Inhalt

VGH München, Urteil v. 09.12.2021 – 1 N 19.447
Titel:

Erfolgreicher Normenkontrollantrag gegen die Aufhebung der Änderung eines Bebauungsplanes

Normenketten:
BauGB § 1 Abs. 3 S. 1
VwGO § 47
Leitsätze:
1. Grundsätzlich kann ein Bebauungsplan - abgesehen von der Erklärung als unwirksam in einem gerichtlichen Normenkontrollverfahren - nur in dem für die Normsetzung geltenden Verfahren aufgehoben werden. Der durch die Normsetzung gesetzte Rechtsschein ist deshalb durch dessen förmliche Aufhebung zu beseitigen, wenn der Fehler nicht geheilt oder heilbar ist. Dabei gelten für die Aufhebung bzw. Änderung eines Bebauungsplans die Vorschriften über die Aufstellung von Bauleitplänen.  (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Planung, die durch hinreichende städtebauliche Gründe getragen ist, darf auch privaten Interessen dienen und durch private Interessenträger angestoßen sein. Die Grenzen der unzulässigen Gefälligkeitsplanung sind erst dann überschritten, wenn die Planung ausschließlich den Zweck hat, private Interessen zu befriedigen.  (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Normenkontrollantrag, Aufhebung eines Bebauungsplans durch die Gemeinde wegen angenommener Unwirksamkeit, Gefälligkeitsplanung (verneint), hinreichende städtebauliche Zielsetzung, vollständige Aufhebung der Aufhebungssatzung
Fundstelle:
BeckRS 2021, 41392

Tenor

I. Die Aufhebung des Bebauungsplans Nr. … „…“ 1. Änderung vom 29. Januar 2019, bekanntgemacht am 13. Februar 2019, ist unwirksam.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Aufhebung der 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. … „…“, die die Antragsgegnerin am 29. Januar 2019 beschlossen und am 13. Februar 2019 bekannt gemacht hat.
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Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Grundstücks FlNr. …, Gemarkung H., das mit einem in den 1950er-Jahren errichten, eingeschossigen Wohngebäude bebaut ist. Es liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. … „…“, der in seiner Ursprungsfassung am 12. Februar 2008 beschlossen und am 20. Februar 2008 bekannt gemacht wurde. Dieser weist im Gemeindeteil A. beidseits des in Ost-West-Richtung verlaufenden Z.wegs ein allgemeines Wohngebiet mit zehn Bauparzellen aus. Das Gelände fällt von Nordosten nach Südwesten zum S. See hin ab. Das Maß der baulichen Nutzung wird für die mit Hauptgebäuden bebaubaren Grundstücke jeweils gesondert festgesetzt. Für die Bauparzelle des im Westen des Plangebiets gelegenen Grundstücks FlNr. … ist talseitig eine maximale Wandhöhe von 5 m festgesetzt und es sind maximal zwei Vollgeschossen vorgesehen; für die weiteren Bauparzellen im Planungsgebiet sind maximale Wandhöhen von 6 m bzw. 7 m festgesetzt. Der Bebauungsplan war Gegenstand eines Normenkontrollverfahrens vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (Az. 1 N 09.368), den der Senat mit Urteil vom 2. Februar 2012 abgelehnt hat. Die Antragstellerin war im damaligen Verfahren Beigeladene.
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Die Parteien schlossen im Dezember 2014 einen städtebaulichen Vertrag zur Übernahme der Kosten und sonstigen Aufwendungen für die Durchführung der 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. … In der Präambel des Vertrags wird ausgeführt, der Änderungswunsch der Antragstellerin sei bereits im Verfahren des Ursprungsplanes eingebracht, aber abgelehnt worden. Die Parteien hätten sich im Rahmen des Normenkontrollverfahrens außergerichtlich auf eine Erhöhung der Wandhöhe geeinigt.
