Titel:
Nutzungsuntersagung für zu kleine Doppelzimmer eines Pflegeheims
Normenketten:
BayPfleWoqG Art. 13, Art. 15
AVPfleWoqG § 4 Abs. 2, § 50 Abs. 1 S. 2
Leitsatz:
Unterschreitet der Wohn-Schlaf-Raum eines Doppelzimmers in einem Pflegeheim die Mindestgröße von 20m², rechtfertigt dies die Anordnung, die Zimmer zukünftig nur als Einzelzimmer zu nutzen. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Mangel, Mindestgröße von Doppelzimmern, Nutzungsuntersagung, Bewohnerliste, fehlendes Entgegenstehen eines verbeschiedenen Befreiungsantrags, Ermessensfehler, Pflegeheim, Doppelzimmer, Mindestgröße, Befreiungsantrag
Fundstelle:
BeckRS 2021, 40102
Tenor
I. Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich der Nutzungsuntersagung der Einzelzimmer mit den Nummern 610 und 611 und der Vorlage darauf bezogener Bewohnerlisten sowie hinsichtlich der Verpflichtung zur Benennung eines Ausweichraumes übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten über eine Anordnung zur Mängelbeseitigung wegen Abweichungen von den für Alten- und Pflegeheime gesetzlich vorgeschriebenen baulichen Mindestanforderungen.
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Die Klägerin ist die Trägerin der stationären Einrichtung „*“. Das Gebäude, in dem die Einrichtung betrieben wird, setzt sich aus zwei Teilen zusammen, einem im Folgenden als „Altbau“ bezeichneten Gebäude sowie einem zum * 1999 in Betrieb genommenen „Neubau“. Der Neubau dient als Bettentrakt, der Altbau enthält Funktionsräume wie etwa den Speisesaal sowie Büro- und Therapieräume. Die streitgegenständlichen Bewohnerzimmer befinden sich im Neubau, den die Klägerin aufgrund eines Pachtvertrages bis zum 30. September 2030 nutzen möchte. Dabei handelt es sich um insgesamt 32 bislang als Doppelzimmer genutzte Räume mit den Nummern 404, 405, 406, 408, 410, 412, 413, 414, 415, 416, 419, 420, 421, 422, 423, 426, 504, 505, 506, 508, 510, 512, 513, 514, 515, 516, 519, 520, 521, 522, 523, 526 sowie um zwei bislang als Einzelzimmer genutzte Räume mit den Nummern 610 und 611.
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Am 14. Juni 2013 führte die Fachstelle für Pflege- und Behinderteneinrichtungen - Qualitätsentwicklung und Aufsicht - des Landratsamtes * (im Folgenden: FQA) Begehungen der klägerischen Einrichtung durch, deren Ergebnisse sie der Klägerin mit Schreiben vom 24. Juni 2013 mitteilte. Unter anderem wies die FQA darauf hin, dass sämtliche Einzelzimmer die erforderliche Größe aufwiesen, die Nutzung der Zimmer mit 16,58 m2 als Doppelzimmer indes nicht den gesetzlichen Anforderungen entspreche. Diese müssten eine Mindestgröße von 20 m2 ohne Vorraum aufweisen. Die Klägerin nahm daraufhin die fünfjährige Angleichungsfrist bis zum 31. August 2016 in Anspruch.
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Mit Antrag vom 29. August 2016 begehrte die Klägerin Befreiungen aus technischen bzw. wirtschaftlichen Gründen, hilfsweise die maximale Verlängerung der Angleichungsfrist bis 31. August 2036.
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Am 25. Oktober 2016 führte die FQA eine erneute Begehung der klägerischen Einrichtung durch. In einem Aktenvermerk hielt sie fest, dass die Größe nahezu aller Zimmer 16,6 m2 betrage und die Zimmer 610 bzw. 611 mit 11,54 m2 unterhalb der Toleranz für ein Einzelzimmer lägen.
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In einem Gesprächsprotokoll vom 22. Dezember 2016 über eine ohne die Klägerin erfolgte Besprechung verschiedener Stellen zur Abstimmung bezüglich des Brandschutzes, der baulichen Mindestanforderungen und des Arbeitsschutzes in der klägerischen Einrichtung wurde seitens der FQA zunächst dargestellt, welche baulichen Mindestanforderungen nicht erfüllt seien. Die FQA werde eine Fristverlängerung zur Angleichung der baulichen Mindestanforderungen gewähren. Sie werde zeitnah einen Bescheid zu den baulichen Mindestanforderungen erlassen. Dies erzeuge Handlungsdruck, da 34 Bewohnerplätze wegfallen würden und dem Betreiber erhebliche Einnahmen verloren gingen.
