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VG München, Urteil v. 14.07.2021 – M 9 K 21.1164
Titel:

weiteres Zwangsgeld, Zweckentfremdungsrecht

Schlagworte:
weiteres Zwangsgeld, Zweckentfremdungsrecht
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Urteil vom 15.07.2024 – 12 B 23.2196
Fundstelle:
BeckRS 2021, 38320

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen
II. die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

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Sie wendet sich gegen die Fälligstellung eines Zwangsgelds aufgrund eines zweckentfremdungsrechtlichen Grundbescheids und die Androhung eines weiteren Zwangsgelds mit Schreiben/Bescheid der Beklagten vom 15. Februar 2021.
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Die Klägerin betreibt die gewerbliche zimmerweise Vermietung von vollmöblierten Wohnungen mit Serviceleistungen, gemeinsamer Küchen- und Badbenutzung sowie Gemeinschaftsflächen, bezeichnet als co-livingKonzept insbesondere für Personen, die aus überwiegend beruflichen Gründen neu in der Stadt sind.
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Mit zweckentfremdungsrechtlichem Grundbescheid vom 27. August 2020 forderte die Beklagte Klägerin zur unverzüglichen Beendigung der Fremdenbeherbergung auf (Ziffer 1.). Für den Fall, dass die Klägerin der Anordnung der Ziffer 1. nicht innerhalb von vier Wochen ab Zustellung dieses Bescheides Folge leiste, werde ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000 Euro zur Zahlung fällig (Ziffer 3.).
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Auf der Grundlage der Ergebnisse von Ortsermittlungen durch die Beklagte vom 15. Oktober 2020 und 2. Februar 2021 wurde mit Schreiben/Bescheid vom 15. Februar 2021 das mit Bescheid vom 27. August 2021 angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 10.000 Euro fällig gestellt (Ziff.1.) und ein erneutes Zwangsgeld in Höhe von 20.000 Euro angedroht (Ziff.2). Auf die ausführliche Begründung wird verwiesen.
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Der Bevollmächtigte der Klägerin hat mit Schriftsatz vom 1. März 2021 Klage erhoben und beantragte zuletzt,
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I. Der Bescheid der Beklagten vom 15. Februar
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2021 wird aufgehoben.
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II. Es wird festgestellt, dass das Zwangsgeld nicht
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fällig wurde.
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Zur Begründung wurde unter Verweisung auf die Begründung des ebenfalls gestellten Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung (M 9 S 21.1165) vorgetragen, dass sich die Sachlage durch Änderung des Geschäftskonzepts geändert habe, eine Wohnnutzung bei Co-Living-Angeboten wie hier in der Regel nach drei Monaten anzunehmen sei, weshalb wegen der hier längeren Mietdauer hier eine Wohngemeinschaft vorläge, der Bescheid vor Fristablauf erlassen worden sei und die Beklagte zu Unrecht einen Verstoß gegen Zweckentfremdungsrecht annähme.
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Die Beklagte beantragte,
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Klageabweisung
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Zum Zeitpunkt des Schreibens/Bescheids vom 15.Februar 2021 und in der Zeit danach sei kein nachprüfbares geändertes Nutzungskonzept vorgelegt worden. Die Unterbringung der Bewohner sei beherbergungsartig mit umfangreichen Serviceleistungen und die angekündigten Änderungen als Absichtserklärungen zu sehen. Die Frist sei eingehalten worden.
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Mit Urteil vom 14. Juli 2021 (M 9 K 20.4088) wurde die Klage gegen den Grundbescheid vom 27. August 2020 abgewiesen; auf die Entscheidung wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
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Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die Akten und Entscheidungen in den Verfahren M 9 K 20.4088 und M 9 S.21.1165 sowie die Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage hat keinen Erfolg.
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1. Die Feststellungsklage gegen die Fälligkeitsmitteilung (Ziff.1) ist unbegründet.
