Titel:
Erhöhter Steuersatz bei Mehrfachhundehaltung und Schätzung der Besteuerungsgrundlage
Normenketten:
Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 lit. a Doppelbuchst. cc) Dreifachbuchst. ccc), Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 lit. b, Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 lit. b Doppelbuchst. aa), Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 lit. a
AO § 88, § 90 Abs. 1, § 122, § 124, § 162, § 228
Leitsätze:
1. Die Bekanntgabe, mit der der Steuerbescheid wirksam geworden ist, muss nicht auf dem Postweg erfolgen, sondern kann auch durch Fax erfolgen. Voraussetzung ist neben dem Bekanntgabewillen der Behörde der Zugang des Bescheids. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Gemeinde konnte eine eigene Hundesteuersatzung erlassen (vgl. Art. 4 Abs. 1 S. 1 VGemO) und in dieser eine Progression des Hundesteuersatzes festsetzen, da eine solche aufgrund der verstärkten ordnungspolitischen Bedeutung der Hundesteuer beim Halten mehrerer Hunde gerechtfertigt ist (vgl. VGH München BeckRS 2010, 54995). (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Schätzung bezüglich der Anzahl der tatsächlich gehaltenen Hunde ist möglich wenn keine vorrangige Ermittlungspflicht der Besteuerungsgrundlage besteht oder die Besteuerungsgrundlage nicht ermittelt werden kann. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Hundesteuersatzung, Bekanntgabe, Heilung von Bekanntgabemängeln, Schätzung der Besteuerungsgrundlage, Verwirkung, Ermittlung der Steuergrundlage, Sachaufklärungspflicht, Mehrfachhundehaltung
Fundstelle:
BeckRS 2021, 38330
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger wehrt sich gegen die Heranziehung zur Hundesteuer durch die Beklagte in voller Höhe.
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1. Mit Bescheid vom 23. Januar 2012 wurde der Kläger von der Beklagten zur Zahlung von Hundesteuer für 19 Hunde in Höhe von insgesamt 905,00 EUR für das Jahr 2012 herangezogen.
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Am 24. Januar 2012 legte der Kläger per Telefax Widerspruch gegen den Hundesteuerbescheid vom 23. Januar 2012 ein.
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Mit Schreiben vom 1. Februar 2012 forderte die Beklagte den Kläger unter Fristsetzung bis zum 5. März 2012 zur Begründung seines Widerspruchs auf. Andernfalls werde sie ihn dem Landratsamt M … zur kostenpflichtigen Zurückweisung vorlegen.
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Mit Schreiben vom 29. Februar 2012 begründete der Kläger seinen Widerspruch im Wesentlichen damit, es sei schon fraglich, ob es zulässig sei, dass die Verbandsgemeindeverwaltung für die unterschiedlichen Ortschaften Hundesteuerbeiträge in unterschiedlicher Höhe festsetze. Weiterhin sei es unzulässig, eine Progression der Hundesteuer mit zunehmender Anzahl der Hunde festzusetzen. Er als im Tierschutz tätige Person werde hierdurch offensichtlich benachteiligt. Weiterhin sei seine Hundesteuer zu halbieren, da sich sein Anwesen in einem Weiler befände.