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Mit Bescheid vom 12. Mai 2017 ordnete das Landratsamt * an, dass die bisher als Doppelzimmer genutzten 32 Räume nach dem Ableben oder dem Auszug eines Bewohners künftig ausschließlich als Einzelzimmer genutzt werden dürften (Nr. 1 des Bescheides) und dass die beiden bisher als Einzelzimmer genutzten Räume nach dem Ableben oder dem Auszug ihres Bewohners nicht mehr als Bewohnerzimmer genutzt werden dürften (Nr. 2 des Bescheides). Weiter wurde angeordnet, dass die Klägerin dem Beklagten monatlich eine Bewohnerliste, eine Liste über die Auszüge bzw. Sterbefälle sowie einen Nachweis der aktuellen Belegung der genannten Zimmer vorzulegen (Nr. 3 des Bescheides) und bis zum 31. August 2017 einen Ausweichraum zu benennen habe, der die Anforderungen an einen Wohnplatz erfülle (Nr. 4 des Bescheides). Nach den gesetzlichen Vorgaben müssten Wohn-Schlaf-Räume für Einzelpersonen eine Wohnfläche von 14 m2 und bei Doppelbelegung eine Wohnfläche von 20 m2 aufweisen. Diese Größen würden nicht erreicht. Die künftig als Einzelzimmer und bislang als Doppelzimmer genutzten Räume wiesen lediglich eine Fläche von 16,58 m2 auf. Die Einzelzimmer, die künftig nicht mehr als Bewohnerzimmer genutzt werden dürften, wiesen eine Fläche von 11,54 m2 auf. Auch sei ein Ausweichraum nicht vorhanden. Mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen habe keine Befreiung von den gesetzlichen Vorgaben gewährt werden können. Die für Bestandsbauten geltende Angleichungsfrist sei ebenfalls abgelaufen. Eine Fristverlängerung habe nicht gewährt werden können. Soweit sich die Klägerin auf das Bewohnerinteresse an preisgünstiger Pflege berufe, sei festzustellen, dass die Entgelte für Pflege in der klägerischen Einrichtung nicht günstiger seien als in Einrichtungen, die die Zimmergrößen einhielten. Soweit daneben auf die Sicherung von Arbeitsplätzen verwiesen werde, könnten Arbeitsplätze ohne betriebsbedingte Kündigungen abgebaut werden. Es komme auch keine Hinzurechnung des Vorraums in Betracht. Zwar könne die Schrankfläche eines Vorraums zu der tatsächlichen Wohnfläche hinzugerechnet werden, wenn dadurch die gesetzliche Größe von 20 m2 erreicht werde. Dies sei indes nicht der Fall. Die Doppelzimmer wiesen eine Fläche von 16,58 m2 auf; bei Hinzurechnung der Schrankfläche würden sie lediglich 18,066 m2 erreichen. Bei den Einzelzimmern sei bereits aufgrund der Möblierung eine Hinzurechnung nicht möglich.
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Hiergegen legte die Klägerin am 19. Mai 2017 Widerspruch ein.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Juni 2018 wies die Regierung von * den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Die im Bescheid benannten Zimmer erfüllten nicht die gesetzlichen Größenanforderungen.
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Hiergegen erhob die Klägerin am 6. Juli 2018 Klage. Sie beantragt,
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den Bescheid des Landratsamts * vom 12. Mai 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von * vom 14. Juni 2018 aufzuheben.
