Inhalt

VG Regensburg, Beschluss v. 09.03.2021 – RO 5 E 21.363
Titel:

Ausnahmegenehmigung, Vorläufiger Rechtsschutz, Einstweilige Anordnung, Erbringung von Dienstleistungen, Antragsgegner, Ermessensfehlerfreie Entscheidung, Verwaltungsgerichte, Küchenstudio, Verordnungsgeber, Vorwegnahme der Hauptsache, Antragstellers, Ermessensreduzierung auf Null, Gleichbehandlungsgrundsatz, Festsetzung des Streitwerts, Streitwertbeschwerde, Streitwertanhebung, Streitwertkatalog, Verpflichtungsklage, Sach- und Rechtslage, Voraussetzungen für den Erlaß

Normenkette:
BaylfSMV §§ 12 Abs. 1 S. 1, 28 Abs. 2 S. 1
Fundstelle:
BeckRS 2021, 4050

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin begehrt im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die vorläufige Gestattung des Betriebs eines Küchenstudios in … Die Antragstellerin betreibt in … ein Möbelhaus mit angeschlossenem Küchenstudio. Mit Antrag vom 26.1.2021 beantragte sie bei der Antragsgegnerin die „begrenzte und koordinierte Öffnung ihres Küchenstudios“. Ihr Küchenstudio/ihre Küchenabteilung biete nicht nur die Veräußerung von Küchen an, sondern eine Komplettlösung inklusive Aufbau und Anschluss, sowie insbesondere die Planung und Umsetzung der für den Bau erforderlichen elektrotechnischen und sanitärtechnischen Vorinstallationen. Diese seien für den Bau bzw. Umbau relevant und nur durch ein individuelles Beratungsgespräch durch Abwägung vieler individueller Einzelentscheidungen machbar. Hierbei sei im aktuellen Planungsstadium nicht der Verkauf im Vordergrund, sondern die Dienstleistung der Planung und Beratung. Aktuell seien viele Interessierte im Planungsstadium für ihre im Bau bzw. Umbau befindlichen Immobilien. Der Baufortschritt, Einzugstermine u.a. würden hiervon abhängen.
2
Insoweit vertrete man die Rechtsauffassung, dass für den Betrieb des Küchenstudios nicht nur § 12 der Elften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (11. BayIfSMV) anwendbar sei, sondern im Rahmen einer Gesamtschau im speziellen auch die gesondert für handwerkliche Leistungen erlassenen Ausnahmevorschriften Geltung hätten. Das Anbieten der Dienstleistung „Küchenplanung“ werde nicht explizit von § 11 Abs. 1 Satz 3 der 11. BayIfSMV untersagt, da es sich bei den angebotenen Dienstleistungen gerade nicht um den schlichten Verkauf von Waren handele. Deshalb werde beantragt, unter bestimmten Bedingungen Kunden in der Abteilung Küchen zu empfangen, zu beraten und zu bedienen.
3
Im Folgenden wird im Antrag unter 10 Punkten ein Schutz- und Hygienekonzept dargestellt, durch das die Antragstellerin beabsichtigt, eine Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 unter ihren Kunden und Mitarbeitern zu verhindern. Sie sei sich der Gefahren der Pandemie durchaus bewusst und erkenne an, dass diese nur wirksam durch Kontaktreduzierung und die Möglichkeit der Nachverfolgung jedes Einzelkontaktes bekämpft werden könnten. Aufgrund des vorgelegten Konzepts sei auf jeder Ebene gewährleistet, dass es generell nahezu überhaupt nicht zu Infektionen von Kunden und Mitarbeitern kommen könne. Für den unwahrscheinlichen Fall einer Infektion in den Geschäftsräumen könne zudem jeder einzelne Fall mit wenig Aufwand nachverfolgt werden.
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Das von der Antragstellerin vorgelegte Hygienekonzept sieht beispielsweise vor, dass jeder Mitarbeiter der Antragstellerin nur einen Kunden bedienen darf, und zwar nur dann, wenn der Termin vorher vereinbart worden ist. Die Zahl der gleichzeitig im Geschäft anwesenden Kunden soll auf vier begrenzt werden. Die Mitarbeiter und Kunden haben FFP2-Masken zu tragen, die von der Antragstellerin gestellt werden. Die anwesenden Personen sollen in geeigneter und nachvollziehbarer Weise mit Name, Vorname, Anschrift, Telefonnummer, Datum und Uhrzeit der Anwesenheit in den Räumlichkeiten der Antragstellerin erfasst werden.
