Inhalt

VG Würzburg, Urteil v. 23.04.2021 – W 10 K 19.1528
Titel:

Erfolglose Klage eines Grundstückseigentümers gegen die Anordnung der Beseitigung von Abfällen (altes Auto, alter Anhänger, Altreifen, kontaminiertes Holz) auf seinem Grundstück – Urteil nach Gerichtsbescheid

Normenketten:
VwGO § 19, § 84 Abs. 4, § 113 Abs. 1 S. 1, § 114 S. 1
BayVwVfG Art. 28 Abs. 1, Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2
BayAbfG Art. 31 Abs. 1, Abs. 2 (idF bis 31.12.2020)
KrWG § 3 Nr. 9, § 7 Abs. 2, § 15 Abs. 1 S. 1, § 47 Abs. 3 S. 2, § 62
GG Art. 3 Abs. 1
Leitsätze:
1. Es ist zulässig, den ehrenamtlichen Richtern im Interesse der umfassenden Information sowie der Prozessökonomie den im Tatbestand zusammengefassten entscheidungserheblichen Sachverhalt vor der mündlichen Verhandlung bekannt zu geben. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine funktionsgerecht nachgeholte Anhörung setzt voraus, dass sich die Behörde nicht darauf beschränkt, die einmal getroffene Sachentscheidung zu verteidigen, sondern dass sie das Vorbringen des Betroffenen erkennbar zum Anlass nimmt, die Entscheidung kritisch zu überdenken. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
3. Art. 3 Abs. 1 GG gewährt keine Gleichheit im Unrecht. Etwas anderes kann aber gelten, wenn der Staat nicht selektiv Unrecht begangen, sondern selektiv Unrecht beseitigt hat oder eine Verletzung des Willkürverbots vorliegt. (Rn. 48) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Anordnung zur Entsorgung von Abfällen, wilde Ablagerung, u.a. Altfahrzeug, Anhänger, Autoreifen, Altholz, Abfalleigenschaft, Entledigungswille, Betretungsrecht, Vorlage von Entsorgungsnachweisen, Anfechtungsklage, Gerichtsbescheid, Entsorgung von Abfällen, ehrenamtlicher Richter, unterbliebene Anhörung, Nachholung der Anhörung, maßgeblicher Zeitpunkt, Betretenserlaubnis, Ermessen, keine Gleichheit im Unrecht
Vorinstanz:
VG Würzburg, Gerichtsbescheid vom 07.12.2020 – W 10 K 19.1528
Fundstelle:
BeckRS 2021, 40121

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen eine Anordnung zur Entfernung und Entsorgung von auf dem Grundstück Fl.Nr. 79 der Gemarkung R* … gelagerten Gegenständen.
2
1. Der Kläger und seine Ehefrau sind die Eigentümer des vorgenannten Grundstücks.
3
Anlässlich einer Ortseinsicht am 12. April 2019 stellte das Landratsamt Haßberge fest, dass dort verschiedene Gegenstände lagerten, bei denen es sich nach Ansicht des Landratsamts um Abfälle handelte. Unter anderem wurde ein unter freiem Himmel abgestelltes, am Dach beschädigtes Fahrzeug (brauner bzw. grauer Citroen 2CV ohne Kennzeichen) festgestellt, das bereits mit Gestrüpp überwuchert war. Daneben wurden ca. 5 m3 Altholz, ca. zehn Altreifen sowie sonstiger Sperrmüll wie beschädigte Plastikeimer und Blumentöpfe vorgefunden.
4
Mit Schreiben vom 15. April 2019 wurden die Eigentümer aufgefordert, die abgelagerten Gegenstände bis spätestens zum 10. Mai 2019 zu entsorgen. Gleichzeitig wurden sie auf die Möglichkeit eines Bußgeldverfahrens hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
5
Am 25. April 2019 teilte der Kläger telefonisch gegenüber dem Sachbearbeiter des Landratsamts mit, es handele sich bei den abgelegten Gegenständen nicht um Abfall. Das Schreiben des Landratsamts Haßberge vom 15. April 2019 sei willkürlich ergangen. Auf den Vorschlag einer Fristverlängerung oder eines gemeinsamen Ortstermins ging er nicht ein, vielmehr sollte das Verfahren seiner Auffassung nach schriftlich fortgeführt werden.
6
Anlässlich einer erneuten Ortseinsicht am 24. Juli 2019 stellte das Landratsamt fest, dass die vorgenannten Gegenstände weiterhin unverändert auf dem Grundstück lagerten. Die Eigentümer wurden daraufhin mit Schreiben vom 29. Juli 2019 aufgefordert, die abgelagerten Gegenstände bis spätestens zum 16. August 2019 zu beseitigen. Gleichzeitig wurde für den Fall der Nichtbeachtung der Erlass einer kostenpflichtigen Anordnung angekündigt. Es wurde erneut Gelegenheit zur Stellungnahme bis spätestens zum 16. August 2019 gegeben.
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Anlässlich einer weiteren Ortseinsicht wurde am 27. September 2019 festgestellt, dass die vorgenannten Gegenstände immer noch unverändert auf dem Grundstück lagerten. Des Weiteren wurde ein mittlerweile dort abgestellter, mit Gestrüpp überwachsener und an der Bordwand beschädigter PKW-Anhänger festgestellt.
