Inhalt

LG Kempten, Endurteil v. 25.02.2021 – 31 O 1152/20 Ver
Titel:

Keine Deckung für Betriebsschließungen aufgrund von SARS-CoV-2/COVID-19 bei abschließender Aufzählung

Normenkette:
BGB § 133, § 157, § 305c Abs. 1, § 307
Leitsätze:
1. Eine Bestimmung in den Bedingungen einer Betriebsschließungsversicherung, nach der meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger iSd Versicherungsbedingungen "die folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger" sind, gefolgt von einer Aufzählung von Krankheiten und Krankheitserregern, ist so auszulegen, dass allein die dort namentlich angeführten "folgenden" Krankheiten und Krankheitserreger versichert sind (ebenso OLG München BeckRS 2021, 13077 Rn. 3 ff.). (Rn. 46 – 48) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei einer solchen Bestimmung handelt es sich um eine primäre Risikobeschreibung und nicht um eine Ausschlussklausel (vgl. OLG München BeckRS 2021, 13077 Rn. 8 ff.). (Rn. 59) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Bestimmung ist weder überraschend noch benachteiligt sie den Versicherungsnehmer unangemessen (ebenso OLG München BeckRS 2021, 13077 Rn. 22 ff.). (Rn. 60) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Betriebsschließungsversicherung, Allgemeine Versicherungsbedingungen, abschließende Aufzählung, meldepflichtige Krankheit, meldepflichtiger Krankheitserreger, Coronavirus, primäre Risikobeschreibung, Ausschlussklausel, Überraschung, unangemessene Benachteiligung
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Endurteil vom 11.11.2021 – 14 U 1203/21
BGH Karlsruhe vom -- – IV ZR 412/21 - ANH
Fundstelle:
BeckRS 2021, 37275

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 179.013,70 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche aus einer Betriebsschließungsversicherung in Höhe von zuletzt 179.013,70 € geltend.
2
Zwischen der Klägerin, xxxx die in Kempten, einen Gastronomiebetrieb betreibt, und der Beklagten besteht eine sog. Profi-Schutz Sach-Versicherung mit der Versicherungs-Nr.xxxx. Im Rahmen der dortigen Sach-Inhaltsversicherung gelten unter anderem Schäden durch Betriebsschließung (ZBSV 08) als versichert. Der Jahresbeitrag für die Sachinhaltsversicherung mit einer Versicherungssumme von 600.000 € beträgt nach dem vorgelegten Versicherungsschein 877,77 €.
3
Der Betriebsschließungsversicherung liegen die als Anlage K 2 vorgelegten Zusatzbedingungen für die Versicherung von Betrieben gegen Schäden aufgrund behördlicher Anordnung nach dem Infektionsschutzgesetz (Betriebsschließung) - 2008 (ZBSV 08) zu Grunde.
4
§ 2 dieser Zusatzversicherungen regelt gemäß der Überschrift „Versicherte Gefahren“.
5
Nach § 2 Nr. 1 der Zusatzbedingungen besteht folgender Versicherungsumfang:
„Der Versicherer leistet Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Nr. 2)
a) den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen schließt; (…)“
§ 2 Nr. 2 der Zusatzbedingungen enthält nach der in Fettdruck gehaltenen Überschrift „Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger“ folgenden Text:
„Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Zusatzbedingungen sind die folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger:
a) Krankheiten“
Es folgt eine jeweils durch einen Strichpunkt getrennte alphabetische Aufzählung von insgesamt 23 Krankheiten, beginnend mit „Botulismus“ und endend mit „die Verletzung eines Menschen durch ein tollwutkrankes, -verdächtiges oder -ansteckungsverdächtiges Tier sowie die Berührung eines solchen Tieres oder Tierkörpers“.
„b) Krankheitserreger“
Es folgt eine wiederum jeweils durch einen Strichpunkt getrennte alphabetische Aufzählung von insgesamt 52 Krankheitserregern beginnend mit „Adenoviren“ und endend mit „Toxoplasma gondii (Meldepflicht nur bei konnatalen Infektionen)“.
6
Weder unter § 2 Nr. 2 a) noch unter § 2 Nr. 2 b) der Zusatzbedingungen ist das Virus COVID-19 sowie das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 aufgeführt.
