt, eine Fragestellung, die sich insbesondere in der Begründetheit stellt, im Rahmen der Entscheidung über die internationale Zuständigkeit zu prüfen, womöglich noch eine umfangreiche Beweisaufnahme durchzuführen, und dadurch die Prüfung der internationalen Zuständigkeit zu überfrachten.
34
(c) Oa vorliegend die Art. 20 bis 23 EuGVVO zur Anwendung kamen, konnte die Beklagte mit ihrem Einwand, es sei zuvor eine Gerichtsstandsvereinbarung getroffen worden, nicht durchdringen, denn eine vorherige Gerichtsstandsvereinbarung ist unzulässig nach Art. 23 Nr. 1 EuGVVO. Ourch die von der Beklagten vorgetragene Gerichtsstandsvereinbarung mit Gerichtsstand Polen wird der Klägerin auch nicht die Befugnis eingeräumt, andere als die im Abschnitt 45 EuGVVO geregelten Gerichte anzurufen, Art. 23 Nr. 2 EuGVVO.
35
Eine Kostenentscheidung war im Zwischenurteil nicht zu treffen.
36
Die Entscheidung über die Streitwertfestsetzung beruht auf den Vorschriften der §§ 61 Abs. 1 ArbGG, § 3 ZPO. Dabei hat das Gericht den Streitwert der Hauptsache zugrunde gelegt, da die Frage der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte das gesamte Verfahren betrifft.