Titel:
Fälligstellung eines angedrohten Zwangsgelds, bestandskräftige Grundverfügung, erneute Zwangsgeldandrohung
Normenketten:
VwGO § 42 Abs. 1 Var. 1
VwGO § 43
VwZVG Art. 31 Abs. 1, Abs. 3 S. 3
VwZVG Art. 36 Abs. 1 S. 2, Abs. 6 S. 2
VwZVG Art. 37 Abs. 1 S. 2
VwZVG Art. 38 Abs. 1, Abs. 3
Schlagworte:
Fälligstellung eines angedrohten Zwangsgelds, bestandskräftige Grundverfügung, erneute Zwangsgeldandrohung
Fundstelle:
BeckRS 2021, 40180
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen eine Fälligkeitsmitteilung und eine erneute Zwangsgeldandrohung zur Durchsetzung der Verpflichtung zur Durchführung einer Mängelbeseitigung am Gebäude auf dem Grundstück …str. 8, FlNr. …, Gemarkung … … … Der Kläger ist Eigentümer dieses Anwesens.
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Der Bezirkskaminkehrer teilte dem Kläger mit Mängelmitteilung Nr. … vom 5. Oktober 2016 mit, dass er in der Wohnung im Vorderhaus 4. Stock links auf dem Grundstück …str. 8 festgestellt habe, dass im Dunkelbad eine motorische Absaugung ins Freie betrieben werde. Dies sei in Verbindung mit Feuerstätten aus gesundheitlichen Gründen nicht zulässig. Es müsse eine Regelung eingebaut werden, die den gleichzeitigen Betrieb von Heizung und motorischer Entlüftung verhindere, da sonst Gefahr für Leben und Gesundheit bestehe. Hierzu wurde dem Kläger eine Frist bis 11. November 2016 gesetzt. Eine Abstellungsmeldung ging nicht ein.
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Mit Bescheid vom 11. Oktober 2018 verpflichtete die Beklagte den Kläger unverzüglich, spätestens innerhalb von zwei Monaten nach Unanfechtbarkeit der Verfügung, eine Regelung einzubauen, die den gleichzeitigen Betrieb von Heizung und motorischer Entlüftung verhindert. Alternativ könne ein Unterdruckwächter installiert werden. Über die Mängelbeseitigung sei eine Bestätigung des Kaminkehrers vorzulegen (Ziffer 1). Für den Fall der nicht fristgerechten Erfüllung der in Ziffer 1 genannten Verpflichtung wurde ein Zwangsgeld in Höhe von EUR 700,- angedroht (Ziffer 2).
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Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt, die motorische Absaugung für das Dunkelbad erzeuge einen Unterdruck in der Wohnung, so könne Abgas austreten. Es bestehe die Gefahr erheblicher Gesundheitsschäden. Der Bescheid wurde dem Kläger am 13. Oktober 2018 zugestellt (Bl. 11 BA).
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Am 1. März 2019 teilte der Bezirkskaminkehrer mit, dass keine Abstellungsmeldung durch den Kläger eingegangen sei (Bl. 12 BA).
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In Vollstreckung der Verfügung vom 11. Oktober 2018 stellte die Beklagte mit Bescheid vom 4. März 2019 das zuvor angedrohte Zwangsgeld fällig (I). Zugleich drohte die Beklagte dem Kläger für den Fall, dass der Verfügung vom 11. Oktober 2018 nicht unverzüglich, spätestens innerhalb einer Frist von 10 Wochen nach Zustellung des Bescheids Folge geleistet werde, erneut ein Zwangsgeld in Höhe von 1.400 EUR an (II. Ziffer 1).
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Der Bescheid vom 4. März 2019 wurde dem Kläger am 6. März 2019 zugestellt (Bl. 16 BA).
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Der Bezirkskaminkehrer teilte der Beklagten mit E-Mail vom 22. September 2019 mit, dass keine Mitteilung über die Mangelbeseitigung eingegangen sei. Nachdem der Bezirkskaminkehrer am 26. September 2019 turnusmäßig in der Wohnung war, teilte er der Beklagten am 27. September 2019 mit, dass der Mangel (Nr. …) bis heute nicht abgestellt worden sei (Bl.17 BA).
