Titel:
Erfolglose Klage auf Reduzierung von Beiträgen zum Rechtsanwaltsversorgungswerk
Normenketten:
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Ar. 14 Abs. 1
BayVwfG Art. 38 Abs. 1 S. 1
Satzung der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung § 15 Abs. 1 Nr. 1, § 18 Abs. 1 S. 1, § 19 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1, § 20 Ab. 2 S. 1 Nr. 2
Leitsätze:
1. Dem autonomen Satzungsgeber steht im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung bei der Beitragsbemessung ein - allerdings etwa durch den Zweck der Versorgungseinrichtung und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz begrenzter - Gestaltungsspielraum zu, innerhalb dessen er typisieren darf; auf schwerwiegende Besonderheiten und unbillige Härten, insbesondere die wirtschaftliche Belastbarkeit des Mitglieds ist Rücksicht zu nehmen. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
2. Soweit sich aus der Beitragsbemessung gravierende Nachteile für ein Mitglied durch ein nicht vorhersehbar stark sinkendes Berufseinkommen ergeben, kann einer besonderen Härte durch eine Stundung von Beiträgen hinreichend Rechnung getragen; nichts anderes gilt bei einer etwaigen besonderen Härte infolge eines Tätigkeitswechsels. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
3. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 der Satzung der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung sieht eine eine Ermäßigungsmöglichkeit allein für ein Mitglied vor, das (gerade) für seine Tätigkeit als Rechtsanwalt bereits gesetzlich rentenversichert ist; Voraussetzung für die Ermäßigung auf den Mindestbeitrag ist nach dieser Vorschrift mithin, dass der im Angestelltenverhältnis als Rechtsanwalt Tätige tatsächlich nicht nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit ist. (Rn. 49) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die gebotene Rücksicht auf eine geringe wirtschaftliche Leistungsfähigkeit grundsätzlich nicht, eine weitere Möglichkeit der Beitragsermäßigung durch Satzungsergänzung zu ermöglichen; dies gilt auch bei einem Wechsel in eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung. (Rn. 59) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beitragspflicht sowohl zum Versorgungswerk als auch zur gesetzlichen Rentenversicherung, Wechsel in berufsfremde bzw. nichtanwaltliche Tätigkeit, keine Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung, keine Ermäßigung des Beitrags zum Versorgungswerk auf den Grund- bzw. Mindestbeitrag, keine Zusicherung, kein Verstoß gegen Grundrechte, Versorgungswerk, Beitragspflicht, berufsfremde Tätigkeit, nichtanwaltliche Tätigkeit, Versicherungspflicht, gesetzliche Rentenversicherung, Mindestbeitrag, Berufseinkommen
Fundstelle:
BeckRS 2021, 40125
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Die Klägerin wendet sich gegen die Beitragsfestsetzung der Beklagten für den Zeitraum vom 1. Oktober 2011 bis zum 31. Dezember 2013, soweit sie über den Grundbeitrag hinausgehende Beiträge zahlen soll.
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1. Die Klägerin ist seit dem 20. Januar 1989 aufgrund ihrer Zulassung als Rechtsanwältin bei der Rechtsanwaltskammer Bamberg Pflichtmitglied der Beklagten.
3
Seit dem 1. Oktober 2011 ist die Klägerin bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) A. beschäftigt. Mit Bescheid vom 19. Dezember 2011 setzte die Beklagte u.a. die Beiträge für den Zeitraum vom 1. Oktober bis 30. November 2011 bzw. ab Dezember 2011 vorläufig mit 0,00 EUR fest. Die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) lehnte die von der Klägerin beantragte Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für die Tätigkeit bei der IHK mit Bescheid vom 27. April 2012 ab. Nachdem der Widerspruch hiergegen erfolglos blieb, ließ die Klägerin am 26. März 2013 Klage vor dem Sozialgericht Würzburg - S. 6 R 248/16 - erheben, die durch ihren Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 5. Oktober 2020 für erledigt erklärt wurde.
4
Mit Schreiben vom 3. Mai 2012 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass im Fall der Ablehnung der Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung rückwirkend ab 1. Oktober 2011 Beiträge aus selbstständiger Tätigkeit, mindestens der Grundbeitrag, festgesetzt werden müssten. Mit weiterem Schreiben vom 2. April 2013 erklärte die Beklagte, dass rückwirkend ab dem 1. Oktober 2011 Beiträge aus selbstständiger Arbeit festgesetzt würden, wenn gegen den Widerspruchsbescheid keine Klage erhoben werde. Mit Schreiben vom 16. September 2015 teilte die Beklagte der Klägerin Folgendes mit:
„Wir weisen darauf hin, dass die Beiträge zum Versorgungswerk seit dem 01.10.2011 gestundet sind. Sollte auch im Widerspruchs- bzw. Klageverfahren keine Befreiung ausgesprochen werden, wird rückwirkend ab dem 01.10.2011 der niedrigstmögliche Beitrag zum Versorgungswerk, der Grundbeitrag festgesetzt (s. auch unser Schreiben vom 03.05.2012). Dies entspricht bis einschließlich 31.08.2015 einem Rückstand von 10.429,50 €, der von Ihnen entrichtet werden muss. Wir empfehlen Ihnen daher, zumindest für die zukünftigen Monate wenigstens den Grundbeitrag von derzeit mtl. 226,20 € zum Versorgungswerk zu entrichten. Bei einer positiven Entscheidung der Deutschen Rentenversicherung Bund würden wir die dann von Ihnen zu viel entrichteten Beiträge selbstverständlich wieder an Sie erstatten.“
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Aufgrund der Neuregelung zur Befreiung von der Rentenversicherungspflicht bei Syndikusrechtsanwälten im Jahr 2016 stellte die Klägerin erneut einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für ihre Tätigkeit bei der IHK A. Diesem Antrag gab die DRV mit Bescheid vom 16. Februar 2018 mit Wirkung vom 22. März 2016 (Zulassung als Syndikusrechtsanwältin) statt.
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Am 10. Juli 2019 wurde die Klägerin ausweislich eines Aktenvermerks der Beklagten telefonisch darüber informiert, dass aufgrund der Abweisung der Klage vor dem Sozialgericht und damit der Ablehnung des Antrags auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung ab dem 1. Oktober 2011 ein Beitrag aus selbstständiger Tätigkeit, mindestens der Grundbeitrag, zu entrichten sei. Die Klägerin berief sich hierzu auf das Schreiben der Beklagten vom 16. September 2015, wonach der Grundbeitrag festgesetzt werde.
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Aus den Einkommensteuerbescheiden der Klägerin für die Jahre 2009 bis 2011 ergeben sich Einkünfte aus selbstständiger Arbeit in Höhe von 35.955,00 EUR (2009), 78.420,00 EUR (2010) und 52.218,00 EUR (2011).
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2. Mit Beitragsbescheid vom 11. November 2019, nach Angabe des Klägerbevollmächtigten zugestellt am 13. November 2019, setzte die Beklagte für den streitgegenständlichen Zeitraum Folgendes fest: 2011 (ab 1. Oktober): 1.788,75 EUR (Ziffer 1 des Bescheids) 2012: 13.171,20 EUR (Ziffer 2 des Bescheids) 2013: 9.869,16 EUR (Ziffer 3 des Bescheids).
