Titel:
staatliche Kenntnisprüfung gemäß § 37 ÄApprO, Aufhebung der Prüfungsentscheidung, Mitteilung des Nichtbestehens der Kenntnisprüfung durch den Vorsitzenden der Prüfungskom-mission als Verwaltungsakt (bejaht), nachträgliche rückwirkende Bestellung eines Mitglieds der Prüfungskommission unzulässig, Unterschreitung der vorgegebenen Mindestprüfungsdauer, Unzumutbarkeit der unverzüglichen Rüge des Verfahrensfehlers in der mündlich-praktischen Prüfung
Schlagworte:
staatliche Kenntnisprüfung gemäß § 37 ÄApprO, Aufhebung der Prüfungsentscheidung, Mitteilung des Nichtbestehens der Kenntnisprüfung durch den Vorsitzenden der Prüfungskom-mission als Verwaltungsakt (bejaht), nachträgliche rückwirkende Bestellung eines Mitglieds der Prüfungskommission unzulässig, Unterschreitung der vorgegebenen Mindestprüfungsdauer, Unzumutbarkeit der unverzüglichen Rüge des Verfahrensfehlers in der mündlich-praktischen Prüfung
Fundstelle:
BeckRS 2021, 39914
Tenor
1. Die Prüfungsentscheidung, wonach die Klägerin die dritte ärztliche Kenntnisprüfung am 29. Oktober 2020 in … nicht bestanden hat, wird aufgehoben.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Die Klägerin begehrt die Aufhebung der Entscheidung über das Nichtbestehen des dritten Versuchs der ärztlichen Kenntnisprüfung zur … der Approbation als Ärztin.
2
Die Klägerin hat in Georgien ihre ärztliche Ausbildung abgeschlossen und am 19. Juni 2015 bei der Regierung von Oberbayern einen Antrag auf Erteilung der Approbation gestellt. Mit Schreiben vom 2. August 2017 teilte die Regierung von Oberbayern der Klägerin mit, dass der externe Sachverständige nach Prüfung der eingereichten Unterlagen zu dem Ergebnis gekommen sei, dass auch unter Einbeziehung aller bis dato vorgelegten Unterlagen wesentliche Defizite bestünden. Auch die Regierung von Oberbayern sei zu dem Ergebnis gekommen, dass auf Grundlage der bisher eingereichten Unterlagen eine Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes zu verneinen sei. Kostengünstiger und zielführender sei es, wenn sich die Klägerin für die Möglichkeit des Approbationserwerbs im Wege einer Kenntnisprüfung entscheiden würde.
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Die Klägerin nahm am 6. September 2018 in …, am 25. September 2019 in … und am 29. Oktober 2020 in … an der staatlichen Kenntnisprüfung nach § 37 ÄApprO teil und bestand diese jeweils nicht. Laut Niederschrift zum dritten Versuch der staatlichen Kenntnisprüfung (Bl. 541 Behördenakte) dauerte die Anamnese, Patientenuntersuchung und Epikrise von 8:15 Uhr bis 13:00 Uhr, die Gruppenprüfung von 14:00 Uhr bis 17:00 Uhr. Die Prüfungskommission bestand aus dem Vorsitzenden … und den weiteren Mitgliedern … und … Mit Schreiben vom 8. November 2020 teilte die Regierung von Oberbayern der Klägerin mit, dass auch nach der dritten Kenntnisprüfung weiterhin grundlegende Defizite beim ärztlichen Kenntnisstand der Klägerin vorlägen. Bereits mit Schreiben vom 16. Oktober 2019 sei der Klägerin erläutert worden, dass die Kenntnisprüfung nur zweimal wiederholt werden dürfe und es sich beim folgenden Prüfungsversuch um den letzten handeln würde. Bedauerlicherweise habe die Klägerin keine Möglichkeit zur nochmaligen Teilnahme an der Kenntnisprüfung. Aus diesem Grund wäre die Regierung nach Aktenlage gehalten, den Approbationsantrag kostenpflichtig abzulehnen. Günstiger wäre es für die Klägerin, ihren Antrag auf Erteilung der Approbation zurückzunehmen.
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Die Klägerin ließ am 10. Dezember 2020 Klage erheben und beantragte ursprünglich, die Prüfungsentscheidungen, wonach die Klägerin die drei ärztlichen Kenntnisprüfungen nicht bestanden hat, aufzuheben (Klageantrag zu 1) bis 3)) sowie festzustellen, dass der Klägerin noch insgesamt drei Prüfungsversuche der ärztlichen Kenntnisprüfung zur Verfügung stehen (Klageantrag zu 4)). Nach Rücknahme des Klageantrags zu 1) betreffend die erste Kenntnisprüfung (eingestellt unter dem Aktenzeichen AN 4 K 20.02715), des Klageantrags zu 2) betreffend die zweite Kenntnisprüfung (eingestellt unter dem Aktenzeichen AN 4 K 20.02739) und des Klageantrags zu 4) in der mündlichen Verhandlung beantragt die Klägerin zuletzt noch, die Prüfungsentscheidung, wonach die Klägerin die dritte ärztliche Kenntnisprüfung am 29. Oktober 2019 in … nicht bestanden hat, wird aufgehoben. Der Versuch wird nicht gewertet.
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Zur Zulässigkeit der Klage führte der Klägervertreter aus, dass es sich um eine Anfechtungsklage handeln dürfte. Für die Kenntnisprüfung der Zahnärzte sei festgestellt worden, dass die Mitteilung der Prüfungsentscheidung durch den Prüfungsvorsitzenden ein Verwaltungsakt sei (OVG Bremen, B.v. 13.3.2012 - 1 B 29/12 - juris Rn. 33). Auch das Verwaltungsgericht München habe sich im Sitzungsprotokoll dahingehend geäußert, dass die Bekanntgabe des Nichtbestehens einer Kenntnisprüfung gegenüber dem Prüfling ein Verwaltungsakt sei (M 27 K 19.6001).
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Der Klägervertreter machte diverse Mängel des dritten Versuchs der Kenntnisprüfung vom 29. Oktober 2020 geltend, die zur Aufhebung der Prüfungsentscheidung führen müssten.
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Unter anderem führte der Klägervertreter aus, dass die Mindestprüfungsdauer von 60 Minuten gemäß § 37 Abs. 2 Satz 2 ÄApprO unterschritten worden sei. Die Patientenvorstellung habe von 14:00 Uhr bis 15:30 Uhr, die weitere Prüfung von 15:45 Uhr bis 16:45 Uhr gedauert. Bei 150 Minuten gleichmäßig verteilt auf vier Prüflinge ergebe sich eine Prüfungsdauer von 37,5 Minuten pro Prüfling. Damit werde die Mindestprüfungsdauer um 22,5 Minuten oder 37,5% unterschritten. Es bestehe die konkrete Möglichkeit, dass die Klägerin in den fehlenden Minuten eine bessere Leistung hätte erbringen können.