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2. Mit Bescheid vom 17. Oktober 2019, dem Kläger und seiner Ehefrau jeweils am 24. Oktober 2019 per Postzustellungsurkunde zugestellt, verpflichtete das Landratsamt den Kläger, die auf dem Grundstück Fl.Nr. 79 der Gemarkung R* … abgelagerten Abfälle, nämlich das Altfahrzeug (braun/grauer Citroen 2CV ohne Kennzeichen), den nicht mehr gebrauchsfähigen PKW-Anhänger, die ca. zehn Altreifen, den Sperrmüll (beschädigte Blumentöpfe, Plastikeimer) und ca. 5 m3 Altholz, gelagert unter einem Vordach einer Scheune, bis spätestens drei Wochen nach Eintritt der Bestandskraft des Bescheids vollständig und ordnungsgemäß zu entsorgen (Ziffer 1). Weiter wurde der Kläger verpflichtet, dem Landratsamt innerhalb einer Woche nach erfolgter Entsorgung einen entsprechenden Nachweis über die ordnungsgemäße Entsorgung des Altfahrzeugs nach Ziffer 1 vorzulegen (Ziffer 2). Die Grundstücksmiteigentümerin habe die unter Ziffer 1 angeordnete Entsorgung der Abfälle auf dem Grundstück zu dulden (Ziffer 3). Für die Nicht- oder nicht vollständige Erfüllung der unter Ziffer 1 genannten Verpflichtung werde ein Zwangsgeld in Höhe von 800,00 EUR zur Zahlung fällig (Ziffer 4.1), für die Nicht- oder nicht ordnungsgemäße Erfüllung der unter Ziffer 2 genannten Verpflichtung werde ein Zwangsgeld in Höhe von 200,00 EUR zur Zahlung fällig (Ziffer 4.2) und für die Nicht- oder nicht ordnungsgemäße Erfüllung der unter Ziffer 3 genannten Verpflichtung werde ein Zwangsgeld in Höhe von 100,00 EUR für die zuwiderhandelnde Grundstücksmiteigentümerin zur Zahlung fällig (Ziffer 4.3). Der Kläger habe die Kosten des Verfahrens zu tragen. Für den Bescheid wurde eine Gebühr von 200,00 EUR festgesetzt. An Auslagen seien 6,90 EUR angefallen (Ziffer 5). Der Bescheid enthielt eine Rechtsbehelfsbelehrung, eine Kostenrechnung war beigefügt.
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Zur Begründung wurde ausgeführt, die Anordnung zur Beseitigung und Entsorgung der Abfälle stütze sich auf Art. 31 des Bayerischen Abfallwirtschaftsgesetzes (BayAbfG), wonach die zuständige Behörde die erforderlichen Anordnungen erlassen könne, wenn in unzulässiger Weise Abfälle gelagert oder abgelagert werden. Darüber hinaus stütze sich die Anordnung auf § 62 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 KrWG, wonach die Erzeuger oder Besitzer von Abfällen, die nicht verwertet werden, zur Beseitigung verpflichtet seien. Dabei könne die Behörde ebenfalls die erforderlichen Anordnungen zur Durchführung des KrWG oder der hierauf gestützten Verordnungen - wie im Falle des § 4 Abs. 1 der Verordnung über die Überlassung, Rücknahme und umweltverträgliche Entsorgung von Altfahrzeugen (AltfahrzeugV) - erlassen.
10
Das Fahrzeug erfülle den Abfallbegriff des § 3 Abs. 1 KrWG Nach dieser Vorschrift seien Abfälle alle Stoffe oder Gegenstände, derer sich der Besitzer entledige, entledigen wolle oder entledigen müsse. Vorliegend wolle sich der Kläger als Besitzer der Sache offensichtlich entledigen und müsse dies aufgrund des bestehenden Zustands sogar. Ein Entledigungswille sei anzunehmen, da die ursprüngliche Zweckbestimmung entfallen sei, ohne dass ein neuer Verwendungszweck an deren Stelle getreten sei. Das Fahrzeug sei mit Gestrüpp vollständig überwachsen und aufgrund einer Beschädigung des Dachs dringe Wasser in das Fahrzeuginnere ein, so dass die ursprüngliche Zweckbestimmung als Fortbewegungsmittel weggefallen sei. Für die Beurteilung der Zweckbestimmung sei die Auffassung des Besitzers unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung zu berücksichtigen gewesen. Der für den subjektiven Abfallbegriff des § 3 Abs. 3 Satz 2 KrWG maßgeblichen Verkehrsanschauung widerspreche es aber, ein Fahrzeug über Jahre unter freiem Himmel abzustellen, wenn es als Ersatzteilspender oder Sammlerobjekt verwendet werden solle. Eine derartige Lagerung führe regelmäßig zu Substanzschäden, die bei späterer erneuter Inbetriebnahme erhebliche Reparaturaufwendungen erforderten. Der Kläger habe sich der beweglichen Sache auch entledigt, denn aufgrund des beschriebenen Zustands und des Lagerplatzes auf einer unbefestigten Wiese sei das Fahrzeug dazu geeignet, gegenwärtig oder künftig das Wohl der Allgemeinheit - insbesondere der Umwelt - zu gefährden. Darüber hinaus stelle das Abstellen des Fahrzeugs auch eine widerrechtliche Lagerung eines Altfahrzeugs dar, so dass die Rechtsfolge des Art. 31 Abs. 1 Satz 1 BayAbfG ebenfalls greife. Es handele sich um ein Altfahrzeug im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 AltfahrzeugV, welches einer anerkannten Annahme- oder Rücknahmestelle oder einem anerkannten Demontagebetrieb überlassen werden müsse. Das vorgenannte Grundstück erfülle diese Voraussetzungen nicht. Die weiteren in Ziffer 1 genannten Materialien stellten ebenfalls Abfall gemäß § 3 Abs. 1 KrWG dar. Von einem Entledigungswillen sei auszugehen, da alle genannten Gegenstände mit Gestrüpp eingewachsen seien und der PKW-Anhänger darüber hinaus Löcher in den Bordwänden aufweise. Es liege damit insgesamt eine unzulässige Abfallablagerung vor, so dass die Rechtsfolge des Art. 31 Abs. 1 BayAbfG eintrete. Die unter Ziffer 1 angeordnete Entsorgung der Abfälle könne grundsätzlich gemäß § 3 Nr. 22 KrWG vorrangig durch Verwertung (§ 7 Abs. 2 Satz 1 KrWG) erfüllt werden bzw., soweit dies nicht möglich sei, durch allgemeinwohlverträgliche Beseitigung (§ 15 KrWG). Eine Verwertung scheide mangels entsprechender Genehmigung bzw. technischer Vorkehrungen aus. Mangels einer zur Beseitigung zugelassenen Anlage gemäß § 28 Abs. 1 KrWG scheide auch eine zulässige Beseitigung aus. Unabhängig hiervon könne auch eine Anordnung auf Grundlage des § 62 KrWG ergehen.
