Inhalt

VG München, Beschluss v. 06.12.2021 – M 26a E 21.5986
Titel:

Lebensmittelhygiene, Behördliche Veröffentlichung von lebensmittelrechtlichen Verstößen im Internet

Normenketten:
VwGO § 123
LFGB § 40 Abs. 1a
LFGB § 40 Abs. 3
Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anh. II Kap. IX Nr.2
Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anh. II Kap. V Nr.1a)
Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anh. II Kap. VI Nr. 2 VO (EG) 852/2004
LMHV § 3 S. 1
LMHV § 2 Abs. 1 Nr. 1
LMHV § 10 Nr.1
LMHV § 2 Nr. 5
LMHV § 2 Nr. 6
LMRStV Nr. 8
LFGB § 60 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a)
LFGB § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a)
LFGB § 60 Abs. 2 Nr. 26 Buchst. a)
LFGB § 14 Abs. 2 Nr. 1
Schlagworte:
Lebensmittelhygiene, Behördliche Veröffentlichung von lebensmittelrechtlichen Verstößen im Internet
Fundstelle:
BeckRS 2021, 39962

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Mit ihrem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes begehrt die Antragstellerin die vorläufige Untersagung einer Veröffentlichung ihr vorgeworfener lebensmittelrechtlicher Verstöße auf den Internetseiten des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit.
2
Die Antragstellerin betreibt ein Restaurant im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners. Am … April 2017 war gegen sie wegen Verstößen gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften ein Bußgeld in Höhe von 570,00 EUR verhängt worden.
3
Bei einer Lebensmittelkontrolle am … Oktober 2021 machte der Antragsgegner dort 47 durch Lichtbilder dokumentierte Zuwiderhandlungen gegen lebensmittelhygienerechtliche Bestimmungen geltend. Die Mängel sind seit … Oktober 2021 beseitigt.
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Mit Schreiben vom … Oktober 2021 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass im Rahmen der lebensmittelrechtlichen Kontrolle am … Oktober 2021 die in der beigefügten Anlage angeführten Mängel festgestellt worden seien und daher die Verhängung eines Bußgeldes von über 350,00 EUR zu erwarten sei. Es seien 47 Verstöße gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften festgestellt worden. Diese seien tateinheitlich zu bewerten, da es sich um einen einheitlichen Lebenssachverhalt handele. In Anbetracht der Betriebsgröße ergebe sich eine im Vergleich zu anderen Betriebskontrollen überdurchschnittliche Mängeldichte. Der Bußgeldrahmen für die festgestellten Verstöße reiche bis 50.000,00 EUR. Nach § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs (LFGB) sei die Veröffentlichung folgender Information beabsichtigt:

Verantwortliche Behörde

Datum

Lebensmittel-/ Futtermittelunternehmen

Betroffenes Lebensmittel/ Futtermittel

Landratsamt F.

Einstelldatum

Verstoß

Noch nicht feststehend

Kategorie:

Mängel bei der Betriebshygiene / Reinigungsmängel

Verstoss festgestellt:

Gastronomie, Gaststätten, Im-bisseinrichtungen

Produkt: Zanderfilets, Mehl, Hackfleischzubereitungen, Senf, Saucen, Spätzle, Speck, Sahne,

… Oktober 2021

Verstoss beseitigt:

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Zugleich wurde der Antragstellerin Gelegenheit gegeben, zur geplanten Veröffentlichung bis spätestens 4. November 2021 Stellung zu nehmen.
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Mit Schreiben vom 10. November 2021, zugestellt am 11. November 2021, teilte der Antragsgegner der Antragstellerin unter Bezugnahme auf das Schreiben vom … Oktober 2021 und unter Wiederholung der dort angeführten Begründung mit, dass eine Veröffentlichung der Informationen gemäß § 40 Abs. 1a LFGB durchzuführen sei. Die geplante Veröffentlichung im Internet sei direkte gesetzliche Folge des Vorliegens der Voraussetzungen des § 40 Abs. 1a LFGB. Dem Antragsgegner stehe insoweit kein Ermessen zu. Die Veröffentlichung erfolge auf den Internetseiten des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit nach einer Wartefrist von sieben Werktagen ab Zustellung dieses Schreibens, wenn bis dahin keine gerichtliche Untersagung erfolgt sei.
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Am … November 2021 beantragte die Antragstellerin sinngemäß,
dem Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung die im Schreiben vom … Oktober 2021 angekündigte Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a LFGB zu untersagen.
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Sie begründet den Antrag damit, dass sich die Veröffentlichung rufschädigend auf ihr Restaurant auswirken würde und in der Folge Stammgäste fernbleiben würden, so dass sie mit der Geschäftsaufgabe rechnen müsste. Die festgestellten Mängel seien damit zu erklären, dass am Tag der Kontrolle für eine größere Veranstaltung mit Mittag- und Abendessen im Restaurant reserviert gewesen sei. Aufgrund der Hektik sei die Abdeckung in der Kühlung entfernt worden und es habe nicht sofort nach der Verarbeitung der Speisen gereinigt werden können. Seit dem … November 2021 bestehe ein Rahmenvertrag mit einer Reinigungsfirma zur täglichen Unterhaltsreinigung. Aufgrund einer Corona-Infektion habe sie sich bis … November 2021 in behördlich angeordneter Isolation befunden und deshalb nicht zur Anhörung vom … Oktober 2021 nehmen Stellung nehmen können. Anschließend habe sie sich bis … November 2021 stationär im Krankenhaus befunden.
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Der Antragsgegner beantragte am 19. November 2021,
den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung führt er aus, ein Anordnungsanspruch liege nicht vor. Es lägen in der Summe nicht nur Verstöße von unerheblichem Ausmaß vor. Eine Vielzahl der Verstöße könne unmittelbare Auswirkungen auf abgegebene Lebensmittel haben bzw. habe diese bereits gehabt. Bei der Veröffentlichung würden nur die Lebensmittel genannt, bei denen sich eine negative Beeinflussung bereits ausreichend manifestiert habe. Angesichts der 47 Mängel herrsche eine erhebliche Mängeldichte. Die Argumentation der Arbeitsüberlastung am Kontrolltag überzeuge nicht, da es sich nicht um kurzfristige Verunreinigungen gehandelt habe, sondern um solche, die bei einer dauerhaften Vernachlässigung der Reinigungsroutine zu erwarten seien. Aufgrund der Mängeldichte und der Dauerhaftigkeit der Mängel sei die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens 350,00 EUR zu erwarten. Es stünden 26 verfolgbare Verstöße im Raum, die aufgrund eines einheitlichen Lebenssachverhaltes zu einer Bußgelderwartung zusammenzufassen seien. Es sei zumindest von bedingtem Vorsatz auszugehen, da die Verstöße in ihrer Gesamtheit mit bloßem Auge und damit auch für die Antragstellerin erkennbar gewesen seien. Das Bußgeldverfahren aus dem Jahr 2017 finde ebenfalls Eingang in die Zumessung. Die vorgetragene Arbeitsüberlastung entlaste die Antragstellerin nicht. Die Mängelbeseitigung bei der Nachkontrolle werde bei der Zumessung berücksichtigt und in den Veröffentlichungstext aufgenommen, führe jedoch nicht zu einer Reduzierung des Bußgeldes unter 350,00 EUR. Die behördlich angeordnete Isolation der Antragstellerin habe nicht dazu geführt, dass es der Antragstellerin unmöglich geworden sei, sich zum Anhörungsschreiben zu äußern, im Übrigen habe sie sich zumindest nun im gerichtlichen Verfahren äußern können.
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Mit Schreiben vom 25. November 2021 teilte der Antragsgegner ergänzend mit, dass die Beseitigung der Verstöße bei der Nachkontrolle am … Oktober 2021 festgestellt worden sei und die Bezeichnung der Verstöße in der Antragserwiderung insofern fehlerhaft dargestellt worden sei, als mit Verstoß Nr. 60 Verstoß Nr. 44 und mit Verstoß Nr. 62 Verstoß Nr. 47 gemeint gewesen sei. Es seien versehentlich die Nummern der Lichtbilder angegeben worden.
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Zu weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die beigezogene Behördenakte des Antragsgegners Bezug genommen.
II.
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Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
14
Nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts der Antragspartei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Regelungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Sicherungsanordnung). Dabei hat die Antragspartei sowohl die Dringlichkeit einer Regelung (Anordnungsgrund) als auch das Bestehen eines zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) zu bezeichnen und glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 1 und 2, 294 Zivilprozessordnung (ZPO)). Der Antrag kann nur Erfolg haben, wenn und soweit sich sowohl Anordnungsanspruch als auch -grund aufgrund der Bezeichnung und Glaubhaftmachung als überwiegend wahrscheinlich erweisen (BayVGH, B.v. 16.8.2010 - 11 CE 10.262 - juris Rn. 20 m.w.N.). Maßgeblich sind die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.