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Durch die Beschränkungen der 11. BayIfSMV würden die Grundrechte der Antragstellerin aus Art. 12 und 14 GG eingeschränkt. Die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung mit den vorgeschlagenen Hygieneauflagen sei im Vergleich zur vollständigen Schließung des Geschäfts ein milderes Mittel, weshalb die Erteilung der Ausnahmegenehmigung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit zu erfolgen habe. Darüber hinaus werde der Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. In diesem Zusammenhang sei zu bedenken, dass von den Kreisverwaltungsbehörden in Mecklenburg-Vorpommern, gestützt auf die dort geltenden Vorschriften, den dortigen Unternehmen die Öffnung der Küchenstudios zur Planung und zum Verkauf vollständig erlaubt worden sei.
6
Mit Schreiben vom 28.1.2021 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass es sich bei dem Möbelhaus mit angeschlossenem Küchenstudio um einen Betrieb handele, der gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 der 11. BayIfSMV geschlossen bleiben müsse. Die Einzelberatung in und an Ladengeschäften sei selbst bei Vorliegen eines tragfähigen Schutz- und Hygienekonzeptes nicht genehmigungsfähig. Dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sei insoweit Rechnung getragen, dass es für das Unternehmen der Antragstellerin nicht generell untersagt sei, die Ausübung der angebotenen Dienstleistungen - wie Küchenplanung - zu erbringen. Dies könne derzeit nur nicht im eigenen Geschäftsbetrieb, sondern gegebenenfalls im Rahmen von Hausbesuchen beim Kunden erfolgen, sofern ersatzweise nicht auf technische Hilfsmittel (z.B. Internet) zurückgegriffen werden könne.
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Mit Schreiben vom 15.2.2021 teilte die Antragstellerin der Antragsgegnerin mit, dass sie ihren Antrag, das Küchenstudio öffnen zu dürfen, aufrecht erhalte. Es werde daher beantragt, das Küchenstudio ab sofort öffnen zu dürfen, zumindest mit Einzelterminvergabe.
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In Ergänzung zum Schreiben der Antragsgegnerin vom 28.1.2021 wies die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 16.2.2021 noch darauf hin, dass die derzeit geltende 11. BayIfSMV mit Verordnung vom 12.2.2021 in Teilbereichen geändert worden sei. In Bezug auf das von der Antragstellerin beantragte Anliegen habe sich inhaltlich jedoch keine Änderung der Rechtslage ergeben. § 12 Abs. 1 Satz 1 der 11. BayIfSMV regele nach wie vor, dass die Öffnung von Ladengeschäften mit Kundenverkehr für Handels-, Dienstleistungs- und Handwerksbetriebe, mit Ausnahme der nach Satz 2 geregelten Betriebszweige, unter die das von der Antragstellerin betriebene Unternehmen jedoch nicht falle, untersagt sei. Lediglich die Abholung von vorbestellter Ware sei erlaubt. Im Übrigen werde auf die Ausführungen im Schreiben vom 28.1.2021 verwiesen.
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Am 1.3.2021 ließ die Antragstellerin Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung erheben, die unter dem Az. RO 5 K 21.367 geführt wird. Darüber hinaus beantragte sie den Erlass einer einstweiligen Anordnung, durch den der Betrieb ihres Küchenstudios gemäß ihrem Antrag von 26.1.2021 vorläufig gestattet werden solle. Die Antragsgegnerin habe keine ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Antrag der Antragstellerin getroffen. Angesichts ständig weiter sinkender Infektionszahlen einerseits und einem von der Antragstellerin angebotenen spezifischen und zuverlässigen Hygienekonzept andererseits sowie unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Positionen der Antragstellerin aus den Art. 12 und 14 GG liege eine Ermessensreduzierung auf Null vor. Insgesamt bestehe daher ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für das Obsiegen in der Hauptsache, weshalb im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes eine Vorwegnahme der Hauptsache möglich sei.