7
Nach § 3 der Zusatzbedingungen „Umfang der Entschädigung“ Nr. 1 „Entschädigungsberechnung“ ersetzt der Versicherer „im Falle a) einer Schließung nach § 2 Nr. 1 a den Ertragsausfallschaden nach Teil B § 2 Nr. 2 VFS 08 bis zu einer Haftzeit von 30 Tagen.“
8
In § 3 Nr. 2 der Zusatzbedingungen „Mehrfache Anordnung“ ist folgendes geregelt: „Wird eine der durch die Versicherung gedeckten Maßnahmen mehrmals angeordnet und beruhen die mehrfachen Anordnungen auf den gleichen Umständen, so wird die nach Nr. 1 zu leistende Entschädigung nur einmal zur Verfügung gestellt.“
9
Bezüglich des weiteren Inhalts der Zusatzbedingungen im Einzelnen wird auf die Anlage K 2 Bezug genommen. Zusätzlich wird auf den als Anlage K 3 vorgelegten Teil B VFS 08 verwiesen.
10
Mit Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 16.03.2020, die am 18.03.2020 zunächst bis zum 30.03.2020 für Gastronomiebetriebe in Kraft trat, wurden unter Ziffer 3. Gastronomiebetriebe jeder Art untersagt. Ausgenommen hiervon wurden in der Zeit von 6:00 Uhr bis 15:00 Uhr Betriebskantinen sowie Speiselokale und Betriebe, in denen überwiegend Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle abgegeben werden. Ausgenommen war zudem die Abgabe von Speisen zum Mitnehmen bzw. die Auslieferung. Diese ist jederzeit zulässig.
11
Die Maßnahmen nach dieser Allgemeinverfügung wurden mit der weltweiten Verbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2, sodass die WHO am 11.03.2020 das Ausbruchsgeschehen als Pandemie bewertet hat, begründet. Bei SARS-CoV-2 handelt es sich um einen Krankheitserreger im Sinne des § 2 Nr. 1 IfSG, der sich in Bayern derzeit stark und immer schneller verbreitet. Die Schließung von Gastronomiebetrieben nach Nr. 3 der Allgemeinverfügung diente insbesondere dem Zweck, eine Ausbreitung sowie Weiterverbreitung von COVID-19 zu verlangsamen.
12
Mit weiterer Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 20.03.2020 wurden nunmehr unter Ziffer 2. mit Wirkung ab dem 21.03.2020 bis zum Ablauf 03.04.2020 Gastronomiebetriebe jeder Art untersagt. Ausgenommen war die Abgabe und Lieferung von mitnahmefähigen Speisen zum Mitnehmen bzw. die Auslieferung. Diese ist jederzeit zulässig.
13
Die Maßnahmen nach dieser Allgemeinverfügung wurden mit der weltweiten Verbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2, sodass die WHO am 11.03.2020 das Ausbruchsgeschehen als Pandemie bewertet hat, begründet. Bei SARS-CoV-2 handelt es sich um einen Krankheitserreger im Sinne des § 2 Nr. 1 IfSG, der sich in Bayern derzeit stark und immer schneller verbreitet. Die Schließung von Gastronomiebetrieben nach Nr. 3 der Allgemeinverfügung diente insbesondere dem Zweck, eine Ausbreitung sowie Weiterverbreitung von COVID-19 zu verlangsamen.
14
Mit weiterer Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 20.03.2020 wurden nunmehr unter Ziffer 2. mit Wirkung ab dem 21.03.2020 bis zum Ablauf 03.04.2020 Gastronomiebetriebe jeder Art untersagt. Ausgenommen war die Abgabe und Lieferung von mitnahmefähigen Speisen.
15
Diese Allgemeinverfügung wurde durch die Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 27.03.2020 abgelöst, welche weiterhin für den Zeitraum vom 31.03.2020 bis zum Ablauf des 19.04.2020 eine Betriebsuntersagung für Gastronomiebetriebe jeder Art, auch für Gaststätten und Gaststättenbereiche im Freien (z. B. Biergärten, Terrassen) beinhaltete, wobei wiederum die Abgabe und Lieferung von mitnahmefähigen Speisen ausgenommen war. Die Betriebsuntersagung für Gastronomiebetriebe jeder Art in dieser Form wurde zunächst durch die Zweite Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 16.04.2020, welche am 20.04.2020 in Kraft und mit Ablauf des 03.05.2020 außer Kraft trat, anschließend durch die am 04.05.2020 in Kraft und mit Ablauf des 10.05.2020 außer Kraft tretende Dritte Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 01.05.2020 und sodann durch die Vierte Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung, welche am 11.05.2020 in Kraft und am 17.05.2020 außer Kraft trat, jeweils verlängert.