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Da in Bayern keine ausdrückliche Festsetzung des zuvor angedrohten Zwangsgelds erfolgt, weil die Zwangsgeldandrohung selbst bereits einen aufschiebend bedingten und vollstreckbaren Leistungsbescheid darstellt (Art. 31 Abs. 3 S. 2, 23 Abs. 1 VwZVG), kann der Kläger mit Erhalt der Fälligkeitsmitteilung nur mehr eine Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO dahingehend erheben, dass das betreffende Zwangsgeld nicht fällig geworden sei bzw. keine Zahlungspflicht bestehe, was zwischen den Beteiligten auch - was insoweit ausreichend ist für die Annahme eines Feststellungsinteresses - streitig ist (BayVGH, U.v. 24.10.1974 - Nr. 179 I 73 - BayVBl. 1975, 302; VG München, U.v. 24.2.2016 - M 9 K 15.3083 - juris Rn. 16).
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Das Zwangsgeld in Höhe von 10.000 Euro ist fällig geworden. Nach Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG wird ein Zwangsgeld fällig, wenn die der Zwangsgeldandrohung zugrundliegende Pflicht nicht bis zum Ablauf der Frist nach Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG erfüllt wird. Dies ist hier der Fall. Der Ablauf der Frist wurde abgewartet und die Nutzung geprüft.
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2. Die Anfechtungsklage gegen die Androhung eines erneuten Zwangsgelds in Ziffer II. des Bescheids vom 15. Februar 2021 ist unbegründet. Der Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.
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Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen waren durchgehend bis zur mündlichen Verhandlung vom 14. Juli 2021 gegeben. Der Grundbescheid vom 27. August 2020, gerichtet auf Beendigung der zweckentfremdenden Nutzung, war kraft Gesetz von Beginn an sofort vollziehbar. Die Klage dagegen wurde mit Urteil vom 14. Juli 2021 (M 9 K 20. 4088) abgewiesen.
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Auch die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor.
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Für eine erneute Zwangsgeldandrohung ist es weder notwendig, dass das erste Zwangsgeld erfolgreich beigetrieben wurde, noch würde eine erfolgreiche Beitreibung des ersten Zwangsgeldes der Behörde die Möglichkeit nehmen, ein erneutes Zwangsgeld anzudrohen. Die Regelungen des Art. 36 Abs. 6 S. 2 VwZVG und des Art. 37 Abs. 4 S. 1 VwZVG betreffen nur die Erfüllung oder Nichterfüllung der mit der Grundverfügung auferlegten Verpflichtung; die Beitreibung eines verwirkten Zwangsgeldes und/oder die Zahlungspflicht hinsichtlich des verwirkten Zwangsgeldes sind damit nicht angesprochen.
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Die Zwangsgeldandrohung in Ziff.3 des Grundbescheids blieb erfolglos im Sinne des Art. 36 Abs. 6 S. 2 VwZVG, da die Klägerin ihrer Verpflichtung, die Kurzzeitnutzung der Wohnung zu beenden, innerhalb der gesetzten Frist nicht nachgekommen ist. Der Nutzungsuntersagung wurde nicht fristgerecht nachgekommen weshalb mit Fristablauf Erfolglosigkeit der jeweiligen Zwangsgeldandrohung eingetreten war (BayVGH, B.v. 19.12.2002 - 25 CS 02.2816 -, juris). Damit ist eine erneute Zwangsgeldandrohung, auch in anderer Höhe, zulässig. Bereits der Gesetzeswortlaut des Art. 36 Abs. 6 Satz 2 VwZVG setzt nur die Erfolglosigkeit der vorausgegangenen Androhung voraus, bevor ein erneutes Zwangsgeld angedroht werden darf (VG München, B.v. 12.08.2005 - M 9 S. 05.2605 -, juris, Rn. 15).
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Auch ein Vollstreckungshindernis dergestalt, dass es der Klägerin nicht möglich sei, einen Untermietvertrag im Hinblick auf eine zweckentfremdende Nutzung zu kündigen und damit ihrer Verpflichtung gemäß Art. 19 Abs. 2, 31 Abs. 1 VwZVG nachzukommen, bestand und besteht nicht. Der Hauptmieter eines Objekts hat jederzeit die Möglichkeit, die Zweckentfremdung durch Kündigung des Untermietvertrags, der einen echten Mietvertrag mit allen Rechten und Pflichten darstellt (BeckOK BGB/Ehlert BGB § 535 Rn. 4), zu beenden. Dies gilt insbesondere, wenn wie hier der Mieterschutz durch eine entsprechende Vertragsgestaltung ausgeschlossen wird.
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Die vorgetragene Änderung des Nutzungskonzepts konnte auch in der mündlichen Verhandlung nicht belegt oder nachgeprüft werden; auf das Urteil im Verfahren M 9 K 20. 4088 vom 14. Juli 2021 wird diesbezüglich verwiesen.
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Für Ermessensfehler im Sinne von § 114 S. 1 VwGO ist nichts ersichtlich, insbesondere ist die Höhe des Zwangsgeldes im Hinblick auf Art. 31 Abs. 2 VwZVG nicht zu beanstanden. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1, 2 VwGO i.V.m. §§ 708ff. ZPO.