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Des Weiteren rügte der Klägervertreter, dass …, der für* … nachgerückt sei, erst am 18. November 2020, d.h. 20 Tage nach der streitigen Prüfung vom 29. Oktober 2020 zum Prüfer bestellt worden sei. Er sei damit nicht ordnungsgemäß bestellt gewesen. Es handele sich insoweit um einen erheblichen Verfahrensfehler, der zur Rechtswidrigkeit der Prüfung führe. Dieser Verfahrensfehler könne auch nicht durch die nachträgliche Bestellung beseitigt werden. Das Verwaltungsgericht Hamburg (U.v. 18.12.2018 - 2 K 1233/18) führe hierzu aus: „Hierfür ist ein formeller Beschluss erforderlich (vgl. zur Prüferbestellung VG Gelsenkirchen. Urt. v. 17.10.2012, 4 K 1737/11, juris). Eine nachgeholte, rückwirkende Bestellung auch des Beisitzers ist als unzulässig zu bewerten, da der Prüfungsausschuss auf diese Weise eine verfahrensfehlerhaft getroffene Entscheidung nachträglich (unter Berücksichtigung des bereits festgestellten Ergebnisses) heilen könnte (VG Berlin, Urt. v. 27.9.2016, 12 K 333/15, juris Rn. 37).“ So liege der Fall auch hier.
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Der Beklagte beantragt mit Schriftsatz vom 10. März 2021,
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Die Klage wäre als Anfechtungsklage statthaft, wenn die Aufhebung eines Verwaltungsakts begehrt würde. Die Prüfungsentscheidung, welche die Prüfungskommission den Prüflingen am Ende des Prüfungstages der Kenntnisprüfung mitteile, stelle keinen Verwaltungsakt dar. Es handle sich dabei vielmehr um eine unselbstständige Verfahrenshandlung im Sinne des § 44a Satz 1 VwGO ohne eigenen Regelungsgehalt, welche nicht gesondert mit Rechtsmitteln angefochten werden könne. Die Mitteilung über das Ergebnis der Kenntnisprüfung diene der Regierung von Oberbayern lediglich als Grundlage für die Entscheidung über die Erteilung der Approbation. Es handle sich um eine unselbstständige Verfahrensanordnung im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens, die nur der Vorbereitung eines Verwaltungsakts diene und erst im Rahmen des abschließenden Verwaltungsakts nachprüfbar sei. Die Prüfungskommission der beauftragten Universität treffe bei der Kenntnisprüfung keine letztgültige Entscheidung, sondern gebe nur eine gutachterliche Stellungnahme dahingehend ab, ob die Klägerin über die für die Ausübung des ärztlichen Berufes erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfüge. Darüber hinaus sei die Stellungnahme lediglich eine interne fachliche Äußerung gegenüber der Regierung von Oberbayern und keine Maßnahme mit Außenwirkung. Die Regierung von Oberbayern als Approbationsbehörde sei anders als bei einem Staatsexamen deutscher Ärzte nicht in allen Fällen an die fachliche Einschätzung der Prüfungskommission gebunden. Ergäben sich z.B. aus der Niederschrift Zweifel an einem fehlerfreien Zustandekommen des Prüfungsergebnisses, könne die Regierung von dem mitgeteilten Ergebnis der Prüfungskommission abweichen.
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Darüber hinaus fehle es an der Außenwirkung. Mit den Kenntnisprüfungsergebnissen verhalte es sich wie mit den im Rahmen der Gleichwertigkeitsprüfung erstellten Gutachten eines externen Sachverständigen über die Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes des jeweiligen Antragstellers. Auch dort sei die Regierung von Oberbayern nicht an das Ergebnis der gutachterlichen Stellungnahme gebunden. Das Sachverständigengutachten sei nicht als solches anfechtbar, sondern erst der Feststellungsbescheid, in welchem die Nichtgleichwertigkeit des Ausbildungsstandes festgestellt werde. Anfechtbare Verwaltungsakte im Rahmen eines Berufszulassungsverfahrens seien lediglich der Bescheid über festgestellte Ausbildungsunterschiede und die Erteilung oder Ablehnung der Berufszulassung. Der Antrag auf Aufhebung der Prüfungsentscheidung der Kenntnisprüfung sei somit nicht statthaft. Die Klägerin hätte den Erlass des Ablehnungsbescheides abwarten müssen, um diesen anzufechten.
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Zum Vorwurf der Unterschreitung der Mindestprüfungsdauer führte der Beklagte aus, dass an der Prüfung vier Prüflinge teilgenommen hätten. Die Prüfung habe laut Niederschrift von 14:00 Uhr bis 17:00 Uhr gedauert. Nach Angaben der Prüfungskommission sei es zu einer Pause von ca. 10 Minuten gekommen. … habe angegeben, dass die Klägerin mehrfach Zusatzfragen erhalten habe, um ihr ein Bestehen der Prüfung zu ermöglichen (Stellungnahme …, Anlage B2). Die Prüfungszeit der Klägerin habe somit wohl deutlich über der Prüfungszeit der anderen Prüflinge gelegen, sodass eine deutliche Unterschreitung der Prüfungszeit nicht ersichtlich sei. Die Klägerin habe eine massive Unterschreitung der Prüfungszeit bei der Prüfung nicht gerügt.
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Die Bestellung der Prüfer obliege gemäß § 37 Abs. 4 Satz 2 ÄApprO der Regierung von Oberbayern. Die Prüfungsämter der jeweiligen Universitäten, die im Auftrag der Regierung von Oberbayern die Organisation der Kenntnisprüfung übernähmen, übermittelten der Regierung von Oberbayern die Angaben über die für die Kenntnisprüfung zur Verfügung stehenden Prüfer. Die Prüfer erhielten einmalig ein Schreiben über ihre Bestellung als Prüfer von der Regierung von Oberbayern. Im Rahmen der Organisation der konkreten Kenntnisprüfungstermine würden die zur Prüfungsabnahme bestellten Prüfer von den Prüfungsämtern bzw. Lehrkrankenhäusern unter Beachtung des § 37 Abs. 4 und 1 ÄApprO eingeteilt. Die Mitglieder der streitgegenständlichen Prüfungskommission seien alle ordnungsgemäß bestellt gewesen (Bestellerschreiben, Anlagen B8-B10).