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Am 2. August 2016 beschloss die Antragsgegnerin den Bebauungsplan Nr. … „…“ 1. Änderung (nachfolgend: Bebauungsplan - 1. Änderung) als Satzung und machte ihn am 10. August 2016 bekannt. Diese Änderung betrifft ausschließlich das Grundstück FlNr. … und sieht insbesondere talseitig eine maximale Wandhöhe von 6 m, die Festsetzung eines unteren Höhenbezugspunkts auf 648 ü.N.N., eine Erhöhung der zulässigen Dachneigung von 32 auf 35 Grad, ein Verbot von Dachaufbauten sowie weitere Anforderungen an die bauliche Gestaltung vor. Der Bauraum für eine Garage bzw. einen Carport wird im Bereich der bisherigen Bestandsgarage festgesetzt. Zur Begründung der Änderung wurde insbesondere ausgeführt, dass das vorhandene Baurecht geordnet und hinsichtlich der zulässigen Gebäudehöhe im Sinn der Gleichbehandlung an das auf dem östlichen Nachbargrundstück zulässige Maß angepasst werde. Mit der Bebauungsplanänderung werde versucht, ein gegenüber dem Bestandsgebäude deutlich höheres Gebäude ins Landschaftsbild des Landschaftsschutzgebiets zu integrieren und gleichzeitig auch den Erhalt und/oder das Aufstocken des vorhandenen Gebäudes zu ermöglichen. Um eine weitere bauliche Erhöhung des Gebäudes im Landschaftsschutzgebiet zu vermeiden, seien Dachaufbauten künftig unzulässig. Die Antragstellerin stellte am 10. August 2017 gegen einzelne der geänderten Festsetzungen einen Normenkontrollantrag (1 N 17.1538), über den bislang nicht entschieden wurde.
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Am 28. November 2017 beschloss die Antragsgegnerin das Verfahren zur Aufhebung des Bebauungsplans - 1. Änderung einzuleiten. In der Begründung des Beschlusses wurde ausgeführt, dass die Änderung des Bebauungsplans eine reine Gefälligkeitsplanung gewesen sei. Die Gemeinde habe sich an eine am Rande des Normenkontrollverfahrens getroffene Absprache mit der Antragstellerin gebunden gefühlt, auch wenn dies letztlich nicht mit der ursprünglichen Planungskonzeption des Bebauungsplans vereinbar gewesen sei. Die Antragstellerin sei mit einzelnen gestalterischen Festsetzungen des (geänderten) Bebauungsplans nicht einverstanden gewesen, die die Gemeinde als minimale Anforderungen an die Aufrechterhaltung der ursprünglichen städtebaulichen Konzeption festgesetzt habe, und habe Normenkontrollantrag gegen diese Festsetzungen gestellt. Weiter habe sie die Planungskosten nach Rechnungslegung nicht ausgeglichen. Die Antragsgegnerin sei nun nicht mehr länger gewillt, an dieser reinen Gefälligkeitsplanung festzuhalten und beabsichtige die klarstellende Aufhebung des Bebauungsplans - 1. Änderung. Sie beschloss am 29. Januar 2019 nach durchgeführter Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung die Aufhebung des Bebauungsplans - 1. Änderung, die am 13. Februar 2019 bekanntgemacht wurde.
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Am 28. Februar 2019 stellte die Antragstellerin Normenkontrollantrag und beantragte,
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Die Aufhebung des Bebauungsplans Nr. „…“, 1. Änderung, ortsüblich bekannt gemacht am 13. Februar 2019, ist insoweit unwirksam, als die zeichnerische Festsetzung „WH6“, der Bauraum für die bestehende Garage und die textliche Festsetzung A Ziff. 3.2 des Bebauungsplans Nr. … „…“ in der Fassung der 1. Änderung aufgehoben wird.