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In der Ziffer 1 wurde zudem der Beitrag für den Zeitraum von 1. Januar bis 30. September 2011 festgesetzt. Die Ziffern 4 bis 10 enthielten die Beitragsfestsetzungen für die Jahre 2014 bis 2019.
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Zur Begründung wurde ausgeführt, die Beklagte habe die Einkommenssteuerbescheide für die Jahre 2010 bis 2012 erhalten und die Beiträge für den Zeitraum vom 1. Oktober 2011 bis zum 30. September 2015 entsprechend endgültig festgesetzt.
11
Im begleitenden Schreiben vom 11. November 2019 führte die Beklagte aus, aufgrund des Klageverfahrens bezüglich der Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung habe sie bislang von einer Beitragsfestsetzung für den streitigen Zeitraum abgesehen. Nachdem die Klägerin sie darüber in Kenntnis gesetzt habe, dass sie das Verfahren nicht länger fortführe, könne von einer Beitragsfestsetzung nicht mehr abgesehen werden. Die Festsetzung der einkommensbezogenen Beiträge für den streitigen Zeitraum erfolge daher anhand der vorgelegten Einkommenssteuerbescheide bzw. Einkommensangaben. In den Schreiben vom 16. September 2015 und 3. Mai 2012 sei darauf hingewiesen worden, dass mindestens der Grundbeitrag für diese Zeiträume festgesetzt werde. Sollte die Klägerin finanziell nicht in der Lage sein, den bisher entstandenen Rückstand auf einmal zu begleichen, bestehe die Möglichkeit einer Ratenzahlungsvereinbarung.
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3. Am 11. Dezember 2019 ließ die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten Klage erheben und beantragen,
Der Bescheid vom 11. November 2019 wird insoweit abgeändert, als dass die Klägerin nur verpflichtet ist,
a) für die Zeit vom 1. Oktober 2011 bis zum 31. Dezember 2011 einen Betrag von 655,80 EUR (statt 1.788,75 EUR),
b) für die Zeit vom 1. Januar 2012 bis zum 31. Dezember 2012 einen Betrag von 2.540,16 EUR (statt 13.171,60 EUR [gemeint wohl 13.171,20 EUR]),
c) für die Zeit vom 1. Januar 2013 bis zum 31. Dezember 2013 einen Betrag von 2.630,88 EUR (statt 9.869,16 EUR)
an die Beklagte zu zahlen.
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Zur Begründung ließ die Klägerin ausführen, im Streit sei zwischen den Parteien die Frage, wie sich die Mitgliedsbeiträge der Klägerin bei der Beklagten für die Zeit vom 1. Oktober 2011 bis zum 31. Dezember 2013 berechneten. Seit dem 1. Januar 2014 zahle sie den Grundbeitrag an die Beklagte, seit der Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zahle sie Beiträge in Höhe ihres Angestellteneinkommens.
14
Die Beklagte sei für den Zeitraum vom 1. Oktober 2011 bis zum 31. Dezember 2013 der Auffassung, dass sie nicht nur den zwischen den Parteien unstreitigen Grundbeitrag von 2/10 berechnen dürfe, sondern zusätzlich gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 1 der Satzung der Beklagten die positiven Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit anhand der Einkünfte des jeweils vorletzten Kalenderjahrs, obwohl die Klägerin in dieser Zeit Pflichtbeiträge an die gesetzliche Rentenversicherung gezahlt habe. Dabei habe die Beklagte mit Schreiben vom 16. September 2015 noch mitgeteilt, dass sie im Fall des verlorenen sozialgerichtlichen Verfahrens rückwirkend ab dem 1. Oktober 2011 die niedrigsten möglichen Beiträge zum Versorgungswerk, nämlich den Grundbeitrag, festsetze. An dieser Zusicherung wolle sich die Beklagte nicht mehr festhalten lassen. Dies führe für die Klägerin zu einer erheblichen Mehrbelastung, die sich folgendermaßen zusammensetze:
Gesamtbetrag: 19.002,67 EUR.
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Die Klägerin sei der Auffassung, dass sie diese Mehrbelastung nicht zu tragen habe. Zunächst habe die Beklagte mit dem Schreiben vom 16. September 2015 eine Zusicherung im Sinne des Art. 38 BayVwVfG abgegeben. Ihr seien alle maßgeblichen Umstände bekannt gewesen. Die Zusicherung sei auch in der erforderlichen Schriftform erfolgt. Damit habe sich die Beklagte eindeutig gebunden, nämlich, dass auch für die Zeit vom 1. Oktober 2011 bis zum 31. Dezember 2013 nur der Grundbeitrag festgesetzt werde. Gründe, warum von dieser Zusicherung abgewichen werden sollte, seien nicht ersichtlich. Die Klägerin habe ein klageabweisendes Urteil des Sozialgerichts Würzburg rechtskräftig werden lassen, weil sie davon ausgegangen sei, dass die Beklagte sich an die Zusicherung halten werde. Dass es sich um eine Zusicherung handle, ergebe sich bereits aus dem Wortlaut des Schreibens, es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass es sich lediglich um einen Hinweis handle. Durch die Formulierung werde ausdrücklich ein bestimmtes Handeln der Beklagten beschrieben und zwar unter der Voraussetzung, dass das Klageverfahren vor dem Sozialgericht nicht erfolgreich sein sollte. Die Klägerin habe auf den Inhalt der Zusicherung vertrauen dürfen. Der Beklagten sei bekannt gewesen, dass die Klägerin aufgrund der Zusicherung den Grundbeitrag entrichtet habe und davon ausgegangen sei, dass dies auch für die Zeit ab dem 1. Oktober 2011 geschehen würde, wenn das Sozialgerichtsverfahren verloren gehen sollte.
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Zudem führe der Beitragsbescheid vom 11. November 2019 zu einer unzulässigen Doppelbelastung, die durch die beitragsrechtlichen Regelungen nicht gedeckt sei. Zwar sei im Grundsatz anzuerkennen, dass eine nachgelagerte Festsetzung der Beiträge möglich sei. Die Satzung der Beklagten erfasse jedoch den hier streitgegenständlichen Sachverhalt nicht und sei daher entsprechend auszulegen. Die Klägerin habe von der freiberuflichen Tätigkeit als niedergelassene Rechtsanwältin in eine versicherungspflichtige Beschäftigung bei einem nicht anwaltlichen Arbeitgeber gewechselt. Für diese Beschäftigung habe für die Klägerin Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung bestanden. Gemäß § 20 Abs. 2 Nr. 2 der Satzung hätte auf Antrag der Mindestbeitrag von einem Achtel festgesetzt werden können, weil die Klägerin nicht von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 6 SGB VI befreit gewesen sei. Aufgrund der Aussagen der Beklagten habe die Klägerin jedoch von einer solchen Antragstellung abgesehen. Zudem wäre es bedenklich, der Klägerin eine solche Ermäßigung nicht zu gewähren. Denn im Fall der Nichtbefreiung sei vom Grundbeitrag von 2/10 auszugehen, jede darüberhinausgehende Belastung der Klägerin sei zu vermeiden. Die Klägerin habe in der Zeit vom 1. Oktober 2011 bis zum 31. Dezember 2013 keine Einkünfte aus Anwaltstätigkeit mehr erzielt. Sie habe nur ihr Gehalt als Angestellte bei der IHK A. gehabt. Von ihr zusätzlich die Erhebung von Beiträgen in Höhe von rund 19.000,00 EUR zu verlangen, sei unzulässig. Dies führe zu einer Ungleichbehandlung der Klägerin gegenüber anderen Mitgliedern der Beklagten.