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Der Klägervertreter replizierte, dass der Approbationsbehörde kein Recht zustehe, die ordnungsgemäß zustande gekommene fachliche Entscheidung der Prüfungskommission zu korrigieren. Dies ergebe sich eindeutig aus dem Wortlaut des § 37 Abs. 6 Satz 1 ÄApprO. Es handele sich zwar um eine interne gutachterliche Stellungnahme, deren Ergebnis allerdings für den Beklagten bindend sei. Entfalte ein Gutachten bindende Wirkung gegenüber anderen Behörden bzw. dem Bürger, könne es ein Verwaltungsakt sein (BVerwGE 46, 356/357 f.). So sei es vorliegend. Im Übrigen gingen Zweifel bei der Auslegung der behördlichen Erklärung zu Lasten der Behörde. Der Beklagte müsse sich die Erklärung der Kommission zurechnen lassen. Die Klägerin habe ein überragendes Interesse daran, jeweils verbindlich zu erfahren, ob sie den Prüfungsversuch bestanden habe. Schon deshalb müsse sie nicht damit rechnen, die Behörde werde ihr nur ein vorläufiges und nicht bindendes Ergebnis mitteilen. Die Vorstellung, die Behörde schicke die Klägerin in weitere Prüfungsversuche oder versage ihr diese, ohne zuvor abschließend über das Bestehen der vorangegangenen Prüfungsversuche entschieden zu haben, sei schlicht realitätsfern.
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Bezüglich der Unterschreitung der Mindestprüfungsdauer führte der Klägervertreter weiter aus, dass, wenn die Klägerin, wie vom Beklagten behauptetet, mindestens 60 Minuten geprüft worden sei, für die übrigen Prüflinge lediglich jeweils 40 Minuten verblieben. Es könne somit mit Sicherheit festgestellt werden, dass die Prüfungskommission die vorgeschriebene Mindestprüfungsdauer massiv, namentlich durchschnittlich um ein Drittel unterschritten habe. In diesem Lichte erscheine es doch zumindest unwahrscheinlich, dass ausgerechnet der Klägerin, die zu diesem Zeitpunkt zumindest von einem Teil der Kommission bereits längst abgeschrieben gewesen sei, die volle Prüfungszeit zugestanden worden sein solle.
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In der mündlichen Verhandlung am 18. November 2021 führten die Beklagtenvertreterinnen auf Nachfrage des Gerichts aus, dass die Bestellung des Prüfers der Sicherstellung diene, dass ein fachlich qualifizierter Prüfer die Prüfung abnehme. Es handele sich insoweit um eine notwendige Formalie. Da die Qualifikation des Prüfers … unstreitig sei, gehe der Beklagte von einer wirksamen nachträglichen Bestellung aus. Der Klägervertreter verwies insoweit auf die Gefahr von Manipulationen bei einer nachträglichen Prüferbestellung. Zur Unterschreitung der Mindestprüfungsdauer führten die Beklagtenvertreterinnen in der mündlichen Verhandlung ergänzend aus, dass im konkreten Fall und wenn es darauf ankomme, eine Rüge seitens des Prüflings zu erwarten sei. Nähere Aufzeichnungen zum zeitlichen Ablauf der Prüfung lägen dem Beklagten nicht vor.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die beigezogene Behördenakte sowie die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung vom 18. November 2021 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg. Die Entscheidung der Prüfungskommission über das Nichtbestehen des dritten Versuchs der Kenntnisprüfung nach § 37 ÄApprO vom 29. Oktober 2020 ist aufzuheben. Damit hat die Klägerin Anspruch auf Wiederholung des dritten Versuchs der staatlichen Kenntnisprüfung nach § 37 ÄApprO.
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1. Die Klage ist zulässig.
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a) Die Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO) ist statthaft, da es sich bei der Mitteilung des Nichtbestehens der Kenntnisprüfung durch den Vorsitzenden der Prüfungskommission im Anschluss an die Prüfung am 29. Oktober 2020 um einen mündlichen Verwaltungsakt im Sinne des Art. 35 Satz 1 BayVwVfG handelt.
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Die Mitteilung des Nichtbestehens der Kenntnisprüfung durch den Vorsitzenden der Prüfungskommission stellt eine Maßnahme einer Behörde im Sinne des Art. 35 Satz 1 BayVwVfG dar (vgl. OVG NW, U.v. 21.3.2017 - 14 A 1689/16 - juris Rn. 34 für den Prüfungsausschuss). Nach § 37 Abs. 6 Satz 3 i.V.m. § 15 Abs. 9 Satz 3 der Approbationsordnung für Ärzte (ÄApprO) vom 27. Juni 2002 (BGBl. I S. 2405), zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. August 2019 (BGBl. I S. 1307) teilt der Vorsitzende der Prüfungskommission dem Prüfling das Ergebnis der mündlich-praktischen Prüfung mit. Der Vorsitzende der Prüfungskommission wird zur Mitteilung des Prüfungsergebnisses durch § 37 Abs. 6 Satz 3 i.V.m. § 15 Abs. 9 Satz 3 ÄApprO ausdrücklich ermächtigt. Diese Mitteilung ist der Prüfungsbehörde zuzurechnen, da die Prüfungskommission der Prüfungsbehörde als Organ mit selbstständigen nach außen gerichteten Wahrnehmungskompetenzen zugeordnet ist und mit Dritten nicht in selbstständiger Rechtsbeziehung steht (Jeremias in Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 358).
22
Die Mitteilung, dass die Kenntnisprüfung nicht bestanden wurde, hat Regelungswirkung. Eine Regelung liegt vor, wenn die Maßnahme der Behörde darauf gerichtet ist, eine verbindliche Rechtsfolge zu setzen, d.h. wenn Rechte des Betroffenen unmittelbar begründet, geändert, aufgehoben, mit bindender Wirkung festgestellt oder verneint werden (BVerwG, U.v. 16.1.2007 - 6 C15.06 - juris Rn. 22). Die Regelungswirkung der Mitteilung über das Nichtbestehen der Kenntnisprüfung besteht in der verbindlichen Feststellung, dass der konkrete Prüfungsversuch nicht bestanden wurde und - bei den ersten beiden erfolglosen Versuchen - dass die Prüfung zu wiederholen ist (NdsOVG, B.v. 21.3.2019 - 2 ME 325/19 - juris Rn. 10; OVG NW, U.v. 21.3.2017 - 14 A 1689/16 - juris Rn. 35 ff. jeweils zum Nichtbestehen einer Modulprüfung) bzw. - beim dritten erfolglosen Versuch - dass eine Prüfungswiederholung nicht mehr möglich ist.