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1. Der Antrag ist zulässig, insbesondere ist er gemäß § 123 Abs. 5 VwGO statthaft, da in der Hauptsache eine allgemeine Leistungsklage zu erheben wäre. Bei der Veröffentlichung lebensmittelrechtlicher Verstöße nach § 40 Abs. 1a LFGB, die der Antragstellerin mit Schreiben des Antragsgegners vom … Oktober 2021 bzw. 10. November 2021 angekündigt wurde, handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt im Sinne des Art. 35 Satz 1 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetztes (BayVwVfG). Die Veröffentlichung dient lediglich der Information der Öffentlichkeit und ist somit nicht auf die Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichtet. Ihr fehlt das Merkmal der Regelung im Sinne des Art. 35 Satz 1 BayVwVfG (vgl. nur VGH BW, B.v. 28.1.2013 - 9 S 2423/12 - juris, Rn. 4 m.w.N.). Es liegt daher ein schlichtes Verwaltungshandeln vor, so dass keine Anfechtungssituation vorliegt, für die im einstweiligen Rechtsschutz der Vorrang der Verfahren nach dem §§ 80, 80a VwGO gelten würde.
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2. Der Antrag hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
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2.1 Zwar fehlt es nicht an der Darlegung eines Anordnungsgrundes. Es ist offensichtlich, dass die geplante Veröffentlichung im Internet für die Antragstellerin ganz erhebliche negative Konsequenzen haben kann, die auch bei einem späteren Obsiegen in der Hauptsache nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten. Das Verwaltungshandeln durch amtliche Informationen ist irreversibel. Bei Fehlinformationen ändern daran auch spätere Gegendarstellungen, Richtigstellungen oder sonstige Korrekturen nichts, da die faktischen Wirkungen von Informationen regelmäßig nicht mehr umfassend beseitigt werden können. Eine Verbraucherinformation zu angeblichen Rechtsverstößen eines Unternehmers kann für diesen existenzgefährdend oder sogar existenzvernichtend sein. Der Antragstellerin kann nicht zugemutet werden, die Bekanntgabe des Kontrollergebnisses im Internet bis zu einer Klärung der streitigen Rechtsfragen im Hauptsacheverfahren hinzunehmen (vgl. VGH BW, B.v. 21.5.2019 - 9 S 584/19 - juris, Rn. 6, m.W.N.).
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2.2 Die Antragstellerin hat jedoch keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die Voraussetzungen für den geltend gemachten öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch, der als alleinige Rechtsgrundlage hier in Betracht kommt, sind nicht gegeben.
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Der auf die Bewahrung des „status quo“ gerichtete öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch wird entweder auf eine analoge Anwendung des § 1004 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) gestützt oder aber aus der Abwehrfunktion der Grundrechte - hier Art. 12 GG - abgeleitet (vgl. BVerwG, U.v. 29.4.1988 - 7 C 33/87 - BVerwGE 79, 254; U.v. 7. 10. 1983 - 7 C 44/81 - BVerwGE 68, 62). Unabhängig von der dogmatischen Herleitung dieses Anspruches setzt er voraus, dass ein rechtswidriger hoheitlicher Eingriff in ein subjektiv öffentlich-rechtliches Recht bevorsteht oder noch andauert (vgl. VGH BW, B.v. 21.5.2019 - 9 S 584/19 - juris; HessVGH, B.v. 8.2.2019 - 8 B 2575/18 - ZLR 2019, 281). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben, denn der durch die Veröffentlichung der Verstöße möglicherweise hervorgerufene Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit ist hier bei summarischer Prüfung durch § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB gerechtfertigt.
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2.2.1 Rechtsgrundlage für die beabsichtigten Veröffentlichungen ist § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB. Danach informiert die zuständige Behörde die Öffentlichkeit unverzüglich unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels oder Futtermittels sowie unter Nennung des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel oder Futtermittel hergestellt oder behandelt oder in den Verkehr gelangt ist, wenn der durch Tatsachen […] hinreichend begründete Verdacht besteht, dass […] gegen sonstige Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes, die dem Schutz der Endverbraucher vor Gesundheitsgefährdungen oder vor Täuschung oder der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen, in nicht nur unerheblichem Ausmaß oder wiederholt verstoßen worden ist und die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens dreihundertfünfzig Euro zu erwarten ist […].
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Wie das Bundesverfassungsgericht entschieden hat, verstößt § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB in der heute geltenden Fassung nicht gegen das Grundgesetz (vgl. BVerfG, B.v. 21.3.2018 - 1 BvF 1/13 - BVerfGE 148,40).
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2.2.2 Die geplante Veröffentlichung erfüllt die hierfür erforderlichen Tatbestandsvoraussetzungen des § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB.
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2.2.2.1 Beim Betrieb der Antragstellerin handelt es sich um ein Lebensmittelunternehmen i. S.d. Art. 3 Nr. 2 Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit, da Lebensmittel zumindest verarbeitet werden (ABl EG, L 31/1, Lebensmittel-Basis-VO).
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2.2.2.2 Es liegt ein durch Tatsachen hinreichend begründeter Verdacht vor, dass die Antragstellerin gegen sonstige Vorschriften im Anwendungsbereich des LFGB, die der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen, verstoßen hat.
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2.2.2.2.1 Für die Frage, ob ein durch Tatsachen hinreichend begründeter Verdacht besteht, genügen ein in tatsächlicher Hinsicht unaufgeklärter Verdacht oder theoretische Überlegungen der Behörde nicht. Die den Verdacht begründenden Tatsachen müssen aus Sicht der Behörde aufgeklärt und in den Überwachungsergebnissen entsprechend dokumentiert sein (BVerfG, B.v. 21.3.2018 - 1 BvF 1/13 - juris Rn. 44; BT-Drs. 17/7374, S. 20). Damit bedarf es einer hohen Wahrscheinlichkeit, dass ein Verstoß auch tatsächlich gegeben ist.