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Die Antragstellerin beantragt,
die Antragsgegnerin vorläufig bis zur bestandskräftigen Entscheidung über ihren Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 27 Abs. 2 Satz 1 der 11. BayIfSMV von der Betriebsschließung nach § 12 der 11. BayIfSMV zu verpflichten, den Betrieb ihres Möbelhauses gemäß Ihrem Antrag vom 26.1.2021 zu gestatten.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen
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Ein Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung für die begrenzte Öffnung des dem Möbelhaus angeschlossenen Küchenstudios bestehe nicht. Soweit die Antragstellerin auf ständig weiter sinkende Infektionszahlen hinweise, so möge dies im bundes- und landesweiten Durchschnitt noch Geltung beanspruchen, wobei sich allerdings insoweit eine Kehrtwende nach oben abzeichne. Für die Stadt … habe sich die 7-Tage-Inzidenz jedenfalls nicht signifikant vermindert. Das Gegenteil sei der Fall. Seit etwa drei Wochen spitze sich das Infektionsgeschehen wieder zu. Die 7-Tage-Inzidenz liege ganz erheblich über dem Landesdurchschnitt, der am 3.3.2021 bei einem Wert von 66,6 gelegen habe. In der Stadt … habe sich der Wert auf einem hohen Niveau von ca. 250 eingependelt. Dabei beschränke sich das Infektionsgeschehen im Stadtgebiet nicht nur auf bestimmte Einrichtungen, Gruppen oder Örtlichkeiten, sondern sei breit verteilt. Es herrsche ein „völlig diffuses Infektionsgeschehen“. Vor diesem Hintergrund sei die Erteilung der beantragten Ausnahmegenehmigung nicht vertretbar. Hinzu komme, dass die Impfungen nur langsam fortschreiten würden und keine spezifische Therapie bei einer Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus zur Verfügung stehe. In einer Vielzahl von Fällen komme es zu schweren und tödlichen Krankheitsverläufen, denen nur mithilfe von Infektionsschutzmaßnahmen - wie sie der bayerische Verordnungsgeber u.a. in § 12 der 11. BayIfSMV getroffen habe - begegnet werden könne, um so eine Überbelastung des Gesundheitssystems zu vermeiden und damit die medizinische Versorgung sicherzustellen. Die Lage in den Kliniken … AG sei weiterhin angespannt, was die weiterhin hohen Zahlen an dort behandelten COVID-19 Patienten zeige. Allein im … Klinikum würden 33 Patienten mit einer Infektion an COVID-19 behandelt, von denen 16 Patienten einer intensiven medizinischen Versorgung bedürften (Stand: 3.3.2021).
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Soweit die Antragstellerin auf ihr „spezifisches und zuverlässiges“ Hygienekonzept verweise, berücksichtige sie nicht, dass allein hygienische und organisatorische Maßnahmen nicht ebenso effizient seien, wie die vollständige Geschäftsschließung. Die von der Antragstellerin vorgeschlagenen Maßnahmen würden nur zu einer Reduzierung, nicht aber zu einem Ausschluss der Infektionsgefahr führen, wie dies bei einer völligen Schließung der Fall sei.
14
Mit Ablauf des 7.3.2021 ist die 11. BayIfSMV nach deren § 29 außer Kraft getreten. Seit dem 8.3.2021 gilt die Zwölfte Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung.
15
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten im Hauptsache- und im Eilrechtschutzverfahren Bezug genommen.
II.
16
Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist nicht begründet. Die Antragstellerin hat keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
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1. Der Antrag ist zulässig. Ihm fehlt insbesondere nicht das Rechtsschutzbedürfnis, was dann der Fall wäre, wenn die Antragstellerin ohnehin berechtigt wäre, ihr Küchenstudio in der beabsichtigten Form zu öffnen, da sie in diesem Fall keiner Ausnahmegenehmigung bedürfte.
18
Zum Zeitpunkt der Erhebung der Verpflichtungsklage und Antragstellung galt die Elfte Bayerische Infeskitonsschutzmaßnahmenverordnung (11. BayIfSMV) vom 5.12.2020 (BayMBl. 2020, Nr. 737), die mehrfach geändert worden ist (letzte Änderung: VO vom 24.2.2021, BayMBl. 2021, Nr. 149). Diese untersagte in deren § 12 Abs. 1 Satz 1 die Öffnung von Ladengeschäften mit Kundenverkehr für Handels-, Dienstleistungs- und Handwerksbetriebe. Ausgenommen waren gemäß § 12 Abs. 1 Sätze 2 und 4 der 11. BayIfSMV bestimmte für die tägliche Versorgung unverzichtbare Ladengeschäfte und der Großhandel, sofern bestimmte Schutz- und Hygienemaßnahmen eingehalten wurden. Da das Küchenstudio der Antragstellerin nicht zu diesen dort genannten Geschäften zählte, wäre die Öffnung nur mit einer von der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde erteilten Ausnahmegenehmigung nach § 27 Abs. 2 Satz 1 der 11. BayIfSMV möglich gewesen. Allerdings trat diese Verordnung gemäß § 29 der 11. BayIfSMV mit Ablauf des 7.3.2021 außer Kraft. Seit 8.3.2021 gilt die 12. BayIfSMV vom 5.3.2021 (BayMBl. 221 Nr. 171). Diese sieht für Geschäfte des Einzelhandels ein inzidenzabhängiges Öffnungskonzept vor.