23
Die mündliche Mitteilung durch den Vorsitzenden der Prüfungskommission hat auch die für einen Verwaltungsakt erforderliche Außenwirkung. Der Vorsitzende der Prüfungskommission teilt dem Prüfling das Ergebnis der mündlich-praktischen Prüfung mit (§ 37 Abs. 6 Satz 3 i.V.m. § 15 Abs. 9 Satz 3 ÄApprO). Damit ist die Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses gegenüber dem Prüfling als einer außerhalb der Behörde stehenden Person bereits gesetzlich vorgesehen. Die Feststellung des Nichtbestehens der Kenntnisprüfung stellt damit nicht lediglich eine verwaltungsinterne Maßnahme zur Vorbereitung eines späteren Prüfungsbescheides über das Bestehen oder Nichtbestehen der Kenntnisprüfung dar, die dem Prüfling lediglich aus bloßer Verwaltungspraxis mitgeteilt wird (vgl. OVG NW, U.v. 21.3.2017 - 14 A 1689/16 - juris Rn. 40 für Bachelorprüfung).
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Soweit der Beklagte ausführte, dass die Mitteilung über das Ergebnis der Kenntnisprüfung der Approbationsbehörde lediglich als Grundlage für die Entscheidung über die Erteilung der Approbation diene und die Prüfungskommission bei der Kenntnisprüfung keine letztgültige Entscheidung treffe, sondern nur eine gutachterliche Stellungnahme dahingehend abgebe, ob die Klägerin über die für die Ausübung des ärztlichen Berufes erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfüge, verkennt der Beklagte den Unterschied zwischen der Entscheidung über das Bestehen der staatlichen Kenntnisprüfung und der Entscheidung über die Erteilung der Approbation sowie die jeweils bestehenden Zuständigkeiten.
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Für die Entscheidung über die Erteilung der Approbation ist in den Fällen, in denen die Erteilung von der Feststellung der Gleichwertigkeit des Ausbildungs- und Kenntnisstandes abhängt, gemäß § 12 Abs. 3 der Bundesärzteordnung (BÄO) i.d.F. d. Bek. vom 16. April 1987 (BGBl. I S. 1218), zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. August 2019 (BGBl. I S. 1307) i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 3 der Verordnung über die zuständigen Behörden zum Vollzug des Rechts der Heilberufe (HeilBZustV) i.d.F. vom 17. Dezember 1996 (GVBl. S. 549), zuletzt geändert durch Verordnung vom 4. August 2020 (GVBl S. 511) die Regierung von Oberbayern zuständig. Die Entscheidung über das Bestehen der Kenntnisprüfung und damit die fachlich-inhaltliche Bewertung der Leistung des Prüflings weist die Approbationsordnung für Ärzte jedoch ausschließlich der Prüfungskommission zu. Nach § 37 Abs. 6 Satz 1 ÄApprO ist die Kenntnisprüfung erfolgreich abgeschlossen, wenn die Prüfungskommission in einer Gesamtbetrachtung die Patientenvorstellung und die Leistungen in den Fächern und Querschnittsbereichen als bestanden bewertet. Damit entscheidet die Prüfungskommission allein und letztverbindlich über das Bestehen der Kenntnisprüfung.
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Das Bestehen der Kenntnisprüfung ist zwar lediglich eine von mehreren Voraussetzungen für die Erteilung der Approbation. So bedarf es für die Erteilung der Approbation unter anderem auch der Würdigkeit und Zuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufes (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BÄO) und der gesundheitlichen Eignung des Antragstellers (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO). Dies ändert aber nichts an dem Umstand, dass bereits die - allein von der Prüfungskommission zu treffende - Entscheidung über das Bestehen der Kenntnisprüfung ein eigenständiger Verwaltungsakt ist. Hierin unterscheidet sich die staatliche Kenntnisprüfung im Sinne des § 37 ÄApprO auch nicht von der ärztlichen Prüfung im Sinne der §§ 22 ff. ÄApprO. Das Bestehen der Kenntnisprüfung ersetzt quasi das gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BÄO grundsätzlich erforderliche Bestehen der ärztlichen Prüfung, wenn der Drittstaatangehörige die Gleichwertigkeit seines Ausbildungsstandes nicht (vollständig) auf schriftlichem Weg nachweisen konnte.
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Soweit der Beklagte weiter vorträgt, dass die Approbationsbehörde anders als bei der ärztlichen Prüfung deutscher Ärzte nicht in allen Fällen an die fachliche Einschätzung der Prüfungskommission gebunden sei, sondern bei Zweifeln an einem fehlerfreien Zustandekommen des Prüfungsergebnisses vom mitgeteilten Ergebnis der Prüfungskommission abweichen könne, wird bereits nicht ersichtlich, inwiefern hier ein relevanter Unterschied zwischen der Entscheidung über das Bestehen der ärztlichen Prüfung und der Entscheidung über das Bestehen der staatlichen Kenntnisprüfung im Sinne des § 37 ÄApprO bestehen sollte.
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Selbst wenn man nicht bereits in der mündlichen Mitteilung des Ergebnisses des dritten Versuchs der Kenntnisprüfung durch den Vorsitzenden der Prüfungskommission einen Verwaltungsakt sehen wollte, so wäre dieser doch spätestens im Schreiben der Regierung von Oberbayern vom 8. November 2020 zu erblicken. In diesem teilte die Regierung der Klägerin mit, dass auch nach der dritten Kenntnisprüfung weiterhin grundlegende Defizite beim ärztlichen Kenntnisstand der Klägerin vorlägen und die Klägerin keine Möglichkeit zur nochmaligen Teilnahme an der Kenntnisprüfung habe. Spätestens damit hat sich die Regierung von Oberbayern die Feststellung der Prüfungskommission über das Nichtbestehen des dritten Versuchs der Kenntnisprüfung zu eigen gemacht und gegenüber der Klägerin mit Außenwirkung zum Ausdruck gebracht, dass sie den dritten Versuch der Kenntnisprüfung nicht bestanden hat und eine Wiederholung nicht möglich ist.
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b) Weder die mündliche Mitteilung des Prüfungsergebnisses durch den Vorsitzenden der Prüfungskommission am 29. Oktober 2020 noch das Schreiben der Regierung von Oberbayern vom 8. November 2020 waren mit einer Rechtsbehelfsbelehrungversehen. Insofern gilt gemäß § 58 Abs. 2 VwGO für die Anfechtung der Prüfungsentscheidung die Jahresfrist, die mit Erhebung der Klage am 10. Dezember 2020 gewahrt wurde.
