Titel:
Bekanntgabefiktion bei Verwaltungsakten (hier: Festsetzung von Fremdenverkehrsbeiträgen)
Normenketten:
KAG Art. 6
VwGO § 60, § 70, § 117 Abs. 5
BayVwVfG Art. 41 Abs. 2 S. 1
Leitsatz:
Die Bekanntgabefiktion des Art. 41 Abs. 2 S. 1 BayVwVfG scheidet aus, wenn sich die Aufgabe des Verwaltungsakts zur Post und deren Zeitpunkt den Verwaltungsakten nicht entnehmen lässt. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Fremdenverkehrsbeitrag, Vermietung eines Gästehauses an ein Hotel, Nutzung als Unterkunft für Gäste, Bezugnahme auf Widerspruchsbescheid, Vermietung, Gästehaus, Hotel, Gäste, Bekanntgabefiktion
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 21.06.2024 – 4 ZB 22.242
Fundstelle:
BeckRS 2021, 39925
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der Kläger wendet sich gegen die Festsetzung von Fremdenverkehrsbeiträgen.
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Der Kläger ist Eigentümer des Anwesens Gästehaus … in … Mit Geschäftsraummietvertrag vom 1. August 2008 vermietete er das Anwesen an den Betreiber des Hotels … … in … In § 1 Mietvertrag ist ausgeführt, dass der Vermieter das Anwesen dem Mieter „zum Betrieb einer Fremdenvermietung im Rahmen des Hotelbetriebs … …“ vermietet.
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Der Beklagte erhebt Fremdenverkehrsbeiträge aufgrund seiner Satzung für die Erhebung eines Fremdenverkehrsbeitrags vom 26. Januar 2001.
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Mit 4 Bescheiden vom 30. Mai 2018 zog der Beklagte den Kläger für den Betrieb „Vermietung an die Fa. Hotel … … e.K.“ zu Fremdenverkehrsbeiträgen heran:
a) für das Jahr 2013 wurde ein Fremdenverkehrsbeitrag in Höhe von 232,44 EUR festgesetzt;
b) für das Jahr 2014 wurde unter Änderung der bisherigen Festsetzung (Bescheid fehlt) der Fremdenverkehrsbeitrag in Höhe von 855 EUR auf 773,11 EUR herabgesetzt, der Verspätungszuschlag für 2014 wurde auf 23,19 EUR herabgesetzt;
c) für das Jahr 2015 wurde unter Änderung der bisherigen Festsetzung (Bescheid fehlt) der Fremdenverkehrsbeitrag in Höhe von 855 EUR auf 232,44 EUR herabgesetzt; der Verspätungszuschlag für 2015 wurde auf 6,97 EUR herabgesetzt;
d) für das Jahr 2016 wurde unter Änderung der bisherigen Festsetzung von 0 EUR (Bescheid fehlt) der Fremdenverkehrsbeitrag auf 1160,07 EUR festgesetzt, die Vorauszahlung für 2018 und Folgejahre wurde auf jeweils 1288 EUR festgesetzt.
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Ein Zustellungsnachweis oder Versendevermerk für die Bescheide lässt sich der vorgelegten Akte nicht entnehmen.
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Mit Schreiben vom 3. Juli 2018 (ein Eingangsvermerk fehlt) beantragte der Kläger beim Beklagten vorsorglich aufgrund eines Krankenhausaufenthalts die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zugleich wurde „hilfsweise“ Widerspruch gegen die ergangenen Bescheide eingelegt, der mit diesem und weiteren Schreiben begründet wurde.