16
Mit Verordnung zur Änderung der Vierten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 14.05.2020 war ab 18.05.2020 wieder die Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle im Freien, insbesondere in Wirts- oder Biergärten und auf Freischankflächen, in der Zeit zwischen 6 und 20 Uhr und ab 25.05.2020 der Betrieb von Speisewirtschaften, soweit der Verzehr nicht im Freien erfolgt, in der Zeit zwischen 6 und 22 Uhr jeweils bei Einhaltung eines Mindestabstands erlaubt.
17
Mit Schreiben vom 20.03.2020 (Anlage K 4) zeigte die Klägerin gegenüber der Beklagten an, dass ihr Gewerbebetrieb seit dem 17.03.2020 geschlossen und damit der Versicherungsfall eingetreten ist.
18
Die Beklagte lehnte mit dem als Anlage K 5 vorgelegten Schreiben vom 06.05.2020 eine Eintrittspflicht ab und bot eine Einmalzahlung von 13.427,00 € an. Dieses „Unterstützungsangebot“ nahm die Klägerin nicht an.
19
1. Die Klägerin trägt in der am 01.09.2020 zugestellten Klage vom 28.07.2020 vor, dass sie ihren Betrieb aufgrund der Allgemeinverfügung in der Zeit vom 20.03.2020 bis zum 24.05.2020, somit über einen Zeitraum von insgesamt 65 Tagen vollständig habe schließen müssen. Sie ist der Auffassung, dass ihr deshalb aus der Betriebsschließungsversicherung ein Anspruch auf Ersatz des Ertragsausfallschadens für eine Haftzeit von maximal 30 Tagen zustehe, wobei sie mit der Klage zunächst einen Betrag von 89.506,85 € geltend gemacht hat.
20
Nach Ansicht der Klägerin sei der maßgebliche Abschnitt der Versicherungsbedingungen so formuliert, dass ein objektiver Versicherungsnehmer davon ausgehen müsse, dass grundsätzlich sämtliche in §§ 6 und 7 IfSG aufgezählten Krankheiten und Krankheitserreger erfasst seien. Andernfalls würde es der Willkür der Versicherung obliegen, ob sie beim Auftreten einer neuen, bisher nicht bekannten Krankheit bzw. eines neuen Krankheitserregers den Versicherungsschutz dahingehend erweitert, dass sie dies nachträglich aufnimmt. Eine Klausel in Allgemeinen Versicherungsbedingungen müsse nicht nur in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Vertragspartner verständlich sein, sondern darüber hinaus die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen insoweit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden könne. Nach diesen Maßstäben könne der durchschnittliche Versicherungsnehmer vorliegend Gegenstand und Reichweite des Ausschlusses bei den Versicherungsbedingungen der Beklagten nicht erkennen. Selbst wenn der SARS-CoV-2-Virus vorliegend nicht vom Anwendungsbereich umfasst wäre, wäre der namentlich genannte Influenza-Virus entsprechend anzuwenden. Zudem sei ein Berufen der Beklagten darauf, dass der SARS-CoV-2-Virus nicht wörtlich in den Versicherungsbedingungen genannt ist, bereits deshalb treuwidrig, da dieser Virus zum Zeitpunkt des Abschlusses der Versicherung sowie der Erstellung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen noch überhaupt nicht bekannt war.
21
2. Nachdem mit der Achten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 30.10.2020, die am 02.11.2020 in Kraft und mit Ablauf des 30.11.2020 außer Kraft trat, erneut Gastronomiebetriebe jeder Art untersagt wurden, wobei neben Betriebskantinen die Abgabe und Lieferung von mitnahmefähigen Speisen und Getränken zulässig war, und diese Betriebsuntersagung für Gastronomiebetriebe mit der Neunten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 30.11.2020 bis 20.12.2020 verlängert worden war, erweiterte die Klägerin mit der Replik vom 09.12.2020 die Klage um einen weiteren Betrag von 89.506,85 €, sodass der geltend gemachte Anspruch nunmehr 179.013,70 € betrug.