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Die Festsetzung des Beitrags in den Jahren 2011 bis 2013 belaste die Klägerin auch unzumutbar. Es gehe immerhin um einen Betrag von rund 19.000,00 EUR. Die Klägerin habe immer gegenüber der Beklagten erläutert, dass sie diesen Betrag nicht entrichten könne. Der Beklagten sei das Einkommen der Klägerin bekannt. Die Entrichtung des Beitrags sei für die Klägerin eine erhebliche Mehrbelastung. Hier liege ein typischer Fall der Doppelbelastung für die Zeit vom 1. Oktober 2011 bis zum 31. Dezember 2013 vor, da die Klägerin nach Auffassung der Beklagten in zwei Alterssicherungssysteme habe einzahlen müssen, was sie erheblich - gerade rückwirkend - belaste. Die bisherigen Entscheidungen dazu beträfen einen anderen Sachverhalt. Die Klägerin bestreite nicht, dass sie den Grundbeitrag auch überschneidend für ihre Tätigkeit als angestellte Anwältin und freie Rechtsanwältin leisten müsse. Allerdings werde hier eine Doppelbelastung in unzulässiger Art und Weise von der Beklagten vorgenommen, als dass „nachlaufend“ noch Beiträge aus einer nicht mehr ausgeübten Tätigkeit für die Einkommensermittlung zugrunde gelegt würden. Die bisherige Rechtsprechung habe nur entschieden, dass eine doppelte Zahlung in dem Sinn, dass ein Grundbeitrag in das Versorgungswerk und ein Pflichtbeitrag in die gesetzliche Rentenversicherung erhoben werde, nicht zu beanstanden sei. Die hier vorliegende Fallgestaltung sei bisher aber soweit ersichtlich nicht entschieden worden.
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Schon die Aussagen der Beklagten, dass das Einkommen selbstständig tätiger Rechtsanwälte stetig steige, sei durch nichts belegt. Die Erhebungen der Rechtsanwaltskammern in der sog. STAR-Untersuchung ergäben vielmehr einen Rückgang des durchschnittlichen Einkommens, auf jeden Fall aber starke Schwankungen. Wenn sich bei selbstständigen Anwälten keine gravierenden Zuwächse ergäben, gelte dies selbstverständlich auch für den einzelnen Anwalt. Die Annahme des Satzungsgebers sei also überholt und betreffe auch überhaupt nicht den Fall des Tätigkeitswechsels zwischen anwaltlicher und nicht anwaltlicher Tätigkeit. Es möge sein, dass die nachgelagerte Festsetzung für einen weiterhin selbständig tätigen Rechtsanwalt möglich sei, aber die Satzung werde den Anforderungen an eine notwendige Differenzierung nicht gerecht. Wenn ein Rechtsanwalt in eine Angestelltentätigkeit wechsle, für die er nicht von der Versicherungspflicht gemäß § 6 SGB VI befreit sei, bedeute die Regelung der Beklagten, dass in dieser Zeit eine Doppelzahlung in das Versorgungswerk und die DRV deutlich über dem Grundbeitrag, den die Klägerin nicht in Zweifel ziehe, zu zahlen sei. Dies widerspreche der Grundannahme, dass ein nicht befreiter Rechtsanwalt, der keine anwaltlichen Einkünfte erziele, den Grundbeitrag zu zahlen habe. Denn hier komme es zu einer Doppelbelastung.
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4. Die Bayerische Versorgungskammer beantragt für die Beklagte,
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Zur Begründung wurde ausgeführt, die Klägerin habe für den Zeitraum vom 1. Oktober 2011 bis zum 31. Dezember 2013 keinen Anspruch auf Beitragsermäßigung. Rechtsgrundlage für die Festsetzung des Beitrags sei § 18 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 1 der Satzung der Beklagten.
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Vorliegend habe die Klägerin zwar seit 1. Oktober 2011 bei der IHK A. eine Tätigkeit im Angestelltenverhältnis aufgenommen. Eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für diese Tätigkeit nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI liege jedoch für den streitigen Zeitraum nicht vor. Da - wie sich aus dem Aufgaben- und Kompetenzbereich der Beklagten ergebe - § 19 Abs. 3 Satz 2 der Satzung nur greife, wenn die Klägerin im streitigen Zeitraum für das Angestelltenverhältnis von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit wäre, gelte die Klägerin für diesen Zeitraum als beruflich selbstständig tätig. Dementsprechend sei der Beitragsfestsetzung das Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit zugrunde gelegt worden, § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der Satzung. Das Einkommen aus der Angestelltentätigkeit sei für den streitigen Zeitraum mangels Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für die Beitragsbemessung dagegen irrelevant, vgl. § 19 Abs. 5 Satz 2 der Satzung.
22
Das Beitragsfestsetzungsverfahren der Beklagten sei bereits ohne Beanstandung mehrfach Gegenstand gerichtlicher Überprüfung gewesen. Insbesondere die zeitversetzte Beitragsfestsetzung sei eingehend überprüft und für rechtmäßig befunden worden (vgl. VG München, U.v. 26.3.2009 - M 12 K 08.3868; U.v. 11.12.2006 - M 3 K 06.3382; BayVGH, U.v. 16.8.1999 - 9 B 96.2276; U.v. 24.6.1997 - 9 B 95.3871). Der Satzungsgeber sei vom Regelfall ausgegangen, dass das Berufseinkommen selbstständig tätiger Rechtsanwälte im Lauf ihres Berufslebens stetig ansteige. Es sei aber auf schwerwiegende Besonderheiten und unbillige Härten, insbesondere die wirtschaftliche Belastbarkeit des Mitglieds Rücksicht zu nehmen. Diesem Erfordernis werde durch die Stundungsmöglichkeit des § 22 Abs. 3 der Satzung Rechnung getragen (vgl. BayVGH, U.v. 16.8.1999 - 9 B 96.2276; U.v. 24.6.1997 - 9 B 95.3871). Eine Ungleichbehandlung zu angestellt tätigen Rechtsanwälten im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG, aufgrund dessen, dass sich deren Pflichtbeitrag nach dem zum Zeitpunkt der Beitragsfestsetzung aktuellen Einkommen bemesse, liege nicht vor. Die unterschiedliche Behandlung sei sachlich gerechtfertigt (vgl. BayVGH, U.v. 24.6.1997 - 9 B 95.3871). Dass die Klägerin trotz des Wissens um die zeitversetzte Beitragsfestsetzung keine finanziellen Vorkehrungen getroffen habe, könne dem Satzungsgeber nicht angelastet werden. Aufgrund der vorgetragenen Zahlungsschwierigkeiten habe das Versorgungswerk einen Zahlungsaufschub gewährt sowie Ratenzahlung angeboten. Die Besonderheiten des Einzelfalls seien daher ausreichend berücksichtigt worden.
