Inhalt

VG München, Urteil v. 03.11.2021 – M 9 K 19.2831
Titel:

Nachbarklage gegen die Baugenehmigung für die Erweiterung einer Gaststätte

Normenketten:
BauNVO § 6 Abs. 2 Nr. 3, § 15 Abs. 1 S. 2
BImSchG § 3 Abs. 1
Leitsätze:
1. Bei der Ermittlung des Lärms im Rahmen einer Schallimmissionsprognose dürfen Flächen mit gleichmäßigen Schallemissionen zu einer Flächenschallquelle zusammengefasst werden. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Fehlende notwendige Stellplätz können nur zu einer Verletzung von Nachbarrechten führen, wenn die Genehmigung des Vorhabens ohne die erforderlichen Stellplätze zu Beeinträchtigungen führt, die dem Nachbarn bei Abwägung aller Umstände unzumutbar sind und deswegen das Gebot der Rücksichtnahme in drittschützender Weise verletzt ist. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Berücksichtigung einer Flächenschallquelle, Schank- und Speiswirtschaft in einem faktischen Mischgebiet, Notwendige Stellplätze, Schank- und Speisewirtschaft, Mischgebiet, Gebot der Rücksichtnahme, Lärm, Schallimmissionsprognose, Stellplatz
Fundstelle:
BeckRS 2021, 38317

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1 zu tragen. Die Beigeladene zu 2 trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.  

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen eine der Beigeladenen zu 1 erteilte Baugenehmigung für die Erweiterung einer Gaststätte auf 80 Gastplätze und 70 Außensitzplätze.
2
Die streitgegenständliche Baugenehmigung bezieht sich auf das Grundstück Fl.Nr. … (T. ...) - i.F. Vorhabengrundstück. Dieses ist mit einem Wohn- und Geschäftshaus bebaut. Bereits mit Baugenehmigung vom 26. März 2015 wurde auf dem Vorhabensgrundstück die Errichtung eines Wohn- und Geschäftshauses mit anteiliger Tiefgarage genehmigt. Im genehmigten westlichen Baukörper A1, in welchem sich die streitgegenständliche Erweiterung der Gaststätte befindet, wurden ursprünglich im Erdgeschoss Ladenflächen genehmigt. Genehmigt wurden dabei 64 Stellplätze. Ein notwendiger Stellplatz wurde abgelöst. Mit weiterer Baugenehmigung vom 15. Januar 2016 wurde die Nutzungsänderung der Ladenflächen in einen Verkaufsladen und eine Gaststätte mit maximal 40 Gastplätzen Innen und einer Außenterrasse mit max. 20 Sitzplätzen genehmigt. Genehmigt wurden dabei 68 notwendige Stellplätze. Ein notwendiger Stellplatz wurde abgelöst. In den Räumen der genehmigten Gaststätte befindet sich inzwischen ein Café.
3
Der Kläger ist Eigentümer des direkt südlich angrenzenden Grundstück Fl.Nr. ... (T. ...). Dort befindet sich ein Wohngebäude.
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Beide Grundstücke liegen im unbeplanten Innenbereich. Im Gemeindegebiet der Beigeladenen zu 2 war im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Baugenehmigung eine Stellplatzsatzung i.S.d. Art. 81 Abs. Nr. 4 BayBO in Kraft.
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Mit Bauantrag vom 16. April 2018 beantragte die beigeladene Bauherrin die Erweiterung der genehmigten Gaststätte auf 80 Gastplätze und 70 Außensitzplätze.