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Bei Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens sei bedacht worden, dass rechtmäßige Zustände nur herstellbar gewesen seien, wenn die Abfälle bzw. das Altfahrzeug einer ordnungsgemäßen Entsorgung zugeführt würden. Hinsichtlich des Altfahrzeugs werde dies durch die in § 4 Abs. 1 AltfahrzeugV geforderte Überlassung an eine hierfür zugelassene Stelle gewährleistet. Dessen Anordnung stelle das verhältnismäßige Mittel zur Zielerreichung dar. Insbesondere sei die Pflichterfüllung innerhalb der gesetzten Frist zumutbar. Die Anordnung der Entsorgung sei das geeignete und gebotene Mittel zur Erreichung eines rechtmäßigen Zustands. Sie sei darüber hinaus mangels eines gleich wirksamen, milderen Mittels erforderlich. Die Anordnung der Entsorgung sei auch angemessen, da das verfolgte Ziel der ordnungsgemäßen Beseitigung der Abfälle von dem genannten Grundstück nicht außer Verhältnis zu den Nachteilen für den Kläger stünde. Bei alledem sei zu berücksichtigen gewesen, dass derartige illegale Abfallablagerungen eine negative Vorbildwirkung und einen Nachahmungseffekt verursachten.
12
Die Anordnung zur Nachweisvorlage über die ordnungsgemäße Entsorgung der Abfälle beruhe auf § 62 KrWG. Bei Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens sei insbesondere berücksichtigt worden, dass durch die widerrechtliche Ablagerung sowie die nicht erfolgte Entsorgung durch den Kläger ein Nachweis der ordnungsgemäßen Entsorgung angebracht sei. Insbesondere könne nur hierdurch verhindert werden, dass der PKW nur an einen anderen nicht zugelassenen Lagerungsort verbracht werde. Im Übrigen sei hierdurch auch die Erfüllung der Verpflichtung aus § 4 Abs. 1 AltfahrzeugV sicherzustellen, was gemäß § 4 Abs. 2 AltfahrzeugV durch einen über die Überlassung auszustellenden Nachweis und dessen erzwingbare Vorlage nach § 62 KrWG erreicht werden könne.
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Die Duldungsanordnung gegen die Miteigentümerin des Grundstücks unter Ziffer 3 sei erforderlich gewesen, da erst hierdurch dem Kläger die bürgerlich-rechtliche Befugnis zur Erfüllung der Verpflichtung eingeräumt werde. Dies sei auch dann angebracht, wenn der Eigentümer nicht dargetan habe, sich der Durchführung der Verpflichtung widersetzen zu wollen.
14
Die Zwangsgeldandrohung als angemessenes Mittel des Verwaltungszwangs beruhe auf Art. 29, 31 und 36 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG), wonach der Pflichtige mittels eines Zwangsgelds zur Erfüllung seiner Verpflichtung angehalten werden könne. Das Zwangsgeld stelle sowohl seiner Art als auch seiner Höhe nach das geeignete Mittel hierzu dar. Die Zwangsgeldhöhe sei an den voraussichtlich entstehenden Entsorgungskosten orientiert. Es sei durch die fehlende Reaktion des Klägers auf die Schreiben des Landratsamts Haßberge vom 15. April 2019 und 29. Juli 2019 eine fehlende Absicht zur freiwilligen Abfallentsorgung erkennbar, so dass der Verpflichtung zur Abfallentsorgung mittels eines Zwangsgelds Nachdruck zu verleihen gewesen sei.
15
Die Kostenentscheidung beruhe auf Art. 1, 2, 6 und 10 des Kostengesetzes (KostG) i.V.m. Tarif-Nr. 8.I.0/37 und 8.I.0/29 des hierzu ergangenen Kostenverzeichnisses.
16
3. Mit Schriftsatz vom 19. November 2019, bei Gericht am selben Tag per Fax eingegangen, erhoben der Kläger und seine Ehefrau als „Hausgemeinschaft F* … …“ Klage gegen das „Landratsamt Hofheim“ (ursprüngliches Az.: W 4 K 19.1528). Der Kläger präzisierte seinen Antrag in der mündlichen Verhandlung dahingehend, den Bescheid des Landratsamtes Haßberge vom 17. Oktober 2019 in den Ziffern 1, 2, 4.1, 4.2 und 5 aufzuheben.
17
Zur Begründung führte der Kläger aus, es fehle die erforderliche Anhörung. Die durch widerrechtliches Betreten des Grundstücks erlangten Kenntnisse seien aufgrund eines Beweisverwertungsverbots nicht zu berücksichtigen. Der eng auszulegende Begriff „Gefahr in Verzug“ (Art. 13 Abs. 2 GG) oder ein Verdacht auf gefährliche Grundstücksverunreinigungen habe nie vorgelegen. Er habe dem Sachbearbeiter im Beisein seiner Ehefrau das Betreten des Grundstücks ausdrücklich untersagt, ein Aktenvermerk sei vom Sachbearbeiter jedoch pflichtwidrig nicht angefertigt worden. Dieser habe vielmehr das Grundstück wiederholt betreten, dafür habe weder eine Rechtsgrundlage, noch ein Durchsuchungsbeschluss vorgelegen. Der PKW Citroen 2CV sei dort von einem Dritten abgestellt worden und außerdem bereits als Dekorationsgegenstand weiterverkauft worden, die Gefahr des Auslaufens von Öl habe nie bestanden. Auch der dort abgestellte Anhänger des Baujahrs 1956 sei mangels Verkehrstauglichkeit als Dekorationsgegenstand zu Werbezwecken an einen Kraftfahrzeugbetrieb verkauft worden. Die Reifen seien auf dem genannten Grundstück aufgrund ihrer Größe und Beschaffenheit erkennbar von Landwirten abgelagert worden und würden bei einer Altreifensammelstelle abgegeben. Die Feststellungen hinsichtlich des Altholzes und der anderen Gegenstände seien nicht richtig. Es handele sich hierbei nicht um Abfall, sondern um noch verwertbares Holz. Dieses könne auf dem Grundstück gefahrlos unter einer Überdachung gelagert werden. Eine Gefahr für die Umwelt gehe von diesem nicht aus, es sei auch nicht mit Holzschutzmitteln kontaminiert. Die Holzaufhäufung werde mit trockenem Laub unterfüttert und diene als Winterunterkunft für Igel. Bei den abgestellten Plastikeimern und Blumentöpfen handele es sich um im Zusammenhang mit der Gartenarbeit abgestellte Gegenstände. Auch die Bescheidsbegründung sei damit in Abschnitt II 2.1 unzutreffend, da das Fahrzeug bereits weiterverkauft worden sei. Die Androhung und Festsetzung des Zwangsgelds sei bis zum Abschluss der Klage auszusetzen. Dies gelte auch für die Kostenrechnung, die nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrungversehen gewesen sei. Das Handeln der Behörde sei zudem willkürlich, da sich im Umfeld ihres Anwesens seit Jahren rechtswidrige Mülldeponien befänden, deren Zustände nicht im Entferntesten mit der Situation auf ihrem Grundstück vergleichbar seien. Auf die mit E-Mail vom 11. April 2021 übersandten Lichtbilder wird verwiesen.