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Mit Änderungsbescheid vom 21. August 2018 setzte der Beklagte die Veranlagung zum Fremdenverkehrsbeitrag für 2016 von 1061,07 EUR auf 666,82 EUR herab, die Vorauszahlung für 2018 und Folgejahre wurde von 1288 EUR auf 740 EUR herabgesetzt. In einem Begleitschreiben wurde erläutert, dass der Kläger trotz seiner Erkrankung die Möglichkeit gehabt habe, Erklärungen fristgerecht zurückzugeben oder eine Terminsverlängerung zu beantragen und somit die Schätzungen mit Festsetzung von Verspätungszuschlägen betreffend die Veranlagungsjahre 2014 und 2015 hätte verhindern können. Eine Stornierung der Verspätungszuschläge könne deshalb nicht erfolgen. Aufgrund der mittlerweile vorgelegten Unterlagen habe für das Jahr 2016 eine Berichtigungsveranlagung erfolgen können. Der Kläger habe aufgrund der Vermietung des Anwesens an ein Hotel jedenfalls einen mittelbaren Vorteil aus dem Fremdenverkehr gezogen. Nachdem das Hotel als Mieter bis einschließlich des Veranlagungsjahrs 2016 zu 90% vom örtlichen Fremdenverkehr unmittelbar profitiert habe, sei dieser Vorteilssatz auch für den Kläger für den mittelbaren Vorteil anzuwenden. Sollte der Mieter ab Veranlagungsjahr 2017 Einnahmen mit Personen erzielt haben, welche sich zu Berufszwecken in … aufgehalten hätten oder unter das …statut fielen, würde der Beklagte dies bei den endgültigen Beitragsfestsetzungen auch beim Kläger im Vorteilssatz entsprechend berücksichtigen. Ein zwischen Betreiber und Vermieter abweichender Vorteilssatz sei jedenfalls nicht möglich.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Januar 2019 wies das Landratsamt … die Widersprüche zurück. Zur Begründung wird ausgeführt:
1. zur grundsätzlichen Beitragspflicht von Vermietern: der Kläger verkenne, dass sich der Begriff der selbstständigen Tätigkeit im Fremdenverkehrsbeitragsrecht nicht auf Gewerbetreibende und Freiberufler beschränke, sondern auch nicht gewerbsmäßige Tätigkeiten umfassen könne, die steuerrechtlich der privaten Vermögensverwaltung zuzurechnen seien. Er diene damit im Wesentlichen nur der Abschichtung gegenüber unselbstständigen Tätigkeiten von Arbeitnehmern (BayVGH, U.v. 17.01.1997 - 4 B 95.2592). Der im Fremdenverkehrsbeitragsrecht verwendete Begriff der Selbstständigkeit unterscheide sich ferner von dem des Einkommensteuerrechts, d. h. selbstständig Tätige im Sinne des Fremdenverkehrsbeitragsrecht könnten nicht nur diejenigen sein, die in § 18 EStG genannt seien, es seien auch diejenigen selbstständig, die eine gewerbliche Tätigkeit im Sinne des Einkommensteuerrechts ausübten, also Einkünfte nach § 15 EStG erzielten und gemäß § 2 Abs. 1 Gewerbesteuergesetz der Gewerbesteuerpflicht unterlägen (BayVGH, U.v. 27.09.1988 - 4 B 87.1844). Eine selbstständige Tätigkeit im Sinne des Fremdenverkehrsbeitragsrechts sei nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs regelmäßig auch die Vermietung und Verpachtung von Räumen oder Gebäuden, die unmittelbar einem Fremdenverkehrsbetrieb zu dienen bestimmt seien (BayVGH, U.v. 05.12.2006 - 4 B 05.3119). Im vorliegenden Fall habe der Kläger das Anwesen zum Betrieb einer Fremdenvermietung im Rahmen des Hotels … … vermietet. Demzufolge seien die Räume unmittelbar zum Fremdenverkehr bestimmt.
2. zu den Verspätungszuschlägen: Der Beklagte sei gemäß seiner Satzung über die Erhebung eines Fremdenverkehrsbeitrags (FBS) berechtigt, zur Veranlagung eines Fremdenverkehrsbeitrags von den Beitragspflichtigen Erklärungen zu den Besteuerungsgrundlagen anzufordern. Zu diesem Zweck habe der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 22. Februar 2018 Erklärungen zur Veranlagung für die Kalenderjahre 2013-2016 zugesandt und unter einer angemessenen Fristsetzung bis 23. März 2018 gebeten, diese ausgefüllt und unterschrieben zurückzusenden. Nachdem die Frist ergebnislos verstrichen sei, habe der Beklagte mit Schreiben vom 27. März 2018 an die Rücksendung der Erklärungen erinnert und dazu nochmals eine Frist bis 10. April 2018 gesetzt. Da auch diese Frist nicht eingehalten worden sei, sei der Beklagte berechtigt gewesen, für die Veranlagungsjahre 2014 und 2015 einen Verspätungszuschlag zu erheben (Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 a) KAG in Verbindung mit § 152 Abs. 1 S.1 AO). Die Entscheidung, ob ein berechtigter Verspätungszuschlag erhoben werde, liege im Ermessen der Gemeinde und könne von der Widerspruchsbehörde nicht geprüft werden. Die Mitteilung des Klägers vom 22. Mai 2018 bezüglich seiner Erkrankung ändere nichts an der grundsätzlichen Berechtigung, da die Erkrankung erst nach Ablauf der Fristen aufgetreten sei. Darüber hinaus sei dem Schreiben zu entnehmen, dass der Kläger ohnehin seinen Steuerberater beauftragt habe, die Unterlagen zu versenden, dieser dem Auftrag jedoch nicht nachgekommen sei. Dieses Verschulden sei dem Kläger zuzurechnen.