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Die beantragte Baugenehmigung wurde mit Bescheid vom 13. Mai 2019 erteilt. Die genehmigten Pläne sehen eine Terrasse mit 70 Gastplätzen vor. Von diesen 70 Plätzen befinden sich 10 Plätze südlich vom Gebäude. Nach der maßgeblichen Betriebsbeschreibung vom 27. März 2019 soll ein Café und Restaurant mit Ladenverkauf betrieben werden. Neben dem Speisenangebot vor Ort und zum Mitnehmen ist ein Verkaufsbereich für Kaffee- und Teespezialitäten, andere Lebensmittel, Geschirr sowieDeko-und Geschenkartikel vorgesehen. Als Anlage wurde der Baugenehmigung die Schallimmissionsprognose der K. … … … GmbH vom 1. April 2019 beigefügt. Im Rahmen dieser Prognose wurde auf dem klägerischen Grundstück der Immissionsort (IO 1) untersucht. Dabei wurden als relevante Schallquellen der Kundenparkverkehr, Warenanlieferungen und Kommunikationsgeräusche im Terrassenbereich betrachtet. Die Prognose kam dabei zu einem Beurteilungspegel nach der Sechste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm - TA Lärm) beim IO 1 von 54 db(A) am Tag und 50 db(A) in der Nacht. Aufgrund dieser Prognose wurde unter Ziffer 3.1.6 der Baugenehmigung beauflagt, dass die maximale Öffnungszeit bis 21:45 Uhr betrage, damit keine Fahrbewegungen und Parkvorgänge nach 22 Uhr stattfinden. Für Veranstaltungen und Musikdarbietungen wurde unter Ziffer 3.1.8 beauflagt, dass die Fenster und Türen nach Süden geschlossen zu halten sind. Nach der Begründung ergab sich für die Nutzungsänderung ein Mehrbedarf von zwei Stellplätzen (13 Stellplätze anstatt bisher 11 Stellplätze). Grundlage für die Berechnung sei die Gastraumfläche von 134,52 m2. Die zwei zusätzlichen Stellplätze seien abgelöst worden. Für die Terrasse sei eine Wechselnutzung akzeptiert worden. Drei der notwendigen Stellplätze befänden sich in der Tiefgarage.
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Mit Schreiben vom 11. Juni 2019 hat der Kläger Klage gegen die Baugenehmigung vom 13. Mai 2019 erhoben. Der Kläger beantragt,
Der Bescheid des Beklagten vom 13. Mai 2019, Aktenzeichen …, wird aufgehoben.
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Der Bauantrag durch die beigeladene Bauherrin als kommunales Wohnungsunternehmen sei vom Bürgermeister ohne Kenntnis des Bauausschusses und des Gemeinderats eingereicht worden. Es würden zu diversen Räumen m2-Angaben fehlen. Die Anzahl der Stellplätze sei nicht vermittelbar. Die Parkplatznutzung sei sehr angespannt. Die Wechselnutzung sei zu Unrecht unterstellt worden. Die Wechselnutzung sei zudem nicht beauflagt worden. Es stünden Fahrräder auf Rettungswegen und Feuerwehrzufahrten. Der Lieferverkehr parke auf dem Gehsteig vor dem Grundstück des Klägers. Es gebe nicht genug PKW-Stellplätze. Der Ablösevertrag sei deswegen ermessensfehlerhaft. Die drei TG-Stellplätze seien zufahrtsgesichert und deswegen nicht anfahrbar. Fahrräder würden auf dem Grundstück des Klägers geparkt. Die notwendige Stellplatzzahl nach der seit dem 6. Mai 2019 gültigen Satzung der Gemeinde T. … werde nicht eingehalten. Die zur Berechnung berücksichtigten Flächen seien zu gering berücksichtigt worden. Die Anzahl der Stellplätze deswegen zu gering. Die Verkaufsfläche sei zwar in den genehmigten Plänen nicht mehr vorhanden, sei aber tatsächlich vorhanden und würde zwei weitere Stellplätze benötigen. Die Besucher der südlichen Sitzplätze würden häufig die Abkürzung über sein Grundstück nehmen. Einen Fahrradabstellplatz gebe es nicht mehr. Es sei Chaos. Die Räder würden an die Schilderpfosten gebunden und auf seinem Grundstück abgestellt. Eine Einfriedung seines Grundstückes müsse er nicht vornehmen, da er einen genehmigten Bestand habe und von ihm nicht verlangt werden könne sein Grundstück einzufrieden, nur weil gegenüber eine Großgaststätte genehmigt worden sei. Die Betriebsbeschreibung sei geschönt. Beim Schallgutachten vom 1. April 2019 seien die Kommunikationsgeräusche insgesamt betrachtet worden. Die Geräusche von den 10 südlichen Außensitzplätzen seien aber für den Kläger deutlich wahrnehmbar. Die südliche Terrasse sei unzutreffend gewürdigt worden. Es dürfe nicht lediglich ein Mittelwert für alle 70 Sitzplätze berücksichtigt werden. Fraglich sei zudem von welchem Flächenschwerpunkt die Flächenschallquelle „Terrasse“ ausgehe. Das Gutachten selbst käme bei einer Einwirkungszeit von 13 Stunden zur einer Überschreitung des Immissionsrichtwerts um 5 db(A) und bei den Geräuschspitzen um 10 db(A). Dies sei nicht hinnehmbar. Die Baubehörde habe eine Diskobeleuchtung genehmigt. Immer wieder sei es zu Abendveranstaltung bis spät in die Nacht gekommen. Der zweite Rettungsweg sei offensichtlich zu lang. Er führe zudem an der Küche vorbei und damit an der größten Brandgefahr. Er führe die Leute ins Feuer. Das Brandschutzkonzept solle deswegen überarbeitet werden. Hierauf solle aber nur hingewiesen werden, da bekannt sei, dass dies nicht nachbarschützend sei.