22
Die Klägerin begründete die Klageerweiterung damit, dass sie ihren Betrieb aufgrund des neuen Lockdowns erneut für mindestens 49 Tage habe schließen müssen.
23
Sie trägt in der Replik vor, dass die Voraussetzungen einer Betriebsschließung nach den Versicherungsbedingungen vorliege. Es komme nicht darauf an, in welcher Rechtsform die Anordnung der Schließung vorgenommen worden sei. Auch sei nicht erforderlich, dass der Betrieb der Klägerin selbst betroffen sein müsse. Die Maßnahme müsse nur aufgrund des Infektionsschutzgesetzes erlassen worden sein, was der Fall sei.
24
Die Versicherungsbedingungen der Beklagten seien so zu interpretieren, dass es sich um eine dynamische Verweisung handle, die alle auch bei nachträglichen Gesetzesänderungen meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger umfasse. Durch die Versicherungsbedingungen werde gerade keine enumerative Aufzählung von verschiedenen Erregern bzw. Krankheiten vorgenommen, welche die Eintrittspflicht bei nicht aufgezählten Erregern bzw. Krankheiten verhindern würde. Bei der Auslegung der Versicherungsbedingungen sei auch die Bedeutung des Wortes „namentlich“ zu berücksichtigen, das richtigerweise in dem Sinne zu verstehen sei, dass es keinen Ausschluss weiterer Krankheiten begründen, sondern nur klarstellen solle, dass die aktuell benannten und als bedrohlich übertragbar eingestuften Krankheiten und Krankheitserreger aufgeführt und benannt werden. Verbleibende Zweifel würden grundsätzlich nach § 305c Abs. 2 BGB zulasten des Verwenders gehen. § 2 der Zusatzbedingungen verstoße zudem gegen das sich aus § 307 Abs. 1 S. 2 BGB ergebende Transparenzgebot und sei deshalb unwirksam.
25
Darüber hinaus handle es sich bei § 2 Nr. 2 der Zusatzbedingungen um keine abschließende Aufzählung.
26
Die Klägerin ist weiter der Auffassung, dass eine vollständige Schließung vorliege, da ihr Betrieb nicht auf einen Außerhausverkauf ausgelegt sei. Ein solcher sei weder angedacht noch sei er vor oder während der Pandemie angeboten worden. Für die Klägerin sei auch nicht erkennbar gewesen, dass sie im Rahmen ihrer Schadensminderungspflicht einen solchen Verkauf hätte anbieten müssen. Erst als der Lockdown verlängert wurde, habe sie ab dem 20.04.2020 (nach einem Monat Schließung) notgedrungen ToGo Speisen angeboten. Ein Lieferservice sei niemals angeboten worden.
27
Zur Höhe des zu ersetzenden Schadens wird auf den Vortrag unter D. auf S. 11-13 der Replik vom 09.12.2020 verwiesen.
28
Die Klägerin ist noch der Auffassung, dass sie sich Kurzarbeitergeld oder Liquiditätshilfe vom Bund oder Land nicht anspruchsmindernd anrechnen lassen müsse.
29
Die Replik wurde nach Einzahlung des weiteren Gerichtskostenvorschusses am 18.01.2021 zugestellt.
30
Die Klägerin beantragt zuletzt:
1. Die Beklagte wird dazu verurteilt, an die Klägerin 179.013,70 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 89.506,86 € seit dem 05.06.2020, sowie aus dem darüber hinausgehenden Betrag seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Die Beklagte wird dazu verurteilt, an die Klägerin vorprozessuale Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.863,40 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
31
Die Beklagte beantragt
Klageabweisung.
