Inhalt

VG Augsburg, Urteil v. 23.11.2021 – Au 3 K 18.896
Titel:

Erfolglose Klage auf Befreiung von baulichen Mindestanforderungen an Alten- und Pflegeheime

Normenkette:
BayAVPfleWoqG § 4 Abs. 2, § 10 Abs. 1 S. 2, § 50 Abs. 1 S. 1
Leitsätze:
1. Um prüfen zu können, ob die Einhaltung der baulichen Mindestanforderungen an Alten- und Pflegeheime tatsächlich wirtschaftlich unzumutbar ist, muss ein Vergleich der wirtschaftlichen Lage des Trägers vor und nach der Erfüllung der gesetzlichen Mindestvorgaben vorgenommen werden, wobei die Darlegungs- und Beweislast dem Träger obliegt. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Gewährung einer Angleichungsfrist kommt nur dann in Betracht, wenn bei deren Ablauf die gesetzlichen Anforderungen erreicht worden sein sollen und der Träger einen detaillierten Zeitplan vorgelegt hat, aus dem sich ergibt, welche Maßnahmen zur Angleichung er innerhalb welcher Frist durchführen will. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Befreiungen von baulichen Mindestanforderungen, Verlängerung der Angleichungsfrist, unsubstantiierter Vortrag zur wirtschaftlichen Unzumutbarkeit, Alten- und Pflegeheime, bauliche Mindestanforderungen, Befreiung, wirtschaftliche Unzumutbarkeit, Darlegungs- und Beweislast, Angleichungsfrist, Verlängerung
Fundstelle:
BeckRS 2021, 40100

Tenor

I. Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich der Zimmer mit den Nummern 610, 611 und 506 übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Klägerin begehrt hauptsächlich Befreiungen von baulichen Mindestanforderungen für Alten- und Pflegeheime, hilfsweise die Verlängerung der Frist zur Angleichung an einzelne bauliche Anforderungen.
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Die Klägerin ist die Trägerin der stationären Einrichtung „*“. Das Gebäude, in dem die Einrichtung betrieben wird, setzt sich aus zwei Teilen zusammen, einem im Folgenden als „Altbau“ bezeichneten Gebäude sowie einem zum * 1999 in Betrieb genommenen „Neubau“. Der Neubau dient als Bettentrakt, der Altbau enthält Funktionsräume wie etwa den Speisesaal sowie Büro- und Therapieräume. Die streitgegenständlichen Bewohnerzimmer befinden sich im Neubau, den die Klägerin aufgrund eines Pachtvertrages bis zum 30. September 2030 nutzen möchte. Dabei handelt es sich um insgesamt 32 bislang als Doppelzimmer genutzte Räume mit den Nummern 404, 405, 406, 408, 410, 412, 413, 414, 415, 416, 419, 420, 421, 422, 423, 426, 504, 505, 506, 508, 510, 512, 513, 514, 515, 516, 519, 520, 521, 522, 523, 526 sowie um zwei bislang als Einzelzimmer genutzte Räume mit den Nummern 610 und 611.
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Am 14. Juni 2013 führte die Fachstelle für Pflege- und Behinderteneinrichtungen - Qualitätsentwicklung und Aufsicht - des Landratsamtes * (im Folgenden: FQA) Begehungen der klägerischen Einrichtung durch, deren Ergebnisse sie der Klägerin mit Schreiben vom 24. Juni 2013 mitteilte. Unter anderem wies die FQA darauf hin, dass sämtliche Einzelzimmer die erforderliche Größe aufwiesen, die Nutzung der Zimmer mit 16,58 m2 als Doppelzimmer indes nicht den gesetzlichen Anforderungen entspreche. Diese müssten eine Mindestgröße von 20 m2 ohne Vorraum aufweisen. Die Klägerin nahm daraufhin die fünfjährige Angleichungsfrist bis zum 31. August 2016 in Anspruch.
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Mit Antrag vom 29. August 2016 begehrte die Klägerin Befreiungen aus technischen bzw. wirtschaftlichen Gründen, hilfsweise die maximale Verlängerung der Angleichungsfrist bis 31. August 2036.
