Titel:
Hundesteuersatzung, Bekanntgabe, Heilung von Bekanntgabemängeln, Schätzung der Besteuerungsgrundlage, Verwirkung, Verfristung
Normenketten:
Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a) Doppelbuchst. cc) Dreifachbuchst. ccc) KAG
KAG Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b)
Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) Doppelbuchst. aa) KAG
KAG Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a)
AO § 88
AO § 90 Abs. 1
AO § 124
AO § 122
AO § 162
AO § 228
Schlagworte:
Hundesteuersatzung, Bekanntgabe, Heilung von Bekanntgabemängeln, Schätzung der Besteuerungsgrundlage, Verwirkung, Verfristung
Fundstelle:
BeckRS 2021, 38336
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
1
Die Klägerin wehrt sich gegen die Heranziehung zur Hundesteuer durch die Beklagte in voller Höhe.
2
1. Mit Bescheid vom 19. Januar 2011 wurde die Klägerin von der Beklagten zur Zahlung von Hundesteuer für sieben Hunde in Höhe von insgesamt 305,00 EUR für das Jahr 2011 herangezogen.
3
Am 24. Februar 2011 legte die Klägerin mit Schreiben datiert vom 18. Februar 2011 per Telefax Widerspruch gegen den Hundesteuerbescheid vom 19. Januar 2011 ein.
4
Mit Schreiben vom 22. März 2011 teilte die Beklagte der Klägerin mit, ihr Widerspruch sei verfristet eingelegt worden. Das Fristende sei der 22. Februar 2011 gewesen. Ihr Widerspruch sei daher als unzulässig zurückzuweisen.
5
Am 21. Dezember 2012 legte die Beklagte den Widerspruch dem Landratsamt M. zur Entscheidung vor.
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Mit Schreiben vom 23. November 2020 teilte das Landratsamt M. der Klägerin mit, es beabsichtige, den Widerspruch zu verwerfen, da dieser bereits unzulässig sei, da er verfristet eingelegt worden sei. Der Widerspruch sei erst am 24. Februar 2011 und damit nach Ablauf der Widerspruchsfrist erhoben worden. Der Hundesteuerbescheid 2011 vom 19. Januar 2011 gelte nach Art. 41 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG als am 22. Januar 2011 zugestellt. Die Widerspruchfrist habe daher am 22. Februar 2011 geendet. Darüber hinaus sei der Widerspruch auch unbegründet. Hierfür verweise es auf das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12. März 2015 - 4 B 14.2620 - gegen die Klägerin. Mit Fristsetzung bis zum 21. Dezember 2020 wies es die Klägerin auf ihre Möglichkeit, den Widerspruch zurückzunehmen, hin.
7
Da die Klägerin sich hierzu nicht verhielt, wies das Landratsamt M. den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18. Januar 2021 zurück (Nr. 1 des Widerspruchsbescheids). Die Kosten des Widerspruchsverfahrens wurden der Klägerin auferlegt (Nr. 2) und eine Gebühr in Höhe von 35,00 EUR sowie Auslagen in Höhe von 3,68 EUR festgesetzt (Nr. 3). Zur Begründung führte es die Unzulässigkeit des Widerspruchs auf und verwies auf sein Schreiben vom 23. November 2020.
8
Der Widerspruchsbescheid wurde am 20. Januar in den Briefkasten der Klägerin eingelegt.
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2. Am 8. Februar 2021 erhob die Klägerin mit einem auf den 5. Februar 2020 datierten Schreiben per Telefax Klage und beantragte,
den Hundesteuerbescheid der Gemeinde A. … … vom 19. Januar 2011 hinsichtlich der Erhebung der Hundesteuer für das Jahr 2011 in Höhe von 305,00 EUR sowie den diesbezüglichen Widerspruchsbescheid des Landratsamts M. … vom 18. Januar 2021 aufzuheben.
10
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Sie habe im Jahr 2011 keine Hunde gehalten, welche eine Hundesteuer in der vorgenannten Höhe ausgelöst haben könnten. Im Übrigen wäre die Forderung der Beklagten verjährt bzw. verwirkt. Sie erhebe ausdrücklich die Einrede der Verjährung. Sie habe fristgerecht Widerspruch eingelegt. Es mangle bereits an einer ordnungsgemäßen Zustellung, denn es sei keine persönliche Übergabe erfolgt. Sollten Schriftstücke in einen Briefkasten eingeworfen worden sein, so würde dies keine Zustellung darstellen, da sie seit 2015 nicht mehr unter der von der Beklagten verwendeten Anschrift wohne. Es handle sich um eine reine Geschäftsadresse. Sie wohne zurzeit in ihrer anderen Wohnung in Litauen. Dort habe sie auch schon 2010 für mehr als ein Jahr gewohnt.