3. zum Mindestbeitragssatz: Gemäß § 2 Abs. 2 FBS dienten zur Bestimmung des fremdenverkehrsbedingten Vorteils der einkommen- oder körperschaftsteuerpflichtige Gewinn und der steuerbare Umsatz innerhalb eines Kalenderjahres, wobei die Beitragsschuld auf der Grundlage des Gewinns bestimmt werde, wenn sich nicht auf der Grundlage des steuerbaren Umsatzes ein höherer Betrag ergebe. Aufgrund der Angaben des Klägers (Schreiben vom 22.05.2018) habe der Beitrag für die Jahre 2013 und 2015 nach dem Umsatz berechnet werden müssen, da in diesen Jahren kein Gewinn erzielt worden sei. In den Jahren 2014 und 2016 sei dagegen der Beitrag nach dem Gewinn zu berechnen gewesen. Nach § 3 FBS werde der Beitrag nach dem Gewinn errechnet, indem der Gewinn mit dem Vorteilssatz und mit dem Beitragssatz multipliziert werde; der Beitrag nach dem steuerbaren Umsatz werde danach errechnet, indem der steuerbare Umsatz mit dem Vorteilssatz und dem Mindestbeitragssatz multipliziert werde. Der Mindestbeitragssatz betrage dabei je nach dem durch Schätzung zu ermittelnden branchendurchschnittlichen Anteil des Gewinns am Umsatz zwischen 0,06% und 0,63%. Zur Bestimmung des branchendurchschnittlichen Gewinnanteils am Umsatz werde grundsätzlich auf die durchschnittlichen Reingewinnsätze, die in der vom Bundesministerium der Finanzen herausgegebenen Richtsatzsammlung enthalten seien, zurückgegriffen. Wenn dies wie im vorliegenden Fall mangels vergleichbarer Branchen in der Richtsatzsammlung nicht möglich sei, könne eine Gemeinde andere geeignete Hilfsmittel heranziehen. Vorliegend habe der Beklagte anhand der in seinem Zuständigkeitsbereich beitragspflichtigen Vermietungen und Verpachtungen einen durchschnittlichen Reingewinn ermittelt, wobei eine Differenzierung zwischen der Höhe des steuerbaren Jahresumsatzes erfolgt sei, also der Umfang der Vermietung/Verpachtung berücksichtigt worden sei. Aufgrund der Vielzahl entsprechender Beitragspflichtiger sei davon auszugehen, dass dabei ein repräsentatives Ergebnis erzielt worden sei. Der sich dabei ergebende Anteil des Reingewinns (38,02%) sei hier bei der Berechnung der Beitragshöhe herangezogen worden, was zu einem Mindestbeitragssatz von 0,63% geführt habe. Diese Vorgehensweise sei nicht zu beanstanden, da eine geeignete Methode zur Bestimmung des Mindestbeitragssatzes verwendet worden sei und insbesondere keine willkürliche Schätzung erfolgt sei. Es liege in der Natur der Sache, dass keine mathematisch eindeutig berechenbare Größe zugrunde gelegt werden könne; auch die vom Bundesfinanzministerium herausgegebenen Richtsätze beruhten auf Durchschnittswerten. Ein Abstellen auf die tatsächliche Gewinnspanne eines Betriebs sei nur im Ausnahmefall möglich, da die Beitragsberechnung nach dem steuerbaren Umsatz gerade keine konkret-individuelle, sondern eine abstrakt-branchenbezogene Betrachtungsweise zugrunde legen solle (BayVGH, U.v. 09.05.2016 - 4 BV 14.2325).