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Am 25. Oktober 2016 führte die FQA eine erneute Begehung der klägerischen Einrichtung durch. In einem Aktenvermerk hielt sie fest, dass die Größe nahezu aller Zimmer 16,6 m2 betrage und die Zimmer 610 bzw. 611 mit 11,54 m2 unterhalb der Toleranz für ein Einzelzimmer lägen.
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In einem Gesprächsprotokoll vom 22. Dezember 2016 über eine ohne die Klägerin erfolgte Besprechung verschiedener Stellen zur Abstimmung bezüglich des Brandschutzes, der baulichen Mindestanforderungen und des Arbeitsschutzes in der klägerischen Einrichtung wurde seitens der FQA zunächst dargestellt, welche baulichen Mindestanforderungen nicht erfüllt seien. Die FQA werde eine Fristverlängerung zur Angleichung der baulichen Mindestanforderungen gewähren. Sie werde zeitnah einen Bescheid zu den baulichen Mindestanforderungen erlassen. Dies erzeuge Handlungsdruck, da 34 Bewohnerplätze wegfallen würden und dem Betreiber erhebliche Einnahmen verloren gingen.
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Nach Anhörung der Klägerin mit Schreiben vom 18. Januar 2017 lehnte das Landratsamt * mit Bescheid vom 10. Mai 2017 die beantragten Befreiungen insoweit ab, als sie sich auf die Nutzung der oben bezeichneten Räume als Doppelzimmer bzw. - hinsichtlich der Räume 610 und 611 - als Einzelzimmer bezogen. In diesen Räumen würden die gesetzlichen Anforderungen an den Mindest-Wohnraumbedarf (14 m2 für Einzel- und 20 m2 für Doppelzimmer) unterschritten. Eine Befreiung wegen technischer oder denkmalschutzrechtlicher Unmöglichkeit scheide hinsichtlich der eingeschränkten Nutzung eines Zimmers aus. Eine wirtschaftliche Unzumutbarkeit sei durch die Klägerin nicht qualifiziert dargelegt worden. Die (beschränkte) Nutzung der Räume bringe überdies keinen baulichen Aufwand für die Klägerin mit sich.
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Hiergegen legte die Klägerin am 17. Mai 2017 Widerspruch ein.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 25. April 2018 wies die Regierung von * den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Die bisherige Nutzung der streitgegenständlichen Zimmer sei zu versagen gewesen; eine Befreiung komme infolge einer Bewertung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege bei einer Unterschreitung von 12 m2 im Einzel- und 18 m2 im Doppelzimmer nicht in Betracht. In diesem Fall könne lediglich die Angleichungsfrist längstens bis zum Auszug eines Bewohners verlängert werden.
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Mit Bescheid vom 11. Mai 2017 lehnte das Landratsamt * zudem eine Verlängerung der Angleichungsfrist im Hinblick auf die oben bezeichneten Räume ab. Die Klägerin habe bis zum 31. August 2016 Gelegenheit gehabt, die baulichen Standards in ihrer Einrichtung auf den rechtlichen Stand zu bringen. Während dieser Frist seien keine Maßnahmen zur Angleichung an die baulichen Mindeststandards ergriffen worden. In ihrem Antrag vom 29. August 2016 habe die Klägerin für nahezu alle Tatbestände eine Verlängerung der Angleichungsfrist bzw. die Befreiung gefordert. Daraus sei zu schließen, dass die Klägerin nicht beabsichtige, Maßnahmen zu ergreifen, um in absehbarer Zeit die baulichen Mindestanforderungen zu erfüllen. Die behördliche Ermessensentscheidung zur Verlängerung der Angleichungsfristen setze einen qualifizierten Antrag mit entsprechender Darlegung, welcher Mangel bis zu welchem Zeitpunkt abgestellt werde bei entsprechender Begründung, warum dies bisher noch nicht erfolgt sei und aus welchen konkreten Umständen sich das beantragte Fristende aus Sicht des Trägers begründe, voraus. Hierzu gebe es bislang keine Aussagen der Klägerin. In dem Antrag werde vielmehr pauschal für nahezu alle Abweichungen von den gesetzlichen Anforderungen eine Verlängerung auf die maximale Angleichungsfrist bis zum 31. August 2036 und hilfsweise die Befreiung beantragt. Zudem lägen bereits die Tatbestandsvoraussetzungen nicht vor, da die Klägerin zu einer Vielzahl von Tatbeständen kein konkretes Datum als Verlängerungsfrist beantragt habe.