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Mit Schreiben vom 20. März 2012 erwiderte die Beklagte, sie könne eine eigenständige Hundesteuersatzung erlassen, da durch die Bildung der Verwaltungsgemeinschaft B … die Selbständigkeit der Mitgliedsgemeinden nicht angetastet worden sei, lediglich die Verwaltungstätigkeiten würden von der Gemeinschaft übernommen werden. Bei der Hundesteuer handle es sich um eine Aufwandsteuer i. S. d. Art. 105 Abs. 2a und 106 Abs. 6 Satz 1 GG. Diese könne in einzelnen Gemeinden verschieden hoch sein, da im Kommunalabgabengesetz kein bestimmter Steuersatz vorgesehen sei und die Gemeinden im Rahmen ihrer Satzungsautonomie einen sehr großen Ermessensspielraum hätten. Hierbei sei auch eine progressive Stafflung der Hundesteuersätze bei der Haltung mehrerer Hunde rechtlich unbedenklich, da diese sowohl dem Wesen der Aufwandsteuer als auch dem Nebenzeck, der Eindämmung der Hundehaltung wegen der damit verbundenen Belästigungen und Gefahren für die Allgemeinheit entspräche. Die vorgetragene Halbierung des Steuersatzes für in Weiler gehaltene Hunde könne gem. § 8 Abs. 2 der Hundesteuersatzung nur für einen Hund gewährt werden. Sie werde dem Widerspruch daher nicht abhelfen und ihn dem Landratsamt zur kostenpflichtigen Zurückweisung vorlegen. Mit Fristsetzung bis zum 23. April 2012 wies sie den Kläger auf seine Möglichkeit, den Widerspruch zurückzunehmen, hin.
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Da der Kläger den Widerspruch nicht zurücknahm, half die Beklagte dem Widerspruch nicht ab und legte ihn dem Landratsamt M … am 21. Dezember 2012 zur Entscheidung vor.
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Mit Schreiben vom 23. November 2020 teilte das Landratsamt M … dem Kläger mit, es beabsichtige, den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurückzuweisen. Die Hundesteuer 2012 sei entsprechend der Hundesteuersatzung der Beklagten sowohl der Höhe als auch dem Grund nach mit dem Hundesteuerbescheid 2012 vom 23. Januar 2012 rechtmäßig festgesetzt. Zur weiteren Begründung bezog es sich auf das Schreiben der Beklagten vom 20. März 2021 sowie auf das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12. März 2015 (Az.: 4 B 14.2618) gegen den Kläger. Mit Fristsetzung bis zum 21. Dezember 2020 wies es den Kläger auf seine Möglichkeit, den Widerspruch zurückzunehmen, hin.
9
Da der Kläger sich hierzu nicht verhielt, wies das Landratsamt M … den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18. Januar 2021 zurück (Nr. 1 des Widerspruchsbescheids). Die Kosten des Widerspruchsverfahrens wurden dem Kläger auferlegt (Nr. 2) und eine Gebühr in Höhe von 35,00 EUR sowie Auslagen in Höhe von 3,68 EUR festgesetzt (Nr. 3). Zur Begründung verwies es auf sein Schreiben vom 23. November 2020.
10
Der Widerspruchsbescheid wurde am 20. Januar 2021 in den Briefkasten des Klägers eingelegt.
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2. Am 6. Februar 2021 erhob der Kläger mit einem auf den 5. Februar 2020 datierten Schreiben per Telefax Klage und beantragte,
den Hundesteuerbescheid der Gemeinde A … … … vom 23. Januar 2012 hinsichtlich der Erhebung der Hundesteuer für das Jahr 2012 in Höhe von 905,00 EUR sowie den diesbezüglichen Widerspruchsbescheid des Landratsamts M … … vom 18. Januar 2021 aufzuheben.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Er habe im Jahr 2012 keine Hunde gehalten, welche eine Hundesteuer in der genannten Höhe ausgelöst hätten können. Im Übrigen wäre die Forderung der Beklagten verjährt bzw. verwirkt. Er erhebe ausdrücklich die Einrede der Verjährung. Er habe fristgerecht Widerspruch eingelegt. Es habe bereits an einer ordnungsgemäßen Zustellung gemangelt, denn eine solche könne nach dem Gesetz nur durch persönliche Übergabe oder durch Niederlegung erfolgen. Er verfüge seit Jahren über keine Wohnung unter der von der Beklagten verwendeten Anschrift. Es handle sich um eine reine Geschäftsadresse, was sich eindeutig aus seinem Briefkopf ergebe. Dort existiere momentan nicht einmal ein Büro, da die Räumlichkeiten bis auf das Mauerwerk entkernt und seither noch nicht fertiggestellt worden seien. Die Beklagte solle zunächst ordnungsgemäß zustellen.