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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
10
Das Grundstück befinde sich in einem faktischen Mischgebiet entsprechend § 6 BauNVO. Hinsichtlich der Art der Nutzung füge sich das Vorhaben deswegen nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 6 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO als Schank- und Speisewirtschaft ein. Die allgemeinen Begleiterscheinungen einer Schank- und Speisewirtschaft seien grundsätzlich von den benachbarten Bewohnern hinzunehmen. Die Störungen und Belästigungen des konkreten Vorhabens seien auch nicht unzumutbar. Die Baugenehmigung enthalte Nebenbestimmungen um dies zu verhindern. Insbesondere sei bei der beauflagten Betriebszeit die Nachtzeit zur Einhaltung der TA-Lärm-Richtwerte ausgespart wurden. Nach der schalltechnischen Untersuchung vom .... April 2019 und der immissionsschutzfachlichen Prüfung durch das Landratsamt sei deswegen keine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme gegeben. Die Schutzwürdigkeit entspreche einem Dorf- bzw. Mischgebiet. Das Gutachten habe nur in der Nachtzeit eine Überschreitung der Immissionsrichtwerte für ein Mischgebiet von 45 db(A) nachts festgestellt. Im Rahmen der schalltechnischen Untersuchung sei die Wechselnutzung nicht berücksichtigt worden. Es sei eine worst-case Betrachtung in Form einer Vollbelegung während der gesamten Betriebszeit durchgeführt worden. Hierdurch würde zudem teilweise kompensiert, dass ein Ansatz der Kommunikationsgeräusche nur mit Sprechen normal erfolgt sei. Die Berücksichtigung eines flächenbezogenen Schallleistungspegels sei fachlich nicht zu beanstanden. Hierdurch werde auch kein Emissions-Schwerpunkt gebildet, sondern der flächenbezogene Schalleistungspegel gleichmäßig auf die gesamte Fläche verteilt. Berücksichtigt werde die Summe der Einzelgeräusche von 80,4 db(A) zuzüglich eines Impulszuschlags von 3 db(A). Der Ansatz von „Sprechen Gehoben“ würde den Teilbeurteilungspegel lediglich von 47,7 db(A) auf 52,7 db(A) erhöhen, sodass dann immer noch kein Beurteilungspegel im Bereich des zulässigen Immissionsrichtwerts von 60 db(A) vorliegen würde. Es sei nach immissionsschutzfachlicher Bewertung nicht zu erwarten, dass durch Kunden des Verkaufsbereichs und höhere Wechselraten ein relevanter Einfluss auf Beurteilungspegel vorliegen könne. Es seien aufgrund der hohen Gesamtbewirtungsflächen bereits hohe Wechselraten angesetzt und selbst bei einer Verdoppelung der Wechselraten sei der Beurteilungspegel immer noch deutlich unter 60 db(A). Die Maximalpegel von Parkvorgängen seien nach der TA-Lärm tagsüber erst bei einem Abstand von weniger als 1 m nicht mehr einzuhalten. Vorliegend sei der Abstand zum IO 1 deutlich größer. Die bauordnungsrechtlichen Regelungen zur ausreichenden Zahl von Stellplätzen seien nicht nachbarschützend. Zudem seien die Anforderungen des Art. 47 BayBO erfüllt. Die Wechselnutzung habe nicht beauflagt werden müssen, da diese der allgemeinen Lebenserfahrung entspreche. Durch die Nutzungsänderung seien nach Art. 47 Abs. 1 Satz 2 BayBO i.V.m. der Stellplatzsatzung zwei weitere Stellplätzen notwendig. Die Ablösung von Stellplätzen sei nach Art. 47 Abs. 3 Nr. 3 BayBO gleichwertig und rechtmäßig. Unzumutbare Beeinträchtigung durch einen Stellplatzmangel seien nicht gegeben. Die Nutzung des Nachbargrundstücks würde nicht unzumutbar eingeschränkt. Begrenzter Parkraum in innerörtlichen Lagen sei zudem nicht unüblich. Parkverstöße unter Beeinträchtigung des Eigentums des Klägers seien auf dem Zivilrechtsweg zu klären. Der Brandschutznachweis sei bauaufsichtlich überprüft worden. Die Rettungsweglänge entspräche der BayBO.