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Hiergegen legte die Klägerin am 17. Mai 2017 Widerspruch ein.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 26. April 2018 wies die Regierung von * den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Es fehle bereits an einem qualifizierten Antrag, da von der Klägerin pauschal zu einer Vielzahl von Tatbeständen kein konkretes Datum als Ende einer Verlängerungsfrist beantragt worden sei.
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Am 29. Mai 2018 erhob die Klägerin Klage. Sie beantragt,
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1. den Bescheid vom 10. Mai 2017 abzuändern und den Beklagten zu verpflichten, dem Antrag auf Befreiung von den Anforderungen des § 4 Abs. 2 AVPfleWoqG im Hinblick auf die weitere Nutzung der Räume mit den Nummern 404 bis 426, 504 bis 505, 508, 510, 512 bis 516, 519 bis 523 und 526 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entsprechen, hilfsweise eine Angleichungsfrist bis zum 30. September 2030 zu gewähren.
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2. den Bescheid vom 11. Mai 2017 aufzuheben, soweit der Antrag auf Verlängerung der Angleichungsfrist abgelehnt wurde.
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Die streitgegenständlichen Doppelzimmer wiesen eine Fläche von mehr als 20 m2 aus. Die mit der Klage angegriffenen Teile der streitbefangenen Bescheide zielten darauf ab, der Klägerin Plätze zu entziehen. Der Bescheid vom 10. Mai 2017 sei ermessensfehlerhaft. Dies folge zum einen aus dem Gesprächsprotokoll vom 22. Dezember 2016, woraus sich die sachfremde Erwägung ergebe, auf die Klägerin wirtschaftlichen Druck auszuüben. Zum anderen beruhe der Bescheid auf unzutreffendem Sachverhalt, weil die Widerspruchsbehörde - die von der Klägerin bestrittene Rechenmethode des Beklagten zugrunde gelegt - die Schrankflächen im Eingangsbereich der Bewohnerzimmer außer Acht lasse. Auch die Flächen der beiden Einzelzimmer überstiegen 14 m2. Die streitgegenständlichen Zimmer würden die gesetzlichen Vorgaben nach der von der Klägerin bestrittenen Ansicht der FQA lediglich deswegen nicht erfüllen, weil danach die Flächen im Eingangsbereich nicht hinzugerechnet werden könnten. Dies wiederum sei der Lage des Sanitärraums geschuldet, der eher zufällig an die Wand zum Flur hin angrenze. Befände sich der Sanitärraum an einer anderen Stelle und befände sich ein schmalerer Bereich außerhalb der an den Eingang angrenzenden Flächen, seien die Flächen im Eingangsbereich anrechenbar und die schmaleren, nunmehr außerhalb des Eingangsbereichs liegenden Flächen, zu berücksichtigen. Der aktuelle Zuschnitt der Bewohnerzimmer trage daher in gleichem Maße wie ein Alternativzuschnitt mit dem Bad im hinteren Teil des Zimmers den Bewohnerinteressen Rechnung. Im Übrigen gebe es keine Vorräume oder dergleichen in den Bewohnerzimmern. In § 4 Abs. 2 Satz 2 AVPfleWoqG stünden der „Sanitärraum“ und der „etwaige Vorraum“ gleichberechtigt nebeneinander. Der Sanitärraum sei ein nach allen Seiten durch Wände, Türen, Fenster etc. abgeschlossenes Gebilde. Folglich müsse es sich bei dem „etwaigen Vorraum“ ebenfalls um ein nach allen Seiten abgeschlossenes Gebilde handeln. Dies sei bei den streitgegenständlichen Bewohnerzimmern nicht der Fall. Dieser Sprachgebrauch liege überdies auf der Linie einiger Landesbauordnungen. Ermessensfehler ergäben sich auch daraus, dass der Beklagte den vom Verordnungsgeber vorgesehenen Ermessensbelangen namentlich der angespannten