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Der Aufhebung des Bebauungsplans - 1. Änderung sei unwirksam. Sie stelle ein willkürliches Rachevorgehen der Antragsgegnerin da. Bereits aus der Vorgeschichte zum Bebauungsplan - 1. Änderung ergebe sich, dass es sich nicht um eine Gefälligkeitsplanung handle. Der Gemeinderat habe bereits mit Beschlüssen vom 28. Oktober 2008 und vom 3. Februar 2009 die Wanderhöhung auf 6 m gebilligt. Das weitere Verfahren habe sich dann aber verzögert. Der Bebauungsplan - 1. Änderung habe auch mehrere Festsetzungen enthalten, die sie belaste und gegen die sie Normenkontrollantrag gestellt habe. Die Wanderhöhung beruhe auf sachgerechten Überlegungen. Der Ausgangsbebauungsplan sehe für das Hauptgebäude auf ihrem Grundstück zwei Vollgeschosse vor. Dies lasse sich bei einer Wandhöhe von 5 m und einer Dachneigung von maximal 32 Grad nicht verwirklichen. Eine maximal zulässige Wandhöhe von 6 m stelle auch weiterhin eine Abstufung im Vergleich zu der im Planungsgebiet vorhandenen Bebauung dar. Die Wanderhöhung sei durch umfangreiche Abwägungen im Verfahren und baufachliche Argumente gerechtfertigt. Der Aufhebungsbebauungsplan sei zudem abwägungsfehlerhaft, da insbesondere ihre Eigentumsrechte nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. Der durch die Reduktion der Wandhöhe bewirkte Planungsschaden belaufe sich nach einem von ihr eingeholten Gutachten auf mindestens 190.000 Euro.
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Die Antragsgegnerin beantragte,
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den Antrag abzulehnen.
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Die Aufhebung des Bebauungsplans - 1. Änderung sei zu Recht erfolgt, um den Rechtsschein des als unwirksam erkannten Bebauungsplans zu beseitigen. Der Bebauungsplan - 1. Änderung stelle sich als reine Gefälligkeitsplanung dar, weil allein den Interessen der Antragstellerin Rechnung getragen worden sei, ohne dass hierfür städtebauliche Gründe vorgelegen hätten. Weder aus der Begründung zum Änderungsbebauungsplan noch aus den sonstigen Verfahrensunterlagen ließen sich städtebauliche Gründe für eine Erhöhung der Wandhöhe entnehmen. Mit dem Bebauungsplan - 1. Änderung habe sie sich in Widerspruch zu ihren im Ursprungsbebauungsplan formulierten und sorgfältig abgewogenen städtebaulichen Zielen gesetzt. Die Änderung sei erfolgt, da im Rahmen des Normenkontrollverfahrens gegen den ursprünglichen Bebauungsplan der Rechtsanwalt der damals beigeladenen Antragstellerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung an sie herangetreten sei und erklärt habe, dass er auf einen Fehler des Ursprungsbebauungsplans nicht hinweisen werde, wenn die Wünsche der Antragstellerin - insbesondere im Hinblick auf die Wandhöhe - bei einer Änderung des Bebauungsplans Berücksichtigung fänden. Sie habe diese Änderung in Aussicht gestellt, da sie auf Grund der Erschließungssituation ein hohes Interesse daran gehabt habe, dass der Ursprungsbebauungsplan im Normenkontrollverfahren nicht aufgehoben werde. Der Verwaltungsgerichtshof habe die festgesetzte Wandhöhe von 5 m im Hinblick auf die Lage der Bauparzelle als gerechtfertigt erachtet. Dass der Gemeinderat bereits im Jahr 2009 eine Erhöhung der Wandhöhe befürwortet habe, rechtfertige keine andere Beurteilung. Das Verfahren zur 1. Änderung des Bebauungsplans sei erst im Jahr 2015 eingeleitet worden. Der ursprüngliche Bebauungsplan sei auch nicht in Bezug auf die maximale Wandhöhe und die zugelassene Anzahl der Vollgeschosse widersprüchlich gewesen, da auch bei einer maximal zulässigen Wandhöhe von 5 m zwei Vollgeschosse realisierbar seien. Die für die Antragstellerin nachteiligen Festsetzungen seien getroffen worden, um trotz Erhöhung der Wandhöhe das Gebäude in das Landschaftsbild des Landschaftsschutzgebiets zu integrieren. Die Aufhebung des Bebauungsplans - 1. Änderung sei auch nicht abwägungsfehlerhaft, insbesondere werde das Eigentumsrecht der Antragstellerin nicht beeinträchtigt. Durch die Aufhebung des Bebauungsplans - 1. Änderung werde nur der Rechtsschein des als unwirksam erkannten Bebauungsplans beseitigt. Eine Wertminderung des Grundstücks als Planungsschaden sei damit nicht verbunden.
