Inhalt

LG Memmingen, Endurteil v. 29.07.2021 – 24 O 2120/20
Titel:

Kein Auskunftsanspruch über krankenversicherungsrechtliche Beitragsanpassungen in früheren Versicherungsjahren

Normenketten:
ZPO § 254
VVG § 3 Abs. 3, Abs. 4, § 203 Abs. 5
BGB § 666, § 675, § 810
Leitsätze:
1. Liegen einem Versicherungsnehmer begründete Mitteilungen über die Anpassung von Beiträgen seines Krankheitskostenversicherungsvertrages vor, so ist eine Stufenklage auf Auskunft über sie unzulässig. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Mitteilung zu den Gründen einer Beitragsanpassung muss nicht die Information enthalten, dass der Versicherungsnehmer nicht selbst für die Prämienerhöhung verantwortlich ist. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
3. Zum notwendigen Inhalt einer Mitteilung über die Gründe einer Beitragsanpassung in der Krankenversicherung gehört keine Negativerklärung dazu, dass eine Änderung der Sterbewahrscheinlichkeiten nicht zu den Gründen gehört. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ein Auskunftsanspruch über Beitragsanpassungen und ihre Begründung in früheren Versicherungsjahren besteht nicht. (Rn. 25 – 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Krankheitskostenversicherung, Beitragsanpassung, Prämienänderung, Mitteilung, Begründung, Sterbewahrscheinlichkeiten, Auskunftsanspruch, Versicherungsschein
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Beschluss vom 15.12.2021 – 14 U 6205/21
OLG München, Hinweisbeschluss vom 24.11.2021 – 14 U 6205/21
Fundstelle:
BeckRS 2021, 40474

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 14.921,24 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung des Klägers.
2
Der Kläger ist seit dem 24.06.1998 bei der Beklagten privat krankenversichert, Versicherungsnummer KK-0108-3875. Dem Vertragsverhältnis liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) zugrunde.
3
Im Einzelnen kam es zu folgenden Beitragserhöhungen:
- im Tarif VM 240 zum 01.05.2017 in Höhe von 57,76 €
- im Tarif VM 240 zum 01.05.2019 in Höhe von 64,97 €
Diese beiden Beitragserhöhungen wurden dem Kläger jeweils in Mitteilungsschreiben samt beigefügten Informationsblättern postalisch mitgeteilt. Im Einzelnen kam es zu folgenden Mitteilungen:
In dem Begleitschreiben der Beklagten für die Beitragserhöhungen ab dem 01.05.2017 heißt es:
''Beiträge Warum sie sich verändern
[…] Gesundheitsausgaben
Was sie sind und warum sie immer weiter ansteigen
[…] Seit Jahren steigen in den führenden Industrieländern diese Ausgaben immer weiter an.
[…] Stetiger medizinischer Fortschritt im Zusammenspiel mit steigender Lebensdauer und - qualität Aufgrund dieser Entwicklung und der steigenden Lebensqualität in Deutschland steigt auch die Lebenserwartung erfreulicherweise beständig an.
[…] Was bedeutet eine steigende Lebenserwartung für die gesetzliche und die private Krankenversicherung?
[…] Es gibt also eine Vielzahl an Einflussfaktoren aus die Gesundheitsausgaben, die dafür verantwortlich sind, dass wir Versicherungsbeiträge von Zeit zu Zeit anpassen müssen.
Beitragsanpassung
Welche gesetzlichen Vorschriften es gibt Müssen die Beiträge schließlich angepasst werden, erfolgt dies nicht willkürlich, sondern streng nach gesetzlichen Vorschriften: 1) Es werden jährlich für jeden einzelnen Tarif die tatsächlichen mit den kalkulierten Versicherungsleistungen verglichen. Ergibt sich bei einem Tarif eine Abweichung von mehr als fünf Prozent, können - bei mehr als zehn Prozent müssen - wir die Beiträge anpassen.
[…].' Für die Beitragsanpassung ab dem 01.05.2019 heißt es zunächst in dem Anschreiben:
[…]
''Als Ihr Krankenversicherer müssen wir jedes Jahr überprüfen, wie sich die Ausgaben für Versicherungsleistungen und die statistische Lebenserwartung entwickeln. Das ist in den vertraglich vereinbarten Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB § 8b) so festgelegt und geschieht nach genau vorgeschriebenen Verfahren:
Pro Tarif werden die erforderlichen und die einkalkulierten Leistungen gegenübergestellt. Weichen diese mehr als 5% voneinander ab, ist die Rechtsgrundlage für eine Beitragsanpassung gegeben.