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Der Bescheid sei ohne die gesetzlich vorgeschriebene Beteiligung der Kostenträger erlassen worden. Auch sei die gesetzlich vorgeschriebene Beratung mit den betroffenen Kostenträgern unterblieben. Zudem fehle es an der gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzung des Mangels. Ein Mangel scheide bereits wegen des Antrags der Klägerin vom 29. August 2016 aus, der zu einer vorläufigen Befreiung führe. Im Übrigen entsprächen die streitgegenständlichen Bewohnerzimmer den gesetzlichen Vorgaben. Insoweit sei der Wohn-Schlaf-Raum u.a. nach der Verordnung zur Berechnung der Wohnfläche (Wohnflächenverordnung - WoFlV) zu berechnen, wobei die Grundflächen durch die lichten Maße zwischen den Bauteilen zu ermitteln seien. Die einschränkende Regelung in § 4 Abs. 2 Satz 2 AVPfleWoqG beziehe sich nicht auf den Wohn-Schlaf-Raum, sondern auf den Wohnplatz. Zudem müsse im Rahmen der Wohnflächenermittlung qualitativ berücksichtigt werden, dass den streitgegenständlichen Flächen im Eingangsbereich eine wichtige Bedeutung für die Privat- und Intimsphäre der Bewohnerinnen und Bewohner zukomme. Es fehle ferner an einem Anordnungsgrund im Sinne des Gesetzes. Der Bescheid sei entgegen der gesetzlichen Vorgaben nicht in Übereinstimmung mit den Vereinbarungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) ausgestaltet, da er auf eine Reduzierung der Bettenzahl abziele. Schließlich sei der Bescheid Ermessensfehlern geschuldet. Der Beklagte habe den Bescheid einerseits aus Verärgerung über die Anträge der Klägerin vom 29. August 2016, andererseits zur Ausübung von Druck auf den Eigentümer des Altbaus erlassen. Der Bescheid sei auch unverhältnismäßig, da der Beklagte als milderes Mittel zunächst den Ausgang des gerichtlichen Verfahrens zu den Angleichungsfristen bzw. Befreiungen (Au 3 K 18.896) habe abwarten und zudem eine qualifizierte Beratung zusammen mit den Kostenträgern habe vornehmen müssen. Hinsichtlich der Nr. 3 und 4 des angefochtenen Bescheids fehle es bereits an einer Ermächtigungsgrundlage.
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Der Beklagte beantragt,
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Die Information der Kostenträger sei erfolgt, die im Bescheid angewandten Maßstäbe seien im Einvernehmen mit den Kostenträgern erlassen worden. Im Übrigen komme den Vorschriften zur Herstellung des Einvernehmens kein Drittschutz zu. Seitens des Beklagten habe während der Begehungen in der klägerischen Einrichtung auch eine Beratung stattgefunden. Hinweise auf zu behebende bauliche Mängel seien schriftlich erfolgt. Unzutreffend sei der Vorwurf, der Beklagte habe den Bescheid aus Verärgerung erlassen. Die Sachverhalte seien seit dem 14. Juni 2013 bekannt. Seitdem sei der Klägerin kommuniziert worden, dass für sie die Pflicht bestünde, Anpassungen an die neue Rechtslage vorzunehmen.
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Am 18. August 2021 nahm der Berichterstatter die streitgegenständliche Einrichtung in Augenschein. Hierbei benannte die Klägerin das Zimmer Nr. 506 als Ausweichraum. Auf das Protokoll und die gefertigten Lichtbilder wird verwiesen. Mit Erklärung gleichen Datums haben die Beteiligten übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.
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Mit Bescheid vom 26. Oktober 2021 hob der Beklagte die mit Bescheid vom 12. Mai 2017 ausgesprochene Nutzungsuntersagung der beiden als Einzelzimmer genutzten Räume auf und gestattete die weitere Nutzung als Einzelzimmer. Insoweit hat der Beklagte auch die in Nr. 3 des Bescheids vom 12. Mai 2017 angeordnete Verpflichtung aufgehoben, als sie sich auf diese beiden Räume bezieht. Ferner hat der Beklagte darauf hingewiesen, dass der gemäß Nr. 4 des Bescheids vom 12. Mai 2017 zu benennende Ausweichraum seit dem 18. August 2021 eindeutig definiert und die Anforderung damit erfüllt sei.
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Soweit der Bescheid vom 12. Mai 2017 zu ihren Gunsten geändert wurde, erklärte die Klägerin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Der Beklagte hatte der Erledigungserklärung bereits vorab zugestimmt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
Entscheidungsgründe
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A) Hinsichtlich der Verpflichtung zur Benennung eines Ausweichraums sowie der Nutzungsuntersagung der Einzelzimmer und der Vorlage darauf bezogener Bewohnerlisten war das Verfahren analog § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt haben.
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B) Im Übrigen ist die Klage, über die die Kammer mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO), zulässig, aber nicht begründet. Der angegriffene Bescheid des Landratsamts * vom 12. Mai 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von * vom 14. Juni 2018 ist - soweit er nicht durch Bescheid des Landratsamts * vom 26. Oktober 2021 aufgehoben wurde - rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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I. Die in Nummer 1 des angefochtenen Bescheids ausgesprochene Nutzungsuntersagung begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
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1. Rechtsgrundlage des angegriffenen Bescheids des Beklagten ist Art. 13 Abs. 1 Satz 1 PfleWoqG. Es handelt sich insoweit nicht um eine Untersagung des Betriebs nach Art. 15 PfleWoqG, da der Klägerin der Betrieb weder ganz noch in bestimmten Teilen untersagt, sondern lediglich eine geringere Zimmerbelegung mit entsprechenden Nachweispflichten angeordnet wird.