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Den Antrag, die Aufhebung des Bebauungsplans - 1. Änderung im Wege einer einstweiligen Anordnung außer Vollzug zu setzen, hat der Senat mit Beschluss vom 10. Juni 2020 mangels Dringlichkeit abgelehnt (Az. 1 NE 20.259).
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Der Senat hat am 2. Dezember 2021 einen Augenschein durchgeführt und mündlich verhandelt, auf die Protokolle mit Bildaufnahmen wird Bezug genommen. Ergänzend wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Normaufstellungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Der zulässige Normenkontrollantrag hat Erfolg. Die am 29. Januar 2019 beschlossene und am 13. Februar 2019 bekanntgemachte Aufhebung des Bebauungsplans Nr. … „…“ 1. Änderung ist unwirksam.
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1. Der Antrag ist zulässig, insbesondere ist die Antragstellerin antragsbefugt. Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist im Normenkontrollverfahren jede natürliche oder juristische Person antragsbefugt, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Der Eigentümer eines Grundstücks, für das ein Bebauungsplan Festsetzungen trifft, ist grundsätzlich nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt (vgl. BVerwG, U.v. 16.6.2011 - 4 CN 1.10 - BVerwGE 140, 41; B.v. 20.9.2005 - 4 BN 46.05 - BauR 2006, 352). Bei der Aufhebung eines Bebauungsplans sind die Belange der Eigentümer in die Abwägungsentscheidung einzustellen, deren Eigentumsrechte durch die Aufhebung betroffen sind (vgl. BVerwG, B.v. 12.12.1990 - 4 B 143.90 - NVwZ-RR 1991, 524). Dies gilt auch dann, wenn ein Bebauungsplan wegen erkannter Nichtigkeit aufgehoben wird (vgl. BVerwG, U.v. 21.11.1986 - 4 C 22.83 - BVerwGE 75, 142). Der aufgehobene Bebauungsplan - 1. Änderung sah zugunsten der Antragstellerin insbesondere Festsetzungen in Form der Erhöhung der maximal zulässigen Wandhöhe sowie der Baufenster für die Garage/Carport bzw. Stellplätze vor, sodass sie durch deren Aufhebung in abwägungsrelevanten Belangen betroffen ist. An ihren beschränkten Aufhebungsantrag ist der Senat allerdings nicht gebunden. Die Antragstellerin hat zwar die Aufhebungssatzung nur insoweit angegriffen, als die zeichnerische Festsetzung „WH6“, der Bauraum für die bestehende Garage und die textliche Festsetzung A 3.2. des Bebauungsplans - 1. Änderung aufgehoben wurden. Stellt sich eine Satzung - so wie hier - als unwirksam dar, so kann bei fehlender Teilbarkeit die Aufhebung insgesamt erfolgen, da das Normenkontrollgericht nicht befugt ist, durch seine Entscheidung ein planerisches Ergebnis festzustellen, das letztlich eine Veränderung des zugrunde gelegten städtebaulichen Konzepts der Gemeinde bewirkt (vgl. BVerwG, B.v. 20.8.1991 - 4 NB 3.91 - DVBl 1992, 37).