Auf Ihrem Versicherungsschein sind die Tarife gekennzeichnet, für die eine Abweichung in der genannten Höhe vorlag. Hier waren auch keine Anzeichen dafür erkennbar, dass die Abweichung lediglich vorübergehend ist. Daraufhin mussten alle Berechnungsgrundlagen aktualisiert und angepasst werden - das hat eine Veränderung der Beiträge zur Folge […].''.
4
In dem Begleitschreiben heißt es weiter:
''Lassen Sie uns reden Sie fragen sich, warum die Beiträge für Ihre Krankenversicherung angepasst werden müssen? Wir geben hier Antworten - denn auch wir würden die Beiträge lieber da belassen, wo sie sind.
Luxusgut Gesundheit
Das deutsche Gesundheitssystem zählt zu den besten der Welt. Wir profitieren ständig von neuen Behandlungsmethoden, Therapien, Geräten und Medikamenten. Das schafft optimale Voraussetzungen für ein langes und gesundes Leben. Die Qualitätssteigerung in der medizinischen Versorgung hat ihren Preis. Dafür sind momentan vor allem drei Faktoren verantwortlich:
- - Medizinischer Fortschritt und steigende Nachfrage von medizinischen Leistungen
- - Steigende Lebenserwartung
- - Entwicklung am Kapitalmarkt
[…] Was sind Gesundheitsausgaben?
[…]
In den führenden Industrieländern steigen diese Ausgaben seit Jahren immer weiter an - stärker als die jeweiligen Lebenshaltungskosten. Auch Deutschland ist von dieser Entwicklung betroffen.
So niedrig wie möglich, so hoch wie nötig
Als Privatpatient erhalten Sie bestmögliche Leistungen - einmal vereinbart, ein Leben lang. Und diese Zusage halten wir auch ein. Weil nicht alle Entwicklungen von Anfang an einkalkuliert werden können, müssen wir die Beiträge regelmäßig überprüfen und ggf. anpassen. Diese Entscheidung machen wir uns nicht leicht. Die angemessene Höhe wird auf Basis der Versicherungsleistungen und der gesetzlichen Vorschriften errechnet und von unabhängigen und staatlichen Instanzen kontrolliert […].
Medizinischer Fortschritt: Hoffnungsträger und Kostentreiber
[…] Wertvolle Jahre: Wenn die Lebenserwartung steigt
[…]
Zinsentwicklung: Über das Loch im Sparschwein
[…] Beitragsanpassung - eine klare Rechnung
[…]
Aus diesem Grund haben wir mit Ihnen in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) in § 8b in der Beitragsanpassungsklausel die Voraussetzungen vertraglich vereinbart, unter denen wir zu einer Änderung der Beiträge berechtigt sind. Diese Beitragsanpassungsklausel ergibt sich aus den gesetzlichen Bestimmungen des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG § 203) und des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG § 155).
Wann müssen wir anpassen? Als Ihr Versicherungsunternehmen sind wir somit gesetzlich verpflichtet, jährlich die erforderlichen und die kalkulierten Versicherungsleistungen zu vergleichen. Dau werden unsere versicherten Bestände separat nach Tarif und sogenannten Beobachtungseinheiten ausgewertet. Das sind je nach Alter Kinder/Jugendliche oder Erwachsene, bei geschlechtsabhängig kalkulierten Beiträgen zusätzlich Männer und Frauen.
Liegt in einem Tarif und einer Beobachtungseinheit eine Abweichung von mehr als 5% vor, so sind wir verpflichtet, die Beiträge in genau diesem Fall zu überprüfen und an die aktuellen Gegebenheiten anzupassen.
Darüber hinaus kann sich die Verpflichtung zu einer Beitragsanpassung laut den AVB auch aus einer entsprechenden Abweichung der Sterbewahrscheinlichkeiten ergeben. Dies war aber zum  1. Mai 2019 in keinem Tarif und keiner Beobachtungseinheit der Fall.
Die Ergebnisse dieser Gegenüberstellung wurden von einem unabhängigen Treuhänder geprüft und zudem der Aufsichtsbehörde (BaFin) vorgelegt […].
So wird gerechnet
[…] Die in die Beitragskalkulation eingehenden Rechnungsgrundlagen sind im Wesentlichen die sogenannten Ausscheidewahrscheinlichkeiten (Sterbe- und Stornowahrscheinlichkeiten), die einkalkulierten Versicherungsleistungen und der Rechnungszins sowie die erwarteten Kostensätze […].