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Soweit die Klägerseite die Erhebungen der Rechtsanwaltskammern zum Durchschnittseinkommen der Rechtsanwälte zitiere, werde verkannt, dass die Annahme des Satzungsgebers nicht auf das Durchschnittseinkommen der Rechtsanwaltschaft als Ganzes abstelle, sondern auf die persönliche Einkommensentwicklung des einzelnen Rechtsanwalts. Es sei nicht widerlegt, dass das Einkommen eines Berufsanfängers bzw. eines Rechtsanwalts in seinen ersten Berufsjahren in der Regel niedriger sei, als das in späteren Jahren erzielte Berufseinkommen - selbst wenn dieses heutzutage allgemein eben niedriger sei. Die Annahme des Satzungsgebers (d.h. konkret die „in der Regel-Annahme“) sei daher nach wie vor zutreffend.
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Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Festsetzung des Grundbeitrags gemäß § 19 Abs. 1 Satz 4 der Satzung für den Zeitraum vom 1. Oktober 2011 bis zum 31. Dezember 2013. Diese Vorschrift beziehe sich auf die einkommensbezogenen Beiträge des § 19 Abs. 1 Satz 1 der Satzung, indem sie - auch ohne entsprechendes Einkommen - einen Mindestbeitrag festsetzte. An der grundsätzlichen einkommensbezogenen Festsetzung von Beiträgen gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 der Satzung ändere dies nichts. Ein Anspruch auf Beitragsermäßigung ergebe sich auch nicht aus § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der Satzung. Die Formulierung „ihren rechts- oder steuerberatenden Berufe im Angestelltenverhältnis“ zeige, dass nur die Tätigkeit als Rechtsanwalt gemeint sein könne, die zur Mitgliedschaft im Versorgungswerk führe. Die Klägerin sei aber im streitgegenständlichen Zeitraum nicht in ihrem rechts- oder steuerberatenden Berufe im Angestelltenverhältnis tätig gewesen und habe sich für den streitigen Zeitraum für ihre Angestelltentätigkeit nicht von der gesetzlichen Rentenversicherung befreien lassen können.
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Ein Anspruch auf Beitragsermäßigung ergebe sich auch nicht aus höherrangigem Recht, insbesondere nicht aus Art. 3, 12 bzw. 14 GG. Eine gegen Art. 3 GG verstoßende Ungleichbehandlung könne nur angenommen werden, wenn die auf gleichem Sachverhalt basierenden Vergleichsfälle durch die gleiche Stelle unterschiedlich behandelt würden. Vorliegend gebe es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Versorgungsanstalt die Fälle der Syndikusrechtsanwälte unterschiedlich behandeln würde.
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Ein Anspruch auf Beitragsermäßigung auf den Grundbeitrag ergebe sich auch nicht aus Art. 12 oder 14 GG. Den Ausführungen der Klägerin seien weder nachprüfbare Tatsachen dafür zu entnehmen, dass sie die gleichzeitige Aufbringung beider Beiträge unzumutbar belaste, noch mache sie geltend, dass die aus beiden Versorgungsquellen insgesamt zu erwartende Versorgung zu einer unzumutbaren Überversorgung führen werde. In diesem Zusammenhang sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin zum einen in den ersten Jahren ihrer beruflichen Tätigkeit als Rechtsanwältin nur den Grundbeitrag geleistet habe und sie zum anderen nur vorübergehend höhere Beiträge für ihre selbstständige Tätigkeit als Rechtsanwältin leisten müsse. Die Klägerin sei seit 23. März 2016 als Syndikusrechtsanwältin zugelassen und von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit, sodass ab diesem Zeitpunkt zur Beitragsfestsetzung nur das Einkommen aus der Angestelltentätigkeit im Sinne des § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der Satzung herangezogen werde.
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Soweit die Klägerseite der Auffassung sei, es stelle eine unzumutbare Belastung dar, wenn für ein- und denselben Zeitraum Beiträge in zwei Alterssicherungssysteme einzuzahlen seien, werde darauf hingewiesen, dass es sich hier auch um zwei nebeneinander ausgeübte Tätigkeiten handle. Es sei nicht zu beanstanden, dass die Klägerin für zwei Tätigkeiten Beiträge zu zwei Alterssicherungssystemen zu entrichten habe. Dies sei bereits durch die Rechtsprechung ausdrücklich bestätigt (vgl. z.B. VG München U.v. 18.12.2014 - M 12 K 14.3840 m.w.N.).
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Die Ausführungen im Schreiben vom 16. September 2015 stellten keine Zusicherung im Sinne des Art. 38 BayVwVfG dar, dass für den streitigen Zeitraum nur der Grundbeitrag festgesetzt werde. Im Schreiben vom 16. September 2015 sei lediglich der Hinweis gegeben worden, dass die Beiträge aufgrund des laufenden Klageverfahrens aktuell gestundet seien und für den Fall, dass keine Befreiung ausgesprochen werde, rückwirkend ab dem 1. Oktober 2011 der niedrigstmögliche Beitrag, der Grundbeitrag, festgesetzt werde. Dies ergebe sich auch eindeutig aus dem Wortlaut des Schriftstücks. Durch den Verweis auf das Schreiben vom 3. Mai 2012 werde weiterhin eindeutig klargestellt, dass ohne erteilte Befreiung Beiträge aus der selbstständigen Tätigkeit festgesetzt würden, jedoch in jedem Fall mindestens der Grundbeitrag zu bezahlen sei. Bei dem Schreiben vom 16. September 2015 handle es sich um eine informative Mitteilung über tatsächliche Umstände. Auch im kurz darauf ergangenen Beitragsbescheid vom 7. Oktober 2015 sei für die Klägerin deutlich erkennbar gewesen, dass der Grundbeitrag für das Jahr 2015 nur vorläufig festgesetzt worden sei. Auf die Zusicherung habe sich die Klägerin erst ab einem späteren Zeitpunkt berufen. Auch in der Folgezeit sei mehrfach darauf hingewiesen worden, dass die Beitragsfestsetzung für den streitgegenständlichen Zeitraum lediglich vorläufig erfolgt sei und für eine endgültige Festsetzung Angaben über das tatsächliche Einkommen notwendig seien.
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5. Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere hinsichtlich des Verlaufs der mündlichen Verhandlung vom 25. Juni 2021, wird auf den Inhalt der Gerichts-, der vorgelegten Behördenakte sowie der Akte des Sozialgerichts (Az. S 6 R 248/16) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Teilanfechtungsklage ist unbegründet. Der Beitragsbescheid vom 11. November 2019 ist im streitgegenständlichen Umfang rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Beklagte hat für den maßgeblichen Zeitraum vom 1. Oktober 2011 bis zum 31. Dezember 2013 zu Recht einkommensbezogene Beiträge festgesetzt, die weder dem Grunde noch der Höhe nach zu beanstanden sind.