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2. Die auf die Unwirksamkeit des Bebauungsplans - 1. Änderung gestützte klarstellende Aufhebung des Bebauungsplans erfolgte zu Unrecht, da die Antragsgegnerin unzutreffend von einer reinen Gefälligkeitsplanung ausgegangen ist (2.1). Eine auf städtebauliche Gründe gestützte Aufhebung des Bebauungsplans - 1. Änderung ist jedenfalls mangels ausreichender Berücksichtigung der Eigentümerinteressen abwägungsfehlerhaft (2.2). Dies führt zur vollständigen Aufhebung der Aufhebungssatzung (2.3).
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2.1 Dem Bebauungsplan - 1. Änderung fehlt es nicht an der städtebaulichen Erforderlichkeit, sodass eine (klarstellende) Aufhebung des von der Antragsgegnerin deshalb für unwirksam erachteten Bebauungsplans nicht erfolgen kann.
18
Grundsätzlich kann ein Bebauungsplan - abgesehen von der Erklärung als unwirksam in einem gerichtlichen Normenkontrollverfahren - nur in dem für die Normsetzung geltenden Verfahren aufgehoben werden. Dies gilt aus Rechtssicherheitsgründen auch dann, wenn der Bebauungsplan an einem zur Ungültigkeit führenden Fehler leidet (BVerwG, B.v. 12.12.1990 - 4 B 143.90 - NVwZ-RR 1991, 524; U.v. 21.11.1986 - 4 C 22.83 - BVerwGE 75, 142). Der durch die Normsetzung gesetzte Rechtsschein ist deshalb durch dessen förmliche Aufhebung zu beseitigen, wenn der Fehler nicht geheilt oder heilbar ist. Dabei gelten nach § 1 Abs. 8 BauGB für die Aufhebung bzw. Änderung eines Bebauungsplans die Vorschriften über die Aufstellung von Bauleitplänen.
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Der Bebauungsplan - 1. Änderung erweist sich nicht als reine Gefälligkeitsplanung. Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB haben die Gemeinden die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Was in diesem Sinn erforderlich ist, bestimmt sich nach der planerischen Konzeption der Gemeinde. Der Gesetzgeber ermächtigt die Gemeinden, diejenige Städtebaupolitik zu betreiben, die ihren städtebaulichen Entwicklungs- und Ordnungsvorstellungen entspricht. Nicht erforderlich sind danach Pläne, die nicht dem wahren Willen der Gemeinde entsprechen, bei denen also zwischen Planungswillen und Planungsinhalt eine Diskrepanz besteht, sowie Pläne, die einer positiven Planungskonzeption entbehren und ersichtlich der Förderung von Zielen dienen, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des Baugesetzbuches nicht bestimmt sind. § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB ist ferner verletzt, wenn ein Bebauungsplan aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen auf Dauer oder auf unabsehbare Zeit der Vollzugsfähigkeit entbehrt. In dieser Auslegung wird der Bauleitplanung eine erste, wenn auch strikt bindende Schranke gesetzt, die lediglich grobe und einigermaßen offensichtliche Missgriffe ausschließt (vgl. BVerwG, B.v. 25.7.2017 - 4 BN 2.17 - juris Rn. 3; U.v. 10.9.2015 - 4 CN 8.14 - BVerwGE 153, 16; U.v. 27.3.2013 - 4 C 13.11 - BVerwGE 146, 137). Eine Planung, die durch hinreichende städtebauliche Gründe getragen ist, darf auch privaten Interessen dienen und durch private Interessenträger angestoßen sein (vgl. BVerwG, B.v. 30.12.2009 - 4 BN 13.09 - BauR 2010, 569). Die Grenzen der unzulässigen Gefälligkeitsplanung sind erst dann überschritten, wenn die Planung ausschließlich den Zweck hat, private Interessen zu befriedigen (vgl. BayVerfGH, E.v. 18.2.2016 - Vf.5-VII-14 - BayVBl 2017, 153; BayVGH, U.v. 29. 9.2020 - 1 N 16.1258 - juris Rn. 17). Dabei gilt das Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit für jede einzelne Festsetzung des Bebauungsplans (vgl. BVerwG, U.v. 18.3.2004 - 4 CN 4.03 - BVerwGE 120, 239; U.v. 31.8.2000 - 4 CN 6.99 - DVBl 2001, 377). Ob eine mit § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB nicht vereinbare Gefälligkeitsplanung vorliegt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Dabei ist auch die Entstehungsgeschichte der Satzung in den Blick zu nehmen (vgl. BayVGH, U.v. 27.10.2011 - 15 N 08.3431 - juris Rn. 24).