Bedarfslage (zahlenmäßig ausreichende Pflegeinfrastruktur) und der Kostenlage (sozialverträgliche Entgelte für die gegenwärtigen und zukünftigen Bewohnerinnen und Bewohner sowie für die Gemeinschaft der Pflegeversicherten) keine Beachtung geschenkt habe. Mit einzufließen habe das vom Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) verfolgte Interesse, Pflegeversicherte davor zu bewahren, Sozialhilfe in Anspruch nehmen zu müssen. Es seien zudem die Tatbestandsvoraussetzungen der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit erfüllt. Dies folge aus dem Vermerk und den diesem zugrundeliegenden Feststellungen des Beklagten vom 22. Dezember 2016. Danach habe der Beklagte berechnend und kalkulierend den Antrag der Klägerin abgelehnt, um auf diese wirtschaftlichen Druck auszuüben. Dies setze voraus, dass die Tatbestandsvoraussetzung der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit erfüllt sei. Auch habe die Klägerin den Beklagten in den Besprechungen im Winter/Frühjahr 2017 um Hinweise zu den benötigten Ausführungen gebeten. Dem sei der Beklagte indes nicht nachgekommen. In der streitgegenständlichen Einrichtung habe sich der durchschnittliche Tagesumsatz im Jahr 2019, dem letzten Jahr vor der COVID-19-Pandemie, auf 127,64 EUR pro Pflegetag belaufen. Nach den Vorgaben der Beklagtenseite würden 15 Wohnplätze, d.h. 5.475 Pflegetage pro Jahr entfallen, was einem Umsatzvolumen von 698.829 EUR entspreche. Um einen Betriebsverlust zu vermeiden, müsse man demnach die Kosten ebenfalls um 700.000 EUR pro Jahr senken. Dies sei hinsichtlich der fixen Kosten, v.a. hinsichtlich des Pachtzinses, überhaupt nicht und hinsichtlich der halbvariablen Kosten für z.B. Wasser, Energie, Steuern etc. nur eingeschränkt möglich. Die Reduktion der variablen, d.h. belegungsabhängigen Kosten (z.B. Verpflegung, medizinischer Bedarf, Betreuung) führe nicht zu einer Kompensation des Umsatzrückgangs. Im Übrigen müsse sich das Tatbestandsmerkmal der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit auf der Klägerin nicht zugängliche und damit vom Beklagten im Wege der Amtsermittlung zu beschaffende Informationen stützen. Die Refinanzierung des fixen Pachtzinses könne nur über die Investitionskosten erfolgen. Die Höhe der Investitionskosten sei in einem ersten Schritt der Verhandlung zwischen der Einrichtung und dem Bezirk vorbehalten. Sie richte sich nach der Bereitschaft und nach der Verhandlungsposition des Bezirkes. Den Sachverhalt für eine mögliche Höhe von vereinbarungsfähigen Investitionskosten könne demnach allenfalls der Bezirk zur Verfügung stellen, was höchstens durch den Beklagten von Amts wegen ermittelbar sei. Auch die Tatbestandsvoraussetzung der Vereinbarkeit mit den Bewohnerinteressen sei gegeben. Schließlich habe der Beklagte ermessensfehlerhaft im Hinblick auf die Gewährung von Angleichungsfristen kein Entschließungsermessen ausgeübt. Im Hinblick auf die Länge der begehrten Fristen würden sich die hilfsweise gestellten Anträge der Klägerin im Rahmen von 25 Jahren bewegen. Der Verordnungsgeber habe die maximal zulässige Fristverlängerung aufgrund der Interessen der Bewohnerinnen und Bewohner stationärer Einrichtungen auf 25 Jahre festgesetzt, woraus zu schließen sei, dass an sich längere Fristen zum Tragen kommen sollten und dass die Interessen der Bewohnerinnen und Bewohner diese maximal möglichen Fristen auf 25 Jahre reduziert hätten. Die Angemessenheit der beantragten Fristverlängerungen ergäbe sich auch aufgrund der baulichen