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Mit Bescheid vom 8. Oktober 2019 stellte die Beklagte das am 4. März 2019 angedrohte Zwangsgeld fällig (I). Zugleich erging ein Bescheid, in dem die Beklagte dem Kläger für den Fall, dass der Verfügung vom 11. Oktober 2018 und 4. März 2019 nicht unverzüglich, spätestens innerhalb einer Frist von 10 Wochen nach Zustellung des Bescheids Folge geleistet werde, erneut ein Zwangsgeld in Höhe von 3.000 EUR androhte (II. Ziffer 1). In Ziffer 2 wurden Gebühren und Auslagen gemäß beiliegender Kostenrechnung erhoben.
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Der Bescheid vom 8. Oktober 2019 wurde dem Kläger am 14. Oktober 2019 zugestellt (Bl. 21 BA).
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Der Bezirkskaminkehrer teilte der Beklagten mit E-Mail vom 22. November 2019 mit, dass der Mangel weiterhin nicht erledigt sei (Bl. 22 BA).
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Am 1. März 2020 teilte der Bezirkskaminkehrer der Beklagten nach einer Wohnungsbesichtigung am 28. Februar 2020 mit, dass der Mangel untersucht worden sei. Die motorische Entlüftung im Bad laufe, solange das Licht im Bad brenne und auch die Gasheiztherme laufe, gleichzeitig mit. Es sei weiterhin keine funktionierende Abschaltung installiert. Nach Aussage der Mieter der Wohnung sei im Sommer 2019 ein Monteur in der Wohnung gewesen, der den Mangel zwar beheben sollte, was aber nicht funktioniert habe (Bl. 23 BA).
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Mit Schreiben vom 14. Oktober 2021 teilte der Bezirkskaminkehrer mit, dass am 13. Juli 2021 eine Abstellungsmeldung durch den Kläger eingegangen sei. In dieser teilte er dem Bezirkskaminkehrer mit, dass die elektrische Verkabelung der Absaugung vor Jahren gekappt worden sei. Sie würde erst wieder in Betrieb genommen werden, wenn ein Unterdruckwächter installiert worden sei (Bl. 25 BA). Der Bezirkskaminkehrer teilte der Beklagten jedoch mit, dass er bei einer Messung am 5. Oktober 2021 festgestellt habe, dass der Mangel weiterhin bestehe (Bl. 24 BA).
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Mit Schriftsatz vom 14. November 2019, am selben Tag per Telefax bei Gericht eingegangen, erhob der Kläger durch seinen damaligen Bevollmächtigen Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München und beantragt,
I. Es wird festgestellt, dass das mit Bescheid der Beklagten vom 08.10.2019 - Aktenzeichen … - zu Ziff. I fällig gestellte Zwangsgeld nicht zur Zahlung fällig ist.
II. Der Bescheid der Beklagten vom 08.10.2019 - Aktenzeichen … - über die erneute Androhung eines Zwangsgeldes wird aufgehoben.
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Der Bevollmächtigte führte zur Begründung der Klage aus, der Kläger sei der Verpflichtung fristgerecht nachgekommen.
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Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2021,
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Aus den vorgelegten Akten ergebe sich, dass der in den unanfechtbaren Bescheiden vom 11. Oktober 2019 und 4. März 2019 beanstandete Mangel bislang nicht behoben worden sei. Insbesondere sei die geforderte Bestätigung des Bezirkskaminkehrermeisters bezüglich der Beseitigung des Mangels nicht vorgelegt worden.
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In der mündlichen Verhandlung am 29. November 2021, in der der Kläger nicht erschien, legte der Bevollmächtigte des Klägers eine Rechnung vom 17. Februar 2020 (Rechnung Nr. …) der Firma … … für die Verlegung und den Anschluss einer Leitung für die Abschaltung eines Badlüfters, sowie Bilder, die nach Auskunft des Bevollmächtigten des Klägers den ausgebauten Badlüfter zeigen, vor.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der von der Beklagten vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
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1. Der Feststellungsantrag ist zulässig. Gegen die Fälligstellung des Zwangsgelds ist die Feststellungsklage gem. § 43 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthaft (vgl. BayVGH, B. v. 27.9.2010 - 1 CS 10.1389 - juris). Die Feststellungsklage ist aber nicht begründet, da das mit Bescheid vom 4. März 2019 angedrohte und mit Schreiben vom 8. Oktober 2019 fällig gestellte Zwangsgeld in Höhe von 1.400,- Euro im Sinne von Art. 23 Abs. 1 Nr. 2, Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG fällig geworden ist.