Trends bei Versicherungsleistungen
Der Anpassungsbedarf in den einkalkulierten Versicherungsleistungen ergibt sich bereits aus der Tatsache, dass der in den AVB festgelegte Schwellenwert von 5% überschritten wurde. Somit stellen die Versicherungsleistungen derzeit die maßgebliche Berechnungsgrundlage für eine Beitragsanpassung dar; die Beitragsveränderungen werden zum überwiegenden Teil von ihnen beeinflusst […].''
5
Der Kläger ist der Ansicht, dass sämtliche Beitragserhöhungen formal unwirksam seien, weil diese nicht die von § 203 Abs. 5 VVG verlangten Voraussetzungen an die Begründung der Beitragserhöhung erfüllen. Die Beklagte hätte in ihren Mitteilungen die konkrete Höhe der Veränderung mitteilen müssen sowie die Tatsache, ob sich ausschließlich die Versicherungsleistungen oder die Sterbewahrscheinlichkeiten verändert haben. Er habe daher Anspruch auf Feststellung der Unwirksamkeit der benannten Beitragserhöhungen sowie Rückerstattung des zu viel bezahlten Versicherungsbeitrages. Darüber hinaus sei die Stufenklage zulässig, da das Auskunftsbegehren zur Bestimmung des Leistungsantrags verfolgt werde. Die Höhe der Rückforderung ergebe sich nicht aus der bloßen Differenz von aktueller und vorangegangener Beitragszahlung, da der monatlich zu entrichtende Versicherungsbeitrag eine Endsumme sei, welche sich aus der Addition aller Tarifprämien des Versicherungsnehmers zusammensetze. Der Auskunftsanspruch folge aus § 3 Abs. 3 S. 1 VVG, Art. 15 Abs. 1, Abs. 3 DSGVO und § 810 BGB.
6
Der Kläger beantragt zuletzt,
1. Es wird festgestellt, dass folgende Beitragsanpassungen des Monatsbeitrags in der zwischen der Klägerseite und der Beklagten bestehenden Kranken-/ Pflegeversicherung mit der Versicherungsnummer KK-0108-3875 unwirksam sind:
a) im Tarif VM 240 die Beitragsanpassung zum 01.05.2017 in Höhe von 57,76 €
b) im Tarif VM 240 die Beitragsanpassung zum 01.05.2019 in Höhe von 64,97 € und der Gesamtbeitrag unter Berücksichtigung der erfolgten Absenkungen auf insgesamt 437,33 € zu reduzieren ist.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite 3.840,84 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerseite Auskunft über alle Beitragsanpassungen zu erteilen, die die Beklagte in dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag in den Jahren 2011, 2012, 2014, 2015, 2016, zur Versicherungsnummer KK-0108-3875 vorgenommen hat und hierzu geeignete Unterlagen zur Verfügung zu stellen, in denen mindestens die folgenden Angaben enthalten sind:
- die Höhe der Beitragserhöhungen für die Jahre 2011, 2012, 2014, 2015, 2016, unter Benennung der jeweiligen Tarife im Versicherungsverhältnis der Klägerseite,
- die der Klägerseite zu diesem Zwecke übermittelten Informationen in Form von Anschreiben und Nachträgen zum Versicherungsschein der Jahre 2011, 2012, 2014, 2015, 2016, sowie
- die der Klägerseite zum Zwecke der Beitragserhöhung übermittelten Begründungen sowie Beiblätter der Jahre 2011, 2012, 2014, 2015, 2016.
4. Es wird festgestellt, dass alle einseitigen Erhöhungen in den Krankenversicherungstarifen der Klägerseite, die die Beklagte gegenüber der Klägerseite im Rahmen des zwischen ihnen bestehenden Krankenversicherungsverhältnisses zur Versicherungsnummer KK-0108-3875 der Jahre 2011, 2012, 2014, 2015, 2016 vorgenommen hat, und die nach Erteilung der Auskunft gemäß dem Antrag zu Ziffer 3. noch genauer zu bezeichnen sind, unwirksam sind und die Klägerseite nicht zur Zahlung des jeweiligen Erhöhungsbetrags verpflichtet ist sowie, dass der monatlich fällige Gesamtbetrag für die Zukunft auf einen nach Erteilung der Auskunft gemäß dem Klageantrag zu 3. noch genau zu beziffernden Betrag zusätzlich zum Klageantrag zu 1. zu reduzieren ist.
5. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen nach Erteilung der Auskunft gemäß dem Klageantrag zu 4. noch zu beziffernden Betrag nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
6. Es wird festgestellt, dass die Beklagte
a) der Klägerseite zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie aus dem Prämienanteil gezogen hat, den die Klägerseite auf die unter 1. aufgeführten Beitragserhöhungen gezahlt hat,
b) der Klägerseite zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie aus dem Prämienanteil gezogen hat, den die Klägerseite auf die nach Erteilung der Auskunft gemäß dem Klageantrag zu 3. noch genauer zu bezeichnenden Beitragserhöhungen gezahlt hat,
c) die nach 6 a) und 6 b) herauszugebenden Nutzungen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu verzinsen hat.
7. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite einen Betrag in Höhe von 905,38 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit für die außergerichtliche anwaltliche Rechtsverfolgung zu zahlen.
7
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
8
Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Stufenklage bereits unzulässig sei, weil die begehrte Auskunft nicht der Bestimmung des Leistungsantrages diene, sondern dem Kläger sonstige Informationen über seine Rechtsverfolgung verschaffen solle. Etwaige Ansprüche des Klägers bis einschließlich 2016 seien zudem verjährt. Ferner ist sie der Auffassung, dass die dem Kläger mit der Beitragsanpassung übermittelten Informationen die Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG sowie der hierzu ergangenen Rechtsprechung genügten und die Mitteilungen formal ordnungsgemäß gewesen seien.
9
Die am 31.12.2020 bei dem Landgericht Memmingen eingegangene Klageschrift vom selben Tag wurde der Beklagten ausweislich der bei der Akte befindlichen Postzustellungsurkunde am 19.03.2021 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 03.06.2021, dem Beklagtenvertreter zugestellt am 08.06.2021, erweiterte der Kläger die Klageanträge 1 und 2. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 10.06.2021 sowie den sonstigen Akteninhalt.

Entscheidungsgründe

10
Die teilweise zulässige Klage ist nicht begründet. Dem Kläger stehen gegen die Beklagte keine Ansprüche aufgrund der vorgenommenen Beitragsanpassungen zu.
11
I. Die Klage ist nur teilweise zulässig.
12
1. Das Landgericht Memmingen ist gemäß § 215 VVG örtlich und nach §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG sachlich zuständig.
13
2. Daneben liegt das erforderliche Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 ZPO bezüglich der gestellten Feststellungsanträge Ziffer 1 und 6 vor.
14
a) Der Feststellungsantrag zu 1 ist zulässig, da alleine mit einem Leistungsantrag und einem hieraus folgenden Leistungsurteil nicht rechtskräftig festgestellt wäre, dass der Kläger zukünftig nicht zur Zahlung des sich aus der angegriffenen Beitragsanpassung ergebenden Erhöhungsbeitrags verpflichtet ist (vgl. hierzu Urteil des BGH vom 19.12.2018, Az. IV ZR 255/17). Die begehrte Feststellung der Unwirksamkeit der Prämienerhöhungen stellt zudem eine Vorfrage für den Leistungsantrag dar und geht über das dort erfasste Rechtsschutzziel des Klägers hinaus (vgl. hierzu Urteil des BGH vom 19.12.2018, Az. IV ZR 255/17).
15
b) Darüber hinaus ist auch der Feststellungsantrag zu 6 zulässig. Die von der Beklagten gezogenen Nutzungen aus den nach Auffassung des Klägers rechtsgrundlos gezahlten Prämienanteilen waren für ihn im Zeitpunkt der Klageerhebung nur teilweise bezifferbar. Daher fehlt es an der Zumutbarkeit der Erhebung einer Leistungsklage (vgl. hierzu Urteil des BGH vom 19.12.2018, Az. IV ZR 255/17).
16
3. Dagegen liegen die Voraussetzungen für eine Stufenklage im Sinne des § 254 ZPO nicht vor, so dass die Klageanträge Ziffer 4. und 5. unzulässig sind. Die Verbindung zwischen Auskunftsund Leistungsansprüchen in der in § 254 ZPO vorgesehenen Weise ist entsprechend dem Zweck der Vorschrift nur zulässig, wenn die begehrte Auskunft dazu dient, den Leistungsanspruch zu beziffern oder in sonstiger Weise zu konkretisieren (vgl. Bacher in BeckOK ZPO, 40. Auflage, § 254 Rn. 4).