32
Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Klage unbegründet sei, da der geltend gemachte Schaden von dem streitgegenständlichen Versicherungsvertrag nicht gedeckt sei. Die vereinbarten Versicherungsbedingungen würden nur bei Auftreten bestimmter Krankheiten oder Krankheitserregern im versicherten Betrieb Versicherungsschutz für den Fall vorsehen, dass Gesundheitsbehörden die Krankheit oder den Krankheitserreger in dem versicherten Betrieb bekämpfen und aus diesem Grund den Betrieb schließen oder allen Betriebsangehörigen Tätigkeitsverbote aufgeben. Vorliegend sei das Coronavirus nicht in den Versicherungsbedingungen genannt und nicht Bestandteil des abschließenden Katalogs der in den Bedingungen im Einzelnen ausdrücklich bezeichneten versicherten Krankheiten und Krankheitserreger. Das Coronavirus könne auch nicht unter andere, im abschließenden Katalog aufgezählte Krankheiten und Krankheitserreger subsumiert werden. Gegen den eindeutigen Wortlaut der Versicherungsbedingungen könnten diese auch nicht ergänzend dahin ausgelegt werden, dass das Coronavirus auch ohne Erwähnung im Bedingungstext eine versicherte Gefahr darstellen soll. Die Versicherungsbedingungen enthielten keine überraschenden Klauseln. Die Klägerin werde durch die klare Definition und Katalogisierung der versicherten Risiken auch nicht unangemessen benachteiligt. Das Kostenargument der Klägerin verfange nicht. Wenn diese jedes Jahr die gleichen Kosten trage, könne sie im Gegenteil redlicherweise keine Deckungserweiterung für völlig neuartige und unbekannte Krankheiten wie das Coronavirus erwarten.
33
Das Coronavirus sei auch nicht im Betrieb der Klägerin festgestellt worden. Die Betriebsangehörigen seien nicht infiziert. Von dem Betrieb der Klägerin sei deshalb kein konkretes Infektionsrisiko ausgegangen. Daher habe auch das zuständige Gesundheitsamt der Klägerin nicht aufgegeben ihren Betrieb abzuriegeln. Die Klägerin habe in Deutschland ihre Dienstleistung durchgehend anbieten können. Sie habe allerdings auf Hygienevorschriften achten müssen und vorübergehend ihre Tische und Stühle nicht für den Verzehr vor Ort einsetzen dürfen. „Take away“, Lieferservice und Catering als gastronomische Angebote hätten auch im streitgegenständlichen Zeitraum weiter angeboten und ausgeführt werden dürfen. Der versicherte Betrieb sei damit nicht wie nach den Versicherungsbedingungen vorausgesetzt vollständig geschlossen worden. Auch durch die Allgemeinverfügungen und Verordnungen sei keine Betriebsschließung verfügt, sondern lediglich der Verzehr unmittelbar vor Ort teilweise untersagt worden.
34
Zudem lege die Klägerin nicht schlüssig dar, wie sich der behauptete versicherte Betriebsausfallschaden im Einzelnen zusammensetze. Die Berechnung entspreche nicht den Anforderungen gemäß Teil B § 2 Nr. 2 VFS 08.
35
Erhaltene staatliche Leistungen seien von dem vermeintlichen Ertragsausfallschaden in Abzug zu bringen.
36
Hinsichtlich der Klageerweiterung trägt die Beklagte noch vor, dass selbst bei unterstellter Deckung dem Grunde nach für eine weitere Entschädigungsleistung angesichts der dann gegebenen mehrfachen Anordnung jedenfalls der Höhe nach kein Raum sei. Sie verweist insoweit auf § 3 Nr. 2 der Anlage B 1b, wonach die Einstandspflicht des Versicherers für mehrere zusammenhängende Schadensereignisse begrenzt sei.
37
Das Gericht hat mit Beschluss vom 28.01.2021 angeordnet, dass mit Zustimmung der Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden wird und als Zeitpunkt, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht und bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können, den 25.02.2021 bestimmt.

Entscheidungsgründe

38
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Landgericht Kempten (Allgäu) sowohl sachlich gemäß §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG als auch örtlich nach § 215 Abs. 1 VVG zuständig.
39
Die Klage ist jedoch nicht begründet.
40
Der Klägerin stehen gegen die Beklagte keine Ansprüche aus der in der zwischen den Parteien bestehenden „Profi-Schutz Sach-Versicherung“ enthaltenen Betriebsschließungsversicherung zu.
41
Nach dem in § 2 Nr. 1 der zugrundeliegenden Zusatzbedingungen geregelten Versicherungsumfang leistet der Versicherer Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Nr. 2)
42
a) den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen schließt.
43
Vorliegend wurde zwar aufgrund der Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 16.03.2020, die am 18.03.2020 zunächst bis zum 30.03.2020 für Gastronomiebetriebe in Kraft trat und die im Folgenden bis 17.05.2020 verlängert wurde, durch die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) der versicherte Betrieb der Klägerin zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern bei Menschen in dem in den Allgemeinverfügungen und den Verordnungen angeführten Umfang geschlossen.
