Titel:
Beihilfefähigkeit des Rezepturpräparats Magnesium-Orotat
Normenketten:
BayBhV § 7 Abs. 1 Nr. 1, § 18
AMG § 2, § 4, § 21, § 43
Leitsätze:
1. Das Rezepturpräparat „Magnesium-Orotat 100 g“ ist ein sog. Präsentationsarzneimittel iSv § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der bloße Umstand einer Produktion durch eine Apotheke reicht nicht hin, um von einem Präsentationsarzneimittel auszugehen, weil Apotheken nicht nur Arzneimittel, sondern auch andere Produkte herstellen; etwas anderes gilt für solche in Apotheken hergestellte Produkte, die „nach ärztlich verordneter Rezeptur und nicht nach Kundenwünschen hergestellt“ werden, wenn sich das Angebot der Apotheke an eine erkrankte und nicht an eine gesunde Kundschaft richtet. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
3. In Bezug auf Aufwendungen, die auf einer ärztlichen Verordnung beruhen, kann aufgrund der Sachkunde des Arztes regelmäßig davon ausgegangen werden, dass diese medizinisch geboten sind (ebenso BVerwG BeckRS 2018, 21115). (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
4. Magnesium-Orotat ist nicht dazu bestimmt, Güter des täglichen Bedarfs „zu ersetzen“, wenn das Problem des zu Behandelnden darin besteht, dass er wegen einer extremen Chemikaliensensibilität aufgrund einer besonders schwerwiegenden und chronischen – genetisch bedingten – Erkrankung seinen „täglichen Bedarf“ an lebenswichtigen Substanzen nicht – wie typischerweise die übrige Bevölkerung – über die „Nahrung“ stillen kann. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Bayerisches Beihilferecht, Rezepturarzneimittel (Magnesium-Orotat), Beihilfefähigkeit, Präsentationsarzneimittel, nach ärztlich verordneter Rezeptur, Kundenwunsch, medizinisch geboten, Güter des täglichen Bedarfs, Chemikaliensensibilität, lebenswichtige Substanzen
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 22.03.2018 – M 17 K 17.4946
Weiterführende Hinweise:
Revision zugelassen
Fundstelle:
BeckRS 2021, 41403
Tenor
I. Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 22. März 2018 wird aufgehoben.
II. Der Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung des Bescheids vom 26. September 2017 verpflichtet, dem Kläger die beantragte Beihilfe zu den Aufwendungen für das mit ärztlichem Privatrezept vom 13. September 2017 verordnete Rezepturarzneimittel „Magnesium-Orotat 100 g“ zu gewähren.
III. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
IV. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
V. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
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Die Verpflichtungsklage betrifft die Frage der Beihilfefähigkeit des Rezepturpräparats Magnesium-Orotat, das für die berücksichtigungsfähige Ehefrau des nach bayerischem Beihilferecht beihilfeberechtigten Klägers (Beihilfesatz 70%) in einer Apotheke nach ärztlicher Verschreibung hergestellt wurde. Umstritten ist im Wesentlichen, ob es sich begrifflich um ein Arzneimittel oder um ein Lebensmittel bzw. Nahrungsergänzungsmittel handelt, ob die beihilferechtlich geforderte Apothekenpflichtigkeit vorliegt und ob die Beihilfefähigkeit ausgeschlossen ist, insbesondere weil das Präparat geeignet ist, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen.
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Die Ehefrau des Klägers leidet - unstreitig und vielfach aktenkundig belegt - unter einer genetisch bedingten chronischen und schweren Multisystemerkrankung (CMI, Chronic Multisystem Illness) mit hochgradiger multipler Chemikaliensensitivität (MCS, ICD-10-GM-T 78.4) sowie stark ausgeprägten Nahrungsmittelunverträglichkeiten und Allergien. Dabei bedingt die massive und umfassende Störung des Arznei- und Fremdstoffwechsels eine chronische Depletion von Vitaminen und anderen lebensnotwendigen Substanzen, die ernährungsmäßig nicht behoben werden kann. Die veränderte Verstoffwechslung der Substanzen bedingt, dass sehr viel geringere Dosen bereits eine Wirkung bzw. normale Dosierungen Nebenwirkungen erzielen, sodass die Ehefrau des Klägers Dosierungen erhalten muss, die ganz wesentlich unter dem Üblichen liegen; für alle bei der Ehefrau des Klägers eingesetzten Substanzen muss eine individuelle Dosierung ermittelt werden. Da die Erheblichkeitsschwelle auch bei ihrer Arzneimittelversorgung weit vom Regelfallbedarf abweicht, ergibt sich außerdem das Problem, dass in Deutschland zugelassene Arzneimittel infolge ihrer Chemikaliensensibilität wegen bei ihr auftretender Unverträglichkeiten oft kontraindiziert sind.
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Vorliegend streitgegenständlich ist ein Privatrezept des die Ehefrau des Klägers behandelnden Arztes vom 13. September 2017; die Verschreibung lautet: „Rezepturarzneimittel: Magnesium-Orotat 100 g“ und benennt eine konkrete Apotheke. Für diese Rezeptur berechnete diese Apotheke der Ehefrau des Klägers 31,30 €.