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Der Antragsgegner hat alle Verstöße bei der Kontrolle am … Oktober 2021 beanstandet und im Bericht vom selben Tag nachvollziehbar dokumentiert. Auch hat er umfassende Lichtbildaufnahmen von den Verstößen gefertigt und vorgelegt. Die Antragstellerin hat die Verstöße in ihrem Antragsschreiben vom … November 2021 auch eingeräumt. Ein durch Tatsachen hinreichend begründeten Verdacht ist daher gegeben.
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2.2.2.2.2 Es handelt sich ferner um Verstöße gegen Vorschriften im Anwendungsbereich des LFGB, die dem Schutz der Einhaltung hygienischer Vorschriften dienen. So liegt ein hinreichender Verdacht vor, dass die Antragstellerin gegen Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anh. II Kap. V Nr. 1 Buchst. a), Kap. VI Nr. 2 Satz 1, Kap. IX Nr. 2 VO (EG) Nr. 852/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über Lebensmittelhygiene (ABl EU L 139), §§ 3, 2 Abs. 1 Nr. 1 LMHV, Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anh. II Kap. 1 Nr. 1 VO (EG) Nr. 852/2004 verstoßen hat.
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Gemäß Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anh. II Kap. V Nr. 1 Buchst. a) VO (EG) 852/2004 müssen Gegenstände, Armaturen und Ausrüstungen, mit denen Lebensmittel in Berührung kommen, gründlich gereinigt und erforderlichenfalls desinfiziert werden. Die Reinigung und die Desinfektion muss so häufig erfolgen, dass kein Kontaminationsrisiko besteht. Vorliegend waren nach Feststellung des Antragsgegners mit den Schneidebrettern, dem Hackblock, der Fritteuse, dem Eisportionierer, der Kartoffelpresse, dem Sahnebläser und dem Lebensmittelwender Gegenstände, welche mit Lebensmitteln in Berührung kommen, verunreinigt und mithin gegen Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anh. II Kap. V Nr. 1 Buchst. a) VO (EG) 852/2004 verstoßen worden.
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Nach Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anh. II Kap. VI Nr. 2 Satz 1 VO (EG) 852/2004 sind Lebensmittelabfälle, ungenießbare Nebenerzeugnisse und andere Abfälle in verschließbaren Behältern zu lagern, es sei denn, die Lebensmittelunternehmer können der zuständigen Behörde gegenüber nachweisen, dass andere Behälterarten oder andere Entsorgungssysteme geeignet sind. Hiergegen wurde verstoßen, da nach Feststellung des Antragsgegners die Abfallbehälter in der Küche nicht geeignet verschlossen waren.
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Gemäß Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anh. II Kap. IX Nr. 2 VO (EG) 852/2004 sind Rohstoffe und alle Zutaten, die in einem Lebensmittelunternehmen vorrätig gehalten werden, so zu lagern, dass gesundheitsgefährdender Verderb verhindert wird und Schutz vor Kontamination gewährleistet ist. Dies wurde vorliegend nach Feststellung des Antragsgegners nicht eingehalten. So war die Laufschiene der Tiefkühltruhendeckel verunreinigt, direkt darunter lagerten rohe Zanderfilets ohne ausreichende Verpackung, die an der Oberfläche angetrocknete Stellen und Vereisungen am Randbereich aufwiesen. Im Mehlbehälter befand sich eine Schaufel mit direktem Handgriffkontakt zum Mehl. In der Tiefkühltruhe befanden sich 5-7 kg Cevapcici und ca. 10 kg Fleischpflanzerl, die offen gelagert wurden und an der Oberfläche bereits angetrocknete Stellen und starke Vereisungen aufwiesen. Die Cevapcici wurden mit einem beschädigten Behälterdeckel sporadisch abgedeckt. In einem Metallbehälter wurde Senf aufbewahrt, welcher auf der Oberseite bereits dunkel angetrocknet war. Eine Pfanne wurde direkt auf den vorrätig gehaltenen Spätzlen abgestellt, der Griff lagerte im aufgeschnittenen Räucherspeck. Auf offen gelagerten Saucen wurde ein beschädigter Behälter mit Hirschfleisch abgestellt.
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Nach § 3 Satz 1 der Lebensmittel-Hygieneverordnung (LMHV) dürfen Lebensmittel nur so hergestellt, behandelt oder in den Verkehr gebracht werden, dass sie bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt der Gefahr der nachteiligen Beeinflussung nicht ausgesetzt sind. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 LMHV ist nachteilige Beeinflussung eine Ekel erregende oder sonstige Beeinträchtigung der einwandfreien hygienischen Beschaffenheit von Lebensmitteln, wie durch Mikroorganismen, Verunreinigungen, Witterungseinflüsse, Gerüche, Temperaturen, Gase, Dämpfe, Rauch, Aerosole, tierische Schädlinge, menschliche und tierische Ausscheidungen sowie durch Abfälle, Abwässer, Reinigungsmittel, Pflanzenschutzmittel, Tierarzneimittel, Biozid-Produkte oder ungeeignete Behandlungs- und Zubereitungsverfahren. Nach den Feststellungen des Antragsgegners war vorliegend der Handöffnungsgriff des Tiefkühlgerätes mit einem alten bräunlichen Schmutzbelag verunreinigt. Die Handgriffe zweier Zutatenbehälter, z.B. für Mehl, waren mit alten Speiseresten verunreinigt. Ebenso war die Messerleiste verunreinigt. Der Bondrucker war im Handbereich mit altem Belag verschmutzt. Die Herdschalter waren mit altem fettigem Belag verunreinigt. Der Handgriff vom Warmhaltebecken war mit einem alten bräunlichen Belag verschmutzt. Die Handbrause war alt (und) verschmutzt. In den Vertiefungen wurde ein dunkler Schmutzbelag vorgefunden. Ebenso war der Türgriff des Kühlraums verunreinigt. Die festgestellten Verunreinigungen stellen gleichzeitig auch einen Verstoß gegen Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anh. II Kap.1 Nr. 1 VO (EG) 852/2004 dar. Dass diese Vorschrift vom Antragsgegner bislang nicht benannt wurde, ist unerheblich, da die der Veröffentlichung zugrundeliegenden Tatsachen bezeichnet wurden und die Rechtsgrundlage in der Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a LFGB nicht genannt wird.