31
1. Rechtsgrundlage für die Festsetzung des Beitrags ist §§ 15 Abs. 1 Nr. 1, 18 Abs. 1 Satz 1, 19 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 der Satzung der Beklagten in der zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung gültigen Fassung (Satzung vom 6.12.1996 - StAnz Nr. 51/52 - in der Fassung der 16. Änderungssatzung vom 21.11.2018 - StAnz Nr. 49, 50; im Folgenden: Satzung). Danach wird von den Mitgliedern ein Beitrag in Höhe eines Beitragssatzes aus den monatlichen oder täglichen beitragspflichtigen Einkommen erhoben. Der Beklagten als rechtsfähiger Anstalt des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung gemäß Art. 1 Abs. 1 Nr. 5 des Gesetzes über das öffentliche Versorgungswesen (VersoG) steht bei der Regelung ihrer Angelegenheiten durch Satzung ein weites Ermessen zu, Art. 10 Abs. 1 VersoG, § 2 Abs. 1 der Satzung (BayVGH, B.v. 15.8.2011 - 21 ZB 10.1314 - juris Rn. 5; VG München, U.v. 18.12.2014 - M 12 K 14.3840).
32
Die Klägerin ist als zugelassene Rechtsanwältin Mitglied der Rechtsanwalts- und Steuerberaterkammer in Bayern. Damit ist sie gemäß Art. 30 Abs. 1, 38 Abs. 1 VersoG i.V.m. § 15 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung Pflichtmitglied der Beklagten und somit grundsätzlich beitragspflichtig, Art. 31 VersoG i.V.m. § 18 der Satzung.
33
2. Beitragspflichtige Einkommen sind nach § 19 Abs. 2 der Satzung die positiven Einkünfte aus selbständiger Arbeit in der Höhe, in der sie der Besteuerung zugrunde gelegt worden sind, wobei maßgeblich die Einkünfte des jeweils vorletzten Kalenderjahrs sind (§ 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der Satzung) sowie das entsprechend dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung beitragspflichtige Arbeitsentgelt für Tätigkeiten, auf die sich eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder Abs. 5 SGB VI erstreckt (§ 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der Satzung). Ist das Mitglied von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht befreit, sind nur die Einkünfte im Sinne des § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der Satzung beitragspflichtig (§ 19 Abs. 5 Satz 2 der Satzung). Gemäß § 19 Abs. 3 Satz 1 der Satzung gilt jedes Mitglied der Beklagten vom Beginn der Mitgliedschaft an als beruflich tätig im Sinn der vorstehenden Bestimmungen. Nach Satz 2 ist das Mitglied selbstständig tätig, sofern es nicht ausschließlich in einem Angestelltenverhältnis beschäftigt ist.
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a) Vorliegend ist die Klägerin seit dem 1. Oktober 2011 als Angestellte bei der IHK A. beschäftigt. Eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für diese Tätigkeit nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder Abs. 5 SGB VI liegt nicht vor. Vielmehr wurde der entsprechende Antrag der Klägerin von der DRV mit bestandskräftigem Bescheid vom 27. April 2012 mit der Begründung abgelehnt, dass es sich bei der Tätigkeit bei der IHK A. um keine berufsspezifische (anwaltliche) Tätigkeit handele.
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Bei dieser im maßgeblichen Zeitraum berufsfremden Tätigkeit einerseits und der selbstständigen Tätigkeit als Rechtsanwältin andererseits handelt es sich um zwei verschiedene und voneinander zu trennende Berufsbilder, wobei die nichtanwaltliche Tätigkeit ohne Bedeutung für die mit der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft verbundene Mitgliedschaft und Beitragspflicht in der Versorgungsanstalt ist. Dies gilt auch dann, wenn die Nebentätigkeit (hier die Tätigkeit für die IHK A.) für den Betroffenen den Hauptberuf darstellt, wie das vorliegend im maßgeblichen Zeitraum der Fall ist. Da - wie sich aus dem Aufgaben- und Kompetenzbereich der Beklagten ergibt - § 19 Abs. 3 Satz 2 der Satzung nur greift, wenn die Klägerin gerade eine anwaltliche Tätigkeit im Angestelltenverhältnis ausüben würde, gilt sie als beruflich selbstständig tätig. Satzungsrechtlich gilt die von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit für die IHK A. nur als Nebentätigkeit zum Hauptberuf „Rechtsanwalt“. Dementsprechend wurde der Beitragsfestsetzung zu Recht das - von der Klägerin tatsächlich erwirtschaftete - Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit als Rechtsanwältin in den für die streitgegenständliche Beitragsbemessung relevanten Jahren 2009 bis 2011 zugrunde gelegt. Das Einkommen aus der Angestelltentätigkeit der Klägerin ist mangels Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für die Beitragsbemessung gemäß § 19 Abs. 5 Satz 2 der Satzung irrelevant, worauf die Beklagte zutreffend hinweist (VG München, U.v. 2.7.2015 - M 12 K 15.752 - juris Rn. 23; U.v. 19.2.2015 - M 12 K 14.4102 - juris Rn. 21 f.; U.v. 18.12.2014 - M 12 K 14.3840).
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Somit erfolgte die Beitragsfestsetzung der Jahre 2011 bis 2013 gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 der Satzung zu Recht auf der Grundlage der Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2009 bis 2011, die Einkünfte aus selbstständiger Arbeit in Höhe von 35.955,00 EUR (2009), 78.420,00 EUR (2010) bzw. 52.218,00 EUR (2011) ausweisen.
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b) Dieses zeitversetzte Beitragsfestsetzungsverfahren verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht (BayVGH, B.v. 10.9.1999 - 9 ZB 99.2177 - juris Rn. 5 m.w.N.; B.v. 16.8.1999 - 9 ZB 96.2276 - juris Rn. 29, 35, 39 ff., 46; U.v. 24.6.1997 - 9 B 95.3871 - BeckRS 1997, 19579; VG München, U.v. 19.2.2015 - M 12 K 14.4102 - juris Rn. 24; U.v. 18.12.2014 - M 12 K 14.3840; U.v. 26.3.2009 - M 12 K 08.3868 - BeckRS 2009, 4503). Es bietet vor allem den Vorteil einer einfachen Feststellung des Berufseinkommens als Bemessungsgrundlage der Beitragsfestsetzung durch Anknüpfen an das Einkommen des vorvergangenen Kalenderjahrs und erübrigt die Festsetzung vorläufiger Beiträge. Damit wird der Aufwand für die Mitglieder wie auch für das Versorgungswerk im Interesse der Versorgungsgemeinschaft gering gehalten. Änderungen des Berufseinkommens führen zwar erst mit einer Verzögerung von zwei Jahren zu entsprechenden Änderungen der Beitragshöhe und sind insofern nachteilig, als die Mitglieder im Hinblick auf die Möglichkeit eines künftig sinkenden Berufseinkommens Vorsorge durch entsprechende Rücklagenbildung oder auf andere Weise treffen sollten. Die Notwendigkeit entsprechender Vorkehrungen ist jedoch für Rechtsanwälte erkennbar und auch zumutbar, zumal auf längere Sicht ein Ausgleich stattfindet und bei stetig steigendem Berufseinkommen entsprechende Vorteile durch zeitverzögert steigende Beiträge gegeben sind.