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Den diesbezüglichen Beihilfeantrag des Klägers vom 18. September 2017 lehnte die Beihilfeverwaltung des Beklagten mit Bescheid vom 26. September 2017 ab und begründete dies mit dem Hinweis 1406: „Mittel, die geeignet sind, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen (z.B. Lebensmittel, Diätkost, ballaststoffreiche Kosten, glutenfreie Nahrung, Säuglingsfrühnahrung, Mineral- und Heilwässer, medizinische Körperpflegemittel und dergleichen), sind nicht beihilfefähig (§ 18 Satz 4 Nr. 2 BayBhV). Dies schließt auch Vitamine als Monopräparate und Kombinationen, Mineralstoffe, Mineralstoffkombinationen und Kombinationen von Mineralstoffen mit Vitaminen ein.“
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Im Rahmen der dagegen vom Kläger erhobenen Verpflichtungsklage vom 18. Oktober 2017 legte der Beklagte unter anderem ein Schreiben des Pharmaziereferats der Regierung von Oberbayern vom 5. Januar 2018 vor, wonach das „Präparat Magnesium-Orotat 100g“ der namentlich benannten Apotheke nicht als Arzneimittel eingestuft werden könne. Für die Beurteilung einer möglichen Präsentationsarzneimitteleigenschaft nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG sei relevant, mit welcher Auslobung das Produkt von der Apotheke in Verkehr gebracht werde. Informationen zur Aufmachung wie z.B. zur Etikettierung, Verpackung oder zur Gebrauchsinformation seien nicht zur Verfügung gestellt worden. Nach derzeitiger Datenlage könne nicht beurteilt werden, ob die Auslobung durch die Apotheke im vorliegenden Fall gegebenenfalls eine Einstufung als Arzneimittel rechtfertige. Auch könne Magnesium-Orotat im Hinblick auf § 2 Abs. 1 Nr. 2 AMG (Funktionsarzneimittel) per se auch keine pharmakologische Wirkung zugeschrieben werden.
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Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil 22. März 2018 - M 17 K 17.4946 - abgewiesen und dabei schon die medizinische Notwendigkeit (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 BayBhV) verneint. Zwar werde die Notwendigkeit einer Behandlung mit einem anerkannten Arzneimittel in aller Regel durch eine entsprechende ärztliche Verordnung belegt. Das gelte aber nicht ohne Weiteres für Präparate, deren Einordnung als Arzneimittel oder Lebensmittel ebenso wie deren Wirkungsweise zweifelhaft sei. Weil der Mineralstoff Magnesium typischerweise mit der Nahrung aufgenommen werde, werde ein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Verbraucher demgemäß bei einem solchen Stoff, der nicht arzneimittelrechtlich geprüft worden sei, davon ausgehen, dass es sich um ein Lebensmittel in Form eines Nahrungsergänzungsmittels handele. Diese Einstufung werde insbesondere auch dadurch bestätigt, dass mittlerweile in ganz großem Umfang Vitamin- und Mineralstoffprodukte in allen Handelssparten frei angeboten würden. Für die Ehefrau des Klägers, die laut ärztlicher Diagnostik an einer Multisystemerkrankung mit hochgradiger multipler Chemikaliensensitivität leide, gehöre eine Behandlung mit „Magnesium-Orotat 100 g“ jedenfalls nicht ohne Weiteres zur Standardtherapie, wobei das Verwaltungsgericht unter Benennung einer Internetadresse auf „Hinweise zur Therpaie chronisch entzündlicher Multisystemkrankheiten“ Bezug nimmt. Auch sonst sei in keiner Weise von der Klagepartei dargelegt worden, inwieweit die Gesundheit der Ehefrau des Klägers durch die Verabreichung von „Magnesium-Orotat 100 g“ verbessert werden könne. Dass dieses Produkt eine über die Befriedigung des ernährungsphysiologischen Bedarfs hinausgehende therapeutische Wirkung im eigentlichen Sinne entfalte, sei nicht substantiiert dargetan. Auch wenn die Ehefrau des Klägers gelegentlich an Herzrasen leiden würde, genüge hierfür insbesondere nicht der Hinweis, dass die Orotsäure vor allem in der Therapie von Herz-Kreislauf-Erkrankungen „eine Rolle“ spielen würde. Der Nutzen dieses Präparats müsse daher grundsätzlich, aber auch speziell bei fehlender Indikation bei der Ehefrau des Klägers angezweifelt werden. Bei dieser Sachlage sei die dem Grunde nach erforderliche medizinische Notwendigkeit nicht ersichtlich.