44
Allerdings ist eine Betriebsschließung wegen des Auftretens des in der Begründung der Allgemeinverfügung angeführten neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 (bzw. COVID-19) nicht von der streitgegenständlichen Betriebsschließungsversicherung umfasst.
45
§ 2 Nr. 1 der Zusatzbedingungen verweist hinsichtlich des Auftretens meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger mit dem dortigen Klammerzusatz „siehe Nr. 2“ ausdrücklich auf § 2 Nr. 2 der Zusatzbedingungen mit der fettgedruckten Überschrift „Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger“.
46
Diese Nr. 2 lautet wie folgt:
„Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Zusatzbedingungen sind die folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger:
a) Krankheiten“
Es folgt eine jeweils durch einen Strichpunkt getrennte alphabetische Aufzählung von insgesamt 23 Krankheiten, beginnend mit „Botulismus“ und endend mit „die Verletzung eines Menschen durch ein tollwutkrankes, -verdächtiges oder -ansteckungsverdächtiges Tier sowie die Berührung eines solchen Tieres oder Tierkörpers“.
„b) Krankheitserreger“
Es folgt eine wiederum jeweils durch einen Strichpunkt getrennte alphabetische Aufzählung von insgesamt 52 Krankheitserregern beginnend mit „Adenoviren“ und endend mit „Toxoplasma gondii (Meldepflicht nur bei konnatalen Infektionen)“.
47
Weder unter § 2 Nr. 2 a) noch unter § 2 Nr. 2 b) der Zusatzbedingungen ist das in der Begründung der Allgemeinverfügung vom 16.03.2020 enthaltene neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 bzw. das Virus COVID-19 aufgeführt.
48
Die Auslegung von § 2 Nr. 2 der Zusatzbedingungen ergibt, dass allein die dort namentlich angeführten „folgenden“ Krankheiten und Krankheitserreger versichert sind.
49
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (zuletzt BGH, Urteil vom 08.01.2020 - IV ZR 240/18, Rz. 9, m.w.N.) sind Allgemeine Versicherungsbedingungen so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind.
50
Ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer kann bereits nach dem Wortlaut von § 2 Nr. 2 der dem Vertrag zugrunde liegenden Zusatzbedingungen erkennen, dass ausschließlich die in dieser Nr. 2 folgenden, im Einzelnen unter a) namentlich aufgeführten Krankheiten und unter b) namentlich aufgeführten Krankheitserreger versichert sind.
51
So steht zwischen dem Wort „folgenden“ und dem weiteren Text in § 2 Nr. 2 der Zusatzbedingungen „im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger“ ausdrücklich ein Komma. Das Wort „folgenden“ bezieht sich damit nicht auf die im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger, sondern betrifft nur die anschließend unter a) aufzählend aufgeführten Krankheiten sowie die unter b) aufzählend aufgeführten Krankheitserreger. Hierdurch ist für den die Versicherungsbedingungen aufmerksam lesenden Versicherungsnehmer klargestellt, dass nur diese jeweils aufzählend aufgeführten Krankheiten und Krankheitserreger von der Versicherung umfasst sind. Der Versicherungsnehmer kann auch ohne weiteres und eindeutig den Zusatzbedingungen entnehmen, welche Krankheiten und Krankheitserreger im Falle einer Betriebsschließung tatsächlich versichert sind.
52
Die Aufzählung ist auch aus der Sicht eines durchschnittlichen, um Verständnis bemühten Versicherungsnehmers abschließend. Ein solcher Versicherungsnehmer kann aus dem Wortlaut der vorliegenden Zusatzbedingungen nicht entnehmen, dass weitere in §§ 6 und 7 sowohl zum Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsvertrags als auch zukünftig namentlich genannte Krankheiten oder Krankheitserreger, jedoch in der Aufzählung der Zusatzbedingungen nicht enthaltene Krankheiten oder Krankheitserreger versichert sein sollen.
53
§ 2 Nr. 2 der Zusatzbedingungen enthält auch keine Einschränkung dahingehend, dass insbesondere oder beispielsweise die folgenden Krankheiten oder Krankheitserreger meldepflichtige Krankheiten oder Krankheitserreger im Sinne der Bedingungen sind und damit im Falle einer Betriebsschließung versichert sind.