11
Die Beigeladen zu 1 beantragt,
die Klage abzuweisen.
12
Die Beigeladen zu 2 hat keinen Antrag gestellt. Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Einnahme eines Augenscheins. Zu den Feststellungen wird auf die Niederschrift vom 3. November 2021 Bezug genommen.
13
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und beigezogenen Behördenakten sowie auf die Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung vom 3. November 2021 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Drittanfechtungsklage hat keinen Erfolg, da sie unbegründet ist.
15
1. Der Kläger wird durch die Baugenehmigung vom 13. Mai 2019 nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
16
Die Anfechtungsklage eines Dritten gegen eine Baugenehmigung kann nur dann Erfolg haben, wenn die Baugenehmigung Vorschriften verletzt, die dem Schutz des Dritten zu dienen bestimmt sind. Dementsprechend findet im vorliegenden Verfahren keine umfassende Rechtmäßigkeitskontrolle statt. Die Prüfung beschränkt sich vielmehr darauf, ob durch die angefochtene Baugenehmigung drittschützende Vorschriften, die den Antragstellern als Nachbarn einen Abwehranspruch gegen das Vorhaben vermitteln, verletzt sind (vgl. statt aller z. B. BayVGH, B.v. 24.3.2009 - 14 CS 08.3017 - juris).
17
Das Vorhabensgrundstück und das klägerische Grundstück liegen unstreitig und bestätigt durch das Ergebnis des Augenscheins in einem faktischen Mischgebiet nach § 6 BauNVO. In diesem sind nach § 6 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO Schank- und Speisewirtschaften zulässig. Eine Verletzung des Klägers in seinen Rechen aus dem Gebietserhaltungsanspruch (vgl. BVerwG, B.v. 22.12.2011 - 4 B 32/11 - juris Rn. 5) scheidet deswegen offensichtlich aus.
18
Die genehmigte Erweiterung der Gaststätte verletzt den Kläger auch nicht in seinen Rechten aus dem vorliegend aus § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO folgenden Gebot der Rücksichtnahme.
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Nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO, als Ausprägung des Gebots der Rücksichtnahme, sind bauliche Anlagen unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind. Das Gebot der Rücksichtnahme soll dabei einen angemessenen Interessenausgleich gewährleisten und vermittelt insofern Drittschutz, als die Genehmigungsbehörde in qualifizierter und individualisierter Weise auf schutzwürdige Belange eines erkennbar abgrenzbaren Kreises Dritter zu achten hat. Die Interessenabwägung hat sich daran zu orientieren, was dem Rücksichtnahmebegünstigten und was dem Rücksichtnahmeverpflichteten jeweils nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung des Begünstigten ist, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständiger und unabweisbarer die Interessen des Bauherrn sind, desto weniger muss er Rücksicht nehmen (BayVGH, B.v. 24.3.2009 - 14 CS 08.3017 - juris).
20
a) Nach der Baugenehmigung sind unzumutbare Belästigungen und Störungen des Klägers insbesondere durch Lärm ausgeschlossen.
21
Hinsichtlich der Zumutbarkeit von Belästigungen und Störungen aufgrund von Umwelteinwirkungen ist auf die Begriffsbestimmungen des BImSchG zurückzugreifen (vgl. BayVGH B. v. 15.11.2011 - 14 AS 11.2305 - juris Rn. 29). Nach § 3 Abs. 1 BImSchG sind schädliche Umwelteinwirkungen Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Für die Beurteilung der Zumutbarkeit von Lärm ist als Maßstab die Sechste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum BImSchG vom 26. August 1998 (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm - TA Lärm, GMBl. 1998 S. 503) heranzuziehen (BVerwG U. v. 29.11.2012 - 4 C 8/11 BVerwGE 145, 145 - juris Rn. 17).