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2. Die Anfechtungsklage ist auch begründet, da die Entscheidung der Prüfungskommission über das Nichtbestehen des dritten Versuchs der Kenntnisprüfung nach § 37 ÄApprO vom 29. Oktober 2020 rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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a) Die Rechtswidrigkeit der Entscheidung der Prüfungskommission über das Nichtbestehen des dritten Versuchs der Kenntnisprüfung vom 29. Oktober 2020 folgt zunächst daraus, dass der als weiteres Mitglied der Prüfungskommission tätig gewordene Prüfer … im Zeitpunkt der Kenntnisprüfung am 29. Oktober 2020 nicht ordnungsgemäß als Mitglied der Prüfungskommission bestellt war (aa). Dieser Verfahrensfehler ist für die Prüfungsentscheidung erheblich (bb). Es war der Klägerin nicht zumutbar, die fehlerhafte Besetzung der Prüfungskommission in der Prüfung unverzüglich zu rügen (cc).
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aa) Der als weiteres Mitglied der Prüfungskommission tätig gewordene Prüfer* … war im Zeitpunkt der Kenntnisprüfung am 29. Oktober 2020 nicht ordnungsgemäß als Mitglied der Prüfungskommission bestellt.
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Nach § 37 Abs. 4 Satz 2 ÄApprO wird die Prüfungskommission von der nach § 12 Abs. 3 BÄO zuständigen Behörde des Landes bestellt. Nach § 12 Abs. 3 BÄO trifft die Entscheidungen nach § 3 Abs. 3 BÄO die zuständige Behörde des Landes, in dem der ärztliche Beruf ausgeübt werden soll. Nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 Halbs. 1 HeilBZustV obliegt der Vollzug der Bundesärzteordnung in Fällen, in denen die Erteilung der Approbation von der Feststellung der Gleichwertigkeit des Ausbildungs- oder Kenntnisstandes abhängt, der Regierung von Oberbayern. Mithin war für die Bestellung der Prüfungskommission vorliegend die Regierung von Oberbayern zuständig.
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Die Approbationsordnung für Ärzte enthält in § 37 Abs. 4 Satz 5 und 6 lediglich Vorgaben zur erforderlichen Qualifikation der Prüfer, jedoch keine Regelung dazu, in welcher Form die Prüferbestellung zu erfolgen hat. Bei der Bestellung zum Prüfer handelt es sich um einen Verwaltungsakt (VGH BW, U.v. 8.2.2017 - 9 S 1128/16 - juris Rn. 75; VG Berlin, B.v. 11.6.2010 - 3 L 233.10 - juris Rn. 21; VG Bayreuth, B.v. 11.4.2003 - B 5 S 03.307 - juris Rn. 20). Als Verwaltungsakt kann die Bestellung schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erfolgen (Art. 37 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG). In jedem Fall bedarf es zu ihrer Wirksamkeit aber der Bekanntgabe gegenüber dem Prüfer (Art. 43 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG). Der Beklagte hat ausgeführt, dass die Prüferbestellung durch Übersendung eines einmaligen Schreibens der Regierung von Oberbayern an die Prüfer erfolgt, in dem diese über ihre Bestellung informiert werden (Muster Anlage B6). …, der beim dritten Versuch der Kenntnisprüfung am 29. Oktober 2020 als weiteres Mitglied der Prüfungskommission tätig wurde, wurde mit Schreiben der Regierung von Oberbayern vom 18. November 2020 als Mitglied der Prüfungskommission gemäß § 37 Abs. 4 Satz 3 und 4 ÄApprO bestellt (Anlage B9). Damit erfolgte die Prüferbestellung von … jedoch erst nach Durchführung des dritten Versuchs der Kenntnisprüfung. Dass die Prüferbestellung dem Prüfer bereits zuvor in anderer Weise bekannt gegeben wurde, hat der Beklagte nicht vorgetragen. Folglich war … zum Zeitpunkt des dritten Versuchs der Kenntnisprüfung (noch) nicht wirksam als Mitglied der Prüfungskommission bestellt.
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Ob in dem Schreiben an … vom 18. November 2020 eine nachgeholte, rückwirkende Prüferbestellung gesehen werden kann, ist bereits deshalb fraglich, weil in dem Schreiben kein Zeitpunkt für die Bestellung als Prüfer benannt wird. Selbst wenn dies der Fall wäre, wäre eine solche rückwirkende Bestellung als Prüfer unzulässig, da die Regierung von Oberbayern dadurch eine verfahrensfehlerhaft getroffene Prüfungsentscheidung nachträglich, d.h. unter Berücksichtigung des bereits festgestellten Ergebnisses, heilen könnte (VG Hamburg, U.v. 18.12.2018 - 2 K 1233/18 - juris Rn. 29). Es stünde somit im Ermessen der Regierung von Oberbayern, ob eine bisher rechtswidrige, weil von einer (teilweise) unzuständigen Prüfungskommission getroffene Prüfungsentscheidung rechtmäßig wird oder nicht. Selbst wenn das Ermessen der Regierung insofern auf null reduziert sein sollte, würde doch ein Missbrauchspotential eröffnet werden und die in § 37 Abs. 6 Satz 1 ÄApprO eigentlich der Prüfungskommission zugewiesene Aufgabe der Entscheidung über das Bestehen der Prüfung von einem weiteren Akt der Regierung abhängig gemacht werden.
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bb) Die unrichtige Besetzung der Prüfungskommission mit …anstelle eines ordnungsgemäß bestellten Mitgliedes der Prüfungskommission ist ein für das Prüfungsergebnis erheblicher Verfahrensfehler.
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Ein im Prüfungsverlauf aufgetretener Verfahrensfehler führt grundsätzlich nur dann zur Aufhebung der Prüfungsentscheidung, wenn er wesentlich ist und ein Einfluss auf das Prüfungsergebnis nicht ausgeschlossen werden kann (BVerwG, B.v. 12.11.1971 - VII B 71.70 - juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 18.5.2016 - 7 CE 15.2806 - juris Rn. 22). Eine Aufhebung der Prüfungsentscheidung kommt nicht in Betracht, wenn ausgeschlossen werden kann, dass der Verfahrensfehler für die Prüfungsentscheidung kausal gewesen ist (BVerwG, U.v. 12.11.1997 - 6 C 11.96 - BVerwGE 105, 328 - juris Rn. 12).