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Informationen über derartige Hygienemängel können grundsätzlich auch dann erfolgen, wenn Lebensmittel zwar nicht unmittelbar unter Verwendung von ersichtlich hygienisch mangelhaften Gerätschaften und Arbeitsplatten bearbeitet wurden, sondern lediglich das Umfeld des Verarbeitungsprozesses nicht den hygienischen Anforderungen entspricht. Denn bei Lebensmitteln, die in einem solchen Umfeld hergestellt werden, kann je nach der Art des festgestellten Hygieneverstoßes ein deutlich erhöhtes Risiko für eine nachteilige Beeinflussung, etwa durch die Kontamination mit Schimmelpilzsporen oder Mikroorganismen über die Raumluft, bestehen. Daher setzt eine Information über solche Hygienemängel nicht voraus, dass eine nachteilige Beeinflussung bestimmter Lebensmittel nachgewiesen worden ist (VGH BW, B. v. 21. 5. 2019 - 9 S 584/19, beck-online Rn. 18). Vorliegend ist die Zahl der Hygienemängel so groß und die Mängel sind derart über den Betrieb verteilt, dass davon ausgegangen werden muss, dass eine Kontamination der Lebensmittel bei der Verarbeitung durch Mikroorganismen in der Raumluft oder die Übertragung über den Kontakt mit verschmutzten Händen, die aufgrund der Verunreinigung zahlreicher Gegenstände und Flächen nicht sauber gehalten werden können, naheliegen.
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§ 3 Satz 1 LMHV ist vorliegend auch anwendbar. In der amtlichen Begründung (BR-Drucksache 327/07) wird ausgeführt, dass mit § 3 die Regelung des bisherigen § 3 Satz 1 der Lebensmittelhygieneverordnung, die durch Art. 22 Nr. 6 aufgehoben wird, zur Begrenzung etwaiger Strafbarkeitslücken im Zusammenhang mit der Bewährung der unmittelbar anzuwendenden Anforderungen der VO (EG) Nr. 852/2004 und Nr. 853/2004 und auf diese Gemeinschaftsrechtsakte gestützter, unmittelbar anwendbarer Durchführungsvorschriften fortgeführt und weiterentwickelt werde. Zweck des § 3 Satz 1 LMHV, der neben den grundsätzlich wohl abschließenden Regelungen der VO (EG) Nr. 852/2004 und Nr. 853/2004 steht, ist damit die Begrenzung etwaiger Strafbarkeitslücken hinsichtlich von Verstößen gegen diese europarechtlichen Normen (vgl. etwa Kraus/Voß, ZLR 2010, 415 ff.). Die lebensmittelrechtliche Straf- und Bußgeldverordnung (LMRStV) enthält nur für solche europarechtlichen Regelungen Straf- oder Bußgeldandrohungen, die ein konkretes und einer bestimmten Person zuzuordnendes Verhalten vorschrieben oder untersagten. Die Vorschriften des EU-Hygienepakets stellen daneben häufig nur Zustandsverbote oder -gebote fest. § 3 LMHV dient zur Sicherstellung der wirksamen Sanktionierung in diesen Fällen. Über§ 3 LMHV können solche Verstöße gegen hygienerechtliche Vorschriften des EU-Rechts geahndet werden, die nicht von den Regelungen der LMRStV erfasst sind. Aufgrund des Vorrangs des einschlägigen EU-Rechts enthält § 3 Satz 1 LMHV jedoch die immanente Einschränkungen, dass die in ihm genannte sorgfaltswidrige Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung von Lebensmitteln auf einer Zuwiderhandlung gegen ein in den VO (EG) Nr. 852/2004 und Nr. 853/2004 normiertes Verbot resultieren muss (vorliegend Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anh. II Kap.1 Nr.1 VO (EG) 852/2004). Weiter muss es sich um ein Verbot handeln, das nach der lebensmittelrechtlichen Straf- und Bußgeldverordnung nicht selbst straf- oder bußgeldbewehrt ist, was im Fall Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anh. II Kap.1 Nr.1 VO (EG) 852/2004 gegeben ist. In dieser Auslegung verstößt§ 3 Satz 1 LMHV nicht gegen das europäische Normwiederholungsverbot. Denn es wiederholt die europarechtlichen Normen nicht, sondern ergänzt sie mittels einer diese allgemein umschreibenden Formulierung, um die Möglichkeit, über § 10 Nr. 1 LMHV eine bußgeldrechtliche Ahndung und damit ihre effektive Durchsetzung zu ermöglichen (vgl. auch Boch, in: LFGB 8. Online-Auflage 2019, § 40 Rn. 56; VG Ansbach B.v. 13.3.2020 - 14 E 19.2400, beck-online, Rn.31).
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2.2.2.3 Dabei handelt es sich auch um Verstöße in nicht nur unerheblichen Ausmaß im Sinne des § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB. Der unbestimmte Rechtsbegriff des „nicht nur unerheblichen Ausmaßes“ ist anhand von quantitativen und qualitativen Kriterien zu konkretisieren. Dabei können nur solche Verstöße als erheblich gelten, die von hinreichendem Gewicht sind, um für die betroffenen Unternehmen potentiell gravierende Folgen zu rechtfertigen. So kann ein nicht nur unerhebliches Ausmaß dann anzunehmen sein, wenn es sich um einen Verstoß mit besonders nachteiligen Folgen für den einzelnen Verbraucher handelt oder eine Vielzahl von Verbrauchern betroffen ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. 3. 2018, 1 BvF 1/13; Boch, in: LFGB, 8. Aufl. 2019, § 40 Rn. 52; VGH BaWü, B. v. 28. 11. 2019 - 9 S 2662/19 -). Bereits die Anzahl der Verstöße rechtfertigt vorliegend die Annahme der Erheblichkeit. Es liegt kein einzelner Verstoß vor, sondern insgesamt zumindest 26, die vom Antragsgegner bei der Bemessung des zu erwartenden Bußgeldes zugrunde gelegt wurden. Diese Verstöße beruhen auf einer einheitlichen Motivation und sind Konsequenz eines einheitlichen Reinigungs- und Hygienedefizits. Die Folge dieses Defizits ist in ihrer Gesamtheit als erheblich anzusehen. Nach dem Zweck der Norm soll eine hinreichende Grundlage für eine Konsumentscheidung der Verbraucher geschaffen und zur Einhaltung der Bestimmungen des Lebens- und Futtermittelrechts beigetragen werden (BVerfG, B.v. 21.03.2018 - 1 BvF 1/13 - Rn. 32, juris). Den Behörden ist es lediglich verwehrt, jeden beliebigen Verstoß gegen hygienerechtliche Vorschriften als Anlass für eine Veröffentlichung der Verstöße zu nehmen. Aus den genannten Zwecken folgt aber, dass eine Veröffentlichung dann gerechtfertigt sein muss, wenn die einzelnen, für sich genommen unerheblichen Verstöße in ihrer Gesamtheit die Erheblichkeitsschwelle überschreiten (VG Stuttgart B. v. 23.9.2019 - 16 K 2470/19, beck-online, Rn. 43). Vorliegend ist durch die Menge der Verstöße und die davon betroffenen Produkte (insgesamt allein ca. 15 Kilo Hackfleischzubereitungen) auch eine Vielzahl von Verbrauchern betroffen.
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2.2.2.4 Weiter ist die Verhängung eines Bußgeldes in Höhe von mindestens 350,00 EUR zu erwarten.