22
Lärmimmissionen, die das immissionsschutzrechtlich zulässige Maß nicht überschreiten, begründen keine Verletzung des baurechtlichen Rücksichtnahmegebots. Als normkonkretisierender Verwaltungsvorschrift kommt der TA Lärm, soweit sie für Geräusche den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen konkretisiert, eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu. Die normative Konkretisierung des gesetzlichen Maßstabs für die Schädlichkeit von Geräuschen ist insoweit abschließend, als sie bestimmte Gebietsarten und Tageszeiten entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit bestimmten Immissionsrichtwerten zuordnet und das Verfahren der Ermittlung und Beurteilung der Geräuschimmissionen vorschreibt (BVerwG, U.v. 29.8.2007 - 4 C 2.07 - BVerwGE 129, 209 - juris Rn. 12; U.v. 29.11.2012 - 4 C 8/11 BVerwGE 145, 145 - juris Rn. 18).
23
Nach der Schallimmissionsprognose der K. … … … GmbH vom .... April 2019 werden die maßgeblichen Immissionsrichtwerte nach Nr. 6.1. Buchstabe d) TA Lärm auf dem Grundstück des Klägers (IO 1) am Tag eingehalten. Aufgrund dieser Schallimmissionsprognose kann mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass es zu unzumutbaren Lärmimmissionen im Rahmen des genehmigten Betriebs kommt, da die Beurteilungspegel am IO 1 ermittelt anhand eines realistischen Regelbetriebes den Tagesrichtwert in einem Mischgebiet bei weitem nicht ausschöpfen werden. Durch das Café wird am IO 1 am Tag ein Beurteilungspegel von 54 db(A) verursacht. Nach Nr. 6.7 der TA Lärm gilt tagsüber ein Immissionsrichtwert von 60 db(A).
24
Die Einwendungen des Klägers gegen die Art der Ermittlung greifen nicht durch, da die Ermittlung entsprechend der TA Lärm erfolgte und fachlich sowie rechtlich nicht zu beanstanden ist.
25
Die Vergabe nur einer Schallflächenquelle für alle Außenbereiche ist nicht zu beanstanden. Flächen mit gleichmäßigen Schallemissionen dürfen zu einer Flächenschallquelle zusammengefasst werden. Es ist realistisch und nachvollziehbar, dass sich die Gäste bzw. die Sitzgelegenheiten im Außenbereich einer Gaststätte üblicherweise und auch hier gleichmäßig verteilen. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass sich vorliegend auf einem Teil der Außenbereichsfläche ein Emmissions-Schwerpunkt befindet, der einer Zusammenfassung der Außenbereichsfläche entgegenstehen würde. Die Berücksichtigung eines Zentrums der Schallquelle für die Schallausbreitungsrechnung entspricht den Vorgaben der TA Lärm (vgl. für die überschlägige Schallausbreitungsrechnung A.2.4.3 des Anhangs zur TA Lärm) und führt, wie vom fachlichen Immissionsschutz in seiner Stellungnahme vom … September 2019 ausführlich erläutert, eben nicht dazu, dass ein Emmissions-Schwerpunkt unterstellt wird.
26
Die Geräusche der südlichen Terrasse wurden somit zutreffend berücksichtigt. Dass der Kläger subjektiv offensichtlich besonders lärmempfindlich ist und sich besonders durch die südliche Terrasse gestört fühlt, ist nicht zu berücksichtigen. Maßgeblich sind allein die Vorgaben des BImSchG bzw. der TA Lärm, bei denen auf das Empfinden des verständigen Durchschnittsmenschen abgestellt wird. Eine atypische individuelle Überempfindlichkeit ist unbeachtlich (Schulte/Michalk in: BeckOK UmweltR/, 59. Ed. 1.7.2021, BImSchG § 3 Rn. 52). Das rein subjektive Lärmempfinden gibt dem Kläger keinen Abwehranspruch gegen eine die Vorgaben der TA Lärm einhaltende Gaststätte in einem faktischen Mischgebiet.