Gegebenheiten, nach denen die gesetzlich vorgeschriebene Wohnfläche lediglich aufgrund der Lage des Sanitärraums und damit aufgrund von Zufälligkeiten nicht erreicht werde. Das zeige auch der Vergleich mit der Fallkonstellation, in der in die Bewohnerzimmer keine Sanitärräume eingebaut worden seien. In diesem Fall kämen regulär verlängerte Angleichungsfristen und sogar (dauerhafte) Befreiungen in Betracht. Das Fehlen von Sanitärräumen sei nach Ansicht des Verordnungsgebers hinnehmbar und mit den Interessen der Bewohnerinnen und Bewohner vereinbar. Die Existenz eines zum Bewohnerzimmer gehörenden Sanitärraums habe für die Bewohnerinnen und Bewohner einen hohen Stellenwert. Demgegenüber komme aus Bewohnersicht der Fläche der Zimmer eine untergeordnete Bedeutung zu.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Wirtschaftliche Gründe seien von der Klägerin lediglich behauptet, aber nicht qualifiziert vorgetragen und nachgewiesen worden. Dies setze eine glaubhafte, substantiierte Erklärung zur Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben vor und nach der Maßnahme zur Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben voraus. Zudem sei die Marktfähigkeit nach der Umlage der Investitionskosten zu bewerten sowie eine Kosten-Nutzen-Analyse zu erstellen. Generell komme für den Fall der Abweichung vom Wohnflächenbedarf eine Erteilung einer Befreiung nicht in Betracht. Die Klägerin könne im Übrigen nicht überzeugend darlegen, warum die Nutzung, d.h. die Belegung der Räume, nicht ihrem disponiblen Einfluss unterliege. Von ihr werde gerade keine aufwändige Umbaumaßnahme, sondern ein zeitlich am Bewohnerinteresse ausgerichtetes geändertes Belegungsmanagement gefordert. Der von der Klägerin vorgebrachte leistungsrechtliche Aspekt könne im Hinblick auf die Umsetzung von Ordnungsrecht nicht überzeugen. Die angegriffenen Bescheide würden nicht darauf abzielen, die Klägerin wirtschaftlich zu schädigen, sondern den Bewohnerinnen und Bewohnern eine Umgebung, in der noch persönliche Dinge Platz hätten, und weitestgehend barrierefreie Räume mit den erforderlichen Bewegungsflächen für Hilfsmittel zur Mobilität (Rollstuhl, Rollatoren etc.) zu schaffen. Überdies solle durch die Abschaffung der nicht mehr rechtskonformen Doppelzimmer eine Erhöhung der Einzelzimmerquote erreicht werden. Diese liege derzeit bei 46%, wobei nach Vorgaben des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege 75% angestrebt seien. Die Klägerin verschaffe sich mit der inzwischen nicht mehr zulässigen Doppelbelegung eines Zimmers mit nur 16,58 m² einen wirtschaftlichen Vorteil gegenüber Einrichtungen, die eine ähnlich Zimmergröße mit nur einem Bewohner belegen würden. Die Besprechung vom 22. Dezember 2016 habe für die streitgegenständliche Entscheidung keine Bedeutung gehabt. Sie habe zum Zwecke der einmaligen Vernetzung von Behörden stattgefunden, unter deren Federführung verschiedene Verfahren anhängig seien. Anlass hierfür seien Kontakte der Bearbeiter mit ineinandergreifenden Problematiken gewesen, was eine ganzheitliche Betrachtung notwendig gemacht habe. Der damals unzureichende Brandschutz habe Auswirkungen auf die teilweise im Altbau befindliche Infrastruktur der Pflegeeinrichtungen gehabt. Aus dem Aktenvermerk gehe hervor, dass der damalige Sachgebietsleiter die Einschätzung der FQA mitgeteilt und mögliche Wirkungen ins Feld geführt habe. Dies habe jedoch keine Auswirkungen auf die Ermessensausübung im Zusammenhang mit den streitgegenständlichen Entscheidungen gehabt.