18
4. Das Landratsamt Haßberge beantragte für den Beklagten,
die Klage abzuweisen.
19
Zur Begründung wurde ausgeführt, die Anordnung zur Entsorgung der Abfälle stütze sich auf Art. 31 Abs. 1 und 2 BayAbfG sowie darüber hinaus auf §§ 62 i.V.m. 15 Abs. 1 Satz 1 KrWG.
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Ein rechtswidriges Eindringen auf das vorgenannte Grundstück sei nicht gegeben. Es bestehe eine Duldungspflicht des Klägers, Rechtsgrundlage sei § 47 Abs. 3 Satz 2 KrWG. Es habe ein Betretungsrecht der zuständigen Behörde bestanden, um überprüfen zu können, ob Abfallerzeuger oder Abfallbesitzer ihrer Pflicht zur Verwertung bzw. Beseitigung des Abfalls nachkämen. Ein Verweigerungsrecht bestehe anders als nach § 47 Abs. 3 Satz 1 KrWG nicht. Aus der Rechtsgrundlage ergäbe sich im Umkehrschluss eine entsprechende Eingriffsermächtigung der zuständigen Behörde, mithin das Betretungsrecht selbst, und nicht bloß die Berechtigung, das Betretungsrecht einzufordern.
21
Die im Bescheid genannten Materialien stellten Abfall im Sinne des § 3 Abs. 1 KrWG dar. Hinsichtlich des PKW komme ein Entledigungswille zum Ausdruck, da das Fahrzeug von Gestrüpp überwuchert und am Dach derart beschädigt sei, dass Wasser ins Wageninnere gelange. Aufgrund der Überwucherung und der Beschädigung des Anhängers an der Bordwand gelte dies auch für den Anhänger. Weder die Verwendung des PKW bzw. des Anhängers zu Dekorationszwecken noch deren Weiterverkauf sei vorgerichtlich geltend gemacht worden. Zudem widerspreche dieser Behauptung die festgestellte Lagerungsweise. Unter den abgelagerten Reifen befänden sich entgegen der klägerischen Ansicht auch Autoreifen, die nicht landwirtschaftlich genutzten Fahrzeugen zugeordnet werden könnten. Auf den Reifen habe sich außerdem bereits ein Moosbelag gebildet, so dass von einer erheblichen Lagerungszeit auszugehen sei. Hinsichtlich des Altholzes sei von einem Entledigungswillen des Klägers auszugehen, da dieses seit einem längeren Zeitraum ungeordnet auf einem Haufen lagere. Entgegen der klägerischen Ausführung, es handele sich nur um unbehandeltes Holz, fänden sich auch Altfensterrahmen und Althölzer aus dem Außenbereich auf dem genannten Grundstück. Ein neuer Verwendungszweck werde nicht vorgetragen, eine Wiederverwendung von gefährlichen Abfällen sei unzulässig. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung über Anforderungen an die Verwertung und Beseitigung von Altholz (AltholzV) sei bei der Zuordnung des Altholzes in die Kategorien I bis IV das Sortiment sowie die Herkunft des Holzes gemäß Anhang III der AltholzV als Regelvermutung zu beachten. Die Einstufung in eine andere Altholzkategorie sei nur in besonders begründeten Ausnahmefällen zulässig. Aus Anhang III dieser Verordnung gehe hervor, dass Althölzer aus dem Baubereich der Altholzkategorie IV zuzuordnen seien und somit gefährlichen Abfall darstellten (Abfallschlüsselnummer 17 02 04). Mangels eines besonders begründeten Ausnahmefalls wie einer Analyse greife die Regelvermutung. Dieser gefährlichen Abfälle müsse sich der Kläger sogar entledigen, da sie aufgrund ihres Zustands geeignet seien, das Wohl der Allgemeinheit bzw. die Umwelt zu gefährden. Auch die aufgefundenen Plastiktöpfe bzw. Eimer seien ausweislich ihres Grünbelags bereits für eine längere Zeit unverändert auf dem Grundstück gelagert worden, so dass die Benutzung zu Gartenarbeiten abwegig sei. Eine weitere Zweckbestimmung sei nicht erkennbar.
22
Die Anordnung zur Beschaffung eines Nachweises über die ordnungsgemäße Entsorgung beruhe auf § 62 KrWG. Im Übrigen sei hierdurch auch die Erfüllung der Verpflichtungen aus § 4 Abs. 1, Abs. 2 AltfahrzeugV sicherzustellen. Mangels übermäßigen Dokumentationsaufwands sei dies nicht als unverhältnismäßig zu betrachten.
23
Die Duldungsanordnung sei erforderlich gewesen, da erst hierdurch dem Kläger die bürgerlich-rechtliche Befugnis gegeben werde, die genannte Verpflichtung zu erfüllen. Die im Bescheid festgesetzten Gebühren bewegten sich innerhalb des festgelegten Rahmens. Die festgesetzte Gebühr von 200,00 EUR liege nur knapp über der Mindestgebühr. Auch die Notwendigkeit mehrerer Ortseinsichten sei zu berücksichtigen gewesen. Die fehlende Rechtsbehelfsbelehrungsei unschädlich, da die Bescheidsgebühr sowie die angefallenen Auslagen bereits in Ziffer 5 festgesetzt und in Abschnitt II. 7 des streitgegenständlichen Bescheids begründet worden seien. Der Bescheid sei mit einer Rechtsbehelfsbelehrungversehen gewesen.
24
Auf Nachfrage des Gerichts wurden die voraussichtlichen Entsorgungskosten für das Altfahrzeug mit 150,00 EUR, den PKW-Anhänger mit 80,00 EUR, die Altreifen mit 18,00 EUR, den Sperrmüll mit 15,00 EUR und das Altholz mit 375,00 EUR angegeben.