27
Eine unrealistische Unterstellung des Regelbetriebes im Rahmen der Prognose ist nicht erkennbar. Eine Wechselnutzung von Innen- und Außenbereich wurde nur im Rahmen der Stellplatzberechnung unterstellt. Ein tankstellenartiger Betrieb liegt aufgrund von mehreren Verkaufsregalen mit Café typischen Verkaufsartikeln (Kaffee, Tee, Dekoartikel etc.) nicht vor. Der Kauf derartiger Produkt erfolgt regelmäßig und weit überwiegend nur durch Kunden des Cafés im Rahmen von Spontankäufen. Ein Diskobetrieb wurde nicht genehmigt und liegt auch nicht ansatzweise vor. Bei der vorgetragenen Diskobeleuchtung handelt es sich nach dem Ergebnis des Augenscheins um ein umlaufendes LED-Band, dass nicht untypisch für ein Café ist.
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Die Einhaltung der Immissionsrichtwerte in der Nacht ist sichergestellt, da eine maximale Öffnungszeit von 9:00 bis 21:45 Uhr in der Baugenehmigung unter Ziffer 3.1.6 beauflagt wurde. In der Nachtzeit zwischen 22:00 bis 6:00 Uhr nach Nr. 6.4 Satz 1 TA Lärm sind deswegen keine schädlichen Umwelteinwirkungen nach der Baugenehmigung möglich. Es liegt insoweit keine bloße Beschränkung des Nachtbetriebes, sondern ein kompletter Ausschluss vor. Eine Ausnahme für seltene Ereignisse enthält die Baugenehmigung zugunsten des Klägers bzw. der Nachbarschaft und zu Lasten der Bauherrin nicht. Aus diesem Grund mussten aber auch keine weiteren Auflagen zur Sicherstellung der Zumutbarkeit von Immissionen im Rahmen von seltenen Ereignissen erfolgen (vgl. BayVGH, U.v. 21.10.2010 - 14 B 08.1267 - juris Rn. 35). Soweit der Kläger die Nichteinhaltung der beauflagten und vollziehbaren Öffnungszeiten an einzelnen Tagen rügt, ist dies in der Klage gegen die Baugenehmigung zum einem unbeachtlich, da Streitgegenstand lediglich die Baugenehmigung ist und nicht der tatsächliche Betrieb; sofern dieser unter Verstoß gegen eine vollziehbare Auflage erfolgen sollte. Zum anderem hat der Kläger persönlich auch keinen Anspruch auf den vollständigen Ausschluss von seltenen Ereignissen i.S.d. Nr. 7.2 TA Lärm, sodass grundsätzlich an bis zu zehn Nächten eines Kalenderjahres die höheren Immissionsrichtwerte von 55 dB(A) dem Kläger nachts zumutbar sind.
29
b) Die vom Kläger vorgetragenen fehlenden notwendigen Stellplätze können ihn vorliegend nicht in eigenen Rechten verletzen.
30
Fehlende notwendige Stellplätz können nur zu einer Verletzung von Nachbarrechten führen, wenn die Genehmigung des Vorhabens ohne die erforderlichen Stellplätze zu Beeinträchtigungen führt, die dem Nachbarn bei Abwägung aller Umstände unzumutbar sind und deswegen das Gebot der Rücksichtnahme in drittschützender Weise verletzt ist. Denn die Verpflichtung bei Nutzungsänderungen von Anlagen Stellplätze in solcher Zahl und Größe herzustellen, dass die Stellplätze die durch die Änderung zusätzlich zu erwartenden Kraftfahrzeuge aufnehmen können, dient ausschließlich dem öffentlichen Interesse an der Entlastung der öffentlichen Verkehrsflächen vom ruhenden Verkehr (st. Rspr.; vgl. z.B. BayVGH, B.v. 25.8.2009 - 1 CS 09.287 - juris Rn. 39). Auf eine ausreichende Beschaffenheit der Stellplätze und die zutreffende rechnerische Berechnung der notwendigen Anzahl kommt es in einer Nachbarklage deswegen grundsätzlich nicht an (VG München, U.v. 5.9.2019 - M 11 K 18.614 - juris Rn. 24; VG München, B.v. 18.12.2020 - M 9 SN 20.1913 - juris Rn. 20).
31
Unzumutbare Beeinträchtigungen wurden nicht dargelegt und sind auch nicht ersichtlich.
