Titel:
Abschiebung, Aufenthaltserlaubnis, Abschiebungsandrohung, Asylantrag, Bescheid, Ausreise, Bewilligung, Anordnungsgrund, Prozesskostenhilfe, Abschiebungsschutz, Aufenthaltstitel, Anordnungsanspruch, Familiennachzug, Ausreisepflicht, Anordnung der aufschiebenden Wirkung, Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, Bewilligung von Prozesskostenhilfe
Schlagworte:
Abschiebung, Aufenthaltserlaubnis, Abschiebungsandrohung, Asylantrag, Bescheid, Ausreise, Bewilligung, Anordnungsgrund, Prozesskostenhilfe, Abschiebungsschutz, Aufenthaltstitel, Anordnungsanspruch, Familiennachzug, Ausreisepflicht, Anordnung der aufschiebenden Wirkung, Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, Bewilligung von Prozesskostenhilfe
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 03.11.2021 – 10 CS 21.2671, 10 C 21.2673
Fundstelle:
BeckRS 2021, 41321
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 1.250,00 EUR festgesetzt.
IV. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung für dieses Verfahren wird abgelehnt.
Gründe
1
Der am ... 1986 geborene, die kenianische Staatsangehörigkeit besitzende Antragsteller wendet sich im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine aus seiner Sicht bestehende Abschiebungsandrohung der Antragsgegnerin bzw. begehrt Abschiebungsschutz.
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Er reiste im Jahr 2015 mit einem Visum zum Familiennachzug in das Bundesgebiet ein und beantragte am 21. August 2015 eine Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen, welche ihm zunächst erteilt wurde. Im Februar 2017 teilte die Ehefrau des Antragstellers mit, dass sie vom Antragsteller getrennt lebe. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 12. Juli 2017 verkürzte die Antragsgegnerin daraufhin die Gültigkeitsdauer der Aufenthaltserlaubnis auf das Datum der Bekanntgabe dieses Bescheids und drohte dem Antragsteller die Abschiebung nach Kenia an.
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Mit Schreiben vom 25. Oktober 2018 beantragte der Antragsteller erneut die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, welche durch die Antragsgegnerin mit bestandskräftigem Bescheid vom 29. November 2018 abgelehnt wurde. Gleichzeitig wurde die Abschiebung nach Kenia angedroht.
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Am 21. Oktober 2019 stellte der Antragsteller im Rahmen einer Rückführungsmaßnahme beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) einen förmlichen Asylantrag, welcher mit bestandskräftigem Bescheid vom 20. Dezember 2019 als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde. Auch in diesem Bescheid wurde dem Antragsteller die Abschiebung nach Kenia angedroht.
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Mit Schreiben vom 10. Mai 2021 beantragte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin ein „unbegrenztes Visum“ für einen „dauerhaften Aufenthalt“. Mit Formblattanträgen vom 18. Mai 2021 und 3. August 2021 beantragte er bei der Antragsgegnerin eine „unbefristete Aufenthaltserlaubnis“ und gab an, für immer bzw. auf Dauer im Bundesgebiet verbleiben zu wollen.
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Mit Bescheid vom 9. September 2021 lehnte die Antragsgegnerin die Anträge auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis (Ziffer 1) bzw. einer Aufenthaltserlaubnis (Ziffer 2) ab und verpflichtete den Antragsteller, seinen künftigen kenianischen Nationalpass umgehend nach Ausstellung bei der Antragsgegnerin zu hinterlegen (Ziffer 3). In den Gründen ist unter Ziffer 2.2 unter der Überschrift „Ausreisepflicht, Ausreisefrist und Abschiebungsandrohung“ ausgeführt, dass der Antragsteller nach § 50 Abs. 1 AufenthG zur Ausreise verpflichtet sei, da er den erforderlichen Aufenthaltstitel nicht besitze. Daher sei er nach § 58 Abs. 1 AufenthG abzuschieben. Die Abschiebungsandrohung sei bereits durch vorangegangene Bescheide der Antragsgegnerin bzw. des Bundesamts erfolgt, die jeweiligen Ausreisefristen abgelaufen. Eine geordnete Ausreise sei möglich gewesen. Gründe für eine längere Ausreisefrist seien nicht ersichtlich.
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Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller am 16. September 2021 Klage (Au 1 K 21.1853), über welche noch nicht entschieden worden ist. Zugleich stellte er vorliegenden Eilantrag. Der Antrag stütze sich auf § 31 AufenthG, wonach dem Antragsteller zur Vermeidung einer besonderen Härte ein eigenständiges Aufenthaltsrecht zu gewähren sei. Diese besondere Härte liege vor, was nun auch von der früheren Ehefrau des Antragstellers anerkannt werde.