19
In der hier vorliegenden Verpflichtungssituation in der Hauptsache kommt es hinsichtlich der Beurteilung der Sach- und Rechtslage auf die zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung geltende Rechtslage an (BVerwG, U.v. 27.9.2016 - 1 C 17.15 - juris; Rn. 10 = BVerwGE 156, 164; BayVGH, U.v. 28.6.2016 - 10 B 15.1854 - juris, Rn. 29; BayVGH, U.v. 5.3.2013 - 10 B 12.2219 - juris, Rn. 29 m.w.N.; Riese in: Schoch/Schneider, VwGO, 39. EL Juli 2020, § 113, Rn. 267), weshalb das Gericht seiner Prüfung die Regelungen der 12. BayIfSMV zugrunde zu legen hat. Der von der Antragstellerin gestellte Antrag war deshalb auch in entsprechender Anwendung der §§ 133, 157 BGB dahingehend auszulegen, dass im Rahmen des Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nunmehr eine Ausnahmegenehmigung nach § 28 Abs. 2 Satz 1 der 12. BayIfSMV begehrt wird.
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Nach dem derzeit geltenden inzidenzabhängigen Öffnungskonzept der 12. BayIfSMV gilt eine differenzierende Regelung. In Landkreisen oder kreisfreien Städten, in denen eine stabile (vgl. dazu § 3 der 12. BayIfSMV) 7-Tage-Inzidenz von 50 nicht überschritten wird, dürfen Einzelhandelsgeschäfte grundsätzlich öffnen, und zwar unter denselben Voraussetzungen, die für die der täglichen Versorgung unverzichtbaren Ladengeschäfte gelten (vgl. § 12 Abs. 1 Sätze 8 und 4 der 12. BayIfSMV). Solange dagegen eine stabile 7-Tage-Inzidenz zwischen 50 bis 100 besteht, ist eine Öffnung des Einzelhandels lediglich für sogenannte Terminshopping-Angebote („Click & meet“) vorgesehen, wobei auch hier bestimmte Rahmenbedingungen einzuhalten sind (vgl. § 12 Abs. 1 Sätze 7 und 4 Nrn. 1 bis 4 der 12. BayIfSMV). Liegt die 7-Tage-Inzidenz dagegen über dem Wert von 100, so bleiben Einzelhandelsgeschäfte, die nicht der Befriedigung des täglichen Bedarfs dienen, nach § 12 Abs. 1 Sätze 1 und 2 der 12. BayIfSMV weiterhin geschlossen. Für derartige Geschäfte können im Einzelfall - wie schon unter der Geltung der 11. BayIfSMV - Ausnahmegenehmigungen nach § 28 Abs. 2 Satz 1 der 12. BayIfSMV von der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde, hier also der Antragsgegnerin, erteilt werden, soweit dies aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vertretbar ist. Da die Stadt … am 9.3.2021 - dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichem Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts - eine 7-Tage-Inzidenz von 238,6 aufweist (Robert Koch-Institut, COVID-19-Dashboard, https://experience.arcgis.com/experience/478220a4c454480e823b17327b2bf1d4, abgerufen am 9.3.2021), ist eine Öffnung derzeit untersagt. Für die Antragstellerin hat sich somit grundsätzlich nichts geändert.
21
Das Gericht vermag auch nicht zu erkennen, dass - wie dies die Antragstellerin scheinbar meint - die von der Antragstellerin angebotene Dienstleistung der Küchenplanung nicht vom Verbot der Öffnung ihres Ladengeschäfts in § 12 Abs. 1 Satz 1 der 11. BayIfSMV (jetzt: § 12 Abs. 1 Satz 1 der 12. BayIfSMV) erfasst sein könnte. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass schon der Antrag der Antragstellerin vom 26.1.2021 in sich widersprüchlich ist. Einerseits erkennt sie selbst darin an, dass sie unter den Anwendungsbereich des § 12 der 11. BayIfSMV (jetzt: § 12 Abs. 1 der 12. BayIfSMV) fällt. Andererseits führt sie dann aber in ihrem Antrag auf Ausnahmegenehmigung aus, dass die genannte Vorschrift die Küchenplanung nicht explizit untersage, da es sich nicht um den schlichten Verkauf von Waren handele. Dem ist entgegenzuhalten, dass es sich bei der Küchenplanung, die im Regelfall wohl immer auch den Kauf einer Küche voraussetzt, um eine Dienstleistung mit Kundenverkehr handelt, die im Ladengeschäft der Antragstellerin erbracht wird. Schon vom Wortlaut der Verbotsregelung („Dienstleistungsbetriebe mit Kundenverkehr“) ist damit das von der Antragstellerin betriebene Küchenstudio von dem Verbot erfasst. Im Übrigen entspricht dies auch dem Sinn und Zweck der Verbotsregelung, die auf eine weitestgehende Reduzierung von Kontakten zwischen Kunden untereinander und von Kunden mit Verkaufs- und Beratungspersonal von Handels-, Dienstleistungs- und Handwerksbetrieben abzielt. In diesem Sinn ist in der Begründung zur 11. BayIfSMV (BayMBl. 2020 Nr. 738) Folgendes ausgeführt:
„Aufgrund des erheblichen Infektionsgeschehens muss zudem eine Untersagung der Öffnung von Ladengeschäften mit Kundenverkehr und zugehöriger Abholdienste mit Ausnahme des Lebensmittelhandels […] erfolgen, die mit § 12 Abs. 1 umgesetzt wird. […] Ziel der Untersagungen hinsichtlich des Einzelhandels ist es, die Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen zu flankieren und auf diese Weise das Infektionsgeschehen wieder einzudämmen. Gerade in diesem Bereich kommt es zu zahlreichen zufälligen Kontakten unterschiedlichster Personen. Eine Nachverfolgbarkeit von Kontaktpersonen ist unter diesen Rahmenbedingungen kaum möglich. Die Schließung von Ladengeschäften mit Ausnahmen führt zu einer Vermeidung zahlreicher zufälliger Kontakte und trägt dazu bei, die Infektionsdynamik einzugrenzen.“
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Dies Erwägungen gelten auch unter der Geltung der 12. BayIfSMV, sofern die 7-Tage-Inzidenz über 100 liegt. Insoweit hat der Verordnungsgeber die bisher geltende Regelung ausdrücklich fortgeführt (vgl. die Begründung der 12. BayIfSMV, BayMBl. 2021 Nr. 172, S. 4) Eine Lockerung ist hier nur insoweit eingetreten, als nunmehr auch Versicherungsbüros und Buchhandlungen als für die tägliche Versorgung unverzichtbare Ladengeschäfte eingestuft worden sind (vgl. zu den Motiven: Begründung zur 12. BayIfSMV, BayMBl. 2021 Nr. 172, S. 4). Indem der Verordnungsgeber Versicherungsbüros, deren wesentliche Aufgabe die Beratung der Kunden ist, vom Verbot der Öffnung ausgenommen hat, wird darüber hinaus ersichtlich, dass die Erbringung von Dienstleistungen in Ladengeschäften vom Verordnungsgeber ganz bewusst nur in den ausdrücklich geregelten Fällen zugelassen werden sollte.
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Die Regelung begegnet nach Auffassung der Kammer nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen summarischen Überprüfung auch keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Zwar werden die betroffenen Geschäftsinhaber erheblich in ihren Grundrechten, insbesondere aus den Art. 12, 14 und 2 Abs. 1 GG tangiert. Gleichwohl dürften die Eingriffe verhältnismäßig sein; denn den Interessen der betroffenen Geschäftsinhaber stehen das Interesse der Allgemeinheit an einem möglichst umfassenden und wirksamen Schutz von Leib und Leben sowie das Interesse an der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Gesundheitssystems gegenüber. Hinzu kommt, dass der Verordnungsgeber mit der 12. BayIfSMV nunmehr eine nach Inzidenzwerten differenzierte Regelung eingeführt hat, wodurch den Interessen der Gewerbetreibenden im Vergleich zur Vorgängerregelung ein höheres Gewicht gegeben wird.
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Soweit die Antragstellerin einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG darin erblickt, da in Mecklenburg-Vorpommern offenbar Küchenstudios geöffnet sein dürfen, fehlt es schon an einem vergleichbaren Sachverhalt. Coronabedingte Einschränkungen in verschiedenen Bundesländern müssen sich nicht miteinander vergleichen lassen; denn der allgemeine Gleichheitssatz verpflichtet den Gesetz- und Verordnungsgeber grundsätzlich nur, innerhalb seines Kompetenz- und Wirkungsbereichs Gleichheit zu achten und herzustellen (BVerfG, U.v. 18.7.2972 - 1 BvL 32/0 - juris; P. Kirchhof in: Maunz/Dürig, GG, 92. EL August 2020, Art. 3 Abs. 1, Rn. 158).
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Die Kammer sieht sich im Übrigen nicht veranlasst, eine intensivere verfassungsrechtliche Überprüfung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vorzunehmen, da auch die Antragstellerin die Verfassungsgemäßheit der restriktiveren Vorgängerregelung in § 12 Abs. 1 Satz 1 der 11. BayIfSMV, die ein vollständiges - also nicht inzidenzabhängiges - Öffnungsverbot enthielt, nicht grundlegend angezweifelt hat. Sie hat ausschließlich eine Ausnahmegenehmigung vom Öffnungsverbot beantragt, weil sie der Auffassung ist, aufgrund besonderer Umstände eine solche erhalten zu müssen. Wäre sie dagegen der Auffassung, die Regelung sei verfassungswidrig, so hätte sie den Weg der verfassungsrechtlichen Prüfung des Öffnungsverbots über ein Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof einschlagen müssen.
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2. Der Antrag ist unbegründet, da jedenfalls ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht ist.
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Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind darüber hinaus nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Regelungsanordnung).