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Nach Art. 38 Abs. 3 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG) sind förmliche Rechtsbehelfe gegen Maßnahmen der Vollstreckungsbehörde bei der Anwendung eines Zwangsmittels insoweit zulässig, als geltend gemacht werden kann, dass diese Maßnahmen eine selbständige Rechtsverletzung darstellen. Die Fälligkeitsmitteilung zählt zur Anwendung des Zwangsmittels Zwangsgeld (vgl. Art. 31 Abs. 3 Satz 3, Art. 37 Abs. 1 Satz 1 VwZVG) (vgl. BayVGH, B.v. 12.4.2010 - 10 ZB 09.2097 - juris Rn. 7; B.v. 24.1.2011 - 2 ZB 10.2365 - juris Rn. 3). Gem. Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG wird ein Zwangsgeld fällig, wenn die nach Art. 31 Abs. 1 VwZVG festgesetzte Pflicht nicht bis zum Ablauf der nach Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG bestimmten Frist erfüllt wird. Als selbstständige Rechtsverletzung im Sinn des Art. 38 Abs. 3 VwZVG kommen nur Umstände im Zusammenhang mit dem Bedingungseintritt nach Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG in Betracht. Von Bedeutung ist daher die Frage, ob der Betroffene die ihm auferlegte Verpflichtung rechtzeitig und vollständig oder genügend erfüllt hat. Einwendungen zur materiellen Rechtslage als Vorfrage der Fälligkeitsmitteilung sind demgegenüber wegen der Unanfechtbarkeit der Grundverfügung ausgeschlossen (vgl. BayVGH, B.v. 16.10.2014 - 2 ZB 13.2466 - juris Rn. 4). Anhaltspunkte für deren Unbestimmtheit oder Nichtigkeit ergeben sich nicht (vgl. BayVGH, U.v. 2.8.2001 - 2 B 97.172 - juris Rn.19).
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Die nach dem Bescheid vom 11. Oktober 2018 zu erfüllende Pflicht bestand darin, eine Regelung einzubauen, die den gleichzeitigen Betrieb von Heizung und motorischer Entlüftung verhindert bzw. alternativ einen Unterdruckwächter zu installieren. Über die Mängelbeseitigung sollte eine Bestätigung des zuständigen Kaminkehrers vorgelegt werden. Zur Erfüllung dieser Verpflichtung wurde dem Kläger mit Bescheid vom 4. März 2019, nach erfolglosem Ablauf der in der Grundverfügung gesetzten Frist, eine Frist von 10 Wochen nach Zustellung des Bescheids gesetzt. Die Zwangsgeldandrohung vom 4. März 2019 wurde dem Kläger gem. Art. 36 Abs. 7 Satz 1 VwZVG i.V.m. Art. 3 VwZVG am 6. März 2019 zugestellt.
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Der Kläger ist der Verpflichtung nicht innerhalb dieser Frist nachgekommen, so dass das im Bescheid vom 4. März 2019 angedrohte Zwangsgeld mit Fristablauf fällig wurde. Bei der Beklagten ist keine Bestätigung des Bezirkskaminkehrers über die Mängelbeseitigung eingegangen. Der Bezirkskaminkehrer stellte im Rahmen von Wohnungsbesichtigungen am 26. September 2019 und am 28. Februar 2020 fest, dass der Mangel nicht beseitigt wurde. An diesem Ergebnis ändert auch der Umstand nichts, dass in der mündlichen Verhandlung eine Rechnung der Firma … … vom 17. Februar 2020 vorgelegt wurde, aus der sich ergibt, dass Dienstleistungen hinsichtlich der Verlegung und dem Anschluss einer Leitung für die Abschaltung des Badlüfters in Rechnung gestellt wurden. Die Inrechnungstellung für Arbeiten im Februar 2020 zeigt gerade nicht, dass die Verpflichtung innerhalb der gesetzten Frist von 10 Wochen nach Zustellung des Bescheids vom 4. März 2019 erfüllt wurde. Die Arbeiten erfolgten vielmehr offenbar nach Ablauf der Frist. Außerdem folgt aus der Inrechnungstellung einer Maßnahme nicht, dass der Mangel behoben ist. Dies gilt erst Recht, da der Bezirkskaminkehrer noch am 5. Oktober 2021 im Rahmen einer Wohnungsbesichtigung feststellte, dass der Mangel weiterhin besteht.