4. zum Vorteilssatz: Zur Berechnung der Beitragshöhe sei durch Schätzung für jeden Fall gesondert ein sogenannter Vorteilssatz zu bilden, der den auf dem Fremdenverkehr beruhenden Teil des einkommen- oder körperschaftsteuerpflichtigen Gewinns oder des steuerbaren Umsatzes bezeichne. Die Legitimation einer Schätzung ergebe sich nach Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs daraus, dass es praktisch kaum möglich und angesichts des Aufwands vor dem Hintergrund der zu erzielenden Einnahmen nicht wirtschaftlich sei, die dem Einzelnen aus dem Fremdenverkehr erwachsenden Vorteile exakt zu ermitteln und die Geschäfte mit Fremden und Ortsansässigen jeweils präzise gesondert zu erfassen (BayVGH, U.v. 14.01.2016 - 4 B 14.2227). Insbesondere sei es nach der Rechtsprechung nicht zu beanstanden, wenn sich eine Gemeinde bei der Ermittlung des Vorteilssatzes im Falle der Vermietung von Geschäftsräumen an den Vorteilen orientiere, die dem Mieter aus dem Fremdenverkehr erwachsen würden. Da der Vermieter regelmäßig selbst nur mittelbar durch den Fremdenverkehr begünstigt werde, sei es zwingend, dass der unmittelbare Vorteil der Mieter auch bei ihm die entsprechende Berechnungsgrundlage bilde. Einem Verzicht auf Einwendungen gegen die Höhe des Vorteilssatzes (und damit eine Akzeptanz) seitens des Mieters komme dabei eine Indizwirkung zu, d.h. dass von einer angemessenen Höhe ausgegangen werden könne (BayVGH, U.v. 05.12.2006 - 4 B 05.3119). Im vorliegenden Fall habe der Beklagte den beim Mieter des Objekts unwidersprochen zugrundegelegten Vorteilssatz (90% bzw. ab Vorauszahlung 2018: 100%) auch beim Kläger angewendet. Aufgrund der Einwendungen des Klägers, dass der Vorteilssatz beim Mieter nicht bei 95 bzw. 100% liegen könne, da dieser Zimmer auch an Personen vermiete, die nicht dem Fremdenverkehr unterlägen, habe der Beklagte beim Mieter bzw. dessen Steuerberater eine entsprechende Nachfrage durchgeführt. Dabei sei ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass Umsätze mit Personen, die sich berufsbedingt in der Gemeinde aufhielten und übernachteten, nicht der Fremdenverkehrsbeitragspflicht unterlägen. Nachdem diesbezüglich keine Reaktion erfolgt sei und vom Kläger außer einer allgemeinen Behauptung keine weiteren konkreten Anhaltspunkte geliefert worden seien, habe der Beklagte davon ausgehen können, dass der zugrundegelegte Vorteilssatz plausibel sei. Darüber hinaus rechtfertige auch die Tatsache, dass in einzelnen Jahren (2013 und 2015) ein Verlust erwirtschaftet worden sei, für sich alleine nicht den Schluss, dass insoweit keine wirtschaftlichen Vorteile aus dem Fremdenverkehr gezogen worden seien. Entsprechend dem Grundsatz, dass der Begriff Vorteil im Fremdenverkehrsbeitragsrecht im wesentlichen Verdienstmöglichkeiten bedeute, könne auch ein solcher Beitragspflichtiger zum Fremdenverkehrsbeitrag herangezogen werden. Es sei davon auszugehen, dass ohne die Aufwendungen der Kommune für den Fremdenverkehr und die daraus resultierenden höheren Übernachtungszahlen der Verlust noch größer gewesen wäre (BayVGH, U.v. 09.05.2016 - 4 BV 14.2325).