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Außerdem sei die Beihilfefähigkeit gemäß § 18 Satz 4 BayBhV ausgeschlossen, weil das Präparat als überwiegender Magnesiumersatz geeignet sei, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen (§ 18 Satz 4 Nr. 2 BayBhV). Das Gericht verkenne nicht die bei der Ehefrau des Klägers vorliegenden Erkrankungen (CMI und MCS) sowie ihre umfangreichen Nahrungsmittelallergien und -unverträglichkeiten, die es erforderlich machen könnten, dass bei ihr fortlaufend ein Magnesiummangel auszugleichen sei. Dass das Präparat eine über die ernährungsphysiologische Wirkung hinausgehende pharmakologische Wirkung habe, d.h. eine Beeinflussung des Zustands und der Funktion des Körpers stattfinde, habe die Klagepartei allerdings nicht substantiiert zu belegen vermocht. Die krankheitsbedingte Notwendigkeit der Einnahme bestimmter Stoffe (bei der Ehefrau des Klägers die aus medizinischen Gründen notwendige Zufuhr von Magnesium) verleihe typischen Nahrungsergänzungsmitteln, die die entsprechenden Stoffe enthielten, jedoch keine pharmakologische Wirkung. Denn selbst wenn Nahrungsergänzungsmitteln eine „heilende“ Wirkung zukomme, werde dadurch ihre Lebensmitteleigenschaft nicht verändert. Das Ergebnis sei auch verfassungsrechtlich unbedenklich.
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Gegen dieses Urteil hat der Senat mit Beschluss vom 28. Juni 2019 die Berufung zugelassen.
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unter Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Urteils den streitgegenständlichen Bescheid aufzuheben, soweit keine Beihilfe gewährt wurde, und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger die beantragte Beihilfe für das Medikament „Magnesium-Orotat“ zu gewähren.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er verteidigt das angegriffene verwaltungsgerichtliche Urteil. Richtigerweise habe das Verwaltungsgericht bereits die medizinische Notwendigkeit verneint. Die Notwendigkeit sei nur für solche Behandlungen zu bejahen, die nach einer wissenschaftlich anerkannten Methode vorgenommen würden, wobei die Anerkennung von dritter Seite, und zwar von Personen, die an Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen tätig seien, attestiert werden müsse, was hier vom Kläger nicht substantiiert dargelegt worden sei. Außerdem liege i.S.v. § 2 AMG i.V.m. § 18 Satz 1 Nr. 1 BayBhV weder ein Präsentationsarzneimittel noch ein Funktionsarzneimittel vor. Da die Frage, ob es sich bei einem Präparat um ein apothekenpflichtiges Arzneimittel i.S.v. § 2 AMG handele, bei individuellen Rezepturen sowie bei aus dem Ausland importierten Mitteln nicht in jedem Fall zweifelsfrei zu beantworten sei, werde in diesen Fällen seitens des Beklagten bei der Regierung von Oberbayern, Sachgebiet Pharmazie, eine Stellungnahme eingeholt. Diese für den Vollzug des Arzneimittelgesetzes zuständige Stelle könne aus fachlicher und objektiver Betrachtungsweise eine pharmazeutische Bewertung vornehmen, ob ein Mittel entweder nach seiner Bezeichnung und Aufmachung oder nach seiner Wirkung unter den Arzneimittelbegriff des § 2 Abs. 1 AMG falle. Aufgrund der ihr zur Verfügung stehenden Informationen habe die Regierung in ihrer Stellungnahme vom 5. Januar 2018 die Arzneimitteleigenschaft verneint. Bei einem Rezepturarzneimittel müsse zumindest bei einem der verarbeiteten Bestandteile die ärztlich verordnet worden seien, die Eigenschaft i.S.v. § 18 Satz 1 Nr. 1 BayBhV vorliegen.
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Doch selbst wenn man dies anders beurteilen wollte, würde es an der gemäß § 18 Satz 1 Nr. 1 BayBhV notwendigen Apothekenpflichtigkeit fehlen. Dabei komme es nicht auf die konkrete Erkrankung der Ehefrau des Klägers, sondern ausschließlich darauf an, ob von einem Mittel nach objektiven Maßstäben eine therapeutische Wirkung zu erwarten sei, wobei auf die Wahrnehmung der Zweckbestimmung aus Sicht eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbrauchers abzustellen und die nähere Überprüfung der Art und Schwere der Erkrankung der Ehefrau des Klägers für die Einstufung eines Präparats als Präsentationsarzneimittel nicht relevant sei. Bei der Bewertung, ob es sich um ein apothekenpflichtiges Arzneimittel handele, könne insbesondere die Frage, inwieweit andere Mittel fiktiv beihilfefähig wären, keine Auswirkungen auf die Beihilfefähigkeit der tatsächlich beschafften Präparate haben.