17
Die Klagepartei hat in ihrer Replik auf Bl. 62 d. A. selbst wie folgt vorgetragen:
„Dem Grunde nach ergeben sich die hier klageweise verfolgten Ansprüche nämlich nicht aus den Versicherungsscheinen, sondern aus den mit den jeweiligen Erhöhungen verschickten defizitären Begründungen. Diese wurden von der Beklagten wortlautgleich in der ganzen Republik versandt und liegen der Klägerseite vor.“
18
Hieraus ergibt sich, dass der Kläger im Besitz der Begründungen der Beitragserhöhungen ist und die geltend gemachten Ansprüche aus diesem Grund bezifferbar sind, so dass kein Raum für eine Stufenklage besteht. Da die Klagepartei auf Bl. 62 d. A. von defizitären Begründungen spricht, liegen ihr nach ihrem eigenen Vortrag offensichtlich die jeweiligen Anpassungsmitteilungen im Sinne des § 203 Abs. 5 VVG vor, so dass sie die formelle Rechtmäßigkeit der Beitragsanpassungen prüfen und die Ansprüche beziffern kann.
19
II. Die Klage ist, soweit sie zulässig ist, nicht unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keine Ansprüche auf Rückerstattung der gezahlten Versicherungsprämien gemäß § 812 Abs. 1 S. 2 BGB aufgrund der durchgeführten Beitragsanpassungen in den Jahren 2017 und 2019. Darüber hinaus hat sie keinen Anspruch auf die mit Klageantrag Ziffer 3. geltend gemachten Auskünfte.
20
1. Die Beitragsanpassungen zum 01.05.2017 und 01.05.2019 genügen den formalen Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG und waren mithin wirksam. Die Mitteilungen der Beklagten zu den Beitragsanpassungen zum 01.05.2017 und 01.05.2019 genügen den Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG.
21
Der Bundesgerichtshof hat in seinen Urteilen vom 16.12.2020, Az. IV ZR 314/19 und IV ZR 294/19, die Anforderungen an die Begründung der Beitragsanpassung konkretisiert. Danach ist allein die Angabe der Berechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Änderung die neue Anpassung veranlasst hat, erforderlich. Hierdurch würde der Zweck, den Versicherungsnehmer darüber zu informieren, dass für die Beitragsanpassung nicht sein individuelles Verhalten ursächlich war, erreicht werden. Eine gesonderte Erklärung des Versicherungsunternehmens, dass nicht der Kläger allein für die Beitragsanpassung verantwortlich ist, ist somit nicht erforderlich. Zudem müssen weitere Faktoren, welche Einfluss auf die Prämienberechnung haben, wie beispielsweise die Änderung des Rechnungszinses, nicht angegeben werden. Auch muss nicht mitgeteilt werden, in welcher Höhe sich die Berechnungsgrundlage verändert hat (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 16.12.2020, Az. IV ZR 294/19).
22
Gemessen an diesen Maßstäben genügen die Mitteilungen zu den Beitragsanpassungen zum 01.05.2017 und 01.05.2019 den Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG. Dem Erfordernis der Angabe der sich nicht nur vorübergehend veränderten Berechnungsgrundlage ist mit diesen Ausführungen Genüge getan.
23
Soweit die Klagepartei darüber hinaus meint, dass sich der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16.12.2020, Az. IV ZR 294/19, das Erfordernis entnehmen lassen würde, dass für die weitere in Betracht kommende Berechnungsgrundlage „Sterbewahrscheinlichkeiten“ eine Negativerklärung aufzunehmen sei, vermag sich das Gericht dem nicht anzuschließen. Der Bundesgerichtshof nennt dieses Erfordernis in der entsprechenden Entscheidung nicht. In Rn. 33 dieser Entscheidung ist lediglich aufgeführt, dass die Angabe der Berechnungsgrundlage deshalb erforderlich ist, weil neben den Leistungsausgaben die Sterbewahrscheinlichkeit wegen einer Reform des Versicherungsvertragsgesetzes als zweite Berechnungsgrundlage hinzugetreten ist und sich seitdem nicht mehr ohne Weiteres erschließt, welche Berechnungsgrundlage sich verändert hat. Im entsprechenden Abschnitt der Entscheidung des Bundesgerichtshofs findet sich jedoch nicht die Vorgabe, dass für die sich nicht veränderte Berechnungsgrundlage eine Negativerklärung vorzunehmen ist.