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2. Die Anordnung ist formell rechtmäßig. Auf das Einvernehmen mit dem Träger der Sozialhilfe nach Art. 13 Abs. 3 Satz 2 PfleWoqG sowie auf die von der Klägerin vorgetragene fehlende Übereinstimmung mit Vereinbarungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch gem. Art. 13 Abs. 3 Satz 1 PfleWoqG kommt es nicht an, da diese Vorschriften keinen Drittschutz zugunsten der Klägerin entfalten. Das gilt auch für die Beteiligung der in Art. 12 Abs. 4 PfleWoqG genannten Stellen.
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3. Die Anordnung ist auch materiell rechtmäßig.
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a) Die streitgegenständlichen Zimmer weisen einen Mangel i.S.d. Art. 13 Abs. 1 Satz 1 PfleWoqG auf.
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Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 AVPfleWoqG muss der Wohnplatz für zwei Personen mindestens einen Wohn-Schlaf-Raum mit einer Wohnfläche von 20 m2 umfassen. Hierbei nicht enthalten sind ein zugehöriger Sanitärraum sowie ein etwaiger Vorraum, auch wenn er nicht baulich abgetrennt ist (§ 4 Abs. 2 Satz 2 AVPfleWoqG). Diese Größenvorgabe wird von den streitgegenständlichen Zimmern nicht erreicht. Ausweislich des von der Klägerin vorgelegten Grundrisses und den im Ortstermin vom 18. August 2021 vorgenommenen Messungen ergibt sich für die streitgegenständlichen Zimmer lediglich eine Fläche von 16,5 m2. Dabei ist der Bereich zwischen dem Eingang des Zimmers und der Schnittkante des Sanitärraums als Vorraum i.S.d. § 4 Abs. 2 Satz 2 AVPfleWoqG anzusehen, der in die gesetzlich geforderte Mindestgröße ausdrücklich nicht einzurechnen ist. Entlang der Längsseite des Sanitärraums befindet sich nur ein Korridor mit einer Breite von 1,85 Metern, der nach 2,39 Metern in den übrigen Raum mündet. Dieser Korridor ist bereits aufgrund seiner geringen Größe, seines Zuschnitts und seiner Lage nicht dazu geeignet, um hier wesentliche Tätigkeiten zu verrichten und so als Teil des Hauptraums zu erscheinen. Vielmehr dient er bei lebensnaher Betrachtung als Durchgangsbereich zwischen der Eingangstüre und dem hinter dem Sanitärraum beginnenden Wohnbereich, der nicht zuletzt aufgrund seiner Möblierung den Schwerpunkt des tatsächlichen Aufenthaltes im Raum bildet. Der streitgegenständliche Bereich hat demgegenüber - für Vorräume typisch - die Funktion einer Bewegungsfläche vor dem Sanitärraum bzw. einer Flur- und Schrankfläche. Das Gericht orientiert sich insoweit an dem Verständnis des Begriffs „Vorraum“, das in den Ausführungen der Obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern für Bau und Verkehr (Bl. 171 ff. d.A. in dem Verfahren Au 3 K 18.896) sowie in dem vergleichbaren § 3 Abs. 3 Satz 2 LHeimBauVO BW zum Ausdruck kommt.
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Soweit die Klägerin annimmt, dass sich § 4 Abs. 2 Satz 2 AVPfleWoqG nicht auf den Wohn-Schlaf-Raum in § 4 Abs. 2 Satz 1 AVPfleWoqG und die Wohnflächenberechnung, sondern auf den Wohnplatz beziehe, überzeugt dies nicht. Satz 2 bezieht sich auf die Mindestgröße eines Wohn-Schlaf-Raums, nicht aber auf die Größe eines Wohnplatzes, zu dem auch ein zugehöriger Sanitärraum und ein etwaiger Vorraum zu rechnen sind.
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Die streitgegenständlichen Zimmer erfüllen auch nicht etwa deshalb die gesetzlichen Mindestanforderungen, weil im Rahmen der Wohnflächenermittlung qualitativ berücksichtigt werden müsste, dass dem Vorraum eine wichtige Bedeutung für die Privat- und Intimsphäre der Bewohnerinnen und Bewohner zukommt. § 4 Abs. 2 Satz 2 AVPfleWoqG schließt die Berücksichtigung eines Vorraums unabhängig von dessen qualitativen Auswirkungen ausdrücklich aus.