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Hieran gemessen fehlt es dem Bebauungsplan - 1. Änderung nicht an der städtebaulichen Erforderlichkeit nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB. Nach der Begründung des Bebauungsplans wird versucht, ein gegenüber dem Bestandsgebäude deutlich höheres Gebäude ins Landschaftsbild des Landschaftsschutzgebiets zu integrieren und gleichzeitig auch den Erhalt und/oder das Aufstocken des vorhandenen Gebäudes zu ermöglichen. Um eine weitere bauliche Erhöhung des Gebäudes im Landschaftsschutzgebiet zu vermeiden, werden Dachaufbauten für unzulässig erklärt. Durch den für alle Seiten festgesetzten unteren Höhenbezugspunkt soll gewährleistet werden, dass die festgesetzte Wandhöhe nicht durch Abgrabungen erhöht wird. Außerdem wird im Bereich der Stellplätze und der Garage die Bestandssituation festgesetzt, da hierdurch die Eingriffe in den natürlich gewachsenen Hang vermindert werden können. Die Bebauungsplanänderung trifft zudem Regelungen zur baulichen Gestaltung und zur Grünordnung, um eine Beeinträchtigung des Landschaftsbildes zu vermeiden und eine harmonische Einbindung zu erreichen.
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Diese Ausführungen in der Begründung, die sich in den Festsetzungen des Bebauungsplans widerspiegeln, lassen eine hinreichende städtebauliche Zielsetzung erkennen. Die Erhöhung der Wandhöhe auf 6 m ist zwar aus Gründen der Gleichbehandlung mit dem östlich gelegenen Grundstück FlNr. … nicht rechtlich geboten gewesen. Der Senat hält nach Durchführung einer Ortseinsicht an der Auffassung im Urteil vom 2. Februar 2012 (Az. 1 N 09.368) fest, dass angesichts der topographischen Lage der Bauparzelle auf dem Grundstück FlNr. … Gründe für eine Höhendifferenzierung des Wohngebäudes vorliegen. Dass die Anhebung der Wandhöhe rechtlich nicht geboten ist, steht jedoch einer planerischen Entscheidung der Gemeinde bei Vorliegen städtebaulicher Gründe nicht entgegen. Die Festsetzungen im ursprünglichen Bebauungsplan zur Wandhöhe, Dachneigung und zur Geschossigkeit sind zwar nicht widersprüchlich, da sich mit diesen Festsetzungen bei Errichtung eines Neubaus zwei Vollgeschosse verwirklichen lassen. Städtebauliche Gründe sind hier jedoch insbesondere in der Ermöglichung einer Aufstockung des Bestandsgebäudes zu sehen. Das bisherige Bestandsgebäude weist einen gegenüber der nach dem Bebauungsplan zulässigen Grundfläche deutlich geringeren Grundriss auf. Unter Berücksichtigung der im Ursprungsbebauungsplan vorgesehenen talseitigen Wandhöhe von 5 m sowie der Dachneigung von 32 Grad erscheint eine - städtebaulich vorzugswürdige - Aufstockung des Bestandsgebäudes, das eine Raumhöhe von ca. 3 m hat, nicht sinnvoll, unabhängig davon, dass es zweifelhaft ist, ob bei den Festsetzungen des Ursprungsbebauungsplans im Bestand ein zweites Vollgeschoss realisierbar ist. Dies ergibt sich für den Senat nachvollziehbar aus den Planungsskizzen in dem seitens der Antragstellerin eingeholten Gutachten vom 15. Juni 2020. Für den Senat ist auch nicht erkennbar, dass die Ausführungen in der Begründung des Bebauungsplans hierzu nur vorgeschoben sind. Der im Verfahren nach § 3 Abs. 1 Satz 1 BauGB ausgelegte Vorentwurf des Bebauungsplans - 1. Änderung (Planfassung 30.6.2015) sah die Festsetzung eines Höhenbezugspunkts von 647,50 