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Die unrichtige Besetzung der Prüfungskommission durch Beteiligung eines unzuständigen Prüfers ist ein erheblicher Verfahrensfehler, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass bei der Beteiligung des zuständigen Prüfers ein besseres Prüfungsergebnis erreicht worden wäre (BayVGH, B.v. 18.5.2016 - 7 CE 15.2806 - juris Rn. 22; Jeremias in Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 373). Die prüfungsspezifischen Wertungen des Prüfers hängen von seiner Einschätzung der Leistungen des Prüflings und von seinen Erfahrungen hinsichtlich des für ein positives Prüfungsergebnis grundsätzlich vorauszusetzenden Leistungsniveaus ab (VGH BW, U.v. 26.6.2019 - 9 S 1209/18 - juris Rn. 41; SächsOVG, B.v. 17.7.2013 - 2 B 310/13 - juris Rn. 18; Jeremias in Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 362). Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei der Beteiligung eines anderen, zuständigen Prüfers dieser in der mündlich-praktischen Prüfung andere Fragen gestellt und seinen Beurteilungsspielraum bei der Bewertung der Leistungen der Klägerin anders ausgeübt hätte und damit ein anderes Ergebnis erzielt worden wäre.
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cc) Es war der Klägerin nicht zumutbar, die fehlerhafte Besetzung der Prüfungskommission in der Kenntnisprüfung unverzüglich zu rügen.
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Grundsätzlich muss der Prüfling Mängel im Prüfungsverfahren unverzüglich rügen. Zum einen soll verhindert werden, dass der Prüfling in Kenntnis des Verfahrensmangels die Prüfung zunächst fortsetzt, das Prüfungsergebnis abwartet und sich sodann mit einer späteren Rüge eine zusätzliche Prüfungschance verschafft, die ihm im Verhältnis zu den anderen Prüflingen nicht zusteht und ihnen gegenüber das Gebot der Chancengleichheit verletzen würde. Zum anderen soll der Prüfungsbehörde eine eigene zeitnahe Überprüfung mit dem Ziel einer schnellstmöglichen Aufklärung und gegebenenfalls noch rechtzeitigen Behebung oder zumindest Kompensation eines festgestellten Mangels ermöglicht werden, um auch hierdurch die Chancengleichheit mit den anderen Prüflingen zu wahren (BVerwG, U.v. 27.4.1999 - 2 C 30.98 - juris Rn. 26). Eine solche Mitwirkung kann vom Prüfling allerdings nur im Rahmen des ihm Zumutbaren verlangt werden. Eine Verletzung der Mitwirkungsobliegenheit besteht damit nur, wenn der Prüfling der Mitwirkung hätte nachkommen können und müssen (BVerwG, U.v. 7.10.1988 - 7 C 8.88 - BVerwGE 80, 282 - juris Rn. 13). Dem Prüfling kann kein Verstoß gegen die Rügeobliegenheit vorgeworfen werden, wenn er den Mangel überhaupt nicht gekannt hat, was bei Zuständigkeitsfragen regelmäßig der Fall ist (Jeremias in Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018. Rn. 217).
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Vorliegend hatte die Klägerin während des dritten Versuchs der Kenntnisprüfung keine Kenntnis von den Abläufen der Bestellung der Mitglieder der Prüfungskommission. Der Fehler der unrichtigen Besetzung der Prüfungskommission lag in der Sphäre der Prüfungsbehörde und war für einen Außenstehenden nicht erkennbar. Es war der Klägerin auch nicht zumutbar, sich in der Prüfungssituation nach den Umständen der Bestellung der Prüfungskommission zu erkundigen und insoweit anlasslos auf Fehlersuche zu gehen. Im Ergebnis war der Klägerin eine unverzügliche Rüge des Zuständigkeitsmangels unzumutbar.
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b) Des Weiteren folgt die Rechtswidrigkeit der Entscheidung der Prüfungskommission über das Nichtbestehen des dritten Versuchs der Kenntnisprüfung vom 29. Oktober 2020 auch aus einer Unterschreitung der Mindestprüfungsdauer. Die von der ÄApprO zwingend vorgegebene Mindestprüfungsdauer wurde bei der Prüfung der Klägerin unterschritten (aa). Diese Unterschreitung der Mindestprüfungsdauer ist ein für die Prüfungsentscheidung erheblicher Verfahrensfehler (bb). Eine unverzügliche Rüge dieses Verfahrensfehlers war der Klägerin in der konkreten Prüfungssituation nicht zumutbar (cc).
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aa) Die von der ÄApprO zwingend vorgegebene Mindestprüfungsdauer wurde bei der Prüfung der Klägerin unterschritten.
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Nach § 37 Abs. 3 Satz 2 ÄApprO dauert die Kenntnisprüfung bei maximal vier Antragstellern für jeden Antragsteller mindestens 60 Minuten. Es handelt sich insofern um eine zwingende Vorgabe („dauert“).
45
An der Kenntnisprüfung am 29. Oktober 2020 nahmen vier Prüflinge teil. Laut Niederschrift (Bl. 541 Behördenakte) dauerte die Prüfung von 14:00 Uhr bis 17:00 Uhr, sprich 180 Minuten. Der Beklagte führte aus, dass es nach Angaben der Prüfungskommission zu einer Pause von ca. 10 Minuten gekommen sei, sodass die Prüfungsdauer 170 Minuten betragen würde. Der Klägervertreter trug demgegenüber vor, dass die Pause 15 Minuten gedauert (von 15:30 Uhr bis 15:45 Uhr) und die Prüfung bereits um 16:45 Uhr geendet habe. Nach den Angaben des Klägervertreters hätte die Prüfung somit nur 150 Minuten gedauert.