13
Soweit der Kläger am 6. Februar 2021 gleichzeitig auch Klage gegen Hundesteuerbescheide der Beklagten sowie korrespondierende Widerspruchsbescheide für die Jahre 2005, 2007, 2010, 2011, 2015 und 2016 erhoben hatte, wurde das vorliegende Verfahren mit Beschluss vom 8. Februar 2021 von diesen Verfahren abgetrennt.
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Die Beklagte ließ mit Schriftsatz vom 27. April 2021 zur Begründung der Klageerwiderung im Wesentlichen ausführen: Der Kläger habe 1995 und 1998 erstmalig 16 Hunde bei der Beklagten zur Versteuerung angemeldet, was mangels Wohnsitz zunächst abgelehnt worden sei. Im September 1999 sei festgestellt worden, dass sich auf dem Anwesen B … zwölf unangemeldete Hunde aufhielten, und der Kläger dazu aufgefordert worden, diese zur Versteuerung anzumelden. Dies sei auch geschehen. Aufgrund von Nachmeldungen bzw. Feststellungen vor Ort seien dann in den nachfolgenden Jahren die jeweils aus den angefochtenen Bescheiden ersichtlichen Anzahl von Hunden versteuert worden. In der Folge sei der Kläger seiner aus § 11 der Hundesteuersatzung der Beklagten resultierenden Meldepflicht nicht nachgekommen. Er habe keinerlei An- oder Abmeldungen vorgenommen, weshalb der Festsetzung der Hundesteuer jeweils der letzte bekannte Stand des Vorjahres zugrunde gelegt worden sei. Nach Feststellungen der Beklagten halte der Kläger aktuell zusammen mit S. … und V. … ca. 30 Hunde im Weiler D … Dass die in den Steuerbescheiden bezeichnete Anzahl der Hunde tatsächlich gehalten werde, sei bisher, auch im Klageverfahren gegen die Hundesteuerfestsetzung von 2013 völlig unstrittig gewesen. Der Kläger habe sich zuvor lediglich darauf berufen, dass die Beklagte angeblich in unzulässiger Weise die Hundesteuer erhöht habe bzw. die Hunde auf Privatgrund gehalten werden würden und somit auf Gemeindegrund keine Kosten anfallen würden. Nach Verfahren vor dem VG Würzburg, dem VGH München und dem BVerwG seien entsprechende Bescheide der Beklagten für das Kalenderjahr 2013 rechtkräftig. Es seien keine Einwendungen vorgebracht, weshalb zu Gunsten des Klägers bezüglich der Hundesteuer 2012 von den rechtskräftigen Bescheiden aus 2013 abgewichen werden sollte.
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Mit Schriftsatz vom 25. Mai 2021 machte sich der Kläger den Schriftsatz der S. … vom 7. Mai 2021 aus dem Verfahren S. … ./. Gemeinde A … … … - Az.: W 8 K 21.182 - zu eigen. In diesem wurde ausgeführt, es gäbe im gesamten Weiler D … nicht mehr als 20 Hunde. Die Klage sei begründet, da niemand Steuern für Hunde leisten müsse, die er nicht halte.
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Mit Schreiben vom 15. August 2021 teilte der Kläger mit, dass alle im letzten Jahrhundert angemeldeten Hunde bereits bei der Aufnahme durch den Kläger zwölf bis fünfzehn Jahre alt gewesen seien und naturgemäß bis zur Jahrhundertwende bereits verstorben gewesen seien. Es sei gerichtsbekannt, dass Hunde keine 30 bis 40 Jahre alt werden würden. Er habe in diesem Jahrhundert keine Hunde angemeldet. Entscheidend sei alleine der Zeitraum, in welchem sich Hunde des Klägers auf dem Gebiet der Beklagten aufgehalten hätten. Seine Hunde hätten sich auch auf Grundstücken des Klägers im Taunus und in Frankfurt am Main aufgehalten und es sei fraglich inwieweit die Beklagte aktivlegitimiert sei. Sei sie aktivlegitimiert, dann allenfalls hinsichtlich drei bis fünf Hunden.