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Dem autonomen Satzungsgeber steht im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung bei der Beitragsbemessung ein - allerdings etwa durch den Zweck der Versorgungseinrichtung und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz begrenzter - Gestaltungsspielraum zu, innerhalb dessen er typisieren darf; auf schwerwiegende Besonderheiten und unbillige Härten, insbesondere die wirtschaftliche Belastbarkeit des Mitglieds ist Rücksicht zu nehmen. Die hier vom Satzungsgeber zugrunde gelegte Erwägung, dass das Berufseinkommen der selbstständigen Rechtsanwälte im Lauf ihres Berufslebens im Allgemeinen stetig ansteigt, ist nachvollziehbar und entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung. Diese Typisierung wird auch durch die vom Klägerbevollmächtigten zitierte Umfrage zum Statistischen Berichtssystem für Rechtsanwälte (STAR-Umfrage 2018) im Hinblick auf den durchschnittlichen persönlichen Honorarumsatz aus selbstständiger Tätigkeit bei Vollzeitanwälten nach Alter im Jahresvergleich (West) (vgl. Bundesrechtsanwaltskammer, abgerufen am 25.6.2021, https://www.brak.de/w/files/04_fuer_journalisten/star-2018/folie3. png) nicht infrage gestellt. Denn mit dieser Untersuchung wird die Regelannahme eines steigenden Einkommens bestätigt. Inwiefern das durchschnittliche Einkommen insgesamt gesunken oder gestiegen ist, ist hierfür ohne Belang.
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Nach der STAR-Umfrage 2018 betrug der durchschnittliche persönliche Honorarumsatz bei der Altersgruppe bis unter 40 Jahren 111.000,00 EUR, von 40 bis unter 50 Jahre 181.000,00 EUR und von 50 bis 65 Jahren 186.000,00 EUR. Ein ähnliches Bild zeigt sich beim durchschnittlichen persönlichen Überschuss (vgl. Bundesrechtsanwaltskammer, abgerufen am 25.6.2021, https://www.brak.de/w/files/04_fuer_journalisten/star-2018/folie14. png). Die in der Satzung gefundene generalisierende und typisierende Regelung entspricht dieser Erwägung. Der Umstand, dass es im Einzelfall Abweichungen geben mag, ändert am Regel-Ausnahmeverhältnis nichts.
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Soweit sich aus der Beitragsbemessung gravierende Nachteile für ein Mitglied durch ein nicht vorhersehbar stark sinkendes Berufseinkommen ergeben, kann einer besonderen Härte durch eine Stundung von Beiträgen hinreichend Rechnung getragen werden (BayVGH, U.v. 16.8.1999 - 9 B 96.2276 - juris). Nichts anderes gilt bei einer etwaigen besonderen Härte infolge eines Tätigkeitswechsels. Die Beklagte hat darüber hinaus bereits in dem den streitgegenständlichen Beitragsbescheid begleitenden Schreiben vom 11. November 2019 auf die Möglichkeit einer Ratenzahlung hingewiesen. Dieses Angebot hat sie in der mündlichen Verhandlung wiederholt.
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3. Die Beklagte hat im maßgeblichen Zeitraum auch zu Recht den regulären, vollen Beitrag für die Klägerin gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der Satzung festgesetzt. Es bestand kein Anlass für einen ermäßigten Beitrag in Form eines Grund- oder Mindestbeitrags.
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a) Ein solcher ergibt sich zunächst nicht aus § 19 Abs. 1 Satz 4 der Satzung. Für dessen Anwendung bleibt im Hinblick auf das unter Punkt 2 Ausgeführte kein Raum. § 19 Abs. 1 Satz 4 der Satzung bezieht sich auf die einkommensbezogenen Beiträge des § 19 Abs. 1 Satz 1 der Satzung, indem er - auch ohne entsprechendes Einkommen - einen Grundbeitrag festsetzt. An der grundsätzlichen einkommensbezogenen Festsetzung von Beiträgen gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 der Satzung ändert dies nichts (VG München, U.v. 18.12.2014 - M 12 K 14.3840). Vielmehr konnte im hier maßgeblichen Zeitraum ein Einkommen gerade aus selbstständiger anwaltlicher Tätigkeit herangezogen werden.
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b) Ein Anlass für einen ermäßigten Beitrag ergibt sich auch nicht aus dem Schreiben der Beklagten vom 16. September 2015, da es sich bei diesem nicht um eine Zusicherung im Sinne des Art. 38 BayVwVfG handelt. Nach der Legaldefinition des Art. 38 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG ist eine Zusicherung eine von der zuständigen Behörde erteilte Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen.
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Zwar stammt das Schreiben vom 16. September 2015 von der zuständigen Behörde und ist auch in der erforderlichen Schriftform ergangen. Der zu erlassende bestimmte Verwaltungsakt dürfte in der Beitragsfestsetzung in Höhe des Grundbeitrags zu sehen sein. Allerdings fehlt es an einem erkennbaren Rechtsbindungswillen der Beklagten. Kennzeichnend für die Zusicherung ist ihre Verbindlichkeit. Daher muss der Wille der Behörde, sich für die Zukunft zu binden und einen entsprechenden Anspruch des Begünstigten auf die zugesagte Maßnahme zu begründen, in der Erklärung eindeutig erkennbar sein. Inwiefern dies der Fall ist, ist durch Auslegung gemäß den zu §§ 133 ff. BGB entwickelten Grundsätzen zu ermitteln, wobei der objektive Erklärungswert maßgeblich ist. Die Behörde muss danach unzweifelhaft zu erkennen geben, dass sie sich bindend verpflichten will, den Verwaltungsakt in Zukunft zu erlassen oder zu unterlassen. Der Wortlaut ist hierbei nur ein erstes Indiz, letztlich sind alle Umstände bzw. das gesamte Verhalten der Behörde zu berücksichtigen (vgl. zum Ganzen Schröder in Schoch/Schneider, VwVfG, Werkstand: Grundwerk Juli 2020, § 38 Rn. 17; Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 38 Rn. 14).