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2. Soweit sich die Klage gegen die erneute Zwangsgeldandrohung im Bescheid vom 8. Oktober 2019 wendet, ist die Klage zulässig. Insbesondere ist die Anfechtungsklage gem. § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthaft, da die Zwangsgeldandrohung gemäß Art. 31 Abs. 3 Satz 2 VwZVG einen aufschiebend bedingten Leistungsbescheid im Sinne des Art. 23 Abs. 1 VwZVG darstellt und gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 1 BayVwZVG hiergegen dieselben förmliche Rechtsbehelfe gegeben sind, die gegen den Grundverwaltungsakt zulässig sind. Die Anfechtungsklage ist jedoch unbegründet, da die Zwangsgeldandrohung rechtmäßig ist und den Kläger damit nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Nach Art. 37 Abs. 1 Satz 2 VwZVG können Zwangsmittel so lange und so oft angewendet werden, bis die Verpflichtung erfüllt ist. Nach Art. 36 Abs. 6 Satz 2 VwZVG ist eine neue Androhung dabei erst dann zulässig, wenn die vorausgegangene Androhung des Zwangsmittels erfolglos geblieben ist. Dies bedeutet nicht, dass ein weiteres Zwangsgeld erst dann angedroht werden darf, wenn das vorher festgesetzte Zwangsgeld beigetrieben bzw. ein Beitreibungsversuch gemacht worden ist; die Zwangsvollstreckungsbehörde muss vielmehr nur abwarten, dass das angedrohte Zwangsgeld fällig geworden und die frühere Androhung ohne Erfolg geblieben ist (BayVGH, B. v. 29.7.2002 - 20 ZB 02.1265 - juris).
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Diese Voraussetzungen für eine erneute Zwangsgeldandrohung sind vorliegend gegeben, da - wie oben unter 1. ausgeführt - das mit Bescheid vom 4. März 2019 angedrohte Zwangsgeld fällig geworden ist.
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Nach Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG beträgt das Zwangsgeld mindestens 15,- Euro und höchstens 50.000,- Euro. Nach Satz 2 dieser Norm soll das Zwangsgeld das wirtschaftliche Interesse, das der Pflichtige an der Vornahme oder am Unterbleiben der Handlung hat, erreichen, wobei nach Satz 4 der Vorschrift das wirtschaftliche Interesse nach pflichtgemäßem Ermessen zu schätzen ist.
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Das Zwangsgeld soll so bemessen werden, dass der Pflichtige keinen Vorteil aus der Nichterfüllung der Anordnung ziehen kann; hierbei steht der Behörde innerhalb des gesetzlichen Rahmens (15,- Euro bis 50.000,- Euro) ein weiter Entscheidungsspielraum zu, bei dem die Umstände des Einzelfalles und die persönlichen Verhältnisse des Pflichtigen zu berücksichtigen sind. Eine Begründung für die geschätzte Höhe des wirtschaftlichen Interesses ist regelmäßig nicht erforderlich (BayVGH, B.v. 16.9.2010 - 1 CS 10.1803 - juris).
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Gemessen an diesen Vorgaben ist eine Zwangsgeldandrohung von 3.000,- Euro nicht zu beanstanden. Das Zwangsgeld ist, insbesondere im Hinblick auf die vorangegangenen ergebnislosen Androhungen, in keiner Weise unangemessen.
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3. Die Festsetzung von Gebühren und Auslagen in der Kostenrechnung entspricht den gesetzlichen Grundlagen und ist nicht zu beanstanden.
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4. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).