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Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist die Glaubhaftmachung sowohl eines Anordnungsgrundes (Eilbedürftigkeit) als auch eines Anordnungsanspruchs. Ferner besteht hier die Besonderheit, dass im Falle der Gewährung von Eilrechtschutz die Hauptsache vorweggenommen würde, was dem Wesen des vorläufigen Rechtsschutzes widerspricht. Im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung kann das Gericht grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und einem Antragsteller nicht schon in vollem Umfang das gewähren, was er nur in einem Hauptsacheverfahren erreichen könnte (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 123, Rn. 13 m.w.N. aus Rspr. und Lit.). Dies wäre hier jedoch der Fall; denn die Verpflichtung der Antragsgegnerin auf vorläufige Erteilung der beantragten Ausnahmegenehmigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Hauptsacheklage würde die Hauptsache im Hinblick auf die zeitlich begrenzte Geltung der Geschäftsschließungen (vgl. § 30 der 12. BayIfSMV) vorwegnehmen. Andererseits ist es anerkannt, dass eine Vorwegnahme der Hauptsache, dann möglich ist, wenn dies zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (vgl. Art. 19 Abs. 4 GG) geboten ist und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der mit der Hauptsache verfolgte Anspruch begründet ist (vgl. BVerfG, B.v. 25.10.1988 - 2 BvR 745/88 - juris = BVerfGE 79, 69; BVerwG, U.v. 18.4.2013 - 10 C 9.12 - juris = BVerwGE 146, 189; BVerwG, B.v. 13.8.1999 - 2 VR 1.99 - juris = BVerwGE 109, 258; Schoch in: Schoch/Schneider, VwGO, 39. EL Juli 2020, § 123, Rn. 145; Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 123, Rn. 14).
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Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sind nicht gegeben. Bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage liegen schon die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Eröffnung eines Ermessensspielraums zur Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nicht vor, da die Antragstellerin nicht geltend macht, aufgrund der Atypik ihres Geschäftsmodells einen Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zu haben. Es handelt sich vorliegend vielmehr um einen Regelfall der Untersagung von Einzelhandels- und Dienstleistungsbetrieben (vgl. dazu a)). Selbst wenn man jedoch davon ausginge, dass eine Ausnahmegenehmigung grundsätzlich erteilt werden könnte, so liegt jedenfalls kein Fall der Ermessensreduzierung auf Null vor (vgl. dazu b)).
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a) Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 der 12. BayIfSMV ist die Öffnung von Ladengeschäften mit Kundenverkehr für Handels-, Dienstleistungs- und Handwerksbetriebe in kreisfreien Städten und Landkreisen mit einer 7-Tage-Inzidenz von mehr als 100 grundsätzlich untersagt (vgl. § 12 Abs. 1 Sätze 7 und 8 der 12. BayIfSMV). Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben, was bereits oben ausgeführt wurde (vgl. Nr. 1.).
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Nach § 28 Abs. 2 Satz 1 der 12. BayIfSMV können im Einzelfall auf Antrag von der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde von den Regelungen der Verordnung Ausnahmegenehmigungen erteilt werden, soweit dies aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vertretbar ist.
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Die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung setzt aus Sicht der entscheidenden Kammer zunächst voraus, dass ein besonders gelagerter Fall vorliegt, der ein Abweichen von der allgemeinen Regelung rechtfertigen kann. Es muss sich mithin um einen atypischen Einzelfall handeln, den der Verordnungsgeber beim Erlass der allgemein gültigen Regelung nicht im Blick hatte. Erst wenn dies der Fall ist, ist für die zuständige Behörde, hier die Antragsgegnerin, ein Ermessensspielraum zur Erteilung einer Ausnahmegenehmigung eröffnet, und zwar auch nur dann, wenn die Erteilung der Genehmigung infektionsschutzrechtlich vertretbar ist.
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Zwar stellt der Wortlaut des § 28 Abs. 2 Satz 1 der 12. BayIfSMV nicht unmittelbar auf das Vorliegen eines atypischen Einzelfalls ab, anders als etwa die Regelung des § 7 Abs. 9 Satz 1 der Verordnung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie des Saarlandes, die ausdrücklich einen atypischen Einzelfall fordert. Aus Sicht des Gerichts entspricht es aber dem Wesen eines Ausnahmefalls, dass eine Konstellation vorliegt, die sich vom abstrakt-generellen Regelungszweck der Norm, von der eine Ausnahme begehrt wird, abgrenzt, da sonst nicht zu erkennen wäre, worin eine Ausnahme liegen sollte. Die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung ist letztlich daher für besondere Fallgestaltungen vorgesehen, die von einer Regelung erfasst sind, obwohl diese vom Normgeber bei Betrachtung der maßgeblichen Umstände wohl davon ausgenommen worden wären. Die auftretenden Belastungen können daher auch nur dann eine Ausnahmeentscheidung rechtfertigen, wenn sie über diejenigen Belastungen und Einschränkungen hinausgehen, die der Verordnungsgeber bei Verordnungserlass bereits als zumutbar und verhältnismäßig angesehen hat und von denen nicht alle Regelungsadressaten in gleicher Weise betroffen sind.
