Titel:
Ablehnung eines Haftantrags: Zur Frage der Fluchtgefahr bei tatsächlichem Aufenthalt eines Asylbewerbers in einer Erstaufnahmeeinrichtung (Einzelfallentscheidung)
Normenkette:
StPO § 112 Abs. 2 Nr. 2
Schlagworte:
Fluchtgefahr, Asylbewerber, Erstaufnahmeeinrichtung, Straferwartung
Rechtsmittelinstanz:
LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 26.10.2021 – 12 Qs 75/21
Fundstelle:
BeckRS 2021, 39732
Tenor
Die Anträge der Staatsanwaltschaft, gegen die Beschuldigten … und … die Untersuchungshaft anzuordnen, werden abgelehnt.
Gründe
1
Die Anträge waren abzulehnen, da kein Haftgrund besteht.
2
Beide Beschuldigte sind als Asylbewerber in Deutschland und nach Aktenlage ausweislich der durchgeführten Durchsuchung ihres Zimmers in der ihnen zugewiesenen Unterkunft auch tatsächlich dort aufenthältlich. Für diejenigen verfahrensgegenständlichen Taten, für die nach Aktenlage ein dringender Tatverdacht besteht - namentlich der (einfache) Diebstahl einer Creme aus einer Apotheke in Fürth (kein dringender Verdacht der Griffbereitschaft des gefährlichen Gegenstands zum Zeitpunkt des Diebstahls, angesichts des konkreten Diebesguts auch kein dringender Verdacht der gewerbsmäßigen Begehensweise), ein Hausfriedensbruch in Nürnberg, sowie bei dem Beschuldigten … zusätzlich die Bedrohung und Beleidigung eines Polizeibeamten im Rahmen einer Vernehmungssituation - rechtfertigen nicht die Annahme einer Straferwartung, die so hoch ist, dass die Beschuldigten deshalb untertauchen würden.
3
Der Haftgrund der Wiederholungsgefahr kann schon mangels Anlassdelikt, im Übrigen aber auch mangels Straferwartung von über einem Jahr für die verfahrensgegenständlichen Taten, für die der Verdachtsgrad eines dringenden Tatverdachts besteht, nicht angenommen werden.
4
Der Haftantrag war daher abzulehnen.