24
2. Der geltend gemachte Auskunftsanpruch lässt sich auf keine denkbare Anspruchsgrundlage stützen.
25
a) Ein solcher Anspruch folgt nicht aus § 3 Abs. 4 VVG. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift kann der Versicherungsnehmer nur Abschriften der Erklärungen verlangen, welche er selbst in Bezug auf den Vertrag abgegeben hat. Erklärungen des Versicherers sind dagegen nicht umfasst.
26
b) Ein Auskunftsanspruch ergibt sich auch nicht aus § 3 Abs. 3 VVG. Der Kläger begehrt gerade nicht eine Ersatzausfertigung eines Versicherungsscheins, sondern Auskunft über alle Beitragsanpassungen in den Jahren 2011 bis 2016 sowie Zurverfügungstellung von Unterlagen. Diese Begehren sind nicht mit einer Ersatzauslieferung eines Versicherungsscheines deckungsgleich.
27
c) Auch aus § 810 BGB folgt ein entsprechender Auskunftsanspruch der Klagepartei nicht. Der Kläger verfolgt nicht das Ziel, Einsicht in die bei der Beklagten geführte Versicherungsakte zu erhalten, sondern begehrt von dieser Auskunft sowie Zurverfügungstellung von Unterlagen. Bei der begehrten Auskunftserteilung handelt es sich um ein aktives Tun, während nach § 810 BGB nur die Gestattung der Akteneinsicht, mithin ein passives Verhalten geschuldet ist (vgl. Habersack in Münchener Kommentar zum BGB, 2020, § 810 Rn. 13).
28
d) Aus § 666 BGB i.V.m. § 675 Abs. 1 BGB ergibt sich ein entsprechender Auskunftsanspruch ebenfalls nicht, da zwischen den Parteien kein Geschäftsbesorgungsvertrag besteht. Bei einem Krankenversicherungsvertrag geht es nicht um die Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen.
29
e) Aus Art. 15 Abs. 1, Abs. 3 DSGVO folgt ein Auskunftsanspruch auch nicht.
30
aa) Soweit die Auskunft über die zum Zwecke der Beitragserhöhung übermittelten Informationen aus den Begründungsschreiben samt Beiblättern begehrt wird, handelt es sich bereits nicht um personenbezogene Daten im Sinne des Art. 4 Nr. 1 DSGVO. Diese Schreiben beziehen sich auf eine Vielzahl von Versicherungsnehmern, ohne dass eine Personalisierung stattfindet.
31
bb) Soweit das Auskunftsbegehren des Klägers darüber hinausgeht, darf die Beklagte nach Art. 12 Abs. 5 S. 2 b DSGVO die Auskunft verweigern, da die Informationen nach dem eigenen Vortrag der Klagepartei (vgl. Bl. 62 d. A.) vorliegen. Der Kläger führt selbst aus, dass ihm die defizitären Begründungsschreiben samt Versicherungsscheinen vorliegen, so dass eine Bezifferung der Ansprüche möglich ist.
32
f) Zuletzt ist darauf hinzuweisen, dass die geltend gemachten Auskunftsansprüche verjährt wären. Mit Urteil vom 19.12.2018, Az. IV ZR 255/17, hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass Ansprüche auf Rückerstattung von Versicherungsbeiträgen innerhalb der regulären Verjährungsfrist von 3 Jahren verjähren. Aus dieser Entscheidung ergibt sich auch im Umkehrschluss (BGH aaO, Rn. 72), dass der Verjährungsbeginn mit Kenntnis des Versicherten von der Beitragsanpassung als solcher eintritt. Auf weitere äußere Umstände, wie zum Beispiel die Kenntnis der Person des Treuhänders, kommt es hingegen nicht an. Der Kläger muss auch nicht den Schluss gezogen haben, dass die Beitragserhöhung unwirksam ist (vgl. dazu OLG Köln, Urteil vom 07.04.2017, Aktenzeichen 20 U 128/16).
33
3. Aus den genannten Gründen stehen dem Kläger auch nicht die geltend gemachten Nebenforderungen zu.
34
III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
35
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1, S. 2 ZPO.
36
IV. Der Streitwert wurde gemäß §§ 63, 39 ff. GKG, 3 ff. ZPO festgesetzt. Aufgrund der Klageerweiterung wurde der von der Klagepartei angesetzte Streitwert in der Klage (11.921,24 €) um 3.000,00 € erhöht.