25
Mit Schriftsatz vom 20. Oktober 2020 gab das Landratsamt dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme hinsichtlich der Anordnung in Bezug auf den PKW-Anhänger unter Fristsetzung bis zum 10. November 2020.
26
5. Mit Beschluss vom 25. November 2019 hat das Gericht vom vorliegenden Verfahren das die Duldungsanordnung unter Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids betreffende Klagebegehren gemäß § 93 VwGO abgetrennt. Dieses wird unter dem Aktenzeichen W 10 K 19.1529 (vormals W 4 K 19.1529) fortgeführt.
27
Das Gericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 7. Dezember 2020, dem Kläger am 18. Dezember 2020 zugestellt, abgewiesen. Mit bei Gericht am 17. Januar 2021 eingegangenem Schreiben hat der Kläger einen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt.
28
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakte Bezug genommen, hinsichtlich des Verlaufs der mündlichen Verhandlung insbesondere auf das Protokoll vom 23. April 2021. Auf die in der Behördenakte befindlichen Lichtbilder wird im Übrigen verwiesen.

Entscheidungsgründe

29
Die zulässige Anfechtungsklage hat in der Sache keinen Erfolg, da die angegriffenen Verwaltungsakte rechtmäßig sind und den Kläger damit nicht in subjektiv-öffentlichen Rechten verletzen, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
30
Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist das Gericht auf die Gründe des Gerichtsbescheids vom 7. Dezember 2020 und sieht insoweit von einer nochmaligen Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 84 Abs. 4 VwGO).
31
Lediglich ergänzend hierzu ist noch Folgendes auszuführen:
32
1. Die Rüge des Klägers in der mündlichen Verhandlung, das Gericht habe den Tatbestand nicht vor der mündlichen Verhandlung an die ehrenamtlichen Richter versenden dürfen, geht fehl. Die Vorabübersendung der im Tatbestand zusammengefassten Tatsachenfeststellungen und Rechtsausführungen der Beteiligten entspricht der gängigen verwaltungsgerichtlichen Praxis (Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 19 Rn. 3; Garloff in Posser/Wolff, Beck´scher Onlinekommentar, VwGO, Stand 1.4.2020, § 19 Rn. 2). Es ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht ersichtlich, dass diese Praxis gegen die Prozessordnung oder gegen höherrangiges Recht verstößt. Die ehrenamtlichen Richter sind den Berufsrichtern gemäß § 19 VwGO in der mündlichen Verhandlung und bei der Urteilsfindung gleichgestellt. Sie sind deshalb in der Vorberatung, die einer mündlichen Verhandlung vorangeht, umfassend über den Sachverhalt zu informieren, was im Übrigen auch das Recht zur Akteneinsicht einschließt (Schübel-Pfister in Eyermann a.a.O., Rn. 3; Garloff in Posser/Wolff a.a.O., Rn. 2). Daraus folgt zwar kein Anspruch der ehrenamtlichen Richter auf Vorabübersendung der Akten oder einer Zusammenfassung des wesentlichen Akteninhaltes, des sogenannten Sachberichts. Denn eine umfassende Kenntnis der ehrenamtlichen Richter von den Verwaltungsvorgängen ist nicht notwendig, um ihre Aufgabe zu erfüllen, welche nicht in der rechtlichen Beurteilung, sondern in der Kontrolle derselben anhand ihrer individuellen Lebens- und Berufserfahrung besteht (vgl. zum Ganzen Schübel-Pfister a.a.O., Rn. 3; Garloff in Posser/Wolff a.a.O., Rn. 2). Daraus folgt aber nicht, dass es unzulässig wäre, den ehrenamtlichen Richtern im Interesse der umfassenden Information sowie der Prozessökonomie den im Tatbestand zusammengefassten entscheidungserheblichen Sachverhalt vor der mündlichen Verhandlung bekannt zu geben. Vielmehr dient diese Verfahrensweise dem von der Rechtsordnung gedeckten Anliegen der zeitlichen Straffung des Sitzungstages der Kammer im Interesse aller Rechtsschutzsuchenden sowie der Schonung verwaltungsrichterlicher Ressourcen. Eine unzulässige Beeinflussung der ehrenamtlichen Richter kann darin nicht gesehen werden. Im Vergleich zum Strafprozess, in dem die Überzeugungsgewinnung von der Schuld des Angeklagten den Inbegriff der mündlichen Verhandlung darstellt (vgl. Kudlich in Münchener Kommentar zur StPO, 1. Aufl. 2014, Einleitung Rn. 188), findet im Verwaltungsprozess in der Regel bereits vor der mündlichen Verhandlung ein umfassender Austausch der Beteiligten statt. Zwar entscheidet auch im Verwaltungsprozess das Gericht gemäß § 108 VwGO aufgrund seiner vollen, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens und mithin auch in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Überzeugung (vgl. Kraft in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 108 Rn. 10). In der Praxis werden allerdings die bereits in den Schriftsätzen ausgetauschten Ausführungen in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen konzentriert erörtert sowie gegebenenfalls ergänzt und präzisiert. Sowohl der Ablauf als auch der Zweck des jeweiligen Verfahrens sind deshalb im Strafprozess bzw. Verwaltungsprozess grundsätzlich verschieden. Im Übrigen weist das Gericht darauf hin, dass auch im Strafprozess entgegen der klägerischen Ansicht nicht jegliche Befassung der Schöffen mit Inhalten des Ermittlungsverfahrens ausgeschlossen ist (vgl. Kudlich in Münchener Kommentar zur StPO, 1. Aufl. 2014, Einleitung Rn. 191).
33
Hinsichtlich der vom Kläger vorgebrachten Beanstandung des Tatbestandes wird auf die Klageschrift vom 19. November 2019 verwiesen, in der von ihm selbst als Beklagter das Landratsamt Hofheim bezeichnet wird.
34
2. Die zulässige Klage erweist sich in der Sache als unbegründet. Der angegriffene Bescheid vom 17. Oktober 2019, mit dem der Kläger unter Androhung von Zwangsgeldern verpflichtet wurde, die im Bescheid aufgeführten Gegenstände vollständig und ordnungsgemäß zu entsorgen und einen entsprechenden Nachweis in Bezug auf das Altfahrzeug vorzulegen, erweist sich im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung als formell und materiell rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
35
a) Der angefochtene Bescheid ist formell rechtmäßig. Insbesondere hat das Landratsamt die zunächst unterbliebene Anhörung betreffend den PKW-Anhänger während des gerichtlichen Verfahrens nachgeholt, womit der Verfahrensfehler geheilt wurde (Art. 28 Abs. 1, 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG).