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Soweit die Klägerin am 8. Februar 2021 auch Klage gegen Hundesteuerbescheide der Beklagten sowie korrespondierende Widerspruchsbescheide für die Jahre 2010, 2012, 2015 und 2016 erhob, wurde das vorliegende Verfahren mit Beschluss vom 8. Februar 2021 von diesen Verfahren abgetrennt.
12
Die Beklagte ließ mit Schriftsatz vom 27. April 2021 zur Begründung der Klageerwiderung im Wesentlichen ausführen: Die Klage sei bereits unzulässig da der Widerspruch verfristet eingelegt worden sei. Die Klage sei jedoch auch unbegründet. Die Klägerin habe am 1. August 2008 sieben Hunde zur Versteuerung angemeldet. In der Folge sei die Klägerin ihrer aus § 11 der Hundesteuersatzung der Beklagten resultierenden Meldepflicht nicht nachgekommen. Sie habe keinerlei An- oder Abmeldungen vorgenommen, weshalb der Festsetzung der Hundesteuer jeweils der letzte bekannte Stand des Vorjahres zugrunde gelegt worden sei. Nach Feststellungen der Beklagten würde die Klägerin aktuell zusammen mit D. … und S. … ca. 30 Hunde im Weiler D. halten. Dass die in den Steuerbescheiden bezeichnete Anzahl der Hunde tatsächlich gehalten werde, sei bisher, auch im Klageverfahren gegen die Hundesteuerfestsetzung von 2013, völlig unstrittig gewesen. Die Klägerin habe sich zuvor lediglich darauf berufen, dass die Beklagte angeblich in unzulässiger Weise die Hundesteuer erhöht habe bzw. die Hunde auf Privatgrund gehalten würden und somit auf Gemeindegrund keine Kosten anfallen würden. Nach Verfahren vor dem VG Würzburg, dem VGH München und dem BVerwG seien entsprechende Bescheide der Beklagten für das Kalenderjahr 2013 rechtkräftig. Es seien keine Einwendungen vorgebracht, weshalb zu Gunsten der Klägerin bezüglich der Hundesteuer 2011 von den rechtskräftigen Bescheiden aus 2013 abgewichen werden sollte.
13
Mit Schriftsatz vom 25. Mai 2021 machte sich die Klägerin den Schriftsatz der S. … vom 7. Mai 2021 aus dem Verfahren S. …/. Gemeinde A. … … - Az.: W 8 K 21.182 - zu eigen. In diesem wurde ausgeführt, es gebe im gesamten Weiler D. nicht mehr als 20 Hunde. Die Klage sei begründet, da niemand Steuern für Hunde leisten müsse, die er nicht halte.
14
Mit Schreiben vom 16. August 2021 teilte die Klägerin mit, dass alle im letzten Jahrhundert angemeldeten Hunde naturgemäß bis zur Jahrhundertwende bereits verstorben seien. In der gesamten Liegenschaft „B.“ in A. hielten sich seit Jahren nur 19 Hunde auf, welche in der Haltung von vier Personen stünden. Sie selbst habe in diesem Jahrhundert keine Hunde angemeldet, da sich ihre Hunde zeitweise auf Grundstücken im Taunus, in Frankfurt am Main sowie im Gebiet der Beklagten aufhielten. Wenn eine Hundesteuer berechtigt erhoben worden sei, dann allenfalls für vier Hunde.
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Mit Schriftsatz vom 31. August 2021 ließ die Beklagte ergänzend vorbringen: Gemäß der zugrundeliegenden Hundesteuersatzung obliege es ausschließlich dem Steuerpflichtigen, zu versteuernde Hunde an- bzw. abzumelden. Die Beklagte sei zur Überprüfung, ob ein zur Versteuerung angemeldeter Hund noch lebe oder nach Ableben durch einen anderen Hund ersetzt worden sei, weder verpflichtet noch in der Lage. Solange eine Abmeldung nicht erfolgt sei, sei die Steuer zu entrichten.