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Am 18. August 2021 nahm der Berichterstatter die streitgegenständliche Einrichtung in Augenschein. Hierbei benannte die Klägerin das Zimmer Nr. 506 als Ausweichraum. Auf das Protokoll und die hiervon gefertigten Lichtbilder wird verwiesen. Mit Erklärung gleichen Datums haben die Beteiligten übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.
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Mit Bescheid vom 26. Oktober 2021 hob der Beklagte die mit Bescheid vom 12. Mai 2017 ausgesprochene Nutzungsuntersagung der beiden als Einzelzimmer genutzten Räume auf und gestattete die weitere Nutzung als Einzelzimmer.
22
Mit Schriftsatz vom 22. November 2021 erklärte die Klägerin den Antrag im Hinblick auf das Zimmer mit der Nr. 506 für erledigt. Zuvor hatte sie bereits - allerdings im Verfahren Au 3 K 18.1170 - das Verfahren im Hinblick auf die beiden Einzelzimmer für erledigt erklärt. Der Beklagte hatte der Erledigungserklärung vorab zugestimmt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.

Entscheidungsgründe

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A) Soweit die Klägerin eine Befreiung bzw. Verlängerung der Angleichungsfrist auch für das Zimmer Nr. 506 begehrt hat, hat sich der Rechtsstreit erledigt, weil dieser Raum als Ausweichraum benannt wurde. Insoweit war das Verfahren nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten analog § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Gleiches gilt für die beiden Einzelzimmer, da der Beklagte insoweit mit Bescheid vom 26. Oktober 2021 festgestellt hat, dass diese bereits die gesetzlichen Mindestvorgaben erreichen und weiterhin als Einzelzimmer genutzt werden dürfen. Vor diesem Hintergrund ist die unter anderem Aktenzeichen erfolgte Erledigungserklärung der Klägerin hinsichtlich der beiden Einzelzimmer bei sachgerechter Auslegung auch in diesem Verfahren zu berücksichtigen, weil die Klägerin insoweit keiner Befreiung bzw. Verlängerung der Angleichungsfrist mehr bedarf.
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B) Im Übrigen ist die Klage, über die die Kammer mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO), zulässig, aber weder im Haupt- noch im Hilfsantrag begründet.
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I. Der zuletzt gestellte Antrag der Klägerin ist dahingehend auszulegen (§ 88 VwGO), dass sie eine Befreiung bzw. Verlängerung der Angleichungsfrist nur noch für die Doppelzimmer mit den Nummern 404 bis 406, 408, 410, 412 bis 416, 419 bis 423 und 426, 504 bis 505, 508, 510, 512 bis 516, 519 bis 523 und 526 begehrt. Soweit die Klägerin in ihren Antrag zuletzt pauschal auch die Räume mit den Nummern 407, 409, 411, 417 bis 418, 424 und 425 einbezogen hat, handelt es sich um ein offenkundiges Versehen, weil für die Räume Nr. 417 und 418 ausweislich Ziff. I.3. des Bescheids des Beklagten vom 10. Mai 2017 bereits eine Befreiung erteilt worden ist und die übrigen Räume nicht Gegenstand der Ablehnung in Ziff. II.a) und auch nicht Gegenstand der Ablehnung im Bescheid des Beklagten vom 11. Mai 2017 waren.
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II. In dem verbleibenden Umfang ist der Hauptantrag unbegründet.
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1. Rechtsgrundlage für die begehrten Befreiungen von baulichen Mindestanforderungen ist § 50 Abs. 1 Satz 1 AVPfleWoqG. Danach kann die zuständige Behörde auf Antrag des Trägers ganz oder teilweise von der Verpflichtung befreien, wenn dem Träger einer stationären Einrichtung die Erfüllung der in §§ 1 bis 9 genannten Mindestanforderungen im Gebäudebestand technisch oder aus denkmalschutzrechtlichen Gründen nicht möglich oder aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar und die Befreiung mit den Interessen und Bedürfnissen der Bewohnerinnen und Bewohner vereinbar ist. Daran fehlt es hier.