36
Zwar wurde dem Kläger vor dem Erlass des streitgegenständlichen Bescheides mit Schreiben vom 15. April 2019 und 29. Juli 2019 die Möglichkeit zur schriftlichen Stellungnahme gegeben, dies betraf jedoch nur die bis dahin auf dem Grundstück festgestellten Gegenstände, nicht jedoch den erst nachträglich aufgefundenen PKW-Anhänger. Der Anhörungsmangel wurde jedoch durch nachträgliche Anhörung während des gerichtlichen Verfahrens geheilt (Art. 28 Abs. 1, 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG).
37
Ein Nachholen der Anhörung setzt voraus, dass der Betroffene - etwa in dem Verwaltungsakt - von den entscheidungserheblichen Tatsachen in Kenntnis gesetzt und zugleich darüber belehrt wird, dass er gegen die Verfügung den vorgesehenen Rechtsbehelf einlegen kann. Erforderlich ist in jedem Fall, dass die Behörde ein etwaiges Vorbringen des Betroffenen zur Kenntnis nimmt und bei ihrer Entscheidung in Erwägung zieht. (vgl. Schemmer in Beck´scher Onlinekommentar VwVfG, Stand 1. Oktober 2020, § 45 Rn. 42). Eine Heilung tritt allerdings nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 17.12.2015 - 7 C 5.14 - juris Rn. 17; U.v. 24.6.2010 - 3 C 14.09 - juris Rn. 37; U.v. 22.3.2012 - 3 C 16.11 - juris Rn. 18) erst ein, wenn die Anhörung nachträglich ordnungsgemäß durchgeführt und ihre Funktion für den Entscheidungsprozess der Behörde uneingeschränkt erreicht wird. Diese Funktion besteht nicht allein darin, dass der Betroffene seine Einwendungen vorbringen kann und diese von der Behörde zur Kenntnis genommen werden, sondern schließt vielmehr ein, dass die Behörde ein etwaiges Vorbringen bei ihrer Entscheidung in Erwägung zieht. Dementsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht Äußerungen und Stellungnahmen von Beteiligten in gerichtlichen Verfahren als solche zur Heilung einer zunächst unterbliebenen Anhörung nicht ausreichen lassen. Eine funktionsgerecht nachgeholte Anhörung setzt vielmehr voraus, dass sich die Behörde nicht darauf beschränkt, die einmal getroffene Sachentscheidung zu verteidigen, sondern dass sie das Vorbringen des Betroffenen erkennbar zum Anlass nimmt, die Entscheidung kritisch zu überdenken (BayVGH, U.v. 1.6.2017 - 20 B 16.2241 - juris Rn. 31 m.w.N.).
38
Unter Anwendung vorgenannter Grundsätze hat das Landratsamt hier die Anhörung des Klägers betreffend den PKW-Anhänger ordnungsgemäß nachgeholt, da dem Kläger diesbezüglich mit Schreiben vom 20. Oktober 2020 während des gerichtlichen Verfahrens Gelegenheit zur Stellungnahme gewährt wurde, welche der Kläger jedoch nicht wahrnahm.
39
b) Die Anordnung zur Entfernung und Entsorgung der abgelagerten Abfälle in Ziffer 1 ist auch in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden, da sie auch unter Beachtung des nunmehr erfolgten Vortrags des Klägers ermessenfehlerfrei und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf Art. 31 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 BayAbfG in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. August 1996 (GVBl 1996, 396) - im Folgenden: BayAbfG a.F. - gestützt werden konnte. Der maßgebliche Zeitpunkt für die gerichtliche Beurteilung der Rechtmäßigkeit ist nach dem anwendbaren materiellen Recht (BVerwG, U.v. 29.5.2018 - 7 C 34.15 - juris Rn. 19) aufgrund des Vorliegens einer Anfechtungsklage gegen eine abfallrechtliche Entsorgungsanordnung grundsätzlich derjenige der letzten Behördenentscheidung (BVerwG, U.v. 8.7.2020 - 7 C 19.18 - juris Rn. 16; Riese in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juli 2020, § 113 Rn. 152), so dass Art. 31 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 BayAbfG in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung Anwendung findet. Zu berücksichtigen ist allerdings auch, wenn der rechtswidrige Zustand i.S.d. Art. 31 Abs. 1 BayAbfG a.F. im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung wegen einer Sachlagen- oder Rechtsänderung nicht mehr besteht.
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aa) Das Landratsamt hat die Regelung in Ziffer 1 zu Recht auf Art. 31 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 BayAbfG a.F. gestützt, es ist auch nicht zu beanstanden, dass das Landratsamt die Regelung in Ziffer 1 des angegriffenen Bescheids ergänzend auf § 62 KrWG i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 KrWG stützt. Die vom Kläger auf dem Grundstück Fl.Nr. 79 der Gemarkung R* … gelagerten und im Bescheid aufgeführten Gegenstände unterfallen auch dem Abfallbegriff des § 3 Abs. 1 KrWG. Zur Begründung sei auf die Gründe des Gerichtsbescheids vom 7. Dezember 2020 verwiesen.