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2.2.2.4.1 Die der Veröffentlichung zugrundeliegenden Verstöße gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften sind bußgeldbewehrt. Die Bußgeldbewehrung der Verstöße gegen Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anh.II Kap. IX Nr. 2 VO (EG) 852/2004 ergibt sich aus §§ 60 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a), 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) LFGB, § 2 Nr. 8 der Verordnung zur Durchsetzung lebensmittelrechtlicher Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft (Lebensmittelrechtliche Straf- und Bußgeldverordnung - LMRStV), die der Verstöße gegen Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Kap. V Nr.1 Buchst. a) VO (EG) 852/2004 aus §§ 60 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a), 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) LFGB, § 2 Nr. 5 LMRStV, die der Verstöße gegen Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anh. II Kap. VI Nr. 2 Satz 1 VO (EG) 852/2004 aus §§ 60 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a), 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) LFGB, § 2 Nr. 6 LMRStV und die der Verstöße gegen § 3 Satz 1 LMHV aus §§ 60 Abs. 2 Nr. 26 Buchst. a), 14 Abs. 2 Nr. 1 LFGB i.V.m. § 10 Nr. 1 LMHV.
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§ 60 Abs. 2 Nr. 26 Buchst. a) LFGB und § 60 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a) LFGB verstoßen nicht gegen das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot (BayVGH, B.v. 28.11.2019 − 20 CE 19.1995 - juris Rn. 54; VG Frankfurt am Main B.v. 04.05.2020 - 5 L 2067/20.F - juris Rn. 26; VG Ansbach, B.v. 2.8.2021- AN 14 E 20.1682 - beck-online Rn. 75 ff.). Mit Beschluss vom 11. März 2020 (2 BvL 5/17 - juris) hat das Bundesverfassungsgericht die Blankettstrafnorm des § 58 Abs. 3 Nr. 2 LFGB, soweit sie über § 58 Abs. 1 Nr. 18 auf § 13 Abs. 1 Nr. 1 und 2 LFGB verweist, als mit dem Grundgesetz vereinbar angesehen. Die Entscheidung betrifft zwar nicht die streitgegenständlichen § 60 Abs. 2 Nr. 26 Buchst. a) LFGB und § 60 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a) LFGB i.V.m. § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) LFGB, sie ist jedoch, soweit sie sich - wie vorliegend - auf § 14 Abs. 2 Nr. 1 LFGB bezieht, auf die vorliegende Fallkonstellation übertragbar (VG Ansbach, B.v. 02.08.2021 - AN 14 E 20.1682 - beck-online Rn.77). Dafür spricht die parallele Regelungssystematik der Normen. Denn sowohl § 14 Abs. 2 Nr. 1 LFGB als auch§ 13 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 LFGB ermächtigen jeweils nur, soweit es zur Erfüllung der in § 1 Abs. 1 Nr. 1, auch in Verbindung mit Abs. 2 bzw. Abs. 3 LFGB genannten Zwecke, mithin zum Schutz der Verbraucher durch Vorbeugung gegen eine oder Abwehr einer Gefahr für die menschliche Gesundheit durch Einhaltung der Hygienevorschriften erforderlich ist, Regelungen durch Rechtsverordnung zu treffen. Durch das Zusammenlesen der Paragraphenketten erschließt sich der Regelungsgehalt der Vorschriften, so dass der Aufwand zur Bestimmung desselben zwar deutlich erhöht ist, jedoch nicht derart, dass er nicht mehr erkennbar wäre (BVerfG, B.v. 21.9.2016 - 2 BvL 1/15 - NJW 2016, 3648 - juris Rn. 96). Mit dem Lebensmittelunternehmer ist auf den sach- und fachkundigen Normadressaten abzustellen, bei dem von besonderen diesbezüglichen Kenntnissen auszugehen ist (VG Ansbach, B.v. 2.8.2021 - AN 14 E 20.1682 - beck-online Rn. 78; VG Würzburg, B. v. 31.8.2021 - 8 E 21.1045 - beck-online Rn. 66 f.)
38
2.2.2.4.2 Es ist die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens 350,00 EUR zu erwarten. Diese Tatbestandsvoraussetzung unterliegt der vollen gerichtlichen Überprüfbarkeit (BayVGH, B.v. 28.11.2019 - 20 CE 19.1995 - juris Rn. 56). Hierbei muss durch die Behörde kein konkretes Bußgeld prognostiziert werden. Es genügt, wenn sie nachvollziehbar darlegt, dass zu erwarten ist, dass es die Erheblichkeitsschwelle von 350,00 EUR überschreiten wird (vgl. VG Frankfurt am Main, B.v. 12.12.2019 - 5 L 3285/19.F - juris Rn.37). Da kein einschlägiger Bußgeldkatalog existiert, ist die Höhe des Bußgeldes sowohl von den festgestellten Mängeln als auch von subjektiven Merkmalen wie Vorsatz, Häufigkeit der Verstöße, Erstmaligkeit der Verstöße, Einsichtsfähigkeit und weitere Kriterien abhängig (VG Stuttgart, B.v. 23.9.2019 - 16 K 2470/19 - juris Rn. 57, 58).
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Die Verstöße wurden vorliegend in Tateinheit begangen, so dass nach § 19 Abs. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) eine einheitliche Bußgeldbewertung erfolgt. Danach wird nur eine einzige Geldbuße festgesetzt, wenn dieselbe Handlung mehrere Gesetze, nach denen sie als Ordnungswidrigkeit geahndet werden kann oder ein solches Gesetz mehrmals verletzt. „Dieselbe Handlung“ im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit liegt dann vor, wenn mehrere natürliche Handlungen in einem solchen unmittelbaren Zusammenhang stehen, dass sich das gesamte Tätigwerden bei natürlicher Betrachtungsweise für einen Dritten als einheitlich zusammengefasstes Tun oder Unterlassen darstellt, das auf einem nach außen erkennbaren einheitlichen Willen beruht (vgl. Sackreuther in BeckOK OWiG, Graf, 31. Ed. 1.7.2021, § 19 Rn. 10.). Die festgestellten Hygiene- und Reinigungsverstöße beruhen vorliegend sowohl auf der gleichen Motivationslage und erfolgten derart in einem unmittelbaren zeitlichen und räumlichen Zusammenhang, dass sich das Geschehen für einen Dritten als auf einem einheitlichen Willen beruhend darstellt. Es handelt sich um Hygiene- und Reinigungsmängel, die alle darauf zurückzuführen sind, dass es die Antragstellerin unterlassen hat, die erforderlichen Reinigungsmaßnahmen durchzuführen. Angesichts der hohen Anzahl von 26 veröffentlichungsrelevanten Verstößen ist die Annahme, dass eine Geldbuße in Höhe von mindestens 350,00 EUR zu erwarten ist, nicht zu beanstanden.