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Mit weiterem Schriftsatz vom 31. August 2021 ließ die Beklagte ergänzend vorbringen: Gemäß der zugrundeliegenden Hundesteuersatzung obliege es ausschließlich dem Steuerpflichtigen, zu versteuernde Hunde an- bzw. abzumelden. Die Beklagte sei zur Überprüfung, ob ein zur Versteuerung angemeldeter Hund noch lebe oder nach Ableben durch einen anderen Hund ersetzt worden sei, weder verpflichtet noch in der Lage. Solange eine Abmeldung nicht erfolgt sei, sei die Steuer zu entrichten.
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3. In der mündlichen Verhandlung am 18. Oktober 2021 ist für den Kläger niemand erschienen.
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Der Beklagtenbevollmächtigte beantragte,
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Der Beklagtenbevollmächtigte erklärte, der Kläger neige dazu, durchaus von seinem Hausrecht Gebrauch zu machen und Vertreter der Beklagten nicht auf sein Grundstück zu lassen. Es sei der Beklagten daher nicht möglich gewesen, die Hunde zu zählen.
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4. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene Behördenakte und das Protokoll über die mündliche Verhandlung am 18. Oktober 2021 Bezug genommen. Die Gerichtsakten W 2 K 13.1213 und W 8 K 21.182 waren zum Verfahren beigezogen.
Entscheidungsgründe
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Bei verständiger Würdigung des gesamten Vorbringens des Klägers (§ 88 VwGO) ist sein Klagebegehren dahingehend auszulegen, dass er die Aufhebung des Hundesteuerbescheids der Beklagten vom 23. Januar 2012 sowie des Widerspruchsbescheids des Landratsamts M … vom 18. Januar 2021 und nicht die Feststellung der Unwirksamkeit des Hundesteuerbescheids begehrt. Zwar hat der anwaltlich nicht vertretene Kläger vorgetragen, es habe keine ordnungsgemäße Zustellung des Bescheids stattgefunden und die Beklagte solle diese zunächst bewirken. Allerdings führte er dies zur vermeintlichen Verfristung seiner Widersprüche gegen Hundesteuerbescheide aus den Jahren 2005 und 2016 aus. Überdies erschöpfte sich seine Klagebegründung nicht im Vortrag bezüglich der Zustellung, sondern richtete sich im Schwerpunkt vielmehr gegen die Rechtmäßigkeit der Bescheide. In Verbindung mit dem Wortlaut seines Klageantrags ist daher von einem Begehren auf Aufhebung der Bescheide auszugehen.
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Die so verstandene Klage, über die gemäß § 102 Abs. 2 VwGO in Abwesenheit des Klägers verhandelt und entschieden werden konnte, ist als Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) statthaft und auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet.
24
Der Hundesteuerbescheid der Beklagten vom 23. Januar 2012 sowie der Widerspruchsbescheid des Landratsamts M … vom 18. Januar 2021 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
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1. Über die Klage konnte verhandelt und entschieden werden, obwohl der Kläger nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen ist. Der Kläger hat die Ladung zur mündlichen Verhandlung ausweislich der in der Akte befindlichen Postzustellungsurkunde am 4. September 2021 und damit rechtzeitig (§ 102 Abs. 1 Satz 1 VwGO) erhalten. Die Ladung enthielt den Hinweis, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
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Der Kläger hat weder einen Terminverlegungsantrag gestellt, noch etwaige Verhinderungsgründe mitgeteilt, weshalb keine Verlegung des Termins - auch nicht von Amts wegen - angezeigt war.
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2. Die Klage ist als Anfechtungsklage gem. § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO gegen den Hundesteuerbescheid und den Widerspruchsbescheid statthaft, da der Steuerbescheid nicht bereits mangels Zustellung unwirksam ist.