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Eine Abweichung von diesem Ergebnis vermag auch der nunmehr erfolgte Vortrag des Klägers nicht zu begründen. Zwar hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, auf den dem Gericht vorab übersandten Lichtbildern, die illegale Mülldeponien auf anderen Grundstücken im unmittelbaren Umkreis seines Grundstücks zeigten, sei ersichtlich, dass sein Grundstück (Bilder Nr. 17 und 18) das Ordentlichste sei. Für das Gericht ist jedoch schon nicht erkennbar, an welchen Orten und zu welchem Zeitpunkt die Bilder aufgenommen wurden, da die Bilder nicht mit dahingehenden Vermerken versehen sind. Wenn man davon ausgeht, dass Bild Nr. 17 und 18 (S. 9 unten und S. 10 oben) der klägerischen E-Mail vom 11. April 2021 das Grundstück des Klägers zeigen, ist hierzu auszuführen, dass diese Lichtbilder schon nicht die Stelle auf dem Grundstück zeigen, an der die streitgegenständlichen Gegenstände ausweislich der bei den Ortseinsichten am 12. April 2019, 24. Juli 2019 und 27. September 2019 gefertigten Lichtbilder (Bl. 1 bis 2, Bl. 4 bis 5 und Bl. 7 bis 8 der Akte) festgestellt wurden. Selbiges gilt, wenn man davon ausgeht, dass die Bilder auf S. 17 und 18 der klägerischen E-Mail vom 11. April 2021 das Grundstück des Klägers zeigen. Darüber hinaus bleibt auch unklar, ob es sich bei dem auf den vorgenannten Lichtbildern abgebildeten Grundstück überhaupt um das Grundstück des Klägers handelt. Jedenfalls die vorliegend streitbefangenen Gegenstände sind auf keinem der vorgenannten Lichtbilder erkennbar: Ein braun/grauer Citroen 2CV, ein PKW-Anhänger, beschädigte Blumentöpfe bzw. Plastikeimer und das bei den Ortseinsichten festgestellte Altholz (Bl. 1, 5 und 8 der Akte) sind darauf nicht zu sehen. Zwar sind auf den Lichtbildern auf S. 17 oben und 18 oben der E-Mail vom 11. April 2021 Reifen verschiedener Fortbewegungsmittel erkennbar, die als Beschwerung von Abdeckplanen dienen, der Kläger hat diesbezüglich jedoch nicht einmal vorgetragen, dass er mit den Altreifen einen neuen Zweck verfolge oder dass es sich überhaupt um die streitbefangenen Altreifen handele.
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bb) Wie aus den Ausführungen im Gerichtsbescheid im vorliegenden Verfahren vom 7. Dezember 2020 hervorgeht, liegen auch die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 31 Abs. 2 BayAbfG im Übrigen vor. Der Kläger ist insbesondere als Abfallbesitzer (§ 3 Abs. 9 KrWG) gemäß Art. 31 Abs. 1 BayAbfG a.F. zur Beseitigung des rechtswidrigen Zustands verpflichtet, der durch die Ablagerung von Abfällen in unzulässiger Weise entstanden ist.
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cc) Die behördlichen Erkenntnisse sind auch unter Berücksichtigung des nunmehr erfolgten Vortrags des Klägers verwertbar.
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Zwar hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, der Sachbearbeiter des Landratsamts habe mehrfach sein Grundstück betreten, obwohl er ihm dies telefonisch nach der ersten Ortseinsicht verboten habe. Auf seinem Grundstück seien auch Verbotsschilder aufgestellt, die das Betreten ausdrücklich verböten. Der Sachbearbeiter habe auch die Tür einer Holzlege geöffnet und das darin befindliche Holz besichtigt. Trotz dieser Ausführungen liegt das vom Kläger behauptete Betretungsverbot nicht vor. Auf dem Grundstück befindliche Verbotsschilder können zwar möglicherweise als konkludentes Betretungsverbot anzusehen sein, solche Schilder sind auf den in der Gerichts- und Behördenakte befindlichen Lichtbildern jedoch ebenso wenig erkennbar wie eine Umfriedung des Grundstücks nach allen Seiten hin. Dass der Kläger nunmehr zudem geltend macht, er habe nach der ersten Ortseinsicht dem Sachbearbeiter das weitere Betreten des Grundstücks verboten, erscheint deshalb als zweifelhaft, da im diesbezüglichen Vermerk des Sachbearbeiters vom 25. April 2019 (Bl. 3 der Akte) von einem ausgesprochenen Betretungsverbot nicht die Rede ist.
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Ob eine konkludent erteilte Betretungserlaubnis vorliegt, kann jedoch offenbleiben, da sich die Berechtigung zum Betreten des Grundstücks und eine damit korrespondierende Duldungspflicht des Klägers jedenfalls aus § 47 Abs. 3 Satz 2 KrWG ergibt. Danach hat der Kläger als Besitzer der Abfälle und somit als gemäß § 47 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 KrWG zur Auskunft verpflichtete Person den Bediensteten des zuständigen Landratsamts das Betreten des Grundstücks zur Prüfung der Einhaltung seiner Verpflichtungen zur Verwertung (§ 7 Abs. 2 KrWG) bzw. Beseitigung (§ 15 Abs. 1 Satz 1 KrWG) zu gestatten. Aus dieser Gestattungspflicht ergibt sich im Umkehrschluss die entsprechende Eingriffsermächtigung der zuständigen Behörde und nicht bloß die Berechtigung, das Betretungsrecht einzufordern (vgl. VG München, U.v. 30.8.2016 - M 17 K 15.3371 - juris Rn. 50; VG Gelsenkirchen, B.v. 30.1.2008 - 14 L 1330/07 - juris Rn. 39; Beckmann in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: Februar 2020, § 47 KrWG Rn. 62). Ein etwaiges vom Kläger ausgesprochenes Betretungsverbot hätte nur zivilrechtliche Bedeutung und ließe die durch das öffentliche Recht geregelte hoheitliche Befugnis der zuständigen Amtsträger des Landratsamtes unberührt. Eine nicht von § 47 Abs. 3 Satz 2 KrWG erfasste Durchsuchung des Grundstücks lag auch unter Berücksichtigung des Vortrags des Klägers in der mündlichen Verhandlung nicht vor, da die abgelagerten sperrigen Gegenstände ausweislich der vorgelegten Lichtbilder (Bl. 1 bis 2, Bl. 4 bis 5 und Bl. 7 bis 8 der Akte) bei Betreten des Grundstücks ohne weiteres erkennbar gewesen sein dürften, mithin keine zielgerichtete Suche nach diesen erforderlich war. Dies hat der Kläger auch nicht vorgetragen. Auf keinem der in der Gerichts- und Behördenakte befindlichen Lichtbilder ist ersichtlich, dass das Grundstück nicht einsehbar wäre. Soweit der Kläger ausführt, der Sachbearbeiter habe auch eine Holzlege geöffnet und das darin befindliche Holz besichtigt, erscheint insoweit die Annahme einer zielgerichteten Suche zwar grundsätzlich denkbar, zumal auf den in der Akte befindlichen Lichtbildern (Bl. 2 oben der Akte) die Tür eines Holzschuppens tatsächlich erkennbar ist. Allerdings spricht hiergegen, dass bei den Ortseinsichten nur Bilder vom Außenbereich des Grundstücks gefertigt wurden und auf den in der Akte befindlichen Lichtbildern (Bl. 1, 5 und 8 der Akte) insbesondere erkennbar ist, dass das vorliegend streitbefangene Altholz offen zugänglich unter dem Vorsprung des Holzschuppens lagerte. Für die Feststellung der vorliegend streitbefangenen Gegenstände auf dem Grundstück des Klägers war eine zielgerichtete Suche damit nicht erforderlich. Entgegen der Ansicht des Klägers ist das Betreten des Grundstücks vorliegend auch nicht wegen einer „Lappalie“ unverhältnismäßig. Zweck des Betretungsrechts ist die Ermöglichung einer effektiven Überwachung, da sich die Behörde häufig erst durch Vor-Ort-Ermittlungen ein Bild von der Beachtung von Pflichten machen kann (Klein in Jarass/Petersen, KrWG, 1. Aufl. 2014, § 47 Rn. 22). Die Gefahrenträchtigkeit der abgelagerten Gegenstände ist vor deren Begutachtung nur schwer ersichtlich, im Übrigen weist das Gericht darauf hin, dass bei der Ortseinsicht mit dem Altholz schließlich sogar gefährliche Abfälle festgestellt werden konnten.