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Nach diesen Grundsätzen lässt sich dem Schreiben vom 16. September 2015 kein derart eindeutiger bzw. unzweifelhafter Rechtsbindungswille entnehmen. Die Formulierung „…wird rückwirkend (…) der Grundbeitrag festgesetzt…“ mag unglücklich bzw. missverständlich sein. Allein hieraus folgt jedoch nicht die erforderliche Eindeutigkeit. Denn bereits der Wortlaut des Schreibens vom 16. September 2015 gibt Anlass zu Zweifeln am Rechtsbindungswillen. So wird der entsprechende Absatz des Schreibens mit den Worten eingeleitet „Wir weisen darauf hin, …“, was eher für eine unverbindliche Auskunft, als für eine verbindliche Erklärung spricht. Darüber hinaus wird im unmittelbaren Anschluss an die Formulierung „…wird rückwirkend (…) der Grundbeitrag festgesetzt…“ auf das Schreiben der Beklagten vom 3. Mai 2012 verwiesen, nach dem rückwirkend ab dem 1. Oktober 2011 mindestens der Grundbeitrag festgesetzt werden müsse, sollte es zu keiner Befreiung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI kommen. Hierdurch wird die im Schreiben vom 16. September 2015 enthaltene „unbedingte“ Aussage relativiert. Gleiches gilt für den nächsten Satz „Dies entspricht bis einschließlich 31.08.2015 einem Rückstand von 10.429,50 €, der von Ihnen entrichtet werden muss.“, der für sich allein genommen eine (vermeintlich) eindeutige Aussage trifft. Auch diese wird jedoch durch die weiteren Umstände, insbesondere die Einleitung des Absatzes sowie den Verweis auf das Schreiben vom 3. Mai 2012 so relativiert, dass die erforderliche Eindeutigkeit nicht bejaht werden kann.
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Hinzu kommt, dass für eine Zusicherung, lediglich den Grundbeitrag festzusetzen, kein erkennbarer Anlass bestand, was nach dem objektiven Empfängerhorizont Grund für Zweifel hätte sein müssen, zumal es sich bei der Klägerin um eine rechtskundige Person handelt. Dies gilt umso mehr, als die Beklagte bereits mit Schreiben vom 3. Mai 2012 sowie 2. April 2013 darauf hingewiesen hatte, dass sie rückwirkend Beiträge aus selbstständiger Arbeit festsetzen müsse, wenn keine Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung erfolge. Der Behördenakte lässt sich auch keine dem Schreiben vom 16. September 2015 vorangehende Korrespondenz entnehmen, aus der sich ein Anlass für eine Zusicherung ergeben könnte. Insbesondere finden sich für eine Nachfrage der Klägerin, mit welchen Beitragsforderungen sie zu rechnen habe, keine Anhaltspunkte. Vielmehr ging dem Schreiben vom 16. September 2015 eine Nachfrage der Beklagten an die Klägerin zum aktuellen Sachstand des Klageverfahrens vom 5. März 2015 voraus, nachdem die Klägerin - ebenfalls auf entsprechende Nachfrage der Beklagten vom 19. September 2014 - am 17. Oktober 2014 mitgeteilt hatte, dass das Klageverfahren vor dem Sozialgericht Würzburg noch ruhe. Das Schreiben vom 16. September 2015 ist daher wie schon die vorangegangenen Schreiben vom 3. Mai 2012 und 2. April 2013 als unverbindlicher Hinweis zu verstehen, mit dem auch ein weiteres Anwachsen des bereits (mindestens) bestehenden Beitragsrückstands im Interesse der Klägerin für den Fall verhindert werden sollte, dass keine Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung im Hinblick auf die Tätigkeit der Klägerin bei der IHK A. erfolgen würde.
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Vor diesem Hintergrund kann es der Beklagten nicht angelastet werden, dass sich die Klägerin auf die vermeintliche Zusicherung verlassen hat und ihr Klägerbevollmächtigter das sozialgerichtliche Verfahren zur Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für erledigt erklärt hat, was im Übrigen erst etwa fünf Jahre nach dem Schreiben vom 16. September 2015 erfolgt ist.
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c) Auch die Voraussetzungen für eine Beitragsermäßigung gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der Satzung sind nicht erfüllt. Nach dieser Vorschrift wird auf Antrag ein Mindestbeitrag in Höhe von einem Achtel des Höchstbeitrags von Mitgliedern erhoben, die ihren rechts- oder steuerberatenden Beruf im Angestelltenverhältnis ausüben und nicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI von der Versicherungspflicht befreit sind.
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Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der Satzung ist erforderlich, dass es sich bei der Angestelltentätigkeit um eine solche als Rechtsanwalt handelt, was hier nicht der Fall ist. Unter Berücksichtigung der systematischen Auslegung des Wortlauts und des Aufgaben- und Kompetenzbereichs des Versorgungswerks ergibt sich, dass die Norm eine Ermäßigungsmöglichkeit allein für ein Mitglied vorsieht, das (gerade) für seine Tätigkeit als Rechtsanwalt bereits gesetzlich rentenversichert ist. Voraussetzung für die Ermäßigung auf den Mindestbeitrag ist nach dieser Vorschrift mithin, dass der im Angestelltenverhältnis als Rechtsanwalt Tätige tatsächlich nicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit ist. Hintergrund ist, dass für die konkrete anwaltliche Tätigkeit schon Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung geleistet werden müssen, sodass der zum Versorgungswerk zu leistende Beitrag reduziert werden soll. Die Formulierung in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der Satzung „ihren rechts- oder steuerberatenden Berufe im Angestelltenverhältnis“ zeigt, dass nur die Tätigkeit als Rechtsanwalt gemeint sein kann, die zur Mitgliedschaft im Versorgungswerk führt (VG München, U.v. 2.7.2015 - M 12 K 15.752 - juris Rn. 26; U.v. 19.2.2015 - M 12 K 14.4102 - juris Rn. 27 f.; U.v. 18.12.2014 - M 12 K 14.3840).
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Bei der Auslegung der vorgenannten Vorschrift ist zu berücksichtigen, dass das Versorgungswerk nach Art. 28 Satz 1, 38 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 VersoG i.V.m. § 1 Abs. 1 der Satzung für die Versorgung der bei den bayerischen Berufskammern zugelassenen Rechtsanwälte zuständig ist. Die Kompetenz des Versorgungswerks erstreckt sich auf den Beruf des Rechtsanwalts und dessen Versorgung. Die Tätigkeit der Klägerin bei der IHK A. stellt im streitgegenständlichen Zeitraum keine Tätigkeit als Rechtsanwalt dar und unterliegt daher nicht der Satzung der Beklagten. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der Satzung ist daher auf diese Beschäftigung nicht anwendbar (VG München, U.v. 18.12.2014 - M 12 K 14.3840).
51
d) Auch aus höherrangigem Recht ergibt sich kein Anlass für eine Ermäßigung des Beitrags der Klägerin zum Versorgungswerk. Die Klägerin kann sich insbesondere weder auf Art. 3 GG noch auf Art. 12 bzw. 14 GG berufen.
52
aa) Eine gegen Art. 3 GG verstoßende Ungleichbehandlung ist nicht ersichtlich. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Versorgungsanstalt die Klägerin anders behandeln würde als andere zugelassene Rechtsanwälte, die in eine berufsfremde Angestelltentätigkeit wechseln, für die sie keine Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung erlangen können.
53
Unabhängig davon wurde die Klägerin ausschließlich für ihre - tatsächlich erwirtschafteten - Einkünfte aus ihrer Tätigkeit als Rechtsanwältin herangezogen, wie das auch für die anderen Mitglieder der Fall ist. Würde man der klägerischen Argumentation folgen, würde die Klägerin für diese anwaltlichen Einkünfte überhaupt nicht herangezogen. Das würde nicht zu einer Gleichstellung mit den anderen Mitgliedern der Beklagten führen, sondern im Gegenteil zu einer ungerechtfertigten Besserstellung der Klägerin.