16
3. In der mündlichen Verhandlung am 18. Oktober 2021 ist für die Klägerin niemand erschienen.
17
Der Beklagtenbevollmächtigte beantragte,
18
Der Beklagtenbevollmächtigte erklärte, D. … neige dazu, von seinem Hausrecht Gebrauch zu machen und Vertreter der Beklagten nicht auf das Grundstück zu lassen. Es sei der Beklagten daher nicht möglich gewesen, die Hunde zu zählen.
19
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene Behördenakte und das Protokoll über die mündliche Verhandlung am 18. Oktober 2021 Bezug genommen. Die Gerichtsakten W 2 K 13.1215 und W 8 K 21.182 waren zum Verfahren beigezogen.
Entscheidungsgründe
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Bei verständiger Würdigung des gesamten Vorbringens der Klägerin (§ 88 VwGO) ist ihr Klagebegehren dahingehend auszulegen, dass sie die Aufhebung des Hundesteuerbescheids der Beklagten vom 19. Januar 2011 sowie des Widerspruchsbescheids des Landratsamts M. vom 18. Januar 2021 und nicht die Feststellung der Unwirksamkeit des Hundesteuerbescheids begehrt. Zwar hat die anwaltlich nicht vertretene Klägerin vorgetragen, es habe keine ordnungsgemäße Zustellung des Bescheids stattgefunden und die Beklagte solle diese zunächst bewirken. Allerdings führte sie dies zur vermeintlichen Verfristung ihres Widerspruchs gegen den Hundesteuerbescheid aus. Überdies erschöpfte sich ihre Klagebegründung nicht im Vortrag bezüglich der Zustellung, sondern richtete sich im Schwerpunkt vielmehr gegen die Rechtmäßigkeit der Bescheide. In Verbindung mit dem Wortlaut ihres Klageantrags ist daher von einem Begehren auf Aufhebung der Bescheide auszugehen.
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Die so verstandene Klage, über die gemäß § 102 Abs. 2 VwGO in Abwesenheit der Klägerin verhandelt und entschieden werden konnte, ist als Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) statthaft und auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet.
22
Der Hundesteuerbescheid der Beklagten vom 19. Januar 2011 sowie der Widerspruchsbescheid des Landratsamts M. vom 18. Januar 2021 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.
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1. Über die Klage konnte verhandelt und entschieden werden, obwohl die Klägerin nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen ist. Die Klägerin hat die Ladung zur mündlichen Verhandlung ausweislich der in der Akte befindlichen Postzustellungsurkunde am 11. September 2021 und damit rechtzeitig (§ 102 Abs. 1 Satz 1 VwGO) erhalten. Die Ladung enthielt den Hinweis, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
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Die Klägerin hat weder einen Terminverlegungsantrag gestellt noch etwaige Verhinderungsgründe mitgeteilt, weshalb keine Verlegung des Termins - auch nicht von Amts wegen - angezeigt war.
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2. Die Klage ist als Anfechtungsklage gem. § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO gegen den Hundesteuerbescheid und den Widerspruchsbescheid statthaft, da der Steuerbescheid nicht bereits mangels Zustellung unwirksam ist.
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Der Steuerbescheid ist gegenüber der Klägerin gem. Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b) KAG, § 124 Abs. 1 AO mit seiner Bekanntgabe wirksam geworden. Die Zustellung des Bescheids ist keine Wirksamkeitsvoraussetzung, da für den Hundesteuerbescheid keine Zustellungspflicht i. S. d. Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b) KAG, § 122 Abs. 5 AO normiert wurde. Die Bekanntgabe muss nicht auf dem Postweg erfolgen, sondern kann auch durch Fax erfolgen (FG Köln, U. v. 11.3.2009 - 5 K 1396/05 - EFG 2009, 1079). Voraussetzung ist neben dem − hier unzweifelhaft vorliegenden − Bekanntgabewillen der Behörde der Zugang des Bescheids (vgl. Vorbeck in Koenig, AO, 4. Aufl. 2021, § 122 Rn. 13 ff.). Da gegen den Hundesteuerbescheid Widerspruch eingelegt wurde, ist von einer tatsächlichen Kenntnisnahme und mithin vom Zugang sowie der Bekanntgabe des Bescheids auszugehen. Etwaige Mängel der Bekanntgabe - beispielsweise durch Zugang an einer der Klägerin nicht zuzuordnenden Adresse - würden der Wirksamkeit vorliegend auch nicht entgegenstehen, da diese durch die tatsächliche Kenntnisnahme geheilt wären. Eine solche Heilung ist grundsätzlich möglich, obwohl für das Bekanntgabeverfahren keine diesbezüglichen Vorschriften existieren. Da für Mängel im formstrengeren Zustellungsverfahren Heilungsmöglichkeiten normiert sind − vgl. beispielsweise Art. 9 VwZVG −, muss eine Heilung für Mängel bei der mit geringeren Anforderungen verbundenen Bekanntgabe ebenso möglich sein. Für sie dürfen demgemäß auch keine strengeren Voraussetzungen als bei der Zustellung gelten. Eine Heilung liegt daher vor, wenn der Betroffene den Verwaltungsakt erhält und hierdurch der Zweck der Bekanntgabe erfüllt ist (vgl. BFH, U.v. 8.12.1988 − IV R 24/87 - BStBl. 89, 346 − juris; BFH, U.v. 29.10.1997 − X R 37/95 − BStBl. 89, 226, 346 − juris; Ratschow in Klein, AO, 15. Auflage 2020, § 122 Rn. 15; Vorbeck in Koenig, AO, 4. Aufl. 2021, § 122 Rn. 26).