5. zur Doppelbesteuerung: der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe bereits mehrfach entschieden, dass die Heranziehung eines Vermieters zum Fremdenverkehrsbeitrag keine unzulässige doppelte Besteuerung darstelle. Nach der Rechtsprechung (BayVGH, U.v. 05.12.2006 - 4 B 05.3119) sei die Doppelbelastung im System des bayerischen Fremdenverkehrsbeitragsrechts dadurch vorgegeben, dass sowohl der unmittelbare als auch der mittelbare Vorteil beitragsrechtlich relevant seien. Der mittelbar am Fremdenverkehr beteiligte ziehe seine Vorteile eben gerade daraus, dass der unmittelbar Beteiligte direkte Einnahmen aus dem Geschäft mit Fremden habe und einen entsprechenden Anteil an den am Fremdenverkehr mittelbar Teilnehmenden weitergebe. Dabei handele es sich nicht um eine Doppelbelastung im eigentlichen Sinn, denn beitragspflichtig seien jeweils andere Personen auf der Grundlage eines für beide gesondert ermittelten Umsatzes und Gewinns. Anknüpfungspunkt für die Beitragserhebung beim Mieter seien die Einnahmen, die dieser dadurch erziele, dass er entgeltliche Leistungen an Erholungssuchende erbringe; dagegen knüpfe die Abgabepflicht beim Vermieter an die Zahlung der Miete an (BayVGH, U.v. 27.09.1988 - 4 B 87.1844). Daran ändere sich auch nichts, wenn die Beitragspflicht des Vermieters zum Beispiel über eine Nebenkostenabrechnung an den Mieter weitergegeben werde und dieser damit seinen eigenen und zusätzlich den Fremdenverkehrsbeitrag des Vermieters zahle, da es sich um zwei verschiedene Anknüpfungspunkte in Bezug auf die Beitragspflicht und für die beitragserhebende Kommune um zwei verschiedene Beitragspflichtige handle. Rein privatrechtliche Vereinbarungen, die dem Mieter im Rahmen der Nebenkosten auch den Fremdenverkehrsbeitrag des Vermieters aufbürdeten, seien beitragsrechtlich nicht berücksichtigungsfähig, da sich dadurch nichts an der grundsätzlich unterschiedlichen Beitragspflicht des Vermieters und des Mieters ändere. Andernfalls könnte durch private Vereinbarungen eine gesetzlich normierte Beitragspflicht umgangen und insbesondere die zulässige unmittelbare und mittelbare Beitragspflicht ausgehebelt werden. Unabhängig davon sei es nach Auffassung der Widerspruchsbehörde gesetzlich nicht möglich, einen Fremdenverkehrsbeitrag auf den Mieter umzulegen, da es sich hierbei nicht um Betriebskosten im Sinne der Zweiten Berechnungsverordnung und der Betriebskostenverordnung handele. Die Fremdenverkehrsabgabe knüpfe, anders als die Betriebskosten, nicht an das Eigentum am Grundstück oder dessen bestimmungsmäßigen Gebrauch, sondern personenbezogen an die jährlichen Einnahmen des Vermieters im Erhebungsgebiet an. Sofern abweichende private Vereinbarungen getroffen würden, habe dies im Rahmen der Beitragspflicht keine Auswirkungen. Damit seien die Widersprüche zurückzuweisen.
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Der Widerspruchsbescheid wurde am 12. Januar 2019 zugestellt.
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Der Kläger hat am 10. Februar 2019 beim Verwaltungsgericht München Klage erhoben und beantragt
1. die Aufhebung der Fremdenverkehrsbeitragsbescheide des Beklagten vom 30. Mai 2018 bzw. 21. August 2018 (Finanzadresse …*) bezüglich der Veranlagung des Klägers für das Jahr 2013,
2. die Aufhebung des Widerspruchsbescheids vom 10. Januar 2019.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, es liege für den mietenden Betrieb eine Doppelbelastung vor. Nach dem Mietvertrag werde die seitens des Vermieters zu leistende Fremdenverkehrsabgabe umgelegt auf den Mieter. Dies führe dazu, dass der Mieter doppelt belastet wäre, würde beim Vermieter rechtswirksam eine Fremdenverkehrsabgabe erhoben. Die Umlegung der Abgabe im Rahmen des Mietvertrags auf den Mieter sei auch rechtlich zulässig, es handle sich gemäß einem Urteil des OLG Schleswig vom 14. März 2012 um Betriebskosten. Die Ausführung im Widerspruchsbescheid, dass eine Fremdenverkehrsabgabe generell nicht umlagefähig sei, treffe nicht zu.