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Es bedurfte keiner weiteren Aufklärung dahingehend, ob die Prüfung 170 Minuten oder 150 Minuten gedauert hat, denn selbst wenn man eine Gesamtprüfungsdauer von 170 Minuten zugrunde legen würde, wäre es im Fall der Klägerin zu einer wesentlichen Unterschreitung der Mindestprüfungsdauer von 60 Minuten pro Prüfling gekommen. Bei gleichmäßiger Verteilung der 170 Minuten auf die vier Prüflinge wäre jeder Prüfling, so auch die Klägerin, 42,5 Minuten und damit 17,5 Minuten bzw. 29,16% zu kurz geprüft worden. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass für die Klägerin die Mindestprüfungsdauer von 60 Minuten durch das Stellen von Zusatzfragen erreicht wurde. Der Beklagte machte insoweit geltend, dass laut der Stellungnahme von … (Anlage B2) die Klägerin mehrfach Zusatzfragen erhalten habe, um ihr ein Bestehen der Prüfung zu ermöglichen und die Prüfungszeit der Klägerin somit wohl deutlich über der Prüfungszeit der anderen Prüflinge gelegen habe. Diesen pauschalen Vortrag konnte der Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht weiter substantiieren. Nähere Aufzeichnungen zum zeitlichen Ablauf der Prüfung seien laut Beklagtenvertreterinnen nicht vorhanden. Somit ist nicht nachvollziehbar dargelegt, dass die Klägerin tatsächlich in einem solchen zeitlichen Umfang Zusatzfragen erhalten hat, dass ihre Prüfungszeit die vorgegebene Mindestprüfungsdauer von 60 Minuten (zumindest annäherungsweise) erreicht hat. Dies erscheint auch vor dem Hintergrund unwahrscheinlich, dass in diesem Fall die Prüfungsdauer der anderen drei Prüflinge jeweils nur noch ca. 36 Minuten betragen hätte (170 Minuten - 60 Minuten für Klägerin: 3 Prüflinge) und die Klägerin somit über 20 Minuten bzw. ein Drittel länger geprüft worden wäre als ihre Mitprüflinge. Eine derartige Diskrepanz zwischen der Prüfungszeit der Klägerin und der Prüfungszeit der anderen Prüflinge hätte den Prüfern auffallen müssen und wäre von den anderen beiden Prüfern in ihren Stellungnahmen zur Unterschreitung der Mindestprüfungsdauer erwähnt worden. Dies ist nicht der Fall. … führte in seiner Stellungnahme (Anlage B1) aus, dass die Prüfung von 14:00 Uhr bis 17:00 Uhr mit einer 5- bis 10-minütigen Pause gedauert habe, eine schwangere Prüfungskandidatin auf die Toilette gemusst habe und der Darstellung der Klägerin widersprochen werde. Auch … erwähnte in seiner Stellungnahme (Anlage B1) etwaige Zusatzfragen an die Klägerin nicht, sondern verwies bezüglich der Prüfungsdauer auf das Protokoll und benannte eine Pause von ca. 10 bis 15 Minuten.
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bb) Die Unterschreitung der Mindestprüfungsdauer von 60 Minuten um ca. 29% ist ein für die Prüfungsentscheidung erheblicher Verfahrensfehler.
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Wie bereits oben ausgeführt, führt ein Verfahrensfehler grundsätzlich nur dann zur Aufhebung der Prüfungsentscheidung, wenn ein Einfluss auf das Prüfungsergebnis nicht ausgeschlossen werden kann (BVerwG, B.v. 12.11.1971 - VII B 71.70 - juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 18.5.2016 - 7 CE 15.2806 - juris Rn. 22). Umgekehrt scheidet eine Aufhebung der Prüfungsentscheidung aus, wenn ausgeschlossen werden kann, dass der Verfahrensfehler für die Prüfungsentscheidung kausal gewesen ist (BVerwG, U.v. 12.11.1997 - 6 C 11.96 - BVerwGE 105, 328 - juris Rn. 12). Die Beweislast für das Fehlen eines Kausalzusammenhangs zwischen dem Verfahrensfehler und dem Prüfungsergebnis trägt die Prüfungsbehörde (BVerwG, U.v. 20.9.1984 - 7 C 57.83 - BVerwGE 70, 143 - juris Rn. 27 ff.; OVG Bremen, B.v. 12.2.2018 - 2 PA 293/16 - juris Rn. 15; VGH BW, U.v. 12.7.1991 - 9 S 1538/91 - juris Rn. 22).
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Nur geringfügige Unter- oder Überschreitungen der vorgegebenen Prüfungsdauer wirken sich erfahrungsgemäß nicht auf die Verlässlichkeit des in der Prüfung gezeigten Leistungsbildes eines Prüflings aus und können daher allein noch nicht zu einer Aufhebung der Prüfungsentscheidung führen (VG München, GB.v. 25.1.2021 - M 3 K 20.4193 - juris Rn. 26; VG Hannover, U.v. 12.3.2009 - 6 A 5912/08 - juris Rn. 25; Jeremias in Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 407). Die Grenze einer unwesentlichen Abweichung von der vorgegebenen Prüfungsdauer wird von Einzelfall zu Einzelfall anders gezogen (z.B. Überschreitung der Prüfungshöchstdauer von 12 Minuten um 5 Minuten nicht wesentlich BayVGH, B.v. 29.5.2000 - 7 ZB 00.229 - juris Rn. 8; Unterschreitung der Mindestprüfungsdauer von 20 Minuten um mehr als 10% wesentlich VG Hannover, U.v. 12.3.2009 - 6 A 5912/08 - juris Rn. 26; Überschreitung der Prüfungshöchstdauer um mehr als 50% nicht geringfügig VG Hannover U.v. 17.12.2003 - 6 A 5940/02 - juris Rn. 29; Überschreitung der Höchstprüfungsdauer um 61% wesentlich VGH BW, U.v. 12.7.1991 - 9 S 1538/91 - juris Rn. 18 f.).
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Vorliegend hält die Kammer die Unterschreitung der verbindlich vorgegebenen Mindestprüfungsdauer von 60 Minuten um 29% für nicht so geringfügig, dass eine Auswirkung auf das Prüfungsergebnis ohne weiteres ausgeschlossen werden kann. Die Kammer schließt sich insoweit der Einschätzung des Verwaltungsgerichts Hannover an, dass bei einer Unterschreitung der vorgeschriebenen Prüfungszeit ein strengerer Maßstab an die Auslegung des Begriffs der „Geringfügigkeit“ anzulegen ist, da anders als bei einer Überschreitung der Prüfungszeit, welche die Gefahr der übermäßigen Belastung und Fehlerhäufung mit sich bringt, bei einer Verkürzung der Prüfungszeit eine weitaus größere Gefahr für eine chancenungleiche Verfälschung des Prüfungsergebnisses besteht. Der Prüfling erhält im Vergleich zu anderen Prüflingen generell nicht dieselbe Chance zum Nachweis seiner Kenntnisse, zur Korrektur oder zum Ausgleich seiner Aussagen oder Darlegung eines weiteren themenrelevanten Wissens (VG Hannover, U.v. 12.3.2009 - 6 A 5912/08 - juris Rn. 26).