ü.N.N. vor und enthielt in der Begründung keine Angaben mit Bezug auf eine Aufstockung unter Erhalt des Bestands. Die in der beschlossenen Fassung vorgenommenen Änderungen erfolgten ausweislich der Protokolle über die Abwägung aufgrund einer Aufmessung der Höhenlage des Gebäudes nach einem Ortstermin. Hiernach wurde die Höhenkote entsprechend angepasst, um grundsätzlich auch den Erhalt und/oder das Aufstocken des vorhandenen Gebäudes zu ermöglichen (vgl. Normaufstellungsakte Bebauungsplan - 1. Änderung Bl. 1421). Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass eine Aufstockung für die Beteiligten nicht in Betracht kam und die Ausführungen in der Begründung nur der Verdeckung einer unzulässigen Gefälligkeitsplanung dienen sollten. Die Anhebung der Wandhöhe ist somit objektiv auch von städtebauliche Gründen getragen. Hinsichtlich der weiteren Festsetzungen im Bebauungsplan - 1. Änderung ist nicht erkennbar, dass es ihnen an einer städtebaulichen Zielsetzung fehlt. Die Ausführungen in der Begründung des Bebauungsplans lassen eine hinreichende städtebauliche Motivation erkennen. Der Senat hält daher an seiner Rechtsauffassung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (Az. 1 NE 20.259), dass die Grenze zur Gefälligkeitsplanung überschritten sein dürfte, nicht mehr fest. Auch wenn sich nach der Entstehungsgeschichte Anhaltspunkte für eine Gefälligkeitsplanung entnehmen lassen, nachdem der Senat in seiner Entscheidung vom 2. Februar 2012 (Az. 1 N 09.368) den Ausgangsbebauungsplan auch im Hinblick auf das Grundstück der Antragstellerin bestätigt hatte, genügt dies letztlich nicht, um eine reine Gefälligkeitsplanung anzunehmen.
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Auf weitere - unheilbare Mängel - hat die Antragsgegnerin die von ihr beabsichtigte klarstellende Aufhebung des Bebauungsplans - 1. Änderung nicht gestützt.
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2.2 Die Aufhebung des Bebauungsplans - 1. Änderung erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als wirksam. Zwar ist es der Antragstellerin unbenommen, aus städtebaulichen Gründen im Weg einer konstitutiven Aufhebung des Bebauungsplans - 1. Änderung zu den Festsetzungen des ursprünglichen Bebauungsplans mit einer deutlicheren Höhenstaffelung zurückzukehren.
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Hier ist aber bereits nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin über eine klarstellende Aufhebung hinaus den Bebauungsplan - 1. Änderung auch für den Fall seiner Wirksamkeit aufheben wollte. Im Übrigen erfordert die Aufhebung eines wirksamen Bebauungsplans eine fehlerfreie Abwägungsentscheidung. Denn auch bei der Aufhebung eines Bebauungsplans sind die Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind (Abwägungsmaterial), zu ermitteln und zu bewerten (§ 2 Abs. 3 BauGB i.V.m. § 1 Abs. 8 BauGB). Die Berücksichtigung aller bedeutsamen Belange in der Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB setzt deren ordnungsgemäße Ermittlung und zutreffende Bewertung voraus (vgl. BVerwG, B.v. 12.6.2018 - 4 B 71.17 - ZfBR 2018, 601). Gemäß § 1 Abs. 7 BauGB sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Das Abwägungsgebot ist verletzt, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattfindet oder in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht.