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Der Steuerbescheid ist gegenüber dem Kläger gem. Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b) KAG, § 124 Abs. 1 AO mit seiner Bekanntgabe wirksam geworden. Die Zustellung des Bescheids ist keine Wirksamkeitsvoraussetzung, da für den Hundesteuerbescheid keine Zustellungspflicht i. S. d. Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b) KAG, § 122 Abs. 5 AO normiert wurde. Die Bekanntgabe muss nicht auf dem Postweg erfolgen, sondern kann auch durch Fax erfolgen (FG Köln, U. v. 11.3.2009 - 5 K 1396/05 - EFG 2009, 1079). Voraussetzung ist neben dem − hier unzweifelhaft vorliegenden− Bekanntgabewillen der Behörde der Zugang des Bescheids (vgl. Vorbeck in Koenig, AO, 4. Aufl. 2021, § 122 Rn. 13 ff.). Da gegen den Hundesteuerbescheid Widerspruch eingelegt wurde, ist von einer tatsächlichen Kenntnisnahme und mithin vom Zugang sowie der Bekanntgabe des Bescheids auszugehen. Etwaige Mängel der Bekanntgabe - beispielsweise durch Zugang an einer dem Kläger nicht zuzuordnenden Adresse - würden der Wirksamkeit vorliegend auch nicht entgegenstehen, da diese durch die tatsächliche Kenntnisnahme geheilt wären. Eine solche Heilung ist grundsätzlich möglich, obwohl für das Bekanntgabeverfahren keine diesbezüglichen Vorschriften existieren. Da für Mängel im formstrengeren Zustellungsverfahren Heilungsmöglichkeiten normiert sind − vgl. beispielsweise Art. 9 VwZVG −, muss eine Heilung für Mängel bei der mit geringeren Anforderungen verbundenen Bekanntgabe ebenso möglich sein. Für sie dürfen demgemäß auch keine strengeren Voraussetzungen als bei der Zustellung gelten. Eine Heilung liegt daher vor, wenn der Betroffene den Verwaltungsakt erhält und hierdurch der Zweck der Bekanntgabe erfüllt ist (vgl. BFH, U.v. 8.12.1988 − IV R 24/87 - BStBl 89, 346 − juris; BFH, U.v. 29.10.1997 − X R 37/95 − BStBl. 89, 226, 346 − juris; Ratschow in Klein, AO, 15. Auflage 2020, § 122 Rn. 15; Vorbeck in Koenig, AO, 4. Aufl. 2021, § 122 Rn. 26).
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Im Übrigen begegnen der Zulässigkeit keinerlei Bedenken.
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3. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Hundesteuerbescheid der Beklagten vom 23. Januar 2012 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamtes M … vom 18. Januar 2021 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Der Hundesteuerbescheid findet seine ausreichende Rechtsgrundlage in § 1 und § 5 der Hundesteuersatzung des Antragsgegners vom 5. Dezember 1980, zuletzt geändert durch Satzung vom 5. Juni 2009 (in der Folge: Hundesteuersatzung), nach denen der Halter eines Hundes für das Halten eines über vier Monate alten Hundes im Gemeindegebiet eine gemeindliche Jahresaufwandsteuer entrichten muss.
32
Die Hundesteuersatzung der Beklagten ist rechtlich nicht zu beanstanden. Anhaltspunkte für eine formelle oder materielle Rechtswidrigkeit sind nicht vorhanden. Dies hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bereits mit Urteil vom 12. März 2015 - 4 B 14.2618 - gegenüber dem Kläger entschieden und erläutert. Auf die Begründung dieser Entscheidung wird verwiesen. Insbesondere konnte die Beklagte entgegen der Ansicht des Klägers als Mitgliedsgemeinde der Verwaltungsgemeinschaft B … eine eigene Hundesteuersatzung erlassen (vgl. Art. 4 Abs. 1 Satz 1 VGemO) und in dieser eine Progression des Hundesteuersatzes festsetzen, da eine solche aufgrund der verstärkten ordnungspolitischen Bedeutung der Hundesteuer beim Halten mehrerer Hunde gerechtfertigt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2010 - 4 ZB 09.2136 -, juris).