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Die Klage ist insbesondere nicht schon mangels ordnungsgemäßen Vorverfahrens gem. §§ 68 ff. VwGO unzulässig, denn der Widerspruch wurde entgegen dem Vortrag der Beklagten nicht verfristet eingelegt.
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Zwar muss entgegen der Ansicht der Klägerin mangels Normierung einer Zustellungspflicht i. S. d. Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b) KAG, § 122 Abs. 5 AO keine Zustellung der Bescheide zur Wohnadresse des Adressaten der Bescheide erfolgen, damit die Widerspruchsfrist in Lauf gesetzt wird (vgl. Dolde/Porsch in Schoch/Schneider, VwGO, 40. EL Februar 2021, § 70 Rn. 17), jedoch sind vorliegend die Zeitpunkte der Bekanntgabe und damit der Beginn der Widerspruchsfristen gem. § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht feststellbar. Da die Beklagte für den Zeitpunkt der Bekanntgabe beweisbelastet ist, Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b) KAG, § 122 Abs. 2 Halbs. 2, Abs. 2a Halbs. 2 AO, ist zu Gunsten der Klägerin anzunehmen, dass die Bekanntgabe erst innerhalb eines Monats vor Widerspruchseinlegung erfolgte.
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Die Bekanntgabe im Sinne der AO setzt den Zugang des Bescheids voraus, mithin, dass dieser derart in den Machtbereich des Adressaten gelangt ist, dass diesem die Kenntnisnahme seines Inhalts möglich ist und nach den Gepflogenheiten des Rechtsverkehrs auch erwartet werden kann (vgl. Füssenich in BeckOK, AO, 18. Ed. 5.10.2021, § 122 Rn. 46). Der Zeitpunkt des Zugangs ist vorliegend jedoch unbekannt und kann auch nicht gem. Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b) KAG, § 122 Abs. 2 oder Abs. 2a AO fingiert werden.
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Es ist unbekannt, ob und wann der Klägerin der Bescheid per Post zugegangen ist. Ein Sendebericht des Faxes genügt ebenfalls nicht, um den Zeitpunkt der Bekanntgabe zu ermitteln, da die Bekanntgabe eines schriftlichen Verwaltungsakts, wie der streitgegenständliche Hundesteuerbescheid, durch Telefax oder Computerfax erst bewirkt ist, wenn die Datei vom Drucker des Empfängergeräts auch tatsächlich ausgedruckt worden ist (vgl. BFH, U.v. 18.3. 2014 - VIII R 9/10 - BFHE 245, 484 - BStBl II 2014, 748 − juris; BGH, B.v. 15. 7. 2008 - X ZB 8/0BGH - NJW 2008, 2649, Rn. 11; Ratschow in Klein, AO, 15. Aufl. 2020, § 122 Rn. 13). Dieser Zeitpunkt ist jedoch ebenfalls unbekannt.
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Auch eine Fiktion des Zugangszeitpunktes ist nicht möglich.