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Die vorgenommene Abwägung genügt diesen Anforderungen nicht. Der Abwägung liegt unzutreffend die Unwirksamkeit des Bebauungsplans - 1. Änderung wegen der angenommenen Gefälligkeitsplanung zu Grunde. Sie berücksichtigt damit nicht hinreichend die Eigentumsbelange der Antragstellerin, da sie zu Unrecht davon ausgeht, dass aufgrund der Unwirksamkeit des Bebauungsplans - 1. Änderung durch die Aufhebung des Bebauungsplans keine relevante Wertminderung für das Grundstück der Antragstellerin zu erwarten steht, die auch eine Entschädigungspflicht nach § 42 Abs. 2 BauGB auslösen kann. Dieser Abwägungsfehler ist beachtlich, da er offensichtlich und auf das Ergebnis von Einfluss gewesen ist. Letzteres ist der Fall, wenn nach den Umständen des jeweiligen Falles die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne den Mangel im Vorgang die Planung anders ausgefallen wäre; eine solche konkrete Möglichkeit besteht immer dann, wenn sich anhand der Planunterlagen oder sonst erkennbarer oder naheliegender Umstände die Möglichkeit abzeichnet, dass der Mangel im Abwägungsvorgang von Einfluss auf das Abwägungsergebnis gewesen sein kann (vgl. BVerwG, B.v. 13.1.2016 - 4 B 21.15 - juris Rn. 10). Besteht bei einem offensichtlichen Mangel hiernach die konkrete Möglichkeit, dass die Gemeinde, wenn sie den abwägungsbeachtlichen Belang zutreffend ermittelt und bewertet hätte, im Ergebnis anders geplant hätte, ist der Mangel für die Wirksamkeit des Plans beachtlich (BVerwG, U.v. 9.4.2008 - 4 CN 1.07 - BVerwGE 131, 100). Hier ist nicht erkennbar, dass die Antragsgegnerin auch in Kenntnis einer Entschädigungspflicht die Aufhebungssatzung beschlossen hätte, zumal sie im Rahmen des Ursprungsbebauungsplans für die Bauparzelle 4 auf dem Grundstück FlNr. … zur Vermeidung einer Entschädigungspflicht von einer Reduzierung des Baurechts abgesehen hat.
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2.3 Die dargestellten Mängel führen zur vollständigen Aufhebung der Aufhebungssatzung. Mit dem Bebauungsplan - 1. Änderung hat die Antragsgegnerin ein Regelwerk in Kraft gesetzt, dessen einzelne Bestimmungen von ihr in Verfolgung städtebaulicher Ziele abwägend in einen Gesamtzusammenhang gestellt worden sind. Ein hypothetischer Wille, mit einem „Restbestand“ den Aufhebungsbebauungsplan aufrechterhalten zu wollen, kann nicht angenommen werden. Die beantragte beschränkte Aufhebung einzelner Festsetzungen würde zu einer Planung führen, die dem Planungswillen der Antragsgegnerin nicht entspricht (vgl. auch die Ausführungen der Antragsgegnerin über die Abwägung der Einwendungen im Normaufstellungsverfahren, wonach eine isolierte Aufhebung der Festsetzungen nicht in Betracht kommt, Normaufstellungsakte Aufhebung Bl. 431).
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Die Antragsgegnerin trägt gemäß § 154 Abs. 1 VwGO als unterlegene Partei die Kosten des Verfahrens. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
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Gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO hat die Antragsgegnerin die Entscheidung in Nummer I der Urteilsformel nach Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils in derselben Weise zu veröffentlichen wie den angegriffenen Bebauungsplan (§ 10 Abs. 3 BauGB).