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Der Kläger als Vermieter sei nicht Beitragsschuldner gemäß der Fremdenverkehrsbeitragssatzung des Beklagten. Dort sei vorgesehen, dass von allen selbständig tätigen natürlichen und den juristischen Personen (…) ein Fremdenverkehrsbeitrag erhoben werde. Der Kläger sei insoweit nicht selbstständig tätig, nach dem Einkommensteuerrecht seien Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit abzugrenzen von Vermietungseinkünften.
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Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 9. Februar 2021 auf mündliche Verhandlung verzichtet.
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Der Beklagte hat mit Schreiben vom 12. Oktober 2021 Klageabweisung beantragt. Rechtsgrundlage für die Erhebung der Fremdenverkehrsabgabe sei die rechtswirksame Fremdenverkehrsbeitragsatzung (FBS) vom 26. Januar 2001 in der Fassung zuletzt der Änderungssatzung vom 9. Dezember 2016. Der Kläger sei beitragspflichtig. Der in der Satzung gebrauchte Begriff der Selbstständigkeit unterscheide sich von dem des Einkommensteuerrechts. Er diene im Wesentlichen nur der Abschichtung gegenüber der unselbstständigen Tätigkeit von Arbeitnehmern. Nach ständiger Rechtsprechung liege regelmäßig auch in der Vermietung und Verpachtung von Räumen oder Gebäuden, die unmittelbar einem Fremdenverkehrsbetrieb zu dienen bestimmt seien, eine selbstständige Tätigkeit. Dem Kläger würden auch wirtschaftliche Vorteile aus dem Fremdenverkehr erwachsen, es handle sich um einen Vorteil mittelbarer Art. Der Kläger vermiete das Anwesen an ein Hotel, dies stehe in direktem Zusammenhang mit dem Fremdenverkehr. Die Berücksichtigung der Mieteinnahmen stelle auch keine unzulässige Doppelbesteuerung ein und desselben Sachverhalts dar. Dem Fremdenverkehrsbeitragsrecht sei wegen der Berücksichtigung sowohl des unmittelbaren als auch des mittelbaren Vorteils eine gewisse Doppelbesteuerung immanent. Es werde aber nicht derselbe Tatbestand zweimal einer Abgabe unterworfen. Anknüpfungspunkt für die Beitragserhebung beim Mieter seien die Einnahmen, die dieser dadurch erziele, dass er entgeltliche Leistungen an Erholungssuchende erbringe. Beim Kläger hingegen knüpfe die Abgabenpflicht an die Zahlung des Mietzinses an. Der Mietzins könne vom Mieter als Betriebsausgabe von den Einkünften abgesetzt werden, der Zins sei somit nicht in dem Gewinn als Grundlage des Fremdenverkehrsbeitrags enthalten. Werde der Mieter nach dem Umsatz herangezogen, sei der Mietzins ebenfalls nicht Grundlage des Beitrags. Die Miete trete damit nur beim Vermieter als Berechnungsgrundlage für die Abgabe auf. Werde dessen Beitrag nach dem Gewinn berechnet, stelle der Mietzins entweder eine Einnahme aus Gewerbebetrieb oder eine Einnahme aus Vermietung und Verpachtung dar. Werde der Beitrag dagegen nach dem Umsatz bemessen, seien die Mieteinnahmen Teil des Umsatzes. Unerheblich sei, ob der Kläger die Abgabe aufgrund einer vertraglichen Regelung auf den Mieter umlegen könne. Abgabenrechtlich sei der Kläger Beitragsschuldner. Ein interner Ausgleich mit dem Mieter sei eine Angelegenheit des Privatrechts. Im Übrigen werde auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 10. Januar 2019 Bezug genommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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1. Das Gericht entscheidet gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung. Der Kläger hat auf mündliche Verhandlung verzichtet. Der Beklagte hat auf die gerichtliche Anfrage hierzu nicht geantwortet, wird aber durch die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht in seinen Rechten verletzt.