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Unabhängig von der fehlenden Arzneimitteleigenschaft und der fehlenden Apothekenpflichtigkeit sei die Beihilfefähigkeit überdies gemäß § 18 Satz 4 Nr. 2 BayBhV ausgeschlossen. Zu den Mitteln, die geeignet seien, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen, gehörten insbesondere auch Nahrungsergänzungsmittel (Verwaltungsvorschrift Nr. 1 Satz 1 zu § 18 Satz 4 Nr. 2 BayBhV). Sofern ein Mittel unter einen Ausschlusstatbestand des § 18 Satz 4 BayBhV falle, sei es unerheblich, ob es zur Behandlung einer Erkrankung verordnet und verwendet werde. Solche Aufwendungen seien stets als Kosten der allgemeinen Lebenshaltung nach dem Grundsatz der Nachrangigkeit der Beihilfe der zumutbaren Eigenvorsorge zuzurechnen, die gemäß Art. 96 Abs. 1 BayBG aus den laufenden Bezügen zu bestreiten sei. Auch insoweit komme es für die Bewertung, ob ein Mittel als Nahrungsergänzungsmittel einzustufen sei, nicht auf die Erkrankung der Ehefrau des Klägers an; vielmehr sei dies aus objektiver Sicht eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbrauchers zu beurteilen. Dem streitgegenständlichen Präparat vergleichbare Magnesium-Orotat-Präparate würden auf verschiedenen Vertriebsseiten im Internet ausnahmslos als Nahrungsergänzungsmittel beworben und seien frei verkäuflich. Ein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Verbraucher würde vor diesem Hintergrund nicht davon ausgehen, dass es sich nicht um Nahrungsergänzungsmittel handeln könnte. Auch handele es sich bei Magnesium-Orotat nicht um eine Mineralstoffverbindung, sodass es nicht gemäß § 3 Abs. 1 der Nahrungsergänzungsmittelverordnung (NemV) i.V.m. Anhang II der RL 2002/46/EG als Nahrungsergänzungsmittel ausgeschlossen sei, sondern gemäß Anhang I Nr. 2 der RL 2002/46/EG bei der Herstellung von Nahrungsergänzungsmitteln verwendet werden dürfe. Auch aus der allgemeinen Fürsorgepflicht des Dienstherrn ergebe sich der geltend gemachte Beihilfeanspruch nicht.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge (14 B 19.1283, 14 ZB 18.1934, M 17 K 17.4946) einschließlich der vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die in der mündlichen Senatsverhandlung (Protokoll S. 2 Mitte) beigezogenen Akten der parallelen Verfahren 14 B 19.1279 (mit 14 ZB 18.1498 und M 17 K 17.3915) und 14 B 19.1280 (mit 14 ZB 18.1956 und M 17 K 16.4940) sowie auf die verwaltungsgerichtlichen Akten der beigezogenen früheren Klageverfahren M 17 K 10.3641 und M 17 K 13.4305 - vgl. dazu bereits die Zuleitung des verwaltungsgerichtlichen Vorlageschreibens vom 12. August 2021 - und auf die mit Schreiben der Landesanwaltschaft vom 28. Januar 2021 vorgelegte Sonderakte zur Beihilfeakte im früheren Verfahren M 17 K 13.4305.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die zulässig erhobene Verpflichtungsklage zu Unrecht abgewiesen - in der Sache steht dem Kläger der geltend gemachte Beihilfeanspruch zu, sodass der Ablehnungsbescheid des Beklagten rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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1. Der Beihilfeanspruch ergibt sich aus § 18 Satz 1 Nr. 1 BayBhV in der ab 1. September 2017 geltenden Fassung, die zum Zeitpunkt der Entstehung der Aufwendungen (13.9.2017) in Kraft war; ein Ausschlusstatbestand ist nicht einschlägig, insbesondere nicht § 18 Satz 4 Nr. 2 BayBhV.
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1.1. Das streitgegenständliche Rezepturpräparat „Magnesium-Orotat 100 g“ ist ein sog. Präsentationsarzneimittel i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG.
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Es kann dabei dahinstehen, ob Rezepturpräparate allgemein unproblematisch „Präsentationsarzneimittel“ i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG sind, wie es in Teilen der Literatur vertreten wird (vgl. Prinz, PharmR 2008, 364/365 unter II.). Jedenfalls ist der Begriff des Präsentationsarzneimittels nach ständiger EuGH-Rechtsprechung weit auszulegen (vgl. EuGH, U.v. 30.11.1983 - 227/82 - ECLI:ECLI:EU:C:1983:354 Rn. 17; U.v. 16.04.1991 - C-112/89 - ECLI:ECLI:EU:C:1991:147 Rn. 16; U.v. 28.10.1992 - C-219/91 - ECLI:ECLI:EU:C:1992:414 Rn. 16; U.v. 15.11.2007- C-319/05 - ECLI:ECLI:EU:C:2007:678 Rn. 43 f.; vgl. hierzu auch BVerwG, U.v. 17.9.2021 - 3 C 20.20 - juris Rn. 20 ff.), wobei § 18 Satz 1 Nr. 1 BayBhV gleichermaßen auf Präsentationsarzneimittel wie auf Funktionsarzneimittel (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 AMG) Anwendung findet. Dabei ist gerade für die Abgrenzung zwischen Lebensmitteln und Präsentationsarzneimitteln auf das „Gesamterscheinungsbild“ abzustellen (BGH, U.v. 3.4.2003 - I ZR 203/00 - NJW-RR 2003, 1123 unter II.1.b); OLG Köln, U.v. 12.10.2007 - 6 U 56/07 - GRUR-RR 2008, 199/200 unter 2.), und zwar aus der Sicht eines durchschnittlich informierten Verbrauchers (EuGH, U.v. 15.11.2007 - C-319/05 - ECLI:ECLI:EU:C:2007:364 Rn. 46 m.w.N.; BayVGH, B.v. 16.2.2012 - 9 CS 11.2908 - juris Rn. 23 [ohne originale Randnummernzählung in PharmR 2012, 525/526]), wobei der Zweckbestimmung eine Schlüsselfunktion zukommt (BayVGH, B.v. 16.2.2012 a.a.O. Rn. 22) und die „Aufmachung“ zwar ein wichtiges, nicht aber ein allein ausschlaggebendes Indiz ist (EuGH, U.v. 15.11.2007 a.a.O. Rn. 52). Insoweit ist das Gericht nicht gehalten, sich sachverständiger Hilfe oder einer Meinungsumfrage zu bedienen, weil die Richter insoweit selbst zum Kreis der durchschnittlichen Verbraucher gehören (BGH, U.v. 11.7.2002 - I ZR 34/01 - juris Rn. 68 ff. [insoweit nur teilweise abgedruckt in BGHZ 151, 286/297]; BVerwG, B.v. 4.3.2014 - 3 B 60.13 - juris Rn. 9 m.w.N.). Zwar reicht der bloße Umstand einer Produktion durch eine Apotheke nicht hin, um von einem Präsentationsarzneimittel auszugehen, weil Apotheken nicht nur Arzneimittel, sondern auch andere Produkte herstellen (vgl. BayVGH, B.v. 16.2.2012 - 9 CS 11.2908 - juris Rn. 26 [ohne originale Randnummernzählung in PharmR 2012, 525/526]). Jedoch ist es für solche in Apotheken hergestellte Produkte, denen (Präsentations-)Arzneimittelqualität zukommt, typisch, dass sie „nach ärztlich verordneter Rezeptur und nicht nach Kundenwünschen hergestellt“ werden (BayVGH, B.v. 16.2.2012 a.a.O. Rn. 26). Dabei ist auch relevant, ob sich das Angebot der Apotheke an eine erkrankte Kundschaft oder an eine gesunde Kundschaft richtet (BayVGH, B.v. 16.2.2012 a.a.O. Rn. 24).
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Vor diesem Hintergrund spricht vorliegend eine wertende Gesamtbetrachtung aller Umstände für die Annahme eines Präsentationsarzneimittels. So ist schon auf dem ärztlichen Privatrezept vom Arzt ausdrücklich der Terminus „Rezepturarzneimittel“ aufgebracht und neben dem Namen der Ehefrau des Klägers auch der Name der Apotheke angeführt, was bei einem durchschnittlichen Verbraucher den Eindruck erweckt, dass die Apotheke - deren Mitarbeitern die Erkrankung der Ehefrau des Klägers bekannt ist (vgl. etwa das Privatrezept für Cellulosekapseln vom 8.6.2017 [Bl. 4 der beigezogenen Verwaltungsakte zum parallelen Verfahren 14 B 19.1279] mit Diagnoseangaben, das von derselben Apotheke am 16. Juni 2017 bearbeitet worden war) - dieses nach ärztlicher Verordnung hergestellte Präparat an diese eben „als Rezepturarzneimittel“ abgegeben hat, und zwar in einer präzise bezeichneten Menge (100 g). Die Apotheke hat das umstrittene Präparat gerade nicht nach einem „Kundenwunsch“, sondern in Umsetzung einer ärztlichen Verordnung hergestellt und mit der Abgabe des Produkts gerade an die im Rezept genannte Ehefrau des Klägers auch einen personalen Bezug zu eben dieser erkrankten Kundin hergestellt - das derart exklusiv hergestellte und abgegebene Rezepturpräparat war damit auch nicht an einen „gesunden Kundenkreis“, sondern ganz im Gegenteil an eine erkrankte einzelne Kundin gerichtet. Diese im Ergebnis klar für ein Präsentationsarzneimittel sprechenden Indizien werden durch die Ausführungen im Schreiben des Pharmaziereferats der Regierung von Oberbayern vom 5. Januar 2018 nicht in Frage gestellt, zumal das Pharmaziereferat auf die besagten Details des ärztlichen Rezeptdokuments nicht eingeht und - unabhängig davon - selbst einräumt, Informationen zur Aufmachung seien nicht zur Verfügung gestellt worden. Soweit der Beklagte mit dem Pharmaziereferat auf eine „Auslobung“ abstellt, wird nicht hinreichend berücksichtigt, dass beim vorliegenden Rezepturpräparat nur eine einzige Adressatin, nämlich die Ehefrau des Klägers selbst, existiert, und wird der Bedeutung gerade des ärztlichen Rezepts für die Präsentation nicht Rechnung getragen. Dabei ist für die Würdigung aus Sicht eines durchschnittlich interessierten Verbrauchers auch die in Deutschland bestehende „Therapiehoheit des Arztes“ zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, U.v. 26.6.2020 - 5 C 4.19 - BVerwGE 169, 48 Rn. 9, 11), die dafür spricht, in dem Umstand, dass das ärztliche Rezept explizit von einem Arzneimittel spricht, ein Indiz dafür zu sehen, dass ein durchschnittlicher Verbraucher davon ausgeht, dass auch diese Bezeichnung im Rahmen der ärztlichen Therapiehoheit getroffen worden ist und wegen des namentlichen Bezugs gerade zur Ehefrau des Klägers Teil deren ärztlicher Therapie ist, was wiederum indiziell für ein Präsentationsarzneimittel spricht. Zwar besteht die ärztliche Therapiehoheit ihrerseits nicht unbeschränkt und findet namentlich bei Fertigarzneimitteln ihrerseits eine Grenze darin, dass eine ärztliche Verordnung eine fehlende, aber gesetzlich vorgeschriebene Zulassung i.S.v. § 21 AMG nicht ersetzen kann. Jedoch steht das beim vorliegenden Rezepturarzneimittel nicht im Raum, weil das Zulassungserfordernis aus § 21 Abs. 1 Satz 1 AMG seinerseits gerade nur bei Fertigarzneimitteln (§ 4 Abs. 1 AMG), nicht aber auch bei Rezepturarzneimitteln gilt.