54
Auch der Umstand, dass bei selbstständig tätigen Rechtsanwälten gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der Satzung eine zeitversetzte Beitragserhebung erfolgt, bei angestellten Rechtsanwälten gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der Satzung aber eine Gegenwartsveranlagung, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die unterschiedliche Behandlung rechtfertigt sich daraus, dass die zeitversetzte Beitragserhebung bei selbstständigen Rechtsanwälten die Praktikabilität des Beitragsveranlagungsverfahrens bezweckt, indem sie es dem Versorgungswerk erspart, ein besonderes, nur dem Zweck der Beitragsfestsetzung dienendes Verfahren zur Ermittlung der Beitragsgrundlagen durchzuführen, was Konsequenz einer Gegenwartsveranlagung wäre, und/oder ein Vorauszahlungssystem zu unterhalten. Bei angestellt tätigen Rechtsanwälten stehen die Beitragsbemessungsgrundlagen dagegen ohne erhebliche zeitliche Verzögerung zur Verfügung, so dass für diese Personengruppe eine Gegenwartsveranlagung durchgeführt werden kann (BayVGH, U.v. 24.6.1997 - 9 B 95.3871 - BeckRS 1997, 19579; VG München, U.v. 26.3.2009 - M 12 K 08.3868 - BeckRS 2009, 4503 m.w.N.).
55
bb) Die Beklagte war auch nicht aufgrund des Art. 12 oder 14 GG gehalten, im streitgegenständlichen Zeitraum einen ermäßigten Beitrag festzusetzen.
56
Nach diesen Vorschriften ist die Festsetzung „doppelter“ Beiträge rechtswidrig, wenn damit ein nicht gerechtfertigter Eingriff in das Recht der Berufsausübung oder des Eigentums verbunden ist. Von einer Doppelversorgung kann nur die Rede sein, wenn jede der beiden Versorgungseinrichtungen eine „volle“ Versorgung garantiert. Eine übermäßige Belastung und Überversorgung kann aber nicht schon deswegen angenommen werden, weil sowohl aus der Tätigkeit als Rechtsanwältin als auch aus der berufsfremden Tätigkeit Versorgungsbeiträge zu zahlen sind. Sowohl das berufsständische Versorgungsrecht als auch das Sozialversicherungsrecht verfolgen das grundsätzliche Ziel, den ihnen unterworfenen Zwangsmitgliedern eine von der Höhe der Beiträge abhängige angemessene Versorgung zu bieten. Beide sind Teile des Systems der sozialen Sicherung und erfüllen damit eine öffentliche Aufgabe. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass es nicht gegen höherrangiges Recht verstößt, wenn sich die Pflichtmitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk auch auf Berufsangehörige erstreckt, die in der gesetzlichen Angestelltenversicherung pflichtversichert sind. Dabei muss lediglich auf die wirtschaftliche Belastbarkeit des Mitglieds Rücksicht genommen und eine unzumutbare Überversorgung vermieden werden (BVerfG, B.v. 23.1.1997 - 1 BvR 1317/86 - juris Rn. 9; BVerwG, B.v. 23.3.2000 - 1 B 15.00 - juris Rn. 10; B.v. 30.8.1996 - 1 B 29.96 - juris Rn. 7; U.v. 25.11.1982 - 5 C 69.79 - juris; VG München, U.v. 2.7.2015 - M 12 K 15.752 - juris Rn. 29; VG München, U.v. 19.2.2015 - M 12 K 14.4102 - juris Rn. 32; U.v. 18.12.2014 - M 12 K 14.3840).
57
Die Differenz zwischen dem Grundbeitrag, den die Klägerin zu zahlen bereit ist, und dem von der Beklagten festgesetzten Beitrag beläuft sich zwar auf gut 19.000,00 EUR. Die Klägerin hat jedoch weder substantiiert vorgetragen, dass sie die Aufbringung beider Beiträge - also die der gesetzlichen Rentenversicherung sowie der Beklagten - unzumutbar belastet, noch, dass die aus beiden Versorgungsquellen insgesamt zu erwartende Versorgung zu einer unzumutbaren Überversorgung führen würde. Auch sonst gibt es hierfür keine Anhaltspunkte. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die Heranziehung zu „doppelten“ Beiträgen nur vorübergehend für zwei Jahre und drei Monate erfolgt. Darüber hinaus hat die Beklagte der Klägerin Ratenzahlung für die rückständigen Beiträge angeboten. Das weiteren besteht die Möglichkeit, die Beiträge unter den Voraussetzungen des § 22 Abs. 3 Satz 1 der Satzung zu stunden.
58
Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die streitgegenständlichen Festsetzungen zwar für einen Zeitraum erfolgt sind, in dem die Klägerin bereits bei der IHK A. beschäftigt war, ihnen aber das von der Klägerin bereits zuvor tatsächlich erwirtschaftete Einkommen aus ihrer anwaltlichen Tätigkeit im jeweils vorletzten Kalenderjahr zugrunde liegt. Die Klägerin wurde mithin weder aus ihrer selbstständigen Tätigkeit als Rechtsanwältin noch aus ihrer Tätigkeit bei der IHK doppelt herangezogen, vielmehr handelt es sich um ein rein zeitliches, nicht dagegen inhaltliches, Zusammentreffen der Beiträge zum Versorgungswerk bzw. zur gesetzlichen Rentenversicherung. Mit anderen Worten war die Klägerin zwar „im“ maßgeblichen Zeitraum sowohl bei der gesetzlichen Rentenversicherung als auch beim Versorgungswerk in voller Höhe beitragspflichtig, jedoch nicht „für“ diesen Zeitraum. Wie bereits dargestellt ist das Einkommen aus der Angestelltentätigkeit der Klägerin mangels Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für die Beitragsbemessung gemäß § 19 Abs. 5 Satz 2 der Satzung irrelevant.
59
Unabhängig davon erfordert es die gebotene Rücksicht auf eine geringe wirtschaftliche Leistungsfähigkeit grundsätzlich nicht, eine weitere Möglichkeit der Beitragsermäßigung durch Satzungsergänzung zu ermöglichen. Dies gilt sogar für den Fall, dass ein Mitglied kaum oder nicht in der Lage ist, mehr als den Grundbeitrag an die Beklagte zu entrichten (BayVGH, B.v. 16.8.1999 - 9 ZB 96.2276 - juris Rn. 30, 44). Nichts anderes gilt bei einem Wechsel in eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung. Vielmehr gilt auch insoweit, dass es einem Rechtsanwalt zumutbar ist, schon auf der Grundlage seines aktuellen Einkommens durch entsprechende Rücklagenbildung oder auf andere Weise Vorsorge dafür zu treffen, dass er der sich aus der zeitversetzten Beitragsfestsetzung erst später ergebenden Beitragspflicht nachkommen kann. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, warum die Beklagte gehalten sein sollte, niedrigere Beiträge festzusetzen, wenn ein Mitglied aufgrund eines Tätigkeitswechsels - auf den die Beklagte keinen Einfluss hat - Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen muss, die mit der zeitversetzten Beitragsfestsetzung zusammenfallen.
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4. Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.