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Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Klägerin bei Einhaltung der vorgeschriebenen Mindestprüfungsdauer im weiteren Prüfungsgespräch eine Leistung gezeigt hätte, die doch noch zu einem Bestehen der Kenntnisprüfung hätte führen können. Die Kausalität der Unterschreitung der Mindestprüfungsdauer für das Prüfungsergebnis kann nicht deshalb ausgeschlossen werden, weil bereits zum Zeitpunkt der tatsächlichen Beendigung der mündlich-praktischen Prüfung festgestanden hätte, dass die Klägerin die Kenntnisprüfung nicht mehr bestehen konnte. Eine Abkürzung der mündlichen Prüfung wegen offensichtlich unzulänglicher Leistungen kann nur ausnahmsweise hingenommen werden, wenn das Erreichen einer ausreichenden Leistung in der verbleibenden Zeit mit hinreichender Sicherheit auszuschließen ist (OVG Berlin-Bbg, B.v. 4.4.2014 - OVG 10 N 84.11 - juris Rn. 32; Jeremias in Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 407). Dies hat der Beklagte vorliegend nicht nachgewiesen. Die Entscheidung über das Bestehen der Kenntnisprüfung wird gemäß § 37 Abs. 6 Satz 3 i.V.m. § 15 Abs. 9 Satz 1 ÄApprO durch die Prüfungskommission mit Stimmenmehrheit getroffen. Dies bedeutet, dass die drei Mitglieder der Prüfungskommission sich bereits vor dem Zurückziehen zur Beratung darüber hätten verständigen müssen, dass die Klägerin aufgrund ihrer bisher gezeigten Leistung die Kenntnisprüfung unter keinen Umständen mehr bestehen konnte und deshalb die Prüfungsdauer abgekürzt wird. Eine solche zumindest konkludente Verständigung unter den Prüfern hat keiner von ihnen in seiner Stellungnahme auch nur angedeutet. Des Weiteren spricht gegen eine solche Einigkeit der Mitglieder der Prüfungskommission, dass … in ihrer Stellungnahme erklärte, man habe der Klägerin Zusatzfragen gestellt, um ihr ein Bestehen der Kenntnisprüfung doch noch zu ermöglichen. Wenn aber der Klägerin durch Zusatzfragen die Möglichkeit des Bestehens eröffnet werden sollte, kann sich die Prüfungskommission nicht zugleich einig gewesen sein, dass die Klägerin keinesfalls mehr bestehen konnte. Dass der Bewertungsspielraum der Prüfer zum Zeitpunkt der Beendigung der mündlich-praktischen Prüfung aus besonderen Gründen „auf null“, d.h. auf ein Nichtbestehen der Kenntnisprüfung reduziert war, wurde vom Beklagten ebenfalls weder behauptet noch nachgewiesen. … führte in seiner Stellungnahme zwar insoweit aus, dass die Klägerin zu Beginn der Prüfung keinen ordnungsgemäßen Bericht im Sinne des § 37 Abs. 5 Satz 2 ÄApprO vorgelegt habe und deshalb die Prüfung bereits hätte beendet werden können. Dies ist aber offensichtlich nicht geschehen und steht erneut in Widerspruch zur Aussage von …, man habe der Klägerin durch Zusatzfragen ein Bestehen ermöglichen wollen.
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cc) Eine unverzügliche Rüge dieses Verfahrensfehlers war der Klägerin in der konkreten Prüfungssituation nicht zumutbar.
53
Die oben bereits beschriebene grundsätzlich bestehende Obliegenheit des Prüflings zur unverzüglichen Rüge eines Mangels des Prüfungsverfahrens besteht nur im Rahmen des ihm Zumutbaren (BVerwG, U.v. 7.10.1988 - 7 C 8.88 - BVerwGE 80, 282 - juris Rn. 13). Dem Prüfling kann ein Verstoß gegen die Rügeobliegenheit nur dann vorgeworfen werden, wenn er zum einen den Mangel gekannt und seine Bedeutung für die Prüfung erfasst hat und wenn er zum anderen ausreichend Zeit und Raum für eine Abwägung hatte, ob er im Vertrauen auf ein positives Prüfungsergebnis den Mangel hinnimmt oder ihn rügt (Jeremias in Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 217). Besonders in der mündlichen Prüfung ist dem Prüfling in der Regel die Rüge eines Verfahrensmangels unzumutbar, da er sich fortwährend auf das Prüfungsgespräch konzentrieren muss und für eine sorgfältige Entscheidung kaum ausreichend Raum und Zeit sein wird (OVG Bremen, B.v. 12.2.2018 - 2 PA 293/16 - juris Rn. 16; SächsOVG, U.v. 25.10.2016 - 2 A 308/15 - juris Rn. 16; Jeremias in Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 217).
54
Danach war es der Klägerin nicht zumutbar, die Unterschreitung der Mindestprüfungsdauer bereits während der mündlich-praktischen Prüfung zu rügen. Der Klägerin verblieb für das Erkennen des Verfahrensfehlers und die Abwägung ihrer Optionen nur ein kurzer Zeitraum zwischen der Erklärung der Prüfungskommission, die Prüfung jetzt zu beenden, und dem Hinausschicken der Prüflinge zur Beratung der Prüfer. Darüber hinaus handelt es sich bei der Unterschreitung der vorgegebenen Mindestprüfungsdauer auch nicht um einen im subjektiven Empfinden der Klägerin liegenden Mangel, zu dessen Behebung möglichst noch während der laufenden Prüfung die Prüfungskommission auf eine entsprechende Mitwirkung der Klägerin in Form einer förmlichen Rüge angewiesen ist, sondern um einen von den persönlichen Befindlichkeiten der Prüflinge losgelösten und für jedermann, mithin auch die Prüfungskommission, leicht erkennbaren Verfahrensfehler. Unter diesen Umständen war der Klägerin eine unverzügliche Rüge nicht zumutbar.
55
Soweit der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung am 18. November 2020 den Klageantrag zu 4) zurückgenommen hat, ist das Verfahren unmittelbar beendet worden. Eines gesonderten Einstellungsbeschlusses nach § 92 Abs. 3 VwGO bedarf es in diesem Fall nicht. Die Kostenentscheidung kann bei einer teilweisen Klagerücknahme vielmehr im Urteil über den noch anhängig gebliebenen Teil des Rechtsstreits getroffen werden (vgl. BVerwG, U.v. 8.9.2005 - 3 C 50.04 - juris Rn. 32; B.v. 7.8.1998 - 4 B 75.98 - juris Rn. 2 zur Kostenentscheidung bei Teilerledigung der Hauptsache; Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 92 Rn. 24; Clausing in Schoch/Schneider, VwGO, 41. EL Juli 2021, § 92 Rn. 76).
56
Die Entscheidung über das Nichtbestehen des dritten Versuchs der Kenntnisprüfung wird antragsgemäß aufgehoben, sodass der Beklagte als unterliegender Teil insoweit gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Soweit der Klägervertreter den Antrag auf Feststellung, dass der Klägerin noch drei Prüfungsversuche zustehen, zurückgenommen hat, hat zwar grundsätzlich gemäß § 155 Abs. 2 VwGO die Klägerin die Kosten hierfür zu tragen. Da jedoch dieser Feststellungsantrag von der Kammer nicht streitwerterhöhend berücksichtigt wird, sind durch ihn auch keine weiteren Kosten entstanden, die von der Klägerin zu tragen wären.
57
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 und Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.