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Im Ergebnis ist somit beim Rezepturpräparat „Magnesium-Orotat“ eindeutig von einem Präsentationsarzneimittel i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG auszugehen, woran § 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG nichts ändert, weil der dort in Bezug genommene Begriff des Lebensmittels gemäß Art. 2 Buchst. d der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 (Lebensmittel-BasisVO; siehe auch § 2 Abs. 2 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs, LFGB) seinerseits bestimmt, dass Arzneimittel ihrerseits nicht zu „Lebensmitteln“ gehören, wobei hier die genannten Gründe aber gerade für eine Einschätzung als Präsentationsarzneimittel sprechen (siehe oben), sodass es insoweit auch nicht um einen Fall der in § 2 Abs. 3a AMG bzw. des Art. 2 Abs. 2 RL 2001/83/EG (vgl. dazu EuGH, U.v. 15.1.2009 - C-140/07 - ECLI:ECLI:EU:C:2009:5 Rn. 20 ff.) geht.
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1.2. Die Apothekenpflichtigkeit i.S.v. § 18 Satz 1 Nr. 1 BayBhV folgt gemäß § 43 Abs. 1 AMG aus der Arzneimitteleigenschaft, wobei § 43 Abs. 1 AMG insoweit nicht zwischen Präsentationsarzneimitteln (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG) und Funktionsarzneimitteln (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 AMG) unterscheidet. Dabei stellt sich die Frage, inwieweit für die Apothekenpflichtigkeit die Erfüllung einer Zulassungspflicht nach § 21 AMG - als Voraussetzung der Verkehrsfähigkeit von Fertigarzneimitteln - bedeutsam sein kann, bei dem vorliegenden Rezepturarzneimittel von vornherein nicht, weil § 21 AMG eine Zulassungspflicht gerade nur für „Fertig“-Arzneimittel (§ 4 Abs. 1 AMG), nicht aber auch für Rezepturarzneimittel vorsieht.
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Auch wird Magnesium-Orotat nicht in der Arzneimittelverkaufsverordnung - insbesondere in der dortigen Anlage 1a - von der Apothekenpflicht ausgenommen, was im Erörterungstermin vom 27. Juli 2021 (dort Protokoll S. 3 Mitte) auch von der seinerzeit befragten Vertreterin des Pharmaziereferats der Regierung von Oberbayern so vertreten worden ist.
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1.3. Dabei ist auch davon auszugehen, dass im Fall der Ehefrau des Klägers die Verschreibung von Magnesium-Orotat medizinisch notwendig war (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 BayBhV). Die diesbezüglichen Zweifel des Verwaltungsgerichts, denen sich der Beklagte angeschlossen hat, teilt der Senat nicht - diese Zweifel beruhen auf medizinischen Erwägungen des Verwaltungsgerichts, für die es weder über eine eigene medizinische Sachkunde verfügte noch sich auf gerichtlich oder vom Beklagten eingeholte sachverständige medizinische Äußerungen stützen konnte.