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Zwar gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, gem. Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b) KAG, § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO bei einer Übermittlung im Inland am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Auf diese Fiktionswirkung kann zur Feststellung des Bekanntgabezeitpunkts vorliegend jedoch nicht zurückgegriffen werden, da die gem. Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b) KAG, § 122 Abs. 2 Halbs. 2 AO beweisbelastete Beklagte den Postversand des Bescheids weder durch Sendevermerk in den Akten noch durch anderweitigen Vortrag nachweisen konnte (vgl. Ratschow in Klein, AO, 15. Aufl. 2020, § 122 Rn. 54). Auf eine Bekanntgabe per Fax ist die Fiktionswirkung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b) KAG, § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO aufgrund des Wortlautes „durch die Post übermittelt“ nicht anwendbar. Auch die Fiktionswirkung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b) KAG, § 122 Abs. 2a AO greift nicht, da der Hundesteuerbescheid ein schriftlicher und kein elektronischer Bescheid im Sinne des § 122 Abs. 2a AO ist (vgl. BFH, U. v. 18.3.2014 - VIII R 9/10 - DStRe 2014,1136, Rn. 27 ff).
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Die mögliche Heilung von Bekanntgabemängeln durch die tatsächliche Kenntnisnahme, welche beim Vorliegen solcher zur Wirksamkeit der Bescheide führt, kann für den Beginn der Widerspruchsfrist nicht herangezogen werden, da der Zeitpunkt der tatsächlichen Kenntnisnahme unbekannt ist.
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Im Übrigen begegnen der Zulässigkeit keinerlei Bedenken.
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3. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Hundesteuerbescheid der Beklagten vom 19. Januar 2011 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamtes M. vom 18. Januar 2021 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Der Hundesteuerbescheid findet seine ausreichende Rechtsgrundlage in § 1 und § 5 der Hundesteuersatzung der Beklagten vom 5. Dezember 1980, zuletzt geändert durch Satzung vom 5. Juni 2009 (in der Folge: Hundesteuersatzung), nach denen der Halter eines Hundes für das Halten eines über vier Monate alten Hundes im Gemeindegebiet eine gemeindliche Jahresaufwandsteuer entrichten muss.
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Die Hundesteuersatzung der Beklagten ist rechtlich nicht zu beanstanden. Anhaltspunkte für eine formelle oder materielle Rechtswidrigkeit sind nicht vorhanden. Dies hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bereits mit Urteil vom 12. März 2015 - 4 B 14.2620 - gegenüber der Klägerin entschieden und erläutert. Auf die Begründung dieser Entscheidung wird verwiesen.
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Der Hundesteuerbescheid und der Widerspruchsbescheid sind rechtmäßig, da die Beklagte die Hundesteuer für sieben Hunde in Höhe von insgesamt 305,00 EUR festsetzen durfte.
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Zwar hat die Klägerin zutreffend vorgetragen, dass die Steuerpflichtigkeit aus der tatsächlichen Haltung eines Hundes folgt. Dies ergibt sich aus § 1 der Hundesteuersatzung der Beklagten, welcher die Haltung eines über vier Monate alten Hundes im Gemeindegebiet als Besteuerungsgrundlage normiert. Aus § 11 der Hundesteuersatzung, nach dessen Absatz 1 Hunde, welche der Steuerpflicht unterfallen, bei der Beklagten angemeldet werden müssen und nach Absatz 2 abgemeldet werden sollen, wenn sie veräußert oder sonst abgeschafft wurden, abhandengekommen oder eingegangen sind, ergibt sich keine abweichende Wertung. § 11 normiert keine Steuerpflicht, sondern Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen im Sinne des Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a) Doppelbuchst. cc) Dreifachbuchst. ccc) KAG, § 90 Abs. 1 AO (vgl. zur identischen Regelung der Mustersatzung für die Erhebung einer Hundesteuer (Hundesteuersatzung), Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 11. Juni 1980, Az. IB4-3024-44/2 (MABl. S. 342), geändert durch Bekanntmachung vom 12. November 2001 (AllMBl S. 676); Oehler in PdK Bayern, Die Hundesteuer in Bayern, Darstellung 12.1), um in Kombination mit den Amtsermittlungspflichten der Beklagten eine möglichst umfassende und effektive Aufklärung des besteuerungserheblichen Sachverhalts zu ermöglichen, damit dem Gebot des § 85 Satz 1 AO, die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben, genügt werden kann (Kobor in BeckOK, AO, 17. Aufl. 2021, § 90 Rn. 1). § 11 der Hundesteuersatzung begründet daher selbst weder eine Steuerpflicht noch eine Steuerfreiheit.