34
Das Erfordernis einer atypischen Fallgestaltung hängt insoweit eng mit dem Merkmal der infektionsschutzrechtlichen Vertretbarkeit zusammen. Denn hier kann nicht die Kreisverwaltungsbehörde ungeachtet der Wertungen des Normgebers eigene Maßstäbe ansetzen, sondern hat zu beachten, was der Verordnungsgeber infektionsschutzrechtlich für vertretbar hält, da andernfalls über das Instrument der Ausnahmegenehmigung die Wertungen des Verordnungsgebers unterlaufen werden könnten (vgl. VG Regensburg, B.v. 24.2.2021 - RO 5 E 21.170 - BeckRS 2021, 3401).
35
Vor diesem Hintergrund ist die Schließung von Küchenstudios als Ladengeschäfte mit Kundenverkehr typischerweise und regelhaft von der Verbotsnorm erfasst. Vor allem stellt es keinen außergewöhnlichen Umstand dar, dass im Betrieb der Antragstellerin auch Beratungs- und Planungstätigkeiten angeboten werden. Insoweit handelt es sich um typische Tätigkeiten, die in Dienstleistungs-, vor allem aber auch in Handwerksbetrieben erbracht werden. Man denke hier nur an Ladengeschäfte von Schreinereien, die individuelle Möbelstücke für ihre Kunden anfertigen, oder an Raumausstatter, die in ihren Ladengeschäften typischerweise Planungstätigkeiten anbieten und eine individuelle Kundenberatung durchführen.
36
Soweit die Antragstellerin vorträgt, eine Ausnahmegenehmigung müsse aufgrund ihres umfassenden Hygienekonzepts erteilt werden, so greift auch dieses Argument nicht. Schließlich müssen alle Geschäfte, die geöffnet haben dürfen, gemäß § 12 Abs. 1 Satz 4 Nr. 4 der 12. BayIfSMV ein entsprechendes Schutz- und Hygienekonzept haben. Ein derartiges Konzept ist eine generelle Voraussetzung für die Geschäftsöffnung, und zwar nicht nur für Geschäfte, die für die tägliche Versorgung unverzichtbar sind. Auch wenn ein Geschäft aufgrund guter Inzidenzwerte in einer kreisfreien Stadt oder in einem Landkreis öffnen darf, so ist die Öffnung immer auch daran geknüpft, dass ein Schutz- und Hygienekonzept nach § 12 Abs. 1 Satz 4 Nr. 4 der 12. BayIfSMV vorliegt (vgl. § 12 Abs. 1 Sätze 7 und 8 der 12. BayIfSMV). Der Verordnungsgeber hat die Öffnung von Geschäften auch nicht deshalb untersagt, weil er die Einhaltung von Hygienekonzepten bei verschiedenen Arten von Geschäften nicht für durchführbar erachtet hat, sondern weil er eine höchstmögliche Kontaktreduzierung erreichen will (vgl. die Begründung zur 11. BayIfSMV, BayMBl. 2020 Nr. 738).
37
Vor diesem Hintergrund ist die Schließung des Küchenstudios, auch wenn dieses nur in der von der Antragstellerin beabsichtigten Form betrieben werden soll, typischerweise und regelhaft mit der Verbotsnorm des § 12 Abs. 1 Satz 1 der 12. BayIfSMV bezweckt.
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Die umfangreichen Bedingungen, denen sich die Antragstellerin aufgrund ihres Hygienekonzepts unterwerfen würde, können zu keinem anderen Ergebnis führen. Denn in Fällen, in denen ein Besuch des Küchenstudios nach vorheriger Terminbuchung ermöglicht wird, bedarf es gemäß § 12 Abs. 1 Satz 7, 2. Hs. i.V.m. Satz 4 der 12. BayIfSMV ohnehin umfangreicher Hygienemaßnahmen. Letztlich würde die Antragstellerin mit den von ihr zusammengestellten Bedingungen lediglich den Vorgaben Rechnung tragen, die im Falle einer zulässigen Öffnung des Küchenstudios bei einer 7-Tage-Inzidenz zwischen 50 und 100 erforderlich wären. Sie schafft damit aber keine Situation, die einen atypischen Ausnahmefall rechtfertigen würde. Es handelt sich vielmehr um einen typischen Fall, der nach dem Willen des Verordnungsgebers eine Öffnung des Geschäfts bei Inzidenzwerten zwischen 50 und 100 rechtfertigt. Dieses Konzept des Verordnungsgebers würde unterlaufen, wenn im Einzelfall eine „Click & Meet“-Regelung bei einem Inzidenzswert, der jenseits dieser Marke liegt, genehmigt werden würde, ohne dass besondere atypische Umstände hinzutreten.