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Entgegen der Auffassung des Klägers ist eine Verfassungswidrigkeit der Befugnisnorm des § 47 Abs. 3 Satz 2 KrWG nicht ersichtlich. Insbesondere handelt es sich im vorliegenden Fall nicht um ein Betreten von Wohnräumen, für das strengere Anforderungen anzulegen sind (§ 47 Abs. 3 Satz 3 und 4 KrWG, Art. 13 Abs. 1 GG). Art. 13 Abs. 1 GG schützt den räumlich gegenständlichen Bereich der Privatsphäre, unter den Tatbestand der Wohnung fallen alle Räume, die der allgemeinen Zugänglichkeit durch eine räumliche Abschirmung entzogen und zur Stätte privaten Lebens und Wirkens gemacht sind (Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 15. Aufl. 2018, Art. 13 Rn. 4). Die räumliche Privatsphäre muss als solche nach außen erkennbar sein. Im vorliegenden Fall ist für das Gericht auf den in der Gerichts- und Behördenakte befindlichen Lichtbildern eine Umfriedung des Bereichs, in dem die abgelagerten Gegenstände festgestellt werden konnten, nicht ersichtlich, dies hat der Kläger auch nicht vorgetragen. Der Kläger hat hierzu nur erklärt, auf seinem Grundstück seien Verbotsschilder aufgestellt, welche das Betreten ausdrücklich verböten. Durch bloße Verbotsschilder gegen das Betreten geschützte Privatflächen sind jedoch nicht dem Wohnbereich zuzuordnen (vgl. Kluckert in Beck´scher Onlinekommentar Grundgesetz, Stand 15. Februar 2021, Art. 13 Rn. 2). Damit konnte das Betretungsrecht rechtmäßig auf § 47 Abs. 3 Satz 2 KrWG gestützt werden, so dass ein Beweisverwertungsverbot nicht in Betracht kommt.
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dd) Die Aufforderung des Landratsamts, die gelagerten Gegenstände ordnungsgemäß zu entsorgen, ist frei von Ermessensfehlern (vgl. § 114 Satz 1 VwGO) und nicht unverhältnismäßig. Es bestehen auch keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Störerauswahl. Zur Begründung verweist das Gericht erneut auf die Gründe des Gerichtsbescheids vom 7. Dezember 2020.
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An dieser Einschätzung vermag auch der Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung nichts zu ändern. Zwar hat der Kläger in der bereits genannten E-Mail vom 11. April 2021 Lichtbilder übersandt, die nach seiner Ansicht illegale Mülldeponien auf anderen Grundstücken im unmittelbaren Umkreis seines Grundstücks zeigen und hierzu vorgetragen, sein Grundstück sei das ordentlichste von allen. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist jedoch allein die gegen den Kläger gerichtete Anordnung zur Entfernung und Entsorgung der auf dem Grundstück Fl.Nr. 79 der Gemarkung R* … gelagerten Gegenstände, nicht jedoch die Frage, ob das Landratsamt abfallrechtliche Anordnungen gegen sonstige im Umkreis des Klägers wohnhafte Verantwortliche hätte erlassen müssen. Art. 3 Abs. 1 GG gewährt keine Gleichheit im Unrecht (vgl. BVerwG, U.v. 26.2.1993 - 8 C 20/92 - juris Rn. 14; BVerfG, B.v. 9.10.2000 - 1 BvR 1627/95 - juris Rn. 52). Etwas anderes kann zwar gelten, wenn der Staat nicht selektiv Unrecht begangen, sondern selektiv Unrecht beseitigt hat (vgl. Kischel in Beck´scher Onlinekommentar Grundgesetz, Stand 15. Februar 2021, Art. 3 Rn. 115.2) oder eine Verletzung des Willkürverbots vorliegt (vgl. Wollenschläger in von Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 218). Allerdings ist für das Gericht anhand der vom Kläger vorgelegten Lichtbilder in der E-Mail vom 11. April 2021 schon nicht erkennbar, wo und wann diese Aufnahmen entstanden sind, so dass bereits ein substantiierter Vortrag des Klägers fehlt. Jedenfalls sprechen im Bereich des Ermessens sachgerechte Gründe für ein Einschreiten gegen den Zustand auf dem klägerischen Grundstück auch im Vergleich zu den auf den vorgelegten Lichtbildern erkennbaren Verhältnissen. Ausweislich der von dem Beklagten vorgelegten Lichtbilder (Bl. 1, 2, 5, 7 und 8 der Akte) besteht ein qualitativ unterschiedliches Ausmaß des Rechtsverstoßes, zumal sich unter den vom Kläger abgelagerten Gegenständen mit dem Altholz teilweise auch gefährlicher Abfall im Sinne des § 3 Abs. 5 KrWG befindet.
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c) Auch im Übrigen ist der Bescheid vom 17. Oktober 2019 rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Zur Begründung verweist das Gericht wiederum auf den Gerichtsbescheid vom 7. Dezember 2020 (§ 84 Abs. 4 VwGO).
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11 und 711 ZPO.