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In Bezug auf Aufwendungen, die auf einer ärztlichen Verordnung beruhen, kann aufgrund der Sachkunde des Arztes regelmäßig davon ausgegangen werden, dass diese medizinisch geboten sind (BVerwG, B.v. 22.8.2018 - 5 B 3.18 - NVwZ-RR 2019, 112 Rn. 9 m.w.N.). Zwar unterliegt die medizinische Notwendigkeit als solche vollständiger gerichtlicher Überprüfung und ist auch die Beihilfeverwaltung berechtigt, den Sachverhalt dahingehend zu erforschen (§ 48 Abs. 7 BayBhV). Derartige sachkundige medizinische Erforschungen haben vorliegend aber weder die Beihilfeverwaltung noch das Verwaltungsgericht vorgenommen, sondern letztlich lediglich als medizinische Laien die medizinische Erforderlichkeit in Zweifel gezogen und diese laienhaften Zweifel zum Anlass genommen, den klägerischen Vortrag als nicht hinreichend substantiiert zu bezeichnen. Von einer derart fehlenden Substantiierung des klägerischen Vortrags kann aber jedenfalls bei einer Auswertung sämtlicher klägerseits vorgelegter Unterlagen, die in den vom Senat beigezogenen und der Senatsverhandlung zugrunde gelegten Akten enthalten sind, keine Rede sein. Ganz im Gegenteil ist eine Vielzahl klägerseits vorgelegter und aussagekräftiger medizinischer Stellungnahmen aktenkundig, aus denen sich nicht nur die genetisch bedingte Art der Erkrankung der Ehefrau des Klägers - die in allen Verfahren, deren Akten der Senat beigezogen hat, inmitten steht -, sondern auch die daraus resultierenden Problematiken im Hinblick auf Unverträglichkeiten gegenüber gängigen Arzneimitteln sowie im Hinblick auf die Versorgung mit Nahrung deutlich ergeben. Zu nennen sind insbesondere die Stellungnahmen von Herrn Prof. Dr. med. A.H. vom 14. Januar 2001, vom 31. Januar 2007, vom 2. Juni 2008, vom 17. Januar 2011, vom 4. Januar 2013 und vom 10. September 2015 sowie die gutachterliche Stellungnahme von Herrn Prof. Dr. med. W.H. vom 6. August 2009 und das ärztliche Attest von Herrn Prof. Dr. med. L. vom 7. August 2009 (jeweils vorgelegt mit der Klageschrift M 17 K 17.4946). Vor dem Hintergrund dieser Stellungnahmen ist insbesondere das Schreiben des behandelnden Arztes Dr. med. H. vom 4. Juli 2018 (Anlage B9 zur Antragsbegründung im Verfahren 14 ZB 18.1956) mit Bezug zu früheren Stellungnahmen schlüssig. Dort weist Herr Dr. med. H. zur Begründung der ärztlichen Verordnungen von Rezepturarzneimitteln darauf hin, dass bei der Ehefrau des Klägers massive und umfassende Störungen des Arznei- und Fremdstoffwechsels sowie der Detoxifikation unter anderem molekulargenetisch nachgewiesen seien. Diese und weitere Faktoren würden eine chronische Depletion von Vitaminen, Mineralstoffen und anderen lebensnotwendigen Substanzen bedingen, die ernährungsmäßig nicht behoben werden könne. Die veränderte Verstoffwechslung der Substanzen bedinge, dass sehr viel geringere Dosen bereits eine Wirkung bzw. normale Dosierungen Nebenwirkungen erzielten. Die Ehefrau des Klägers müsse Dosierungen erhalten, die ganz wesentlich unter dem Üblichen lägen. Für alle eingesetzten Substanzen müsse deshalb eine individuelle Dosierung ermittelt werden. Oft sei für diese Patientin als Ausnahmefall kein einziges geeignetes zugelassenes Arzneimittel verfügbar. Dann müssten ihr notgedrungen Nahrungsergänzungsmittel und apothekenpflichtige Rezepturarzneimittel auch bei Vitaminen und Mineralstoffen in individuell angepasster Dosierung und Zusammensetzung verordnet werden. Diese müssten von ihr auf Dauer täglich eingenommen werden und seien medizinisch zwingend notwendig zur Vermeidung eines lebensbedrohlichen Therapievakuums.
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Mit der Vorlage einer Vielzahl nachvollziehbarer und in dieselbe Richtung weisender medizinischer Stellungnahmen, die teilweise auch aus dem Hochschulbereich stammen, ist der Kläger seiner Darlegungslast (§ 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO) hinreichend nachgekommen. Die Überzeugungskraft dieser fachkundigen Aussagen wird für den spezifischen Fall der Ehefrau des Klägers durch die Erwägungen des Verwaltungsgerichts einschließlich der Benennung einer Internetfundstelle zu abweichenden Therapiestandards und mit den Zweifeln des Beklagten nicht in Frage gestellt. Weder das Verwaltungsgericht noch die Beihilfeverwaltung haben medizinische Aussagen gerade zum konkreten Fall der Ehefrau des Klägers und speziell ihrer weitreichenden, genetisch bedingten Chemikalienunverträglichkeit eingeholt oder vorgelegt, aus denen sich ergeben könnte, dass die Verordnung der streitgegenständlichen Rezeptur medizinisch nicht notwendig sein sollte. Auch die Einbindung des Pharmaziereferats der Regierung von Oberbayern ändert daran nichts, weil dieses Referat über seine „pharmazeutische“ Sachkunde keine spezifisch „medizinischen“ Qualifikationen einbringt, die geeignet sein könnten, die klägerseits vorgelegten vielfältigen ärztlichen Äußerungen, die teilweise auch aus dem Bereich der Hochschule stammen, in Frage zu stellen. Der Senat sieht vor diesem Hintergrund keinen Anlass, an der - regelmäßig anzunehmenden - medizinischen Notwendigkeit des ärztlich verordneten Rezepturarzneimittels zu zweifeln.
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1.4. Dem Beihilfeanspruch steht auch keiner der in § 18 BayBhV genannten Ausschlusstatbestände entgegen. Zwar dient § 18 Satz 4 BayBhV gerade auch dem Beihilfeausschluss bei Präparaten, die begrifflich apothekenpflichtige Arzneimittel i.S.v. § 2 Abs. 1, § 43 Abs. 1 AMG sind, denn erst dadurch erhält § 18 Satz 4 BayBhV überhaupt eine eigenständige Bedeutung, während bei Verneinung eines apothekenpflichtigen Arzneimittels - und Annahme von vornherein nicht apothekenpflichtiger Lebensmittel oder Nahrungsergänzungsmittel - ein Beihilfeanspruch bereits mangels Erfüllung der in § 18 Satz 1 Nr. 1 BayBhV genannten Anspruchsvoraussetzungen scheitern würde. Jedoch liegt im Fall der Ehefrau des Klägers keiner der in § 18 BayBhV genannten Ausschlussgründe vor.