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Der Hundesteuerbescheid und der Widerspruchsbescheid sind rechtmäßig, da die Beklagte die Hundesteuer für neunzehn Hunde in Höhe von insgesamt 905,00 EUR festsetzen durfte.
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Zwar hat der Kläger zutreffend vorgetragen, dass die Steuerpflichtigkeit aus der tatsächlichen Haltung eines Hundes folgt. Dies ergibt sich aus § 1 der Hundesteuersatzung der Beklagten, welcher die Haltung eines über vier Monate alten Hundes im Gemeindegebiet als Besteuerungsgrundlage normiert. Aus § 11 der Hundesteuersatzung, nach dessen Absatz 1 Hunde, welche der Steuerpflicht unterfallen, bei der Beklagten angemeldet werden müssen und nach Absatz 2 abgemeldet werden sollen, wenn sie veräußert oder sonst abgeschafft wurden, abhandengekommen oder eingegangen sind, ergibt sich keine abweichende Wertung. § 11 normiert keine Steuerpflicht, sondern Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen im Sinne des Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a) Doppelbuchst. cc) Dreifachbuchst. ccc) KAG, § 90 Abs. 1 AO (vgl. zur identischen Regelung der Mustersatzung für die Erhebung einer Hundesteuer (Hundesteuersatzung), Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 11. Juni 1980, Az. IB4-3024-44/2 (MABl. S. 342), geändert durch Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 30. Januar 2006 Az.: IB4-1536.2-27; Oehler in PdK Bayern, Die Hundesteuer in Bayern, Darstellung 12.1) um in Kombination mit den Amtsermittlungspflichten der Beklagten eine möglichst umfassende und effektive Aufklärung des besteuerungserheblichen Sachverhalts zu ermöglichen damit dem Gebot des § 85 Satz 1 AO, die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben, genügt werden kann (Kobor in BeckOK, AO, 17. Aufl. 2021, § 90 Rn. 1). § 11 der Hundesteuersatzung begründet daher selbst weder eine Steuerpflicht noch eine Steuerfreiheit.
35
Allerdings konnte und musste die Beklagte gem. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) Doppelbuchst. aa) KAG, § 162 AO auf Grundlage der angemeldeten Hunde eine Schätzung bezüglich der Anzahl der tatsächlich durch den Kläger gehaltenen Hunde, der Besteuerungsgrundlage (vgl. § 1 Hundesteuersatzung), vornehmen und in der Folge die Hundesteuer für neunzehn Hunde erheben.
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Eine Schätzung gem. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) Doppelbuchst. aa) KAG, § 162 AO ist möglich wenn keine vorrangige Ermittlungspflicht der Besteuerungsgrundlage aus Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a) Doppelbuchst. cc) Dreifachbuchst. ccc) KAG, § 88 AO besteht oder die Besteuerungsgrundlage nicht ermittelt werden kann (vgl. BFH, U.v. 25.10.1985 - VI R 15/81 - BFHE 145, 181; Gercke in Koenig, AO, 4. Aufl. 2021, § 162 Rn. 43).
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Vorliegend bestand schon keine vorrangige Sachaufklärungspflicht aus Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a) Doppelbuchst. cc) Dreifachbuchst. ccc) KAG, § 88 AO.