54
Soweit der Begriff „namentlich“ in einem bestimmten Kontext auch die Bedeutung „insbesondere“ haben kann, kommt eine solche Bedeutung des Begriffs „namentlich“ im vorliegenden Kontext und bei der Stellung des Wortes „namentlich“ in § 2 Nr. 2 der Zusatzbedingungen keinesfalls in Betracht.
55
Auch der Sinn und Zweck der Zusatzbedingungen lässt aus der Sicht eines durchschnittlichen, um Verständnis bemühten Versicherungsnehmers keine andere Auslegung zu.
56
Einem solchen Versicherungsnehmer, der, wie hier, zudem Kaufmann ist, ist auch bewusst, dass ein Versicherungsunternehmen seinen Versicherungsbedingungen eine Risikoanalyse zu Grunde legt und hierbei insbesondere den Umfang der versicherten Risiken in Relation zur Höhe der zu zahlenden Prämien setzt (ebenso LG Bayreuth, Endurteil vom 08.09.2020, Az. 22 O 207/20). Ebenso ist es einem solchen Versicherungsnehmer bewusst, dass ein Versicherer nur für die von ihm angeführten Krankheiten und Krankheitserreger und von ihm deshalb einschätzbaren Risiken einstehen will.
57
Einem Versicherer steht es auch, was einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer ebenfalls bekannt ist, frei, nur bestimmte Risiken, vorliegend nur die Betriebsschließung aufgrund bestimmter Krankheiten und Krankheitserreger, die er in seinen Allgemeinen Versicherungsbedingungen im Einzelnen aufgezählt hat, zu versichern.
58
So hat die beklagte Versicherung schon nicht alle in spätere Fassungen von § 6 Infektionsschutzgesetz aufgenommene Krankheiten, wie z. B. Keuchhusten, das erstmals in der Fassung vom 25.07.2017 erscheint, in § 2 Nr. 2 der Zusatzbedingungen ebenfalls aufgenommen.
59
§ 2 Nr. 2 der Zusatzbedingungen definiert auch im Einzelnen die versicherten meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger und ist nicht als Einschränkung des Leistungsumfangs zu verstehen. Es handelt sich um keine den Versicherungsschutz einschränkende Ausschlussklausel.
60
Der Versicherungsnehmer kann, wie bereits ausgeführt, anhand § 2 Nr. 2 der Zusatzbedingungen, auch durch die alphabetische Auflistung, ohne weiteres und eindeutig erkennen, welche Krankheiten und Krankheitserreger im Falle einer Betriebsschließung versichert sind. Eine nach § 305 c Abs. 1 BGB überraschende Klausel liegt ebenso wenig vor wie eine den Versicherungsnehmer unangemessen benachteiligende Klausel.
61
Entgegen der Ansicht der Klagepartei kann das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 bzw. das Virus COVID-19 auch nicht unter eine der in § 2 Nr. 2 der Zusatzbedingungen unter a) aufgeführten Krankheiten oder unter b) aufgeführten Krankheitserreger, wie etwa die Influenzaviren subsumiert werden. Ließe man eine solche Analogie zu, würde das Risiko des Versicherers trotz Verwendung eines abschließenden Katalogs für diesen im Ergebnis unkalkulierbar sein (ebenso LG Bayreuth, Urteil vom 08.09.2020).
62
Der Klägerin als Versicherungsnehmerin wäre es unbenommen gewesen, das neuartige Coronavirus, das spätestens im Februar 2020 durch entsprechende Medienberichte bekannt war, vor Erlass der Allgemeinverfügung vom 16.03.2020 in den Versicherungsschutz ausdrücklich aufnehmen zu lassen, soweit die Beklagte zum damaligen Zeitpunkt einverstanden gewesen wäre.
63
Da kein versicherter Fall einer Betriebsschließung vorliegt, kann insbesondere dahinstehen, ob der Betrieb der Klägerin vollständig oder nur teilweise geschlossen war und ob vorliegend die Entschädigungsrechnung der Klägerin schlüssig und richtig ist.
64
Mangels Hauptanspruch besteht auch kein Anspruch auf die geltend gemachten Zinsen sowie auf vorprozessuale Rechtsverfolgungskosten.
65
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
66
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.