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b) Der Pflicht zur Behebung des festgestellten Mangels steht § 50 Abs. 1 Satz 2 AVPfleWoqG nicht entgegen. Zwar hatte die Klägerin zunächst einen Antrag auf Befreiung gestellt und war daher von ihrer Angleichungsverpflichtung bis zur Entscheidung über ihren Antrag zunächst vorläufig befreit. Der Antrag wurde jedoch am 10. Mai 2017, mithin zwei Tage vor dem Erlass des hier angefochtenen Bescheides vom 12. Mai 2017, abgelehnt, so dass zu diesem Zeitpunkt keine vorläufige Befreiung mehr vorlag. Soweit in der Begründung zu § 50 Abs. 1 Satz 2 AVPfleWoqG auf eine bestands- bzw. rechtskräftige Entscheidung abgestellt wird, steht dies im Widerspruch zum klaren Wortlaut der Verordnung, der nur auf die Entscheidung der Behörde als solche abstellt. Für eine einschränkende Auslegung ist angesichts des eindeutigen Wortlauts von § 50 Abs. 1 Satz 2 AVPfleWoqG, in dem die in der Begründung genannte Einschränkung keinen Niederschlag gefunden hat, kein Raum.
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c) Durch das Unterschreiten der Mindestgröße ist der Anordnungsgrund der drohenden Beeinträchtigung des Wohls der Bewohnerinnen und Bewohner gegeben.
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d) Ermessensfehler liegen nicht vor. Soweit die Klägerin pauschal und ohne konkrete Nachweise einwendet, der Beklagte habe den Bescheid aus bloßer Verärgerung erlassen, handelt es sich um eine unsubstantiierte Behauptung. Sachfremde Erwägungen des Beklagten lassen sich auch unter Berücksichtigung des Gesprächs vom 22. Dezember 2016 nicht erkennen. Insoweit kann dahinstehen, inwieweit sich aus dem hierzu gefertigten Gesprächsvermerk tatsächlich die Absicht des Landratsamts ergibt, auf die Klägerin durch den Entzug von Plätzen Handlungsdruck auszuüben. Streitgegenstand ist der Bescheid des Landratsamts * vom 12. Mai 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von * vom 14. Juni 2018. Dass die Regierung von * sich bei der Ermessensausübung von der Absicht, Handlungsdruck zu erzeugen, hätte leiten lassen, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
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Daraus, dass der Beklagte Aspekte der angespannten Bedarfslage (zahlenmäßig ausreichende Pflegeinfrastruktur) und der Kostenlage (sozialverträgliche Entgelte für die gegenwärtigen und zukünftigen Bewohnerinnen und Bewohner sowie für die Gemeinschaft der Pflegeversicherten) nicht berücksichtigt haben soll, kann die Klägerin keine Rechte herleiten, da es sich insoweit um öffentliche bzw. Interessen Dritter handelt. Der Beklagte war auch nicht gehalten, als milderes Mittel zunächst das Verfahren Au 3 K 18.896 abzuwarten. Beide Verfahren sind inhaltlich so eng verknüpft, dass eine parallele Behandlung sachgerecht ist und Verzögerungen angemessen vermeidet.
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II. Die in Nr. 3 des angefochtenen Bescheides enthaltene Verpflichtung zur Vorlage einer Bewohnerliste, einer Liste über die Auszüge bzw. Sterbefälle in diesem Zeitraum sowie eines Nachweises der aktuellen Belegung der streitgegenständlichen Doppelzimmer ist als Anordnung zur Durchsetzung und Überwachung der in Nr. 1 angeordneten Mängelbeseitigung ebenfalls von Art. 13 Abs. 1 Satz 1 PfleWoqG erfasst. Zur Rechtmäßigkeit gilt das Vorstehende entsprechend.
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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war über die Kosten gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach billigem Ermessen zu entscheiden. Billigem Ermessen entsprach es vorliegend, der Klägerin trotz Abhilfe durch den Beklagten die Kosten auch für den insoweit erledigten Teil des Verfahrens aufzuerlegen. Dabei war entsprechend § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO zu berücksichtigen, dass die Abhilfe des Beklagten nur einen geringen Teil des Rechtsstreits erfasst hat und die Klägerin im Übrigen unterlegen ist.
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IV. Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.