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Die Sachaufklärungspflicht reduziert sich, ebenso wie das erforderliche Beweismaß der Behörde bezüglich der Besteuerungsgrundlage, bei Verstößen des Steuerpflichtigen gegen seine Mitwirkungspflichten aus § 11 Abs. 2 Hundesteuersatzung. Denn der Steuerpflichtige darf nach einem Verstoß gegen seine Mitwirkungspflichten nicht noch belohnt werden (vgl. bzgl. Verstößen gegen die korrespondierenden Mitwirkungspflichten aus § 90 Abs. 1 AO: BFH, U.v. 15.2.1989 - X R 16/86 - BStBl. II 1989, 462- juris; BFH, U.v. 9.6.2005 - IX R 75/03 - juris; BFH, U.v. 21.9.2016 - V R 50/15 - BFHE 255, 216, BStBl II 2017, 1173 - juris, Rn. 36; Rüsken in Klein, AO, 15. Aufl. 2020, § 162 Rn. 4). Ausgehend vom Vortrag des Klägers wäre die Sachaufklärungspflicht bezüglich der vermeintlich nicht mehr gehaltenen Hunde daher bereits von vorneherein reduziert. Vorliegend entfällt der Vorrang der behördlichen Sachaufklärungsplicht jedoch ohnehin vollständig. Denn der Vorrang entfällt, wenn die volle Aufklärung mit einem unzumutbaren Ermittlungsaufwand verbunden wäre (vgl. BFH, U.v. 17.12.2003 - XI R 19/01 - juris). Dies ist unter anderem der Fall, wenn die Kosten der in Betracht kommenden Ermittlungsmaßnahmen in keinem angemessenen Verhältnis zu der betreffenden Steuerforderung stehen (vgl. BayVGH, B.v. 4.3.2021 - 4 ZB 20.246 -juris, Rn. 17). Vorliegend stünde der Aufwand einer jährlichen Zählung der Hunde im Gemeindegebiet der Beklagten zur Erfüllung der, in Folge des Vortrags des Klägers ohnehin bereits reduzierten, Sachaufklärungspflicht außer Verhältnis zur Höhe des maximalen Steuersatzes von 50,00 EUR pro Hund und Jahr.
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Zudem ist davon auszugehen, dass die Ermittlung der Steuergrundlage wohl auch tatsächlich unmöglich gewesen wäre, da der Kläger laut Vortrag des Beklagtenbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung dazu neige, durchaus von seinem Hausrecht Gebrauch zu machen, und Vertreter der Beklagten nicht auf sein Grundstück lasse und mithin die Hunde von der Beklagten nicht hätten gezählt werden können.
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Die Art und Weise der Ermittlung der Grundlagen der Schätzung ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Behörde konnte auf die angemeldete Anzahl an Hunden zurückgreifen. Dass aufgrund der bei der Anmeldung angegebenen Wurfjahre der Hunde womöglich einige der Tiere naturgemäß im Jahr 2012 bereits verstorben gewesen sein könnten, vermag keine andere Wertung zu begründen. Zum einem kann gem. § 4 Abs. 2 Hundesteuersatzung ein verendeter oder getöteter Hund in Bezug auf die Steuer jederzeit durch einen neuen Hund des gleichen Halters ersetzt werden. Zum anderen beruht die Notwendigkeit der Schätzung, zu welcher die Beklagte nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) Doppelbuchst. aa) KAG, § 162 AO verpflichtet war, allein auf der fehlenden Mitwirkung des Klägers, der von vornherein als Einziger zutreffende Aufklärung über die Besteuerungsgrundlagen hätte geben können, dies jedoch ohne Berechtigung verweigert hat. Die Beklagte musste daher derartige Überlegungen nicht in ihre Schätzung miteinbeziehen.
41
Der Hundesteuerbescheid ist auch nicht der Höhe nach zu beanstanden. Die Beklagte konnte in ihm eine Hundesteuerpflicht in Höhe von 905,00 EUR festsetzen. Die Hunde werden in einem Weiler im Sinne des § 6 Abs. 2 der Hundesteuersatzung der Beklagten gehalten. Gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 der Hundesteuersatzung ist die Steuer für einen dort gehaltenen Hund um die Hälfte ermäßigt. Dies gilt gem. § 8 Abs. 2 der Hundesteuersatzung jedoch nur für jeweils einen Hund des Steuerpflichtigen. Dieser Hund gilt dann gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 der Hundesteuersatzung als erster Hund, für den nach der Satzung 15,00 EUR Hundesteuer erhoben wird. Für die weiteren Hunde greift die Ermäßigung nicht. Gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 Hundesteuersatzung besteht daher für den zweiten Hund eine Hundesteuerpflicht in Höhe von 30,00 EUR, für jeden weiteren Hund in Höhe von 50,00 EUR (vgl. BayVGH, U.v. 12.3. 2015 - 4 B 14.2618).