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1.4.1. Insbesondere ist § 18 Satz 4 Nr. 2 BayBhV nicht einschlägig. Das verschriebene Magnesium-Orotat ist bei der Ehefrau des Klägers nicht im Sinne dieser Norm geeignet, Güter des täglichen Bedarfs „zu ersetzen“, sondern „ermöglicht“ ihr - ganz im Gegenteil - erst eine gefahrfreie Stillung ihres täglichen Bedarfs.
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Die gegenteiligen Einschätzungen des Beklagten und des Verwaltungsgerichts beruhen auf einer typisierenden Betrachtung der in der allgemeinen Bevölkerung „regelmäßig“ anzutreffenden Art und Weise der Stillung des täglichen Nahrungsbedarfs, von dem sich der konkrete Fall der Ehefrau des Klägers jedoch deutlich unterscheidet, wobei im Beihilferecht die konkrete Zweckbestimmung des Arzneimittels im Einzelfall entscheidend ist (OVG Saarl, U.v. 8.6.2021 - 1 A 204/19 - juris Rn. 64 ff., 69 f.).
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Vorliegend ist aber die maßgebliche konkrete Situation der Ehefrau des Klägers nach den übereinstimmenden aktenkundigen ärztlichen Einschätzungen (siehe 1.3.) gerade durch eine chronische Depletion von Vitaminen, Mineralstoffen und anderen lebensnotwendigen Substanzen geprägt, die ernährungsmäßig nicht behoben werden kann (siehe 1.3.). Das Problem der Ehefrau des Klägers besteht eben darin, dass sie wegen ihrer extremen Chemikaliensensibilität ihren „täglichen Bedarf“ an lebenswichtigen Substanzen gerade nicht - wie typischer Weise die übrige Bevölkerung - über die „Nahrung“ stillen kann. Es mag sein, dass im Regelfall der Bevölkerung typischerweise der Bedarf an Magnesium über die Nahrung gestillt wird; gerade dies ist der Ehefrau des Klägers im konkreten Einzelfall aber nicht möglich, und zwar gerade aufgrund ihrer besonders schwerwiegenden und chronischen - genetisch bedingten - Erkrankung.
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Aus diesem Grund kann nicht die Rede davon sein, dass das streitgegenständliche Rezepturarzneimittel geeignet wäre, einen täglichen Bedarf „zu ersetzen“ - vielmehr ist es in der ganz spezifischen, ärztlich verordneten und verantworteten Dosierung ein Ausgleich dafür, dass die Ehefrau des Klägers gerade krankheitsbedingt nicht in der Lage ist, ihren täglichen Bedarf an lebensnotwendigen Substanzen mit üblicher Nahrung gefahrfrei zu stillen.
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1.4.2. Auch die übrigen in § 18 BayBhV genannten Ausschlusstatbestände sind vorliegend nicht einschlägig. Insbesondere handelt es sich bei Magnesium-Orotat um einen Mineralstoff und nicht um ein Vitaminpräparat i.S.v. § 18 Satz 4 Nr. 3 BayBhV. Auch geht es nicht um ein Geriatrikum oder ein Roborantium i.S.v. § 18 Satz 4 Nr. 4 BayBhV, weil das Rezepturarzneimittel jedenfalls im Fall der Ehefrau des Klägers nicht ihrer bloßen „Stärkung“ dient, sondern es ihr vielmehr erst ermöglicht, ihren täglichen Bedarf an lebensnotwendigen Substanzen gefahrfrei zu stillen (siehe 1.3. und 1.4.1.).
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2. Auf die von der Klagepartei vertretene Ansicht, dass ein Härtefall, der ausnahmsweise zu einer Beihilfefähigkeit auch ohne Vorliegen apothekenpflichtiger Arzneimittel führt, vorliegt, und zwar wegen der außergewöhnlichen Erkrankung, die den gesamten Lebensablauf der Ehefrau des Klägers beeinträchtigt und im Alltag zu einer Vielzahl zusätzlicher Kosten führt, kommt es nicht an, weil sich der Anspruch - wie gezeigt - bereits unmittelbar aus § 18 BayBhV ergibt.
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3. Der vollständig unterliegende Beklagte trägt die Kosten beider Rechtszüge gemäß § 154 Abs. 1 und 2 VwGO.
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4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
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5. Die Revision wird gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen, weil die Frage, inwieweit bei der Einordnung eines ärztlich verschriebenen Rezepturpräparats als Präsentationsarzneimittel i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG auch dem jeweiligen ärztlichen Rezept, an das die Herstellung in einer Apotheke gerade für den jeweiligen Patienten anknüpft, indizielle Bedeutung zukommt, grundsätzliche Bedeutung hat.