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Dabei spricht auch nichts gegen die Annahme von bedingtem Vorsatz, da die Mängel offensichtlich und für die Antragstellerin jederzeit erkennbar waren. Der Vortrag der Antragstellerin, die Verstöße seien auf eine erhöhte Arbeitsbelastung am Tag der Kontrolle zurück zu führen, überzeugen nicht und führen daher zu keiner anderen Einschätzung. Bei den vorgefundenen Verunreinigungen handelt es sich nicht um neue Verschmutzungen, die auf eine Arbeitsüberlastung am Kontrolltag zurück zu führen wären. Auch die Mängel bei der Lagerung der Lebensmittel waren überwiegend nicht nur kurzzeitig - insbesondere die unsachgemäß eingefrorenen Lebensmittel wiesen Zeichen dafür auf, dass dieser Zustand bereits längerfristig andauerte. Im Übrigen ist die Antragstellerin aufgrund ihrer Verantwortung als Lebensmittelunternehmerin verpflichtet, dafür Sorge tragen zu können, dass auch bei hoher Arbeitsauslastung die rechtlichen Vorgaben eingehalten werden können. Da am Tag der Kontrolle eine Veranstaltung stattfand, für die reserviert worden war, hätte die Antragstellerin entsprechende Vorkehrungen treffen können und müssen.
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Die angenommene Höhe entspricht auch der Verwaltungspraxis des Antragsgegners, da im Jahr 2017 bereits ein Bußgeld in Höhe von 570,00 EUR gegen die Antragstellerin verhängt worden war. Damals lagen Verstöße in vergleichbarer Qualität und Quantität gegen Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anh. II Kap. IX Nr. 2 VO (EG) 852/2004, Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Kap. V Nr. 1 Buchst. a) VO (EG) 852/2004, § 3 Satz 1 LMHV zugrunde. Es ist nicht zu beanstanden, wenn der Antragsgegner aufgrund der wiederholten Verstöße davon ausgeht, dass die Höhe des zu verhängenden Bußgeldes nicht hinter dem damaligen zurückbleiben wird. Dies auch angesichts des hohen Maximalbetrages von 50.000,00 EUR.
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2.2.2.5 Der Antragsgegner hat die beanstandeten Lebensmittel ausdrücklich bezeichnet. Grundsätzlich richtet sich die Genauigkeit der Bezeichnung des Lebensmittels nach dem jeweiligen Verstoß und ist ausgehend von diesem zu bestimmen (VGH BW, B.v. 21.4.2019 - 9 S 584/19 - juris Rn.15). Die Veröffentlichung muss - insbesondere bei umfassenden Verstößen - keine vollständige Aufzählung aller betroffenen Lebensmittel beinhalten, sondern vor allem aus der Sicht des Normzwecks - Gesundheits- und Verbraucherschutz - hinsichtlich der genannten Lebensmittel zutreffend sein (VG Freiburg, B.v. 30.4.2019 - 4 K 168/19 - juris). Wegen der erheblichen Folgen einer Veröffentlichung für den Betroffenen hat sie schonend und damit so genau wie möglich zu erfolgen, um dem Eindruck vorzubeugen, es seien Lebensmittel betroffen, die dies überhaupt nicht sind (VGH BW, B.v. 21.4.2019 - 9 S 584/19 - juris Rn.15).
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Vorliegend plant der Antragsgegner im Veröffentlichungstext unter der Überschrift „betroffene Lebensmittel/Futtermittel:“ den „Verstoß: Mängel bei der Betriebshygiene/ Reinigungsmängel“ in Verbindung mit „Produkt: Zanderfilet, Mehl, Hackfleischzubereitungen, Senf, Saucen, Spätzle, Speck, Sahne“ zu veröffentlichen. Darüber hinaus gibt er im Veröffentlichungstext das Datum des festgestellten Verstoßes an. Aus der Zusammenschau dieser Angaben ist für den Verbraucher klar erkennbar, welche Produkte nachteilig betroffen waren. Auch die Verwendung von Sammelbegriffen ist zulässig, da diese aus Praktikabilitätsgründen notwendig sind, solange hierdurch nicht die Gefahr entsteht, dass der Verbraucher unter diese Bezeichnung nicht betroffene Lebensmittel des Produzenten einordnen würde, und eine konkrete Bezeichnung nur eingeschränkt möglich und sinnvoll erscheint (vgl. VGH BW, B.v. 21.5.2019 - 9 S 584/19s - juris Rn.15). Vorliegend ist daher die Verwendung des Begriffs „Saucen“ zulässig, da für den Verbraucher ersichtlich ist, dass es sich um die im Betrieb verwendeten Saucen handelt, mit denen die Speisen zubereitet werden. Auch die Verwendung des Sammelbegriffs Hackfleischzubereitungen begegnet keinen Bedenken, da ausweislich der Speisekarte der Antragstellerin (https://www. …*) keine anderen als die beanstandeten Hackfleischzubereitungen angeboten werden und auch nichts dazu vorgetragen wurde, dass dies zum Zeitpunkt der Kontrolle anders gewesen ist.
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Die Tatsache, dass - bis auf das Produkt Sahne - nur die Produkte konkret genannt werden, die unzureichend gelagert wurden und hinsichtlich der von einem Verstoß gegen Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anh. II Kap. IX Nr. 2 VO (EG) 852/2004 auszugehen ist, ist vorliegend nicht zu beanstanden. Die Veröffentlichung hat keine vollständige Aufzählung aller betroffenen Lebensmittel zu beinhalten, sondern muss vor allem aus der Sicht des Normzwecks - Gesundheits- und Verbraucherschutz - hinsichtlich der genannten Lebensmittel zutreffend sein. Dabei hat die Bezeichnung aufgrund der erheblichen Wirkungen einer Veröffentlichung schonend für den Betroffenen und damit so genau wie möglich zu erfolgen, um dem Eindruck vorzubeugen, es seien Lebensmittel betroffen, bei denen das gar nicht der Fall ist (vgl. VGH BW, a.a.O., Rn. 15 ff.). Dieser Eindruck besteht vorliegend nicht, vielmehr hat es der Antragsgegner unterlassen, sämtliche Produkte der Antragstellerin, die von den weiteren Hygiene- und Reinigungsmängeln betroffen sind, anzugeben. Eine Information der Verbraucher ist dabei nach § 40 Abs. 1a LFGB auch zulässig, wenn Lebensmittel zwar nicht unmittelbar in hygienisch mangelhafter Weise bearbeitet werden, jedoch im Umfeld des Umgangs mit ihnen generelle Hygienemängel festgestellt werden (BayVGH, B.v. 18.03.2013 - 9 CE 12.2755 -, juris Rn. 24; OVG Rheinland-Pfalz, B. v. 13.2.2013 - 6 B 10035/13 -, juris Rn. 19). Auch Vertreter der gegensätzlichen Rechtsauffassung halten es für gerechtfertigt, bei in Gaststätten oder lebensmittelherstellenden Unternehmen unter unhygienischen Umständen zubereiteten Speisen allgemein eine sämtliche Produkte dieses Unternehmens erfassende amtliche Information zu veröffentlichen (VGH Kassel, B. v. 8.2.2019 - 8 B 2575/18, beck-online Rn. 22). Die Darstellung durch den Antragsgegner ist dabei schonender als bei Veröffentlichung sämtlicher Speisen, so dass dies nicht zu beanstanden ist.
45