42
Die Hunde werden auch auf dem Gemeindegebiet der Beklagten gehalten. Aus dem klägerischen Vortrag, dass sie sich ebenfalls in Frankfurt am Main bzw. im Taunus aufhielten, ergibt sich nichts anderes, da dieser Vortrag gerade auch den Aufenthalt der Hunde in D … beinhaltet. Diese Haltung genügt zur Erfüllung des Steuertatbestands nach § 1 Hundesteuersatzung. Ob sich die Hunde auch auf anderen Gemeindegebieten aufhalten, ist unerheblich und könnte lediglich zu einer Anrechnung einer bereits in einer anderen Gemeinde der Bundesrepublik Deutschland erhobenen Hundesteuer führen, vgl. § 4 Abs. 3 Hundesteuersatzung. Hundesteuerzahlungen an andere Gemeinden hat der Kläger jedoch nicht vorgetragen.
43
Der Anspruch ist nicht verjährt. Gem. Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a) KAG, §§ 228 ff. AO verjährt Hundesteuerforderung grundsätzlich innerhalb von fünf Jahren. Nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a) KAG, § 231 Abs. 1 Nr. 8 AO wird die Verjährung jedoch durch die Geltendmachung des Anspruchs gehemmt, was vorliegend durch den Hundesteuerbescheid vom 23. Januar 2012 geschah. Diese Hemmung der Verjährung wurde auch nicht beendet.
44
Der Anspruch ist auch nicht verwirkt. Das Rechtsinstitut der Verwirkung setzt das Verstreichen eines längeren Zeitraums seit der Möglichkeit der Geltendmachung eines Rechts (sog. Zeitmoment) sowie besondere Umstände voraus, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (sog. Umstandsmoment). Ein solcher Verstoß gegen Treu und Glauben liegt insbesondere vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde, der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde und sich infolge dessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (vgl. BVerwG, B.v. 12.1.2004 - 3 B 101/03 - NVwZ-RR 2004, 314; BVerwG, U.v. 9.12.1998 - 3 C 1.98 - BVerwGE 108, 93). Seit dem Erlass des Hundesteuerbescheids am 23. Januar 2012 sind zwar neun Jahre vergangen, wodurch das Zeitmoment der Verwirkung gegeben ist. Allerdings fehlt es am ebenfalls notwendigen Umstandsmoment. Die Beklagte hat auf den Widerspruch des Klägers diesem gegenüber angegeben sie werde dem Widerspruch nicht abhelfen, und dadurch zu erkennen gegeben, dass sie auf ihren Anspruch aus dem Bescheid beharrt. Allein der Umstand, dass bis Januar 2021 kein Widerspruchsbescheid ergangen war und mithin neun Jahre seit der erstmaligen Einforderung vergangen waren, schafft keinen Vertrauenstatbestand dahingehend, dass die Beklagte auf ihren Anspruch verzichte. Für Fälle, in denen die Verwaltung derart lange keine Entscheidung trifft, gibt es das Institut der Untätigkeitsklage (vgl. ständige Rspr: BFH, B.v. 1.7.2003 - II B 84/02 - BFH/NV 2003, 1534; BFH, B.v. 14.5.1998 - VII B 171/97 - BFH/NV 1999, 3; BFH, B.v. 21.2.2006 - I B 32/05 - BFH/NV 2006, 1305; BFH U.v. 8.10.1986 - II R 167/84 - BFHE 147, 409 m.w.N.; Cöster in Koenig, AO, 4. Aufl. 2021, § 367 Rn. 56).
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Nach alledem war die Klage als unbegründet abzuweisen.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.