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2. Streitgegenstand der erhobenen Anfechtungsklage ist in entsprechender Auslegung nach § 88 VwGO lediglich der Fremdenverkehrsbeitragsbescheid des Beklagten vom 30. Mai 2018 betreffend das Jahr 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts … Der Klageantrag in der Klageschrift vom 10. Februar 2019 beantragt in Nummer 1 wortwörtlich die Aufhebung der Fremdenverkehrsbeitragsbescheide des Beklagten vom 30. Mai 2018 bzw. 21. August 2018 (Finanzadresse …*) bezüglich der Veranlagung des Klägers für das Jahr 2013. Damit ist nicht ganz klar, ob über den Wortlaut hinaus (für das Jahr 2013) sämtliche ergangenen Beitragsbescheide für die Jahre 2013-2016 angefochten werden sollen, weil der Kläger die Fremdenverkehrsbeitragsbescheide im Plural bezeichnet und auch den Änderungsbescheid vom 21. August 2018 benennt, der lediglich den Bescheid für das Jahr 2016 ändert.
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Die Bezeichnung der Finanzadresse kann für eine nähere Eingrenzung nicht herangezogen werden, da diese Finanzadresse bei allen 4 ergangenen Bescheiden die gleiche ist.
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Jedoch nennt der Kläger im Klageantrag ausdrücklich die „Veranlagung des Klägers für das Jahr 2013“, was doch für eine Einschränkung der Anfechtung lediglich des Bescheids vom 30. Mai 2018 hinsichtlich des Veranlagungsjahres 2013 spricht. Darüber hinaus nennt auch die Begründung der Klageschrift vom 10. Februar 2019 unter II. des Sachverhalts auf Seite 3 oben erneut die „Veranlagung für das Jahr 2013“.
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Im Übrigen wäre eine Anfechtung der Beitragsbescheide für die Jahre 2014 und 2015 unzulässig, da diese den Kläger lediglich begünstigen, weil die bisherige - bestandskräftige - Festsetzung herabgesetzt wird.
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In der Gesamtschau ist damit von einer Anfechtung lediglich des Beitragsbescheids für das Jahr 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids auszugehen.
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3. Die Klage ist zulässig, insbesondere wurde das - nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Nummer 1 AGVwGO freigestellte, vom Kläger betriebene - Widerspruchsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt.
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Der Widerspruch des Klägers vom 3. Juli 2018 gegen die Bescheide vom 30. Mai 2018 erfolgte nicht verspätet, was zur Bestandskraft der angefochtenen Bescheide geführt hätte, sodass dahinstehen kann, ob die vom Beklagten angenommenen Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in die Widerspruchsfrist vorlagen; im Übrigen hätte richtigerweise das Landratsamt als Widerspruchsbehörde über eine Wiedereinsetzung nach § 60 VwGO in Verbindung mit § 70 Abs. 2 VwGO entscheiden müssen.
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Nach § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Widerspruch innerhalb eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekannt gegeben worden ist, schriftlich, in elektronischer Form oder zur Niederschrift bei der Behörde zu erheben, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Nach Art. 41 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Diese Vermutung, von der der Beklagte und wohl auch die Widerspruchsbehörde ausgegangen sind, greift hier jedoch nicht.
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Eine Aufgabe zur Post und deren Zeitpunkt lässt sich den vorgelegten Verwaltungsakten nicht entnehmen. Weder befindet sich auf den Bescheiden, gegen die Widerspruch eingelegt wurde, noch auf einer gesonderten Versandliste ein Vermerk über eine Aufgabe zur Post und wann diese erfolgt sein sollte. Damit kann weder von einem fiktiven Bekanntgabezeitpunkt ausgegangen werden, noch steht der Zeitpunkt des tatsächlichen Zugangs der Bescheide fest.
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Da sich nicht nachweisen lässt, wann eine Bekanntgabe erfolgte, ist weder der Anlauf der Widerspruchsfrist noch ihr Ablauf zu ermitteln. Zugunsten des Klägers ist von einer rechtzeitigen Widerspruchseinlegung auszugehen.
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4. Die Klage gegen die Festsetzung des Fremdenverkehrsbeitrags für das Jahr 2013 bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 30. Mai 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts … vom 10. Januar 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Zur Vermeidung von Wiederholungen sieht das Gericht nach § 117 Abs. 5 VwGO von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, da es der ausführlichen und fundierten Begründung des Widerspruchsbescheids vom 10. Januar 2019 folgt.
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5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.