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Der Antragsteller beantragt,
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die aufschiebende Wirkung der erhobenen Klage gegen die im angefochtenen Bescheid vom 09.09.2021 in Ziff. 2.2 verfügte Abschiebungsandrohung anzuordnen.
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Hierfür begehrt er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Dieser sei bereits unzulässig, da der verfahrensgegenständliche Bescheid keine Abschiebungsandrohung enthalte. Ziffer 2.2 weise lediglich auf vorangegangene Bescheide hin. Soweit der Antragsteller Abschiebungsschutz begehre, liege bereits kein Anordnungsgrund vor. Die Antragsgegnerin habe dem Antragsteller am 17. August 2021 seinen Nationalpass zum Zwecke der Neubeantragung ausgehändigt, sodass keine Abschiebung unmittelbar bevorstehe. Daneben liege auch kein Anordnungsanspruch vor, da der Antragsteller keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis habe. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 2 AufenthG sei bereits mit bestandskräftigem Bescheid vom 29. November 2018 abgelehnt worden. Andere Rechtsgrundlagen bestünden nicht. Zudem stünde einer Erteilung die Sperrwirkung des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG bzw. das durch einen rechtskräftigen Strafbefehl vom 28. Juli 2021 verwirklichte schwere Ausweisungsinteresse des § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG entgegen.
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Ergänzend wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der von der Beklagten vorgelegten Behördenakte Bezug genommen.
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1. Es kann dahinstehen, ob der anwaltlich nicht vertretene Kläger die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Ziffer 2.2 der Begründung des Bescheids vom 9. September 2021 oder Abschiebungsschutz im Rahmen einer einstweiligen Anordnung begehrt (§ 88 VwGO), da der Antrag in beiden Fällen erfolglos bleibt.
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a) Soweit das Begehren des Antragstellers aufgrund des eindeutigen Wortlauts seines Antrags auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage hinsichtlich der Ziffer 2.2 in der Begründung des Bescheids vom 9. September 2021 gerichtet ist, ist der Antrag bereits unzulässig.
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Gemäß § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen einen sofort vollziehbaren oder für sofort vollziehbar erklärten Verwaltungsakt auf Antrag eines Betroffenen ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. anordnen. Bei den Gründen unter Ziffer 2.2 des verfahrensgegenständlichen Bescheids handelt es sich mangels konkret-individueller Regelung jedoch nicht um einen Verwaltungsakt im Sinne des Art. 35 BayVwVfG. Dort erläuterte die Antragsgegnerin lediglich die gesetzliche Lage und bezog sich auf bereits bestehende Ausreisefristen und Abschiebungsandrohungen aus früheren Bescheiden. Konkretindividuell durch Verwaltungsakt auferlegt sind dagegen nur solche Verpflichtungen, die in dem – durch die Gründe eventuell auszulegenden – „Spruch“, d.h. dem Bescheids-Tenor, enthalten sind. Verpflichtungen, die lediglich in der Begründung eines Verwaltungsaktes als gegeben vorausgesetzt werden, sind nicht ihrerseits durch Verwaltungsakt auferlegt und darum als solche nicht der Bestandskraft fähig (BVerwG, U.v. 14.2.2007 – 6 C 28/05 – juris Rn. 25) .
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b) Falls das Begehren des Antragstellers aufgrund der falltypischen Umstände dagegen auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Aussetzung der Abschiebung gerichtet ist, bleibt der Antrag unbegründet.
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Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte, oder auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, wenn dies nötig erscheint, um wesentliche Nachteile für den Antragsteller abzuwenden. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller das von ihm behauptete strittige Recht (den Anordnungsanspruch) und die drohende Gefahr seiner Beeinträchtigung (den Anordnungsgrund) glaubhaft macht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
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Vorliegend fehlt es bereits an einem Anordnungsgrund, da die Abschiebung des Antragstellers mangels eines der Antragsgegnerin vorliegenden Nationalpasses bzw. aufgrund des Fehlens von Passersatzpapieren nicht unmittelbar bevorsteht. Dies bestätigte die Antragsgegnerin auch nochmals mit Telefonat vom 16. September 2021 bzw. Schriftsatz vom 24. September 2021.
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2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als unterliegender Teil hat der Antragsteller die Verfahrenskosten zu tragen. Die Streitwertfestsetzung folgt den Vorgaben der §§ 53 Abs. 2 Nr. 1 bzw. 2, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Ziffern 8.3 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit
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3. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes war abzulehnen, weil vorliegend keine hinreichenden Erfolgsaussichten des Antrags gegeben sind.
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Gemäß § 166 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
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Gemessen daran konnte dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht entsprochen werden, da der Antrag erfolglos geblieben ist (siehe oben).