40
Allerdings konnte und musste die Beklagte gem. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) Doppelbuchst. aa) KAG, § 162 AO auf Grundlage der angemeldeten Hunde eine Schätzung bezüglich der Anzahl der tatsächlich durch die Klägerin gehaltenen Hunde, der Besteuerungsgrundlage (vgl. § 1 Hundesteuersatzung), vornehmen und in der Folge die Hundesteuer für 7 Hunde erheben.
41
Eine Schätzung gem. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) Doppelbuchst. aa) KAG, § 162 AO ist möglich, wenn keine vorrangige Ermittlungspflicht der Besteuerungsgrundlage aus Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a) Doppelbuchst. cc) Dreifachbuchst. ccc) KAG, § 88 AO besteht oder die Besteuerungsgrundlage nicht ermittelt werden kann (vgl. BFH, U.v. 25.10.1985 - VI R 15/81 - BFHE 145, 181; Gercke in Koenig, AO, 4. Aufl. 2021, § 162 Rn. 43).
42
Vorliegend bestand schon keine vorrangige Sachaufklärungspflicht aus Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a) Doppelbuchst. cc) Dreifachbuchst. ccc) KAG, § 88 AO.
43
Die Sachaufklärungspflicht reduziert sich, ebenso wie das erforderliche Beweismaß der Behörde bezüglich der Besteuerungsgrundlage, bei Verstößen des Steuerpflichtigen gegen seine Mitwirkungspflichten aus § 11 Abs. 2 Hundesteuersatzung. Denn der Steuerpflichtige darf nach einem Verstoß gegen seine Mitwirkungspflichten nicht noch belohnt werden (vgl. bzgl. Verstößen gegen die korrespondierenden Mitwirkungspflichten aus § 90 Abs. 1 AO: BFH, U.v. 15.2.1989 - X R 16/86 - BStBl. II 1989, 462 - juris; BFH, U.v. 9.6.2005 - IX R 75/03 - juris; BFH, U.v. 21.9.2016 - V R 50/15 - BFHE 255, 216 - BStBl. II 2017, 1173 - juris, Rn. 36; Rüsken in Klein, AO, 15. Aufl. 2020, § 162 Rn. 4). Ausgehend vom Vortrag der Klägerin wäre die Sachaufklärungspflicht bezüglich der vermeintlich nicht mehr gehaltenen Hunde daher bereits von vorneherein reduziert. Vorliegend entfällt der Vorrang der behördlichen Sachaufklärungspflicht jedoch ohnehin vollständig. Denn der Vorrang entfällt, wenn die volle Aufklärung mit einem unzumutbaren Ermittlungsaufwand verbunden wäre (vgl. BFH, U.v. 17.12.2003 - XI R 19/01 - juris). Dies ist unter anderem der Fall, wenn die Kosten der in Betracht kommenden Ermittlungsmaßnahmen in keinem angemessenen Verhältnis zu der betreffenden Steuerforderung stehen (vgl. BayVGH, B.v 4.3.2021 - 4 ZB 20.246 - juris, Rn. 17). Vorliegend stünde der Aufwand einer jährlichen Zählung der Hunde im Gemeindegebiet der Beklagten zur Erfüllung der, in Folge des Vortrags der Klägerin ohnehin bereits reduzierten, Sachaufklärungspflicht außer Verhältnis zur Höhe des im Jahr 2011 gegenüber der Klägerin mit maximal 50,00 EUR angesetzten Hundesteuersatzes pro Hund und Jahr.
44
Zudem ist davon auszugehen, dass die Ermittlung der Steuergrundlage wohl auch tatsächlich unmöglich gewesen wäre, da D. … laut Vortrag des Beklagtenbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung dazu neige, durchaus von seinem Hausrecht Gebrauch zu machen, und Vertreter der Beklagten nicht auf sein Grundstück lasse und mithin die Hunde der Klägerin, welche auf dem dortigen Anwesen gehalten werden, von der Beklagten nicht hätten gezählt werden können.