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Würde der Antragstellerin eine Ausnahmegenehmigung erteilt, müsste allen anderen Geschäften, soweit sie dies freilich für wirtschaftlich sinnvoll halten und entsprechende Anträge stellen, Ausnahmegenehmigungen erteilt werden. Da der Normgeber aber gerade die Möglichkeit einer Geschäftsöffnung für Verkaufstermine nur bei einer Inzidenz von 50 bis 100 vorgesehen hat, kann eine solche Regelung nun nicht ersatzweise über den Weg einer Ausnahmegenehmigung herbeigeführt werden.
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Nach alledem liegt kein atypischer Fall vor, weshalb ein Ermessensspielraum zur Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nicht eröffnet ist. Eine Ausnahmegenehmigung kann nicht erteilt werden.
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b) Selbst wenn man jedoch davon ausgehen wollte, dass die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung im vorliegenden Fall möglich ist, wovon wohl auch die Antragsgegnerin in ihrer Antragserwiderung ausgeht, so stünde der Antragstellerin lediglich ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung zu, da jedenfalls eine Ermessensreduzierung auf Null nicht ersichtlich ist.
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Dem Verordnungsgeber steht bei der Festlegung der zu beschließenden Maßnahmen eine weite Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsprärogative zu. Unabhängig von der Frage, ob Ladengeschäfte mit Kundenverkehr für Handels-, Dienstleistungs- und Handwerksbetriebe trotz umgesetzter Hygienemaßnahmen jeweils im Einzelfall konkret betrachtet das Infektionsgeschehen signifikant beeinflussen, ist zu berücksichtigen, dass die Entscheidung des Verordnungsgebers, bestimmte Lebensbereiche und damit zusammenhängende Betriebe stark einzuschränken, auf einem Gesamtkonzept beruht (vgl. BVerfG, B.v. 11.11.2020 - 1 BvR 2530/20 - juris, Rn. 16; VfGBbg, B.v. 11.12.2020 - 21/20 EA - juris, Rn. 19).
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Dieses Gesamtkonzept ist von der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde auch im Rahmen der Erteilung von Ausnahmegenehmigungen zu beachten. Bedenkt man darüber hinaus, dass die Stadt … zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bundesweit an sechster Stelle der kreisfreien Städte und Landkreise mit den höchsten 7-Tage-Inzidenz-Werten liegt (vgl. Robert Koch-Institut, COVID-19-Dashboard, https://experience.arcgis.com/experience/478220a4c454480e823b17327b2bf1d4, abgerufen am 9.3.2021), so wäre auch dies im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigen. Allein aufgrund dieser Rahmenbedingungen steht für das Gericht fest, dass eine Ermessensreduzierung auf Null nicht gegeben ist. Deshalb kann letztendlich auch dahinstehen, ob die Antragstellerin einen möglichen Anspruch des Antragstellers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung bereits erfüllt hat. Jedenfalls ist die Erteilung der Ausnahmegenehmigung nicht zwingend. In der Hauptsache könnte die Antragstellerin daher allenfalls die Verpflichtung der Antragsgegnerin erstreiten, eine ermessensfehlerfreie Entscheidung zu treffen. Dementsprechend kann aber auch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht die Verpflichtung zur Erteilung einer (vorläufigen) Ausnahmegenehmigung erstritten werden, da die Antragstellerin sonst im Eilrechtschutzverfahren mehr erhalten würde, als sie in der Hauptsache erreichen könnte (ausführlich zur Problematik des Schutzes des Anspruchs auf ermessensfehlerfreie Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes: Schoch in: Schoch/Schneider, VwGO, 39. EL Juli 2020, § 123, Rn. 158 ff.).
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Im Übrigen ist es aus Sicht der entscheidenden Kammer nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin im Rahmen ihrer Ermessensausübung, die sie in ihrer Antragserwiderung dargestellt hat, wesentlich auf die hohen Infektionszahlen in der Stadt … abgestellt hat sowie auf die Überlastung der örtlichen Krankenhäuser aufgrund der Anzahl von intensivmedizinisch behandlungsbedürftigen COVID-19 Patienten. Für die Antragstellerin spricht dagegen lediglich ihr Hygienekonzept, welches aber - wie bereits ausgeführt - jedes Geschäft vorweisen muss, das geöffnet hat.
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Der Antrag war nach alldem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
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Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz i.V.m. Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Angesichts der Vorwegnahme der Hauptsache erachtet es das Gericht für sachgerecht, den Streitwert auf die Höhe des für ein Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts anzuheben und insgesamt damit einen Streitwert in Höhe von 5.000,- € festzusetzen.