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2. Die Klägerin hat nicht hinreichend substantiiert dargelegt, dass ihr die Erfüllung der Anforderungen des § 4 Abs. 2 AVPfleWoqG wirtschaftlich unzumutbar ist. Die Darlegungs- und Beweislast für das Tatbestandsmerkmal der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit liegt bei der Klägerin, die sich auf diesen ihr günstigen Umstand beruft. Um prüfen zu können, ob ihr die Einhaltung der gesetzlichen Mindestvorgaben tatsächlich wirtschaftlich unzumutbar ist, muss ein Vergleich der wirtschaftlichen Lage der Klägerin vor und nach der Erfüllung der gesetzlichen Mindestvorgaben vorgenommen werden. Hierzu sind seitens der Klägerin mindestens Angaben dazu erforderlich, welche Einnahmen sie derzeit erzielt und welche sie nach dem geänderten Belegungsmanagement erzielen würde, wobei hiervon die - bei einer reduzierten Belegung möglicherweise niedriger anzusetzenden - Ausgaben abzuziehen sind. Diese Angaben sind trotz richterlichen Hinweises unvollständig geblieben. Unabhängig davon, dass die Klägerin bei der von ihr mitgeteilten Einschätzung nicht nachvollziehbar von lediglich 15 entfallenden Plätzen ausgeht, obwohl zuletzt noch 31 Doppelzimmer in Streit standen, hat die Klägerin zwar den ihr im Falle einer geringeren Belegung entgehenden Umsatz aufgeschlüsselt, aber die damit verbundenen Auswirkungen auf die Ausgaben nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Dies aber wäre notwendig gewesen, um sachgerecht beurteilen zu können, welche wirtschaftlichen Auswirkungen eine geringere Belegung (Nutzung der streitgegenständlichen Zimmer nur noch als Einzelzimmer) haben würde. Die Klägerin hat zwar ausgeführt, dass sie Kosten in Höhe von ca. 700.000 EUR einsparen müsste, um einen Betriebsverlust zu vermeiden, wobei ihr dies nur teilweise möglich sei. Eine konkrete Bezifferung der absenkbaren Kosten hat die Klägerin indes nicht vorgenommen und insoweit entscheidende Rechengrößen trotz richterlichen Hinweises nicht hinreichend substantiiert. Soweit sie vorträgt, hierzu seien ergänzende Informationen, beispielsweise des Bezirks im Hinblick auf die Investitionskosten, erforderlich, auf die sie keinen Zugriff habe, überzeugt dies die Kammer nicht. Jede Änderung des Belegungsmanagements birgt ein prognostisches Element, das Teil der wirtschaftlichen Kalkulation eines Pflegeheimes ist und sich auch unabhängig von den Anforderungen nach der AVPfleWoqG stellen kann, etwa, wenn das Konzept geändert wird. Zudem folgt aus der Argumentation der Klägerin, wonach sie die erforderlichen Informationen noch gar nicht habe ermitteln können, dass eine wirtschaftliche Unzumutbarkeit bislang nicht nachgewiesen, sondern reine Vermutung ist. Worauf sich diese Vermutung stützt, wurde ebenfalls nicht hinreichend substantiiert vorgetragen. Soweit die Klägerin sich darauf beruft, dass der Bezirk * einen Teil der von ihr genutzten Fläche nicht als betriebsnotwendig anerkenne und daraus den Schluss zieht, der Bezirk * erachte den aktuellen Zuschnitt der Einrichtung als unwirtschaftlich, substantiiert dies das Vorbringen der Klägerin nicht, sondern ersetzt lediglich die hierfür notwendige Bezifferung durch die vermeintliche Wertung eines nichtverfahrensbeteiligten Dritten.
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III. Auch der Hilfsantrag bleibt ohne Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Verlängerung der Angleichungsfrist.