32
Die ohnehin nicht genehmigte Nutzung des klägerischen Grundstücks durch Gäste des Cafés ist unbeachtlich. Es ist dem Kläger möglich und zumutbar diese Problematik durch eine Einfriedung seiner nördlichen Grundstücksgrenze oder ggf. zivilrechtlich zu verhindern. Der Kläger will eine Einfriedung seines Grundstücks nach der ausführlichen Erörterung in der mündlichen Verhandlung aus nicht nachvollziehbaren Gründen aber nicht. Eine nennenswerte Einschränkung der Nutzbarkeit seines Grundstückes würde bei einer Einfriedung mit einem beweglichen Tor nicht erfolgen. Der Kläger hat noch eine direkte Zufahrt von der Straße auf sein Grundstück. Seine Begründungen gegen eine Einfriedung seines Grundstücks sind umso weniger nachvollziehbar, als er derzeit sein Grundstück mit einer Barriere aus Blumenkübeln befriedet hat und damit gerade tatsächlich - allein aufgrund der Blumenkübel - seine Freifläche nur eingeschränkt von Norden nutzen kann. Ein bewegliches Tor oder ggf. eine Absperrung mit einer Kette wären offensichtlich deutlich praktischer als die Blumenkübel. Die Bauherrin hat in der mündlichen Verhandlung sogar angeboten, dass die Einfriedung zum Schutz des klägerischen Grundstücks auf dem Vorhabensgrundstück errichtet wird. Dem Gericht drängt sich deswegen der Eindruck auf, dass es dem Kläger mit den Blumenkübeln nicht vorrangig um den Schutz des eigenen Grundstücks geht.
33
Der Kläger hat zwar auf dem Vorhabensgrundstück nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung ein im Grundbuch eingetragenes Geh- und Fahrtrecht zu seiner östlich hinter seinem Haus gelegenen Garage. Eine unzumutbare Beeinträchtigung des Geh- und Fahrtrechts hat der Kläger aber schon nicht dargelegt und diese ist auch nicht ersichtlich. Beeinträchtigungen drängen sich für das Gericht nicht auf, da der Kläger die Zufahrt zu Garage zumindest temporär auf seinem Grundstück zugebaut bzw. zugestellt hat und damit das Gehund Fahrtrecht zum Erreichen der Garage mit einem Auto derzeit nicht notwendig ist. Letztlich kann das Vorliegen einer Beeinträchtigung der Zufahrt zur Garage auch offenbleiben. Private Rechte, wie das Geh- und Fahrtrecht des Klägers auf dem Vorhabengrundstück, werden nach Art. 68 Abs. 5 BayBO durch die Erteilung einer Baugenehmigung weder berührt werden noch sagt Baugenehmigung hierüber etwas aus. Damit kann dieses private Recht durch die Baugenehmigung nicht verletzt werden (BayVGH, B.v. 29.8.2014 - 15 CS 14.615 - juris; VG München, B.v. 1.8.2016 - M 11 SN 16.2976 - juris; VG München B.v. 21.7.2017 - M 9 SN 17.1897 - juris). Darüber hinaus waren die südlichen Stellplätze bereits Teil der vorherigen bestandskräftigen Baugenehmigung. Es ist nicht ersichtlich, dass im Rahmen des Rangierverkehrs für diese Parkplätze die Fläche des Geh- und Fahrtrechts nun stärker in Anspruch genommen wird.
34
Das nach Ansicht des Klägers „chaotische“ Abstellen von Fahrrädern auf dem Vorhabensgrundstück ist vollkommen unerheblich. Hieraus ergeben sich keinerlei relevante Beeinträchtigungen für den Kläger. Der Kläger und Nachbar hat keinen Anspruch darauf, dass in der Baugenehmigung sichergestellt wird, dass Fahrräder in „Reih und Glied“ bzw. in einem Fahrradständer abgestellt werden.
35
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO. Die beigeladene Bauherrin hat sich durch die Antragstellung in ein Kostenrisiko begeben, sodass es der Billigkeit entspricht ihre außergerichtlichen Kosten dem unterlegenen Kläger aufzuerlegen. Die beigeladene Gemeinde hat mangels Antrag kein Kostenrisiko getragen, sodass es insoweit nicht der Billigkeit entspricht ihre außergerichtlichen Kosten dem Kläger aufzuerlegen.
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3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit fußt auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.