45
Die Art und Weise der Ermittlung der Grundlage der Schätzung ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat, wie sich aus den von der Beklagte vorgelegten Anmeldungen ergibt, Hunde bei der Beklagten angemeldet. Auf die Anzahl dieser angemeldeten Hunde konnte die Beklagte zurückgreifen. Dass aufgrund der bei der Anmeldung angegebenen Wurfjahre der Hunde womöglich einige der Tiere naturgemäß im Jahr 2011 bereits verstorben gewesen sein könnten, vermag keine andere Wertung zu begründen. Zum einem kann gem. § 4 Abs. 2 der Hundesteuersatzung ein verendeter oder getöteter Hund in Bezug auf die Steuer jederzeit durch einen neuen Hund des gleichen Halters ersetzt werden. Zum anderen beruht die Notwendigkeit der Schätzung, zu welcher die Beklagte nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) Doppelbuchst. aa) KAG, § 162 AO verpflichtet war, allein auf der fehlenden Mitwirkung der Klägerin, die von vornherein als Einzige zutreffende Aufklärung über die Besteuerungsgrundlage hätte geben können, dies jedoch ohne Berechtigung verweigert hat. Die Beklagte musste daher derartige Überlegungen nicht in ihre Schätzung miteinbeziehen.
46
Die Hunde werden auch auf dem Gemeindegebiet der Beklagten gehalten. Aus dem klägerischen Vortrag, dass sie sich ebenfalls in Frankfurt am Main bzw. im Taunus aufhielten, ergibt sich nichts anderes, da dieser Vortrag gerade auch den Aufenthalt der Hunde in D. beinhaltet. Diese Haltung genügt zur Erfüllung des Steuertatbestands nach § 1 Hundesteuersatzung. Ob sich die Hunde auch auf anderen Gemeindegebieten aufhalten, ist unerheblich und könnte lediglich zu einer Anrechnung einer bereits in einer anderen Gemeinde der Bundesrepublik Deutschland erhobenen Hundesteuer führen, vgl. § 4 Abs. 3 Hundesteuersatzung. Hundesteuerzahlungen an andere Gemeinden hat die Klägerin jedoch nicht vorgetragen.
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Der Anspruch ist nicht verjährt. Gem. Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a) KAG, §§ 228 ff. AO verjährt eine Hundesteuerforderung grundsätzlich innerhalb von fünf Jahren. Nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a) KAG, § 231 Abs. 1 Nr. 8 AO wird die Verjährung jedoch durch die Geltendmachung des Anspruchs gehemmt, was vorliegend durch den Hundesteuerbescheid vom 19. Januar 2011 geschah. Diese Hemmung der Verjährung wurde auch nicht beendet.
48
Der Anspruch ist auch nicht verwirkt. Das Rechtsinstitut der Verwirkung setzt das Verstreichen eines längeren Zeitraums seit der Möglichkeit der Geltendmachung eines Rechts (sog. Zeitmoment) sowie besondere Umstände voraus, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (sog. Umstandsmoment). Ein solcher Verstoß gegen Treu und Glauben liegt insbesondere vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde, der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde und sich infolge dessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (vgl. BVerwG, B.v. 12.1.2004 - 3 B 101/03 - NVwZ-RR 2004, 314; BVerwG, U.v. 9.12.1998 - 3 C 1.98 - BVerwGE 108, 93). Seit dem Erlass des Hundesteuerbescheids am 19. Januar 2011 sind zwar zehn Jahre vergangen, wodurch das Zeitmoment der Verwirkung gegeben ist. Allerdings fehlt es am ebenfalls notwendigen Umstandsmoment. Die Beklagte hat auf den Widerspruch der Klägerin dieser gegenüber angegeben, sie werde dem Widerspruch nicht abhelfen, und dadurch zu erkennen gegeben, dass sie auf ihren Anspruch aus dem Bescheid beharrt. Allein der Umstand, dass bis Januar 2021 kein Widerspruchsbescheid ergangen war und mithin zehn Jahre seit der erstmaligen Einforderung vergangen waren, schafft keinen Vertrauenstatbestand dahingehend, dass die Beklagte auf ihren Anspruch verzichte. Für Fälle, in denen die Verwaltung derart lange keine Entscheidung trifft, gibt es das Institut der Untätigkeitsklage (vgl. ständige Rspr: BFH, B.v. 1.7.2003 - II B 84/02 - BFH/NV 2003, 1534; BFH, B.v. 14.5.1998 - VII B 171/97 - BFH/NV 1999, 3; BFH, B.v. 21.2.2006 - I B 32/05 - BFH/NV 2006, 1305; BFH, U.v. 8.10.1986 - II R 167/84 - BFHE 147, 409 m.w.N.; Cöster in Koenig, AO, 4. Aufl. 2021, § 367 Rn. 56).
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Nach alledem war die Klage als unbegründet abzuweisen.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.