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1. Rechtsgrundlage für die hilfsweise beantragte Verlängerung der Angleichungsfrist ist § 10 Abs. 1 Satz 2 AVPfleWoqG. Danach kann die zuständige Behörde auf Antrag längere angemessene Fristen zur Angleichung an die einzelnen Anforderungen einräumen.
32
2. Der Ablehnungsbescheid vom 11. Mai 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. April 2018 begegnet keinen rechtlichen Bedenken, da mangels substantiieren Antrags bereits die Tatbestandsvoraussetzungen nicht erfüllt sind. Sinn und Zweck der in § 10 Abs. 1 Satz 2 AVPfleWoqG vorgesehenen Angleichungsfrist ist es, dem Träger eine Angleichung an die gesetzlichen Vorgaben zu ermöglichen. Der Normtelos ist mithin - anders als bei der Befreiung nach § 50 AVPfleWoqG, die den Träger grundsätzlich dauerhaft von der Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen dispensiert - darauf gerichtet, den Träger lediglich vorübergehend von seiner Angleichungspflicht freizustellen, um ihm während dieser Zeit die Möglichkeit zu geben, die notwendigen Angleichungsmaßnahmen vorzubereiten. Die Gewährung einer Angleichungsfrist kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn bei deren Ablauf die gesetzlichen Anforderungen erreicht worden sein sollen. Der Träger muss folglich einen detaillierten Zeitplan vorlegen, aus dem sich ergibt, welche Maßnahmen zur Angleichung er innerhalb welcher Frist durchführen will. Nur so kann die Behörde prüfen, ob und in welchem Umfang eine Angleichungsfrist zu gewähren ist, um eine Angleichung an die einzelnen Anforderungen zu erreichen. Diese Angaben sind seitens der Klägerin nicht erfolgt. Aus ihrem Antrag vom 29. August 2016 und den weiteren Ausführungen im gerichtlichen Verfahren wird vielmehr deutlich, dass sie nicht eine Angleichung an die gesetzlichen Vorgaben, sondern nur die - auf das Ende des Pachtvertrages befristete - Befreiung davon anstrebt. Im Gegensatz zur Befreiung ist die Angleichung - wie oben ausgeführt - darauf gerichtet, das gesetzliche Ziel zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erreichen. Diese Absicht ist von der Klägerin gerade nicht vorgetragen. Stattdessen hat sie zunächst pauschal die maximale Verlängerung und zuletzt die Verlängerung bis zum Jahr 2030 - dem Ende des Pachtvertrages - beantragt. Inwieweit dadurch eine Angleichung an die gesetzlichen Vorgaben der Raumgröße erreicht werden und warum hierfür gerade der beantragte Zeitraum erforderlich sein soll, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
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Vor diesem Hintergrund kommt es auf die von der Klägerin geltend gemachten Ermessensfehler nicht an, weil mangels eines hinreichend substantiierten Antrags bereits die Tatbestandsvoraussetzungen von § 10 Abs. 1 Satz 2 AVPfleWoqG nicht vorliegen. Es handelt sich der Sache nach nicht um einen Antrag auf Verlängerung der Angleichungsfrist, sondern um einen Antrag auf Erteilung befristeter Befreiungen von der baulichen Mindestanforderung des § 4 Abs. 2 AVPfleWoqG für Wohnplätze für zwei Personen.
34
Im Übrigen hat der Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 12. Mai 2017 inzident auflösend bedingte Befreiungen von der genannten baulichen Mindestanforderung gewährt, da dort nicht die sofortige Reduzierung der Belegungszahl gefordert, sondern eine schrittweise Reduzierung nach dem jeweiligen Auszug bzw. Ableben der Bewohnerinnen und Bewohner ermöglicht wird.
35
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war über die Kosten gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach billigem Ermessen zu entscheiden. Billigem Ermessen entsprach es vorliegend, der Klägerin trotz Abhilfe durch den Beklagten die Kosten auch für den insoweit erledigten Teil des Verfahrens aufzuerlegen. Dabei war entsprechend § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO zu berücksichtigen, dass die Abhilfe des Beklagten nur einen geringen Teil des Rechtsstreits erfasst hat und die Klägerin im Übrigen unterlegen ist.
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V. Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.