2.2.3 Die Veröffentlichung ist auch verhältnismäßig. Die Verpflichtung zur Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a LFGB ist aufgrund der erheblichen Grundrechtsrelevanz durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eingeschränkt (Rathke in Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand 179. EL März 2021, § 40 LFGB Rn. 81). Dieser Grundsatz steht der Veröffentlichung jedoch nicht entgegen. Das öffentliche Interesse an der Information über die verfahrensgegenständlichen Verstöße gegen das Lebensmittelrecht rechtfertigt einen Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG, auch wenn die Antragstellerin eine erhebliche Beeinträchtigung ihres Geschäftsbetriebs befürchtet. Dieser - möglicherweise - gewichtige Grundrechtseingriff ist dadurch relativiert, dass der betroffene Lebensmittelunternehmer die gesetzlich vorgesehenen negativen Öffentlichkeitsinformationen durch sein eigenes rechtswidriges Verhalten selbst veranlasst hat, die er umgekehrt durch rechtstreues Verhalten hätte verhindern können, und dass sein Fehlverhalten angesichts der Konsequenzen für die Verbraucherinnen und Verbraucher einen Öffentlichkeitsbezug aufweist (so ausdrücklich BVerfG, B.v. 21.3.2018 - 1 BvF 1/13 - BverfGE 148, 40 - juris Rn. 36).
46
Auch der Umstand, dass die Beseitigung der Mängel bereits am … Oktober 2021, mithin vor der beabsichtigten Information der Öffentlichkeit nach § 40 Abs. 1a LFGB, erfolgt ist und zwischenzeitlich ein Reinigungsunternehmen beauftragt wurde, führt nicht zu einer Unverhältnismäßigkeit des Eingriffs. Denn nicht nur die Publikation anhaltender, sondern auch die Veröffentlichung bereits beseitigter Verstöße ist geeignet, zur Transparenz am Markt beizutragen und entspricht der gesetzlichen Intention. Die lebensmittelrechtliche Unzuverlässigkeit eines Unternehmers in der jüngeren Vergangenheit kann durchaus für die Konsumentscheidung des Verbrauchers in der Gegenwart und Zukunft eine relevante Tatsache darstellen, auch wenn die festgestellten Verstöße zwischenzeitlich beseitigt wurden. Nach dem Gesetz soll dem Verbraucher überlassen werden, welche Schlüsse er aus Verstößen gegen das LFGB zieht. Das gilt insbesondere im Hinblick auf den generalpräventiven Zweck der Regelung. Die Publikation behobener Verstöße erhöht die abschreckende Wirkung der Informationsregelung und fördert damit die Einhaltung der einschlägigen Vorschriften (BVerfG B.v. 21.3.2018 - 1 BvF 1/13 - NJW 2018, 2109 Rn. 38; VG Würzburg, B.v. 12.12.2012 - W 6 E 12.994 - juris m.w.N., VG Würzburg B. v. 31.8.2021 - 8 E 21.1045, beck-online, Rn. 51).
47
Selbst wenn die nachrangig mit § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB verfolgte erzieherische Wirkung für das betroffene Unternehmen (vgl. BT-Drs. 17/12299, S. 7; BVerfG, Beschluss vom 21. 3. 2018, 1 BvF 1/13 -, juris) im Fall der Antragstellerin bereits weitgehend eingetreten sein sollte, sind Konsumentscheidungen der Verbraucher, für die die Veröffentlichung eine Entscheidungsgrundlage liefern soll, im Veröffentlichungszeitraum noch zu erwarten.
48
2.2.4 Die nach § 40 Abs. 3 LFGB erforderliche Anhörung der Antragstellerin hat mit Schreiben vom … Oktober 2021 mit Fristsetzung bis zum 4. November 2021 stattgefunden. Die Antragstellerin hat das Anhörungsschreiben nach ihrem Vortrag im Antragsschreiben auch erhalten.
49
Die Anhörung muss derart erfolgen, dass der Unternehmer sich inhaltlich sinnvoll zu der beabsichtigten Veröffentlichung äußern kann. Hierzu muss ihm zumindest der vollständige Wortlaut der geplanten Veröffentlichung bekannt gegeben werden (vgl. BayVGH, B.v. 28.11.2019 - 20 CE 19.1995 - juris Rn. 44; VG Regensburg, B.v. 21.12.2012 - RN 5 E 12.1895 - juris Rn. 96; Holle in Streinz/Meisterernst BasisVO / LFGB, 1. Aufl. 2021, § 40 Rn. 164). Aus den Angaben im Anhörungsschreiben ist ersichtlich, aufgrund welcher Verstöße die Veröffentlichung erfolgen soll. Die Tatsache, dass im Anhörungsschreiben 47 Verstöße genannt wurden, nach der Antragserwiderung jedoch davon nur 26 Verstöße als verfolgbar gewertet werden, steht einer ordnungsgemäßen Anhörung nicht entgegen. Bei den als verfolgbar gewerteten Verstößen handelt es sich um einen Teil der in der Anhörung genannten Verstöße, der Text der Veröffentlichung und die darin genannten Produkte beruhen auf diesen 26 Verstößen. Die Antragstellerin konnte sich daher inhaltlich sinnvoll zur geplanten Veröffentlichung äußern.
50
Zwar enthielt die geplante Veröffentlichung nach dem in der Anhörung übersandten Text nicht den nach § 40 Abs. 4 Satz 2 LFGB erforderlichen Hinweis zur - am … Oktober 2021 erfolgten vollständigen - Mängelbeseitigung. Dieser ist erforderlich, da andernfalls der Eindruck entstehen könne, der jeweilige Grund für die Beanstandungen bestünde fort (BVerfG, B.v. 21.03.2018 - 1 BvF 1/13 - juris Rn. 40). Der Antragsgegner hat jedoch in der Antragserwiderung vom 19. November 2021 und 25. November 2021 angegeben, dass beabsichtigt sei, die Mängelbeseitigung in die Veröffentlichung aufzunehmen. Eine Nennung des Datums im mit der Anhörung übersandten Veröffentlichungstext war dem Antragsteller noch nicht möglich, da das Anhörungsschreiben bereits vom … Oktober 2021 datiert.
51
Dass sich die Antragstellerin zum Zeitpunkt der Anhörung in behördlich angeordneter Isolation befunden hat, steht der ordnungsgemäßen Anhörung nicht entgegen. Die Antragstellerin hat nichts dazu vorgetragen, dass sie aufgrund der Isolation tatsächlich daran gehindert gewesen wäre, sich zu äußern. Selbst wenn eine postalische Rückmeldung ausgeschlossen gewesen sein sollte, so hätte sie zumindest telefonisch oder per E-Mail Stellung nehmen können.
52
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
53
4. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 1 und 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG i.V.m. Nr.1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs. Eine Reduktion des Regelstreitwertes auf die Hälfte des Auffangwertes kommt vorliegend nicht in Betracht, weil eine Entscheidung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Hauptsache vorwegnimmt (vgl. BayVGH, B.v. 4.8.2020 